Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Jason.
Dein Auge hat's gesagt, nun auch der Mund!
Sprich's aus Medea, sprich es aus: ich liebe!
Fällt dir's so schwer ich will dich's lehren, Kind.
Sprich's nach: ich liebe dich!
(Er zieht sie an sich; sie verbirgt dem Zuge folgend das Gesicht in seinen Haaren.)
        – Und noch kein Wort!
Kein Wort, obschon ich sehe, wie der Sturm
An deines Innern festen Säulen rüttelt.
Und doch kein Wort! (Aufspringend.) So hab' es Störrische!
Geh! Du bist frei, ich halte dich nicht mehr!
Kehr' wieder zu den Deinigen zurück,
Zu ihren Menschenopfern, Todesmahlen,
In deine Wildnis, Wilde kehr' zurück,
Geh! Du bist frei; ich halte dich nicht mehr!

Aietes (von innen).
Hierher, Kolcher, hierher!

Jason.
        Dein Vater naht.
Sei froh, ich weigre dich ihm nicht.

Argonauten kommen weichend.
Hinter ihnen Aietes, Absyrtus und Kolcher, die sie verfolgen.

Aietes (auftretend).
Braucht eure Waffen, wackre Genossen!
Wo ist mein Kind?

Absyrtus.
        Dort Vater sitzt sie.

Aietes (zu Jason).
Verruchter Räuber, mein Kind gib mir zurück!

Jason.
Wenn du mich bittest, nicht wenn du mir drohst.
Dort ist dein Kind. Nimm sie und führ' sie heim.
Nicht weil Du willst, weil sie will und weil ich will.
(Zu Medeen hintretend und sie anfassend.)
Steh auf Medea! Komm! Hier ist dein Vater!
Du sehntest dich nach ihm; hier ist er nun.
Verhüten es die Götter, daß ich hier
Zurück dich hielte wider deinen Willen.
Was zitterst du? du hast es selbst gewollt.
(Er führt die Wankende zu ihrem Vater und gibt sie ihm in die Arme.)
Hier Vater ist dein Kind.

Aietes (Medeen empfangend, die das Gesicht auf seiner Schulter verbirgt).
        Medea!

Absyrtus.
                Schwester!

Jason.
Nun König, rüste dich zum Todeskampf!
Die Bande, die mich hielten sind gesprengt,
Zerronnen ist der schmeichelhafte Wahn,
Der mir der Tatkraft Sehnen abgespannt.
Mit ihr, die jetzo ruht in deinem Arm,
Legt' ich den Frieden ab und atme Krieg.
Auf, rüste dich, es gilt dein Heil und Leben!
(Zu Medeen.)
Du aber, die hier stumm und bebend liegt,
Das Angesicht so feindlich abgewandt,
Leb' wohl! Wir scheiden jetzt auf immerdar.
Es war ein Augenblick, wo ich gewähnt,
Du könntest fühlen, könntest mehr als hassen,
Wo ich geglaubt, die Götter hätten uns
Gewiesen an einander, dich und mich.
Das ist nunmehr vorbei. So fahre hin!
Du hast das Leben zweimal mir gerettet,
Das dank' ich dir und werd' es nie vergessen.
In ferner Heimat und nach langen Jahren
Will ich's erzählen in dem Kreis der Freunde.
Und frägt man mich und forscht: wem gilt die Träne,
Die fremd dir da im Männerauge funkelt?
Dann sprech' ich wohl in schmerzlicher Erinnrung:
Medea hieß sie; schön war sie und herrlich,
Allein ihr Busen barg kein Herz.

Aietes.
        Medea
Was ist? Feucht liegt dein Gesicht auf meiner Schulter.
Weinst du?

Jason.
        Du weinst? Laß mich die Tränen sehn,
O laß mich's glauben, daß du weinen kannst.
Blick' noch einmal nach mir, es ist das letztemal;
Ich will den Blick mittragen in die Ferne.
Denk' doch, es ist zum letzten- letztenmal.
(Er faßt ihre herabhängende Hand.)

Aietes.
Wagst du's, zu berühren ihre Hand?

Jason (indem er ihre Hand fahren läßt).
Sie will nicht. Nun wohlan, so sei es denn!
Du siehst mich nimmermehr auf dieser Erde.
Leb' wohl Medea, leb' auf ewig wohl!
(Er geht rasch.)

Medea (das Gesicht hinwendend und den Arm ihm nachstreckend).
Jason!

Jason (umkehrend).
        Das war's! Medea! Komm zu mir!
(Auf sie zueilend und ihre Hand fassend.)
Zu mir!

Aietes (sie an der andern Hand haltend).
        Verwegner, fort!

Jason (Aietes' Hand wegschleudernd und Medeen an sich reißend).
                Wagst du's Barbar!
Sie ist mein Weib!

Aietes.
        Sein Weib? – Du schweigst Verworfne?

Jason (Medeen auf die andere Seite führend).
Hierher Medea, fort von diesen Wilden.
Von nun an bist du mein und keines Andern!

Aietes.
Medea, du weigerst dich nicht? du folgst ihm?
Stößt ihm nicht den Stahl in die frevelnde Brust?
Verruchte, war's vielleicht dein eignes Werk?
(Auf Jason eindringend.)
Meine Tochter gib mir, mein verlocktes Kind!

Medea (sich zwischen beide werfend).
Vater, töt' ihn nicht! Ich lieb' ihn!

Jason.
Er konnte dir's entreißen und ich nicht!

Aietes.
Schamlose! Du selbst gestehst's? Gestehst deine Schande?
O, daß ich nicht merkte die plumpe List,
Daß ich selbst sie sandte in seinen Arm,
Vertrauend der Väter Blut in ihren Adern!

Jason.
Darfst du sie schmähen?

Medea.
        Höre mich Vater!
Es ist geschehn was ich fürchtete. Es ist.
Aber laß uns klar sein, Vater, klar!
In schwarzen Wirbeln dreht sich's um mich
Aber ich will hindurch, empor aus Dunkel und Nacht.
Noch läßt sich's wenden, ab sich wenden. Höre mich!

Aietes.
Was soll ich hören? Ich habe gesehn!

Medea.
Vater! Vernicht' uns nicht alle.
Löse den Zauber, beschwichtige den Sturm!
Heiß ihn dableiben, den Führer der Fremden,
Nimm ihn auf, nimm ihn an!
An deiner Seite herrsch' er in Kolchis,
Dir befreundet, dein Sohn!

Aietes.
        Mein Sohn? Mein Feind.
Tod ihm, und dir, wenn du nicht folgst!
Willst du mit mir? Sprich! Willst du oder nicht?

Medea.
Höre mich.

Aietes.
        Willst du, oder nicht?

Absyrtus.
Gönn' ihr zu sprechen, Vater!

Aietes.
        Ja oder nein?
Laß mich Sohn! – Willst du? – Sie kommt nicht. – Schlange!
(Er holt mit dem Schwert aus.)

Jason (sich vor sie hinstellend).
Du sollst sie nicht verletzen!

Absyrtus (zugleich dem Vater in den Arm fallend).
        Vater, was tust du?

Aietes.
Du hast recht. Nicht sterben soll sie, leben;
Leben in Schmach und Schande; verstoßen, verflucht,
Ohne Vater, ohne Heimat, ohne Götter!

Medea.
Vater!

Aietes.
        Du hast mich betrogen, verraten.
Bleib! Nicht mehr betreten sollst du mein Haus.
Ausgestoßen sollst du sein, wie das Tier der Wildnis,
Sollst in der Fremde sterben, verlassen, allein.
Folg' ihm, dem Buhlen, nach in seine Heimat,
Teile sein Bett, sein Irrsal, seine Schmach;
Leb' im fremden Land, eine Fremde,
Verspottet, verachtet, verhöhnt, verlacht;
Er selbst, für den du hingibst Vater und Vaterland
Wird dich verachten, wird dich verspotten,
Wenn erloschen die Lust, wenn gestillt die Begier;
Dann wirst du stehn und die Hände ringen,
Sie hinüberbreiten nach dem Vaterland,
Getrennt durch weite, brandende Meere,
Deren Wellen dir murmelnd bringen des Vaters Fluch!

Medea (knieend).
Vater!

Aietes.
        Zurück! Ich kenne dich nicht!
Komm, mein Sohn! Ihr Anblick verpestet,
Ihre Stimme ist Todeslaut meinem Ohr.
Umklammre nicht meine Kniee, Verruchte!
Sieh ihn dort, ihn, den du gewählt;
Ihm übergeb' ich dich;
Er wird mich rächen, er wird dich strafen,
Er selber, früher als du denkst.

Medea.
Vater!

Aietes (indem er die Knieende von sich stößt, daß sie halbliegend zurücksinkt).
        Weg deine Hand, ich kenne dich nicht!
Fort mein Sohn, mein einziges Kind!
Fort mein Sohn aus ihrer Nähe!
(Ab mit Absyrtus und Kolchern.)

Jason.
Flieh nur Barbar, der Rach' entgehst du nicht!
(Zu den Argonauten.)
Nun Freunde gilt's; die Waffen haltet fertig
Zum letzten Streich, der Sieg bringt oder Tod.
(Auf Medeen zeigend.)
Sie kennt das Vließ, den Ort, der es verbirgt,
Mit ihr vollbringen wir's und dann zu Schiff.
(Zu Medeen hintretend, die noch auf eine Hand gestützt, die andre über die Stirne gelegt am Boden liegt.)
Steh auf Medea, er ist fort. – Steh auf!
(Er hebt sie auf.)
Hier bist du sicher.

Medea (die sich in seinen Armen aufgerichtet hat, aber mit einem Kniee noch am Boden liegt).
        Jason, sprach er wahr?

Jason (sie ganz aufhebend).
Denk' nicht daran!

Medea (scheu an ihn geschmiegt).
        O Jason, sprach er wahr?

Jason.
Vergiß was du gehört, was du gesehn,
Was du gewesen bist auf diese Stunde.
Aietes' Kind ist Jasons Weib geworden,
An dieser Brust hängt deine Pflicht, dein Recht.
Und wie ich diesen Schleier von dir reiße,
Durchwoben mit der Unterird'schen Zeichen,
So reiß' ich dich von all den Banden los,
Die dich geknüpft an dieses Landes Frevel.
Hier Griechen eine Griechin! Grüßet sie!
(Er reißt ihr den Schleier ab.)

Medea (darnach fassend).
Der Götter Schmuck!

Jason.
        Der Unterird'schen! Fort!
Frei wallt das Haar nun um die offne Stirn;
So frei und offen bist du Jasons Braut.

Nun nur noch eins und dann zu Schiff und fort.
Das Vließ, du kennst's, zeig' an mir, wo es liegt!

Medea.
Ha schweig!

Jason.
        Warum?

Medea.
                Sprich nicht davon!

Jason.
Mein Wort hab' ich gegeben, es zu holen
Und ohne Siegespreis kehrt Jason nicht zurück.

Medea.
Ich sage dir, sprich nicht davon!
Ein erzürnter Gott hat es gesendet,
Unheil bringt es, hat es gebracht!
Ich bin dein Weib! Du hast mir's entrissen,
Aus der Brust gerissen das zagende Wort,
Ich bin dein, führe mich wohin du willst
Aber kein Wort mehr von jenem Vließ!
In vorahnender Träume dämmerndem Licht
Haben mir's die Götter gezeigt
Gebreitet über Leichen,
Besprützt mit Blut,
Meinem Blut!
Sprich nicht davon!

Jason.
Ich aber muß, nicht sprechen nur davon,
Ich muß es holen, folge was da wolle.
Drum laß die Furcht und führ' mich hin zur Stelle
Daß ich vollende, was mir auferlegt.

Medea.
Ich? Nimmermehr!

Jason.
        Du willst nicht?

Medea.
                Nein!

Jason.
Und weigerst du mir Beistand, hol' ich's selbst.

Medea.
So geh!

Jason (sich zum Fortgehen wendend.)
        Ich gehe.

Medea (dumpf).
                Geh – in deinen Tod!

Jason.
Kommt Freunde, laßt den Ort uns selbst erkunden!
(Er geht.)

Medea.
Jason!

Jason (wendet sich um).
        Was ist?

Medea.
                Du gehst in deinen Tod!

Jason.
Kam ich hierher und fürchtete den Tod?

Medea (auf ihn zueilend und seine Hand fassend).
Ich sage dir, du stirbst.
(Halblaut.)
In der Höhle liegt's verwahrt,
Verteidigt von allen Greueln
Der List und der Gewalt.
Labyrinthische Gänge,
Sinnverwirrend,
Abgründe, trügerisch bedeckt,
Dolche unterm Fußtritt,
Tod im Einhauch,
Mord in tausendfacher Gestalt,
Und das Vließ, am Baum hängt's,
Giftbestrichen,
Von der Schlange gehütet,
Die nicht schläft,
Die nicht schont,
Unnahbar.

Jason.
Ich hab' mein Wort gegeben und ich lös' es.

Medea.
Du gehst?

Jason.
        Ich geh'!

Medea (sich ihm in den Weg werfend).
                Und wenn ich hin mich werfe
Flehend deine Kniee umfass' und rufe:
Bleib! bleib!

Jason.
        Nichts hält mich ab!

Medea.
                O Vater, Vater!
Wo bist du? Nimm mich mit!

Jason.
        Was klagst du?
Wohl eher wär' das Recht zu klagen mir.
Ich tue was ich muß, du hast zu wählen.
Du weigerst dich und so geh' ich allein.
(Er geht.)

Medea.
Du gehst?

Jason.
        Ich geh'!

Medea.
                Trotz allem was ich bat,
Doch gehst du?

Jason.
        Ja!

Medea (aufspringend).
                So komm!

Jason.
                        Wohin?

Medea.
                                Zum Vließ,
Zum Tod! – Du sollst allein nicht sterben,
Ein Haus, Ein Leib und Ein Verderben!

Jason (sich ihr nähernd).
Medea!

Medea (ausweichend).
        Die Liebkosung laß
Ich habe sie erkannt! – O Vater! Vater!
So komm, laß uns holen was du suchst;
Reichtum, Ehre,
Fluch, Tod!
In der Höhle liegt's verwahrt
Weh dir, wenn sich's offenbart!
Komm!

Jason (ihre Hand fassend).
        Was quält dich?

Medea (indem sie ihre Hand aufschreiend wegzieht).
                Ah! – Phryxus! – Jason!

Jason.
Um aller Götter willen!

Medea.
        Komm! Komm!
(Huscht fort mit weit aufgerissenen Augen vor sich hinstarrend. Die andern folgen.)

Der Vorhang fällt.


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