Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Ein Kolcher tritt auf.

Kolcher.
        Der König naht!

Jason.
So laßt uns stark sein und entschlossen, Freunde
Nicht ahne der Barbar, was hier geschehn!

Aietes tritt auf mit Gefolge.

Aietes.
Wer ist der das Wort führt für die Fremden!

Jason (vortretend).
        Ich!

Aietes.
Beginn!

Jason.
        Hochmütiger Barbar, du wagst –?

Aietes.
Was willst du?

Jason.
        Achtung!

Aietes.
                Achtung?

Jason.
                        Meiner Macht,
Wenn meinem Namen nicht!

Aietes.
        Wohlan, so sprich!

Jason.
Thessaliens Beherrscher, Pelias,
Mein Oheim und mein Herr, schickt mich zu dir,
Mich, Jason, dieser Männer Kriegeshaupt,
Zu dir zu reden, wie ich jetzo rede!
Gekommen ist die Kunde übers Meer,
Daß Phryxus, ein Hellene, hohen Stammes,
Den Tod gefunden hier in deinem Reich!

Aietes.
Ich schlug ihn nicht.

Jason.
        Warum verteidigst du dich,
Eh ich dich noch beschuldigt? Hör' mich erst.
Mit Schätzen und mit Gute reich beladen
War Phryxus' Schiff. Das blieb in deiner Hand
Als er verblich geheimnisvollen Todes!
Sein Haus ist aber nahverwandt dem meinen,
Drum in dem Namen meines Ohms und Herrn
Fordr' ich, daß du erstattest, was sein eigen,
Und was nun mein und meines Fürstenhauses.

Aietes.
Nichts weiß ich von Schätzen.

Jason.
        Laß mich enden.
Das Köstlichste von Phryxus' Gütern aber
Es war ein köstliches, geheimnisvolles Vließ,
Des er entkleidete in Delphis hoher Stadt
Das Bildnis eines unbekannten Gottes
Das dort seit grauen Jahren aufgestellt,
Man sagt, von den Urvätern unsers Landes,
Die fernher kommend, und von Oben stammend,
Das Land betraten und der Menschheit Samen
Weitbreitend in die leere Wildnis streuten,
Und Hellas' Väter wurden, unsre Ahnen
Von ihnen sagt man stamme jenes Zeichen,
Ein teures Pfand für Hellas' Heil und Glück.
Vor allem nun dies Vließ fordr' ich von dir,
Daß es ein Kleinod bleibe der Hellenen
Und nicht in trotziger Barbaren Hand
Zum Siegeszeichen diene wider sie.
Sag' was beschließest du?

Aietes.
        Ich hab's nicht!

Jason.
                Nicht?
Das goldne Vließ?

Aietes.
        Ich hab's nicht, sag' ich dir!

Jason.
Ist dies dein letztes Wort?

Aietes.
        Mein letztes!

Jason.
Wohlan!
(Wendet sich zu gehn.)

Aietes.
        Wo willst du hin?

Jason.
                Fort, zu den Meinen,
Sie zu den Waffen rufen, um zu sehen,
Ob du der Macht unnahbar wie dem Recht.

Aietes.
Ich lache deiner Drohungen!

Jason.
        Wie lange?

Aietes.
Tollkühner! Mit einem Häufchen Abenteurer
Willst du trotzen dem König von Kolchis?

Jason.
Ich will's versuchen!
(Will gehen.)

Aietes.
        Halt! Du rasest glaub' ich.
Ist wirklich der Götter Huld geknüpft an jenes Zeichen
Und ist dem Sieg und Rache, der's besitzt,
Wie kannst du hoffen zu bestehen gegen mich,
In dessen Hand –

Jason.
        Ha, so besitzest du's?

Aietes.
Wenn's wäre, mein' ich, wie du glaubst.

Jason.
        Ich weiß genug!
Schwachsinniger Barbar, und darauf stützest
Du deiner Weigrung unhaltbaren Trotz?
Du glaubst zu siegen, weil in deiner Hand –
Nicht gut nicht schlimm ist, was die Götter geben
Und der Empfänger erst macht das Geschenk.
So wie das Brot, das uns die Erde spendet,
Den Starken stärkt, des Kranken Siechtum mehrt,
So sind der Götter hohe Gaben alle,
Dem Guten gut, dem Argen zum Verderben.
In meiner Hand führt jenes Vließ zum Siege
In deiner sichert's dir den Untergang.
Sprich selbst, wirst du es wagen zu berühren
Besprützt wie's ist mit deines Gastfreunds Blut, –

Aietes.
Schweig!

Jason.
        Sag' gibst du's heraus? – ja oder nein!

Aietes.
So höre mich!

Jason.
        Ja oder nein!

Aietes.
                Du rascher!
Warum uns zanken ohne Not
Laß uns friedlich überlegen
Und dann entscheiden was zu geschehn!

Jason.
Du gibst es denn heraus?

Aietes.
        Was? – Ei laß das!
Wir wollen uns erst kennen und verstehn.
Dem Freunde gibt man, nicht dem Fremden!
Tritt ein bei mir und ruhe von der Fahrt.

Jason.
Ich trau' dir nicht!

Aietes.
        Warum nicht?
Ist auch rauh meine Sprache, fürchte nichts.
Laß dir's wohl sein in meinem Lande.
Liebst du den Becher? Wir haben Tranks die Fülle.
Jagd? Wildreich sind unsre Forste.
Magst du dich freun in der Weiber Umarmung?
Kolchis hat – (Näher zu ihm tretend.) Liebst du die Weiber?

Jason.
Eure Weiber? und doch –

Aietes.
        Liebst du die Weiber?

Jason.
Kennst einen Turm du dort im nahen Walde,
Der – doch wo bin ich! Komm zur Sache König!
Gibst du das Vließ?

Aietes (zu einem Kolcher).
        Ruf Medeen und bring' Wein!

Jason.
Noch einmal, gibst du mir das Vließ?

Aietes.
        Sei ruhig!
Erst gezecht dann zum Rat, so halten wir's.

Jason.
Ich will von deinen Gaben nichts.

Aietes.
        Du sollst!
Ungespeist geht keiner aus Aietes' Hause!
Sieh man kommt, laß dir's gefallen, Fremdling!

Medea kömmt verschleiert einen Becher in der Hand, mit ihr Diener die Pokale tragen.

Aietes.
Hier trink, mein edler Gast! (Zu Medeen.) Ist er bereitet?

Medea.
O frage nicht!

Aietes.
        So geh und biet ihn an!
Erlabe dich mein Gast!

Jason.
        Ich trinke nicht!
(Medea fährt beim Klang von Jasons Stimme zusammen. Sie blickt empor, erkennt ihn und tritt einige Schritte zurück.)

Aietes (zu Jason).
Warum nicht? (Zu Medeen.) Hin zu ihm. Tritt näher sag' ich!

Jason.
Was seh' ich? – Diese Kleider! – Mädchen bleib!
Dein Kleid erneuert mir ein holdes Bild
Das ich nur erst – Gib deinen Becher mir,
Ich wag's auf deine Außenseite! Gib!
(Er nimmt den Becher aus ihrer Hand.)
Ich leer' ihn auf dein Wohl!

Medea.
        Halt ein!

Jason.
                Was ist?

Medea.
Du trinkst Verderben!

Jason.
        Wie?

Aietes.
                Medea!

Jason (indem er den Becher wegwirft).
                        König
Das deine Freundschaft? Rache dir Barbar!
Doch du, wer bist du? die so sonderbar
Mit Grausamkeit vereinet Mitleids Milde?
Laß mich dich schaun! (Er reißt ihr den Schleier ab.) Sie ist's! Es ist dieselbe!

Aietes.
Medea fort!

Jason.
        Medea heißest du?
So sprich Medea denn!

Medea.
        Was willst du?

Jason.
                Wie?
So mild dein Tun und rauh dein Wort, Medea?
Nur zweimal sah ich dich und beidemal
Verdank' ich dir mein Leben. Habe Dank!
Es scheint die Götter haben uns ersehn
Uns Freund zu sein, nicht Feinde, o Medea!
Noch einmal diesen Blick, o sieh nicht weg!
Schau' mir ins Aug, ich mein' es rein und gut.
(Erfaßt ihre Hand und wendet sie gegen sich.)
Laß mich in deinem Blick die Kunde lesen
(Medea entreißt ihm die Hand.)

Jason.
Halt ein!

Medea (sich emporrichtend).
        Verwegner wagst du's? – Weh!
(Sie begegnet seinem Blicke, fährt zusammen und entflieht.)

Jason.
                Medea!
(Medea ab.)
(Er eilt ihr nach.)

Aietes.
Zurück!

Jason.
        Du selbst zurück, Barbar! – Medea!

Indem er ins Zelt dringen will und Aietes sich ihm abwehrend in den Weg stellt, fällt der Vorhang.


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