Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Zwei Griechen treten auf,
Gora mit gebundenen Händen in ihrer Mitte.

Milo.
Was ist? Was bindet ihr das Weib! – Gleich löst sie!

Soldat.
Das Weib da kam an unsre Vorwacht, Herr
Und fragte nach – nu nach der Kolcherin
Die heut wir fingen.

Gora.
        Kolcherin?
Ha Sklav', Medea ist's,
Des Kolcherfürsten Tochter.
Wo habt ihr sie?

Soldat.
Wir wollten sie nicht lassen, daß sie nicht
Dem Feinde Kundschaft gäb' von unsrer Lagrung
Allein sie wehrt' es und fast männlich, Herr.
Da banden wir sie, weil sie sich nicht fügte,
Und bringen sie euch her!

Milo.
        Löst ihre Bande!
(Es geschieht.)

Gora.
Wo ist Medea? Wo ist mein Kind?

Milo.
Dein Kind?

Gora.
        Ich hab' sie gesäugt gepflegt.
Als eine Mutter mein Kind. Wo habt ihr sie?
Sie sagen: freien Willens sei sie geblieben
Bei euch in eures Lagers Umfang;
Aber 's ist Lüge, ich kenne Medea
Ich kenne mein Kind.
Gefangen haltet ihr sie zurück.
Gebt sie heraus! Wo ist sie?

Milo.
Ganz gut kommst als Genossin du für sie
Leicht fände sie sich einsam unter Menschen.
Bringt sie ins Schiff!

Gora.
        So weilt sie dort?

Milo.
                Geh nur!
Zu bald wirst du sie noch erblicken! – Geh!

Gora (die abgeführt wird).
Ins Meer, nicht in das Schiff, wenn ihr mich täuscht. (Ab.)

Milo (ihr nachschauend).
Ha! bringen wir die wilden Tiere alle
Nach Griechenland, ich sorge, man erdrückt uns,
Die Seltenheit zu sehn! – Und Er kommt nicht!
(Man hört dumpfe Schläge unter der Erde.)
Was ist das? – Horch! – Speit auch der Boden Wunder?
Versucht's der Feind? –
(Gegen die Krieger, das Schwert ziehend.)
        Holla! zur Hand!
(Die Krieger greifen nach ihren Waffen.)

Milo.
Die Erde hebt sich! – Was geschieht noch alles?

Eine Falltüre öffnet sich am Boden. Medea steigt herauf.

Medea.
Hier ist der Tag. (Nachdem sie ganz heroben ist.) Und hier die Deinen.
Ich hielt was ich versprach.

Jason mit dem Vließ-Banner steigt auch herauf.
Medea läßt die Falltüre nieder.

Milo (auf ihn zueilend und seine Hand nehmend).
        Du bist es Jason!
Du!

Jason (der mit gebeugtem Kopf dagestanden, emporblickend).
        Jason! – Wo? – Ja so! Ja, ja!
(Ihm die linke Hand reichend. In der rechten hält er das Banner.)
                Freund Milo!

Milo (im Vortreten).
Und mit dem Vließ?

Jason (schreckhaft sich umsehend).
        Ha! – Mit dem Vließ! – (Es hinhaltend.) Hier ist's!
(Sich noch einmal umsehend.)
Ein widerlicher Mantel dort, der graue
Und drein gehüllt der Mann bis an die Zähne.
(Auf ihn zugehend.)
Borg' mir den Mantel, Freund!
(Der Soldat gibt den Mantel.)
        Ich kenne dich
Du bist Archytas aus Korinth. Ja, ja
Ein lust'ger Kauz, ein Geist mit Fleisch und Blut!
(Ihn an der Schulter anfassend.)
Mit Fleisch und Blut!
(Widerlich lachend.)
        Ha! ha! – Ich dank' dir Freund!

Milo.
Wie sonderbar –

Jason (den Mantel um das Vließ hüllend).
        Wir wollen das verhüllen,
So – und hier aufbewahren bis wir's brauchen.
(Er legt das Vließ hinter ein Felsenstück, auf das sich Medea sinnend gesetzt hat.)
Was sinnest du Medea, sinnest jetzt?
Laß uns die Überlegung aufbewahren
Als Zeitvertreib auf langer Überfahrt.
Komm her mein Weib, mir angetraut
Bei Schlangenzischen unterm Todestor.

Milo (sich zu Medea wendend).
Das Schiff dort birgt, was dir willkommen wohl.
Ein Weib, Medeens Pflegerin sich nennend
Ward eingebracht –

Medea.
        Gora. – Zu ihr!

Jason (rauh).
                Bleib da!
(Medea erschrocken die Hände auf Brust und Stirn legend, bleibt stehen.)

Jason (milder).
Ich bitte dich bleib da!
(Indem er sie zurückführt.)
        Geh nicht Medea!
(Sie wirft einen scheuen Blick auf ihn.)
Entwöhne dich vom Umgang jener Wilden
Dafür an unseren gewöhne dich!
Wir sind jetzt Eins, wir müssen einig denken.

Milo.
Kommt jetzt zu Schiff!

Jason.
        Ja, ja! Komm mit Medea!
Wie lau die Feinde sind! Ich hätte Lust
Zu fechten, fechten. Doch sie schlafen scheint es!

Absyrtus (hinter der Szene).
Hierher!

Milo.
        Sie schlafen nicht.

Jason.
                So besser! Schließt euch!
Zieht gegen unser Fahrzeug euch zurück.
Wir wollen unser Angedenken ihnen
Zum Abschied noch erneun auf immerdar.
(Er rafft das verhüllte Vließ auf.)
Medea, in den Kreis und zittre nicht!

Absyrtus tritt mit Kolchern auf.

Absyrtus.
Hier ist sie! Komm zu mir! Medea! Schwester!

Medea (die bei seinem Eintritt ihm unwillkürlich einige Schritte entgegen gegangen ist, jetzt stehen bleibend).
Wohl deine Schwester, doch Medea nicht!

Jason.
Was weilst du dort? Tritt wieder her zu uns!

Absyrtus (mitleidig zu ihr tretend).
So wär' es wahr denn, was sie alle sagen
Und ich nicht glauben konnte bis auf jetzt.
Du wolltest ziehen mit den fremden Männern?
Verlassen unsre Heimat, unsern Herd
Den Vater und mich Medea
Mich, der dich so liebt, du arme Schwester!

Medea (an seinen Hals stürzend).
O Bruder! Bruder! (Mit tränenerstickter Stimme.) O mein Bruder!

Absyrtus.
Nein es ist nicht wahr! – Du weinst!
Ich muß auch weinen. Doch was tut's?
Ich schäme mich der Tränen nicht Genossen
Im  K a m p f  will ich zeigen, was ich wert.
Weine nicht Schwester, komm mit mir!

Medea (an seinem Halse, kaum vernehmlich).
O könnt' ich gehn mit dir!

Jason (hinzutretend).
        Du willst mit ihm?

Medea (furchtsam).
Ich?

Jason.
        Du sagtest's!

Medea.
                Sagt' ich etwas Bruder?
Nein, ich sagte nichts!

Absyrtus.
Wohl sagtest du's, und komm, o komm,
Ich führe dich zum Vater, er verzeiht!
Schon hat ihn mein Flehen halb erweicht;
Gewiß verzeiht er, noch ist nichts geschehn,
Die Fremden, sie fanden's noch nicht das Vließ.

Medea (sich entsetzt aus seinen Armen losreißend).
Nicht?
(Schaudernd.)
        Sie haben's!

Jason (indem er die Hülle von dem Vließ reißt und es hochgeschwungen vorzeigt).
                Hier!

Absyrtus.
Das Vließ!
(Zu Medeen.)
        So hast du uns denn doch verraten
Geh hin in Unheil denn und in Verderben!
(Zu Jason.)
Behalt sie, doch das Vließ gib mir heraus!

Jason.
Du schwärmst mein junger Fant! Mach' dich von hinnen,
Und sag' dem Vater was du hier gesehn.
Nehm' ich die Tochter, schenk' ich ihm den Sohn!

Absyrtus.
Das Vließ!

Jason.
        Ich will dein Blut nicht. Schweig und geh!
Mit Drachen ist mein Arm gewohnt zu kämpfen,
Mit Toren nicht wie Du: Geh sag' ich geh!

Absyrtus (eindringend).
Das Vließ.

Jason (ausweichend).
        Mir zu begegnen ist gefährlich,
Denn ich bin grimmig wie der grimme Leu.

Absyrtus.
Das Vließ!

Jason.
        So hab's!
(Er haut, über die linke Schulter ausholend mit einem grimmigen Seitenhieb auf Absyrtus, daß Helm, Schild und Schwert ihm rasselnd entfallen, er selbst aber, obschon unverwundet, taumelnd niederstürzt.)

Medea (bei dem Fallenden auf die Kniee stürzend und sein Haupt in ihrem Schoß verbergend).
                Halt ein!

Jason.
                        Ich töt' ihn nicht!
Allein gehorchen muß er, muß – gehorchen!

Medea (Absyrtus aufrichtend).
Steh auf!
(Er ist aufgestanden und lehnt sich betäubt an ihre Brust.)

Medea.
        Bist du verletzt?

Absyrtus (matt).
                Es schmerzt! – Die Stirn!

Medea (ihre Lippen auf seine Stirne pressend).
Mein Bruder!

Milo (der früher spähend abgegangen ist, kommt jetzt eilig zurück).
        Auf! Die Feinde nahen! Auf!
In großer Zahl, der König an der Spitze!

Medea (ihren Bruder fester an sich drückend).
Mein Vater!

Absyrtus (matt).
        Unser Vater!

Jason (zu den Beiden).
                Ihr, zurück!

Milo (auf Absyrtus zeigend).
Der Sohn sei Geisel gegen seinen Vater
Bringt ihn dort auf die Höh' zum Schiff hinauf!

Absyrtus (matt die ihn Anfassenden abwehren wollend).
Berührt ihr mich?

Medea.
        O laß uns gehn, mein Bruder!
(Sie werden auf die Höhe gebracht.)

Jason.
Hinan, ins Schiff und spannt die Segel auf.

Aietes kommt mit bewaffneten Kolchern.

Aietes (hereinstürzend).
Haltet ein! Meine Kinder! Mein Sohn!

Absyrtus (oben am Hügel sich loszumachen strebend).
Mein Vater!

Jason (den Hügel hinauf rufend).
        Haltet ihn! (Zu Aietes.) Er bleibt bei mir,
Folgt mir zu Schiff, als Geisel wider dich.
Wenn nur ein Kahn, ein Nachen uns verfolgt
So stürzt dein Sohn hinab ins Wellengrab!
Erst wenn erreicht ist Kolchis' letzte Spitze,
Setz' ich ihn aus und send' ihn her zu dir.
Barbar, du lehrtest mich, dich zu bekämpfen!

Aietes.
Sohn, stehst du in den Armen der Verworfnen?

Absyrtus (fruchtlos sich loszuwinden strebend).
Laß mich!

Medea.
        Mein Bruder! – Vater!

Jason.
                Haltet ihn!

Aietes.
Komm, Sohn!

Jason.
        Umsonst!

Aietes.
                So komm' ich, Sohn, zu dir!
Mir nach ihr Kolcher, folget eurem König!

Jason.
Zurück!

Aietes (vordrängend).
        Glaubst du, du schreckest mich?

Jason.
                Zurück!
Du rettest nicht den Sohn, als wenn du weichst.
Kein Haar wird ihm gekrümmt, ich schwör' es dir!
Bringt ihn an Bord!

Absyrtus (ringend).
        Mich? Nimmermehr!

Aietes.
                Mein Sohn!

Absyrtus.
Fall sie an, befrei' den Sohn, o Vater!

Aietes.
Kann ich's? sie töten dich, wenn ich's tue!

Absyrtus.
Lieber frei sterben, als leben gefangen
Fall' ich auch, wenn nur sie fallen mit!

Jason.
An Bord mit ihm!

Aietes.
        Sohn komm!

Absyrtus (der sich losgerissen hat).
                Ich komme Vater!
Frei bis zum Tod! Im Tode räche mich!
(Er springt von der Klippe ins Meer.)

Medea.
Mein Bruder! Nimm mich mit!
(Sie wird zurückgehalten und sinkt nieder.)

Aietes.
        Mein Sohn!

Jason.
                Er stirbt!
Die hohen Götter ruf' ich an zu Zeugen
Daß  d u  ihn hast getötet und nicht ich!

Aietes.
Mein Sohn! – Nun Rache! Rache!
(Auf Jason eindringend.)
        Stirb!

Jason.
                Laß mich!
Soll ich dich töten?

Aietes.
        Mörder stirb!

Jason.
                Ich Mörder?
Mörder du selber!
(Das Vließ einem Nebenstehenden entreißend, dem er es früher zu halten gegeben.)
        Kennst du dies?

Aietes (schreiend zurücktaumelnd).
                Das Vließ!

Jason (es ihm vorhaltend).
                        Kennst du's?
Und kennst du auch das Blut, das daran klebt?
's ist Phryxus' Blut! – Dort deines Sohnes Blut!
Du Phryxus' Mörder, Mörder deines Sohns!

Aietes.
Verschling mich Erde! Gräber tut euch auf.
(Stürzt zur Erde.)

Jason.
Zu spät, sie decken deinen Frevel nicht.
Als Werkzeug einer höheren Gewalt
Steh' ich vor dir. Nicht zittre für dein Leben,
Ich will nicht deinen Tod; ja stirb erst spät,
Damit noch fernen Enkeln kund es werde,
Daß sich der Frevel rächt auf dieser Erde.
Nun rasch zu Schiff, die Segel spannet auf
Zurück ins Vaterland!

Aietes (an der Erde).
        Weh mir weh
Legt mich ins Grab zu meinem Sohn!

Indem die Kolcher sich um den König gruppieren und Jason mit den Argonauten das Schiff besteigt fällt der Vorhang.



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