Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Medea.
Glaubst du ich könnt's, ich vermöcht' es?
Hundertmal hab' ich aufgeblickt
Zu den glänzenden Zeichen
Am Firmament der Nacht.
Und alle hundertmale
Sanken meine Blicke
Von Schreck getroffen, unbelehrt.
Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch
Und Mord darauf geschrieben, tausendfach,
Und Rache mit demantnen Lettern
Auf seinen schwarzen Grund.
O frage nicht die Sterne dort am Himmel,
Die Zeichen nicht der schweigenden Natur,
Des Gottes Stimme nicht im Tempel:
Betracht' im Bach die irren Wandelsterne,
Die scheu dir blinken aus den düstern Brau'n
Die Zeichen die die Tat dir selber aufgedrückt,
Des Gottes Stimme in dem eignen Busen,
Sie werden dir Orakel geben,
Viel sicherer als meine arme Kunst,
Aus dem was ist und war, auf das was werden wird.

Absyrtus.
Der Vater schweigt. Du bist so seltsam Schwester
Sonst warst du rasch und heiter, frohen Muts;
Mich dünkt du bist dreifach gealtert
In der Zeit als ich dich nicht gesehn!

Medea.
Es hat der Gram sein Alter, wie die Jahre
Und wer der Zeit vorauseilt, guter Bruder,
Kommt früh ans Ziel.

Absyrtus.
        Du weißt wohl also schon
Von jenen Fremden die –

Medea.
        Von Fremden –?

Aietes.
                Halt!
Ich gebot dir zu schweigen! Schweig denn, Schwätzer!
Medea, laß uns klug sprechen und besonnen,
Das Gegenwärt'ge aus der Gegenwart
Und nicht aus dem betrachten was Vergangen.
Wiss' es denn. Fremde sind angekommen, Hellenen,
Sie begehren zu rächen Phryxus' Blut,
Verlangen die Schätze des Erschlagnen
Und des Gottes Banner, das goldene Vließ.

Medea (aufschreiend).
Es ist geschehn! Der Streich gefallen! Weh!
(Will in den Turm zurück.)

Aietes (sie zurückhaltend).
Medea, Halt! – Bleib, Unsinnige!

Medea.
Gekommen die Rächer, die Vergelter!

Aietes.
Willst du mich verlassen, da ich dein bedarf?
Willst du sehen des Vaters Blut?
Medea ich beschwöre dich
Sprich! Rate! Rette! Hilf!
Gib mich nicht Preis meinen Feinden!
Argonauten nennen sie sich
Weil Argo sie trägt, das schnelle Schiff.
Was das Hellenenland an Helden nährt,
An Tapfern vermag, sie haben's versammelt
Zum Todesstreich auf deines Vaters Haupt.
Hilf Medea! Hilf meine Tochter!

Medea.
I ch  soll helfen, hilf du selbst!
Gib heraus was du nahmst, Versöhnung bietend!

Aietes.
Verteilt sind die Schätze den Helfern der Tat;
Werden sie wiedergeben das Empfangne?
Besitzen sie's noch? die törichten Schwelger,
Die leicht vertan das leicht erworbne.
Soll ich herausgeben das glänzende Vließ,
Des Gottes Banner, Perontos Gut?
Nimmermehr! Nimmermehr! Und tät' ich's
Würden sie drum schonen mein und eurer?
Um desto sichrer würgten sie uns,
Rächend des Freundes Tod,
Geschützt durch das heilige Pfand des Gottes.
Deine Kunst befrage, gib andern Rat!

Medea.
Rat dir geben, ich selber ratlos!

Aietes.
Nun wohl, so verharre, du Ungeratne!
Opfre dem Tod deines Vaters Haupt.
Komm mein Sohn, wir wollen hinaus,
Den Streichen bieten das nackte Haupt,
Und fallen unter der Fremden Schwertern.
Komm mein Sohn, mein einzig Kind!

Medea.
Halt Vater!

Aietes.
        Du willst also?

Medea.
                Hör' erst!
Ich will's versuchen, die Götter zu fragen,
Was sie gebieten was sie gestatten.
Und nicken sie zu, so steh' ich dir bei,
Helfe dir bekämpfen den Feind,
Helfe dir schmieden den Todespfeil
Den du abdrücken willst ins dunkle Gebüsch,
Nicht wissend, armer Schütze, wen du triffst.
Es sei! Du gebeutst, ich gehorche!

Aietes.
Medea, mein Kind, mein liebes Kind!

Medea.
Frohlocke nicht zu früh, noch fehlt das Ende.
Ich bin bereit; allein versprich mir erst,
Daß, wenn die Tat gelang, dein Land befreit,
Zu hoffen wag' ich's kaum, allein wenn doch, –
Du mich zurückziehn läßt, in diese Wildnis
Und nimmer mehr mich störst, nicht du, nicht andre.

Aietes.
Warum?

Medea.
        Versprich's!

Aietes.
                Es sei!

Medea.
                        Wohlan denn Herr,
Tritt ein bei deiner Magd, ich folge dir!

Aietes.
Ins Haus?

Medea.
        Drin wird's vollbracht.

Aietes (zu Absyrtus).
                So komm denn Sohn!
(Beide ab in den Turm.)

Medea.
Da gehn sie hin, hin die Verblendeten! –
Ein töricht Wesen dünkt mich der Mensch;
Treibt dahin auf den Wogen der Zeit
Endlos geschleudert auf und nieder,
Und wie er ein Fleckchen Grün erspäht
Gebildet von Schlamm und stockendem Moor
Und der Verwesung grünlichem Moder,
Ruft er: Land! und rudert drauf hin
Und besteigt's – und sinkt – und sinkt –
Und wird nicht mehr gesehn!
Armer Vater, armer Mann!
Es steigen auf vor meinen Blicken
Düstrer Ahnungen Schauergestalten,
Aber verhüllt und abgewandt
Ich kann nicht erkennen ihr Antlitz!
Zeigt euch mir ganz, oder verschwindet
Und laßt mir Ruh, träumende Ruh!
Armer Vater! Armer Mann! –
– Aber der Wille kann viel – und ich will.
Will ihn erretten, will ihn befrein
Oder untergehn mit ihm!
Dunkle Kunst, die mich die Mutter gelehrt
Die den Stamm du treibst in des Lebens Lüfte
Und die Wurzeln geheimnisvoll
Hinabsenkst zu den Klüften der Unterwelt,
Sei mir gewärtig! – Medea will!
Ans Werk denn!
(Zu einigen Jungfrauen die am Eingange des Turmes erscheinen.)
        Und ihr des Dienstes Beflißne
Bereitet die Höhle, bereitet den Altar!
Medea will zu den Geistern rufen,
Zu den düstern Geistern der schaurigen Nacht
Um Rat, um Hilfe, um Stärke, um Macht!
(Ab in den Turm.)

Pause. Dann tritt Jason rasch auf.

Jason.
Hier hört' ich Stimmen! – Hier muß – Niemand hier?

Milo (hinter der Szene).
Holla!

Jason.
        Hierher!

Milo (eben so).
                Jason!

Jason.
                        Hier Milo, hier!

Milo (der keuchend auftritt).
Mein Freund, such' dir 'nen anderen Begleiter!
Dein Kopf und deine Beine sind zu rasch,
Sie laufen, statt zu gehn. Ein großer Übelstand!
Von Beinen mag's noch sein, da hilft das Alter,
Allein ein Kopf der läuft! – Glück auf die Reise!
Such' einen andern sag' ich, ich bin's satt! (Setzt sich.)

Jason.
Wir haben, was wir suchten! – Hier ist Licht!

Milo.
Ja Lichts genug um uns da zu beleuchten
Und zu entdecken und zu schlachten, wenn's beliebt.

Jason.
Ei, Milo Furcht?

Milo (rasch aufstehend).
        Furcht? – Lieber Freund, ich bitte
Wäg' deine Worte eh du sprichst!
(Jason faßt entschuldigend seine Hand.)

Milo.
        Schon gut!
Wir laufen, nu, die Worte laufen mit!
Doch ernst. Was suchst du hier?

Jason.
        Kannst du noch fragen?
Die Freunde, sie, die mir hierher gefolgt,
Ihr Heil vertrauend meines Glückes Stern
Und Jasons Sache machend zu der ihren,
Sie schmachten, kaum dem schwarzen Schiff entstiegen,
Hier ohne Nahrung ohne Labetrunk
In dieser Küste unwirtbaren Klippen,
Kein Führer ist, der Wegeskunde gäbe
Kein Landmann bietend seines Speichers Vorrat
Und von der Herde triftgenährter Zucht.
Soll ich die Hände legen da in Schoß
Und müßig zusehn wie die Freunde schmachten?
Beim Himmel! Ihnen soll ein Führer werden
Und Trank und Speise, sollt' ich auf sie wiegen
Mit meinem Blut!

Milo.
        Das treue, wackre Herz!
O daß du nicht des Freundes Rat gefolgt
Und weggeblieben bist von dieser Küste!

Jason.
Warum denn auch? Was sollt' ich wohl daheim?
Der Vater tot, mein Oheim auf dem Thron
Scheelsüchtig mich, den künft'gen Feind, betrachtend.
Mich litt es länger nicht, ich mußte fort.
Hätt' er nicht selbst, der Falsche, mir geboten
Hierher zu ziehn in dieses Inselland
Das goldne Götterkleinod abzuholen
Von dem man spricht, so weit die Erde reicht
Und das dem Göttersohne Phryxus einst,
Ihn selber tötend, raubten die Barbaren,
Ich wäre selbst gegangen, freien Willens,
Dem eckelhaften Treiben zu entfliehn.
Ruhmvoller Tod für ruhmentblößtes Leben
Mag's tadeln wer da will, mich lockt der Tausch!
Daß dich, o Freund, ich mitzog und die andern,
Das ist wohl schlimm, allein ihr wolltet's so!

Milo.
Ja freilich wollt' ich so und will noch immer
Denn sieh, ich glaub', du hast mir's angetan,
So lieb' ich dich und all dein Tun und Treiben.

Jason.
Mein guter Milo!


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