Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Erster Aufzug

Kolchis. – Wilde Gegend mit Felsen und Bäumen. Im Hintergrunde ein halbverfallener Turm, aus dessen obersten Stockwerke ein schwaches Licht flimmert. Weiter zurück die Aussicht aufs Meer. Finstere Nacht.

Absyrtus (hinter der Szene).
Dorther schimmert das Licht! – Komm hierher Vater! –
Ich bahne dir den Weg! – Noch diesen Stein! –
So! –
(Auftretend und mit dem Schwert nach allen Seiten ins Gebüsch hauend.)
        Aus dem Wege unnützes Pack!
Vater, mein Schwert macht klare Bahn!

Aietes tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln Mantel gehüllt.

Absyrtus.
Wir sind an Ort und Stelle, Vater.
Dort der Turm, wo die Schwester haust.
Siehst das Licht aus ihrer Zelle?
Da weilt sie und sinnt Zaubersprüche
Und braut Tränke den langen Tag,
Des Nachts aber geht sie gespenstisch hervor
Und wandelt umher und klagt und weint.
(Aietes macht eine unwillige Bewegung.)

Absyrtus.
Ja Vater und weint, so erzählt der Hirt
Vom Tal da unten, und ringt die Hände
Daß es, spricht er, kläglich sei anzusehn!
Was mag sie wohl treiben und sinnen, Vater?
(Aietes geht gedankenvoll auf und nieder.)

Absyrtus.
Du antwortest nicht? – Was hast du Vater?
Trüb und düster ist dein Gemüt.
Du hast doch nicht Furcht vor den Fremden, Vater?

Aietes.
Furcht Bube?

Absyrtus.
Nu, Sorge denn, Vater!
Aber habe nicht Furcht noch Sorge!
Sind uns nicht Waffen und Kraft und Arme?
Ist nicht ein Häuflein nur der Fremden?
Wären ihrer doch zehnmal mehr!
Laß sie nur kommen, wir wollen sie jagen
Eilends heim in ihr dunkles Land
Wo keine Wälder sind und keine Berge,
Wo kein Mond strahlt, keine Sonne leuchtet
Die täglich, hat sie sich müde gewandelt,
Zur Ruhe geht in unserem Meer.
Laß sie nur kommen, ich will sie empfangen,
Du hast nicht umsonst mich wehrhaft gemacht,
Nicht umsonst mir gegeben dies blitzende Schwert,
Und den Speer und den Helm mit dem wogenden Busch,
Waffen  d u , und Mut die Götter!
Laß die Schwester mit ihren Künsten,
Schwert gegen Schwert, so binden wir an!

Aietes.
Armer Wurm!

Absyrtus.
        Ich bin dein Sohn!
Damals als du den Phryxus schlugst –

Aietes.
Schweig!

Absyrtus.
        Das ist ja eben warum sie kommen
Her nach Kolchis, die fremden Männer
Zu rächen, wähnen sie, seinen Tod
Und zu stehlen unser Gut, das strahlende Vließ.

Aietes.
Schweig Bube!

Absyrtus.
        Was bangst du Vater?
Fest verwahrt in der Höhle Hut
Liegt es das köstliche, goldene Gut.

Aietes (den Mantel vom Gesicht reißend und ans Schwert greifend).
Soll ich dich töten, schwatzender Tor?

Absyrtus.
Was ist dir?

Aietes.
        Schweig! – Dort sieh zum Busch!

Absyrtus.
Warum?

Aietes.
        Mir deucht es raschelt dort
Und regt sich. – Man behorcht uns.

Absyrtus (zum Gebüsch hingehend und an die Bäume schlagend).
He da! – Steht Rede! – – Es regt sich Niemand!
(Aietes wirft sich auf ein Felsenstück im Vorgrunde.)

Absyrtus (zurückkommend).
Es ist nichts, Vater! Niemand lauscht.

Aietes (aufspringend und ihn hart anfassend).
Ich sage dir, wenn du dein Leben liebst
Sprich nicht davon!

Absyrtus.
Wovon?

Aietes.
        Ich sage dir, begrab's in deiner Brust
Es ist kein Knabenspielzeug, Knab'!

Doch alles still hier! Niemand empfängt mich;
Recht wie es ziemt der Widerspenst'gen Sitz.

Absyrtus.
Hoch oben am Turme flackert ein Licht.
Dort sitzt sie wohl und sinnt und tichtet.

Aietes.
Ruf ihr! Sie soll heraus!

Absyrtus.
        Gut Vater!
(Er geht dem Turme zu).
Komm herab du Wandlerin der Nacht
Du Spät-Wachende bei der einsamen Lampe!
Absyrtus ruft, deines Vaters Sohn!
(Pause.)
Sie kommt nicht, Vater!

Aietes.
        Sie soll! Ruf lauter!

Absyrtus (ans Tor schlagend).
Holla ho! Hier der König! Heraus ihr!

Medeas Stimme (im Turm).
Weh!

Absyrtus.
        Vater!

Aietes.
                Was?

Absyrtus (zurückkommend).
                        Hast du gehört?
Weh rief's im Turm! War's die Schwester die rief?

Aietes.
Wer sonst! Geh, deine Torheit steckt an.
Ich will rufen und sie soll gehorchen!
(Zum Turme gehend.)
Medea!

Medea (im Turm).
        Wer ruft?

Aietes.
                Dein Vater ruft und dein König!
Komm herab!

Medea.
        Was soll ich?

Aietes.
                Komm herab, sag' ich!

Medea.
O laß mich!

Aietes.
        Zögre nicht! Du reizest meinen Zorn!
Im Augenblicke komm!

Medea.
        Ich komme!
(Aietes verhüllt sich und wirft sich wieder auf den Felsensitz.)

Absyrtus.
Wie kläglich, Vater, ist der Schwester Stimme.
Was mag ihr fehlen? Sie dauert mich! –
Dich wohl auch, weil du so schmerzlich schweigst,
Das arme Mädchen! – (Ihn anfassend.) Schläfst du, Vater?

Aietes (aufspringend).
Törichte Kinder sind der Väter Fluch!
Du und sie,  i h r  tötet mich,
Nicht meine Feinde!

Absyrtus.
Still! Horch! – Der Riegel klirrt! – Sie kommt! – Hier ist sie!

Medea in dunkelroter Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen gestickt, einen schwarzen, nachschleppenden Schleier der an einem, gleichfalls mit Zeichen gestickten Stirnbande befestigt ist, auf dem Kopfe, tritt, eine Fackel in der Hand, aus dem Turme.

Medea.
Was willst du, Herr?

Absyrtus.
        Ist das die Schwester, Vater?
Wie anders doch als sonst, und ach, wie bleich!

Aietes (zu Absyrtus).
Schweig jetzt! (Zu Medeen.) Tritt näher! – näher! –
Doch erst Lösch' deine Fackel, sie blendet mir das Aug!

Medea (die Fackel am Boden ausdrückend).
Das Licht ist verlöscht, es ist Nacht, o Herr!

Aietes.
Jetzt komm! – Doch erst sag' an wer dir erlaubt,
Zu fliehn, des väterlichen Hauses Hut
Und hier, in der Gesellschaft nur der Wildnis
Und deines wilden Sinns, Gehorsam weigernd,
Zu trotzen meinem Worte, meinem Wink?

Medea.
Du fragst?

Aietes.
        Ich frage!

Medea.
                Reden soll ich?

Aietes.
                        Sprich!

Medea.
So höre wenn du kannst und zürne wenn du darfst.
O könnt' ich schweigen, ewig schweigen!
Verhaßt ist mir dein Haus
Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe.
Als du den Fremden erschlugst,
Den Götterbeschützten, den Gastfreund
Und raubtest sein Gut,
Da trugst du einen Funken in dein Haus,
Der glimmt und glimmt und nicht verlöschen wird,
Gössest du auch darüber aus
Was an Wasser die heil'ge Quelle hat,
Der Ströme und Flüsse unnennbare Zahl
Und das ohne Grenzen gewaltige Meer.
Ein törichter Schütze ist der Mord,
Schießt seinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht,
Gewinnsüchtig, beutegierig,
Und was er für ein Wild gehalten,
Für frohen Jagdgewinn,
Es war sein Kind, sein eigen Blut,
Was in den Blättern rauschte, Beeren suchend.
Unglücksel'ger was hast du getan?
Feuer geht aus von dir
Und ergreift die Stützen deines Hauses
Das krachend einbricht
Und uns begräbt. –

Aietes.
Unglücksbotin was weißt du?

Medea.
In der Schreckensstunde
Als sie geschehn war die Tat,
Da ward mein Aug geöffnet
Und ich sah sie, sah die Unnennbaren
Geister der Rache.
Spinnenähnlich,
Gräßlich, scheußlich,
Krochen sie her in abscheulicher Unform
Und zogen Fäden, blinkende Fäden,
Einfach, doppelt, tausendfach,
Rings um ihr verfallen Gebiet.
Du wähnst dich frei und du bist gefangen,
Kein Mensch, kein Gott löset die Bande
Mit denen die Untat sich selber umstrickt.
Weh dir, weh uns allen!

Aietes.
Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit?
Deines Gleichen magst du erschrecken,
Törin! Nicht mich!
Hast du die Zeichen, die Sterne gefragt?


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