Rudolf Greinz
Aus'm heiligen Landl
Rudolf Greinz

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Wallfahrtsrast.

Es war ein verflucht trockner Sommer. Schon rein zum Teufel holen. Da aber mit dem Teufel bekanntlich nicht gut anbandeln ist, veranstalteten die Gerlosberger eine Kirchfahrt um Regen nach dem einsamen und hochgelegenen Wallfahrtsörtel Maria Schrofen.

Die dortige Muttergottes sollte in Wettersachen einen besonders mächtigen Einfluß besitzen. Vielleicht weil sie so nahe den Wolken ganz in der Bergeshöhe hauste.

Dem Wallfahrtszug der Gerlosberger wurde ein großes und schweres Kruzifix vorangetragen. Der Wöscher Hans trug es. Der war der kräftigste Bursch und ärgste Raufbold in ganz Gerlosberg. Hinter dem Hans schritt der Mesmer Franzl, der den Vorbeter bei der Wallfahrt machte.

Die ungeheure Glatze des Mesmer leuchtete in der Sonne, daß sie schon bald einen Heiligenschein abgab. Der Mesmer Franzl war aber auch der frommste Betbruder in der Gegend. Wenn es dem nicht gelang, den Himmel zu einem Einsehen zu bewegen, dann war es schon überhaupt erst recht zum Teufel holen.

Insgeheim hatten bereits einige Burschen, der 297 Wöscher Hans an ihrer Spitze, untereinander ausgemacht, falls nicht in längstens einer Woche nach der Wallfahrt Regen eintreten sollte, den Mesmer Franzl halbtot zu prügeln. Denn dann hatte es der mit dem Beten zu wenig ernst genommen.

Der Mesmer schien sein Schicksal zu ahnen. Er betete mit einem Eifer, daß seine zahnlosen Kiefer nur so schlotterten.

Um den Herrgott am Kreuz hatten die Diandeln und Weiber einen prächtigen großen Kranz aus Enzian geflochten. Der bildete den Stolz der Wallfahrer. Einen so »schian aufbüschten« Herrgott hatten sie noch nie gehabt.

Der Weg von Gerlosberg nach Maria Schrofen ist mehrere Stunden lang. Dabei geht es die meiste Zeit bergauf. Da kann man schon etliche Sünden abbüßen. Glücklicherweise liegen ein paar Dörfeln und Bergweiler am Weg, wo es Atzung und Trank für die frommen Pilger gibt.

Ungefähr zwei Stunden vor Maria Schrofen befindet sich der Bergweiler Pratzen. Dort ist ein bei den Wallfahrern sehr beliebtes Wirtshäusl, wo man einen trefflichen Reatel ausschenkt.

Natürlich machten die Gerlosberger an dieser gastlichen Stätte Halt. Den Herrgott mit dem Kranz lehnten sie draußen an der Mauer des Wirtshäusels an. Den konnten sie nicht gut in die Wirtsstub'n mitnehmen. Erstens wäre er zu »ung'füahrig« dazu 298 gewesen, und zweitens hätte sich das auch nicht recht geschickt.

In der Wirtsstub'n ging es lustig zu. Da waren auch ein paar Bauern und Burschen von Pratzen, die sich den Wein schmecken ließen.

Während die Gerlosberger und Pratzner friedlich beisammen saßen, zog draußen ein Bäuerl mit einer Goas vorbei. Der Pfandler Hiasl war's. Er wohnte hoch droben auf einem Einödhöfl. Die Goas wollte er heute zu Tal bringen, um sie noch möglichst vorteilhaft zu verkaufen. Das Mistviech gab dem Pfandler schon einige Zeit zu wenig Milch. Also beschloß er, einen andern damit zu beglücken.

Das Bäuerl hatte einen damischen Durst, als er zum Wirtshaus kam. Schon wollte er der Versuchung widerstehen und vorüberziehen. Es riß ihn aber doch hinein. Die Goas band er inzwischen draußen an einen Nagel neben den Herrgott. Nun hockte er auch unter den übrigen und ließ sich's wohl sein.

Auf einmal kam der Mesmer Franzl, der für einen Augenblick hinausgegangen war, mit einem Mordsspektakel in die Stub'n. »Jessas, Mariand Josef! Alle Heiligen und Nothelfer!« schrie und zeterte er mit seiner hohen Stimme. »'s is was g'schehen!«

»Was is g'schehen?« fragten die Bauern und Burschen.

»Die Goas! Die Goas!« zeterte der Mesmer.

»Was für a Goas? Bist überg'schnappt?« ließ ihn der Wöscher Hans an.

299 »Naa, i bin no beim Verstand, aber die Goas hat'n Kranz g'fressen!« jammerte der Mesmer Franzl.

Nun stürzte alles vor die Tür. Richtig hatte die Goas vom Pfandler den herrlichen Enziankranz vom Wallfahrtskreuz der Gerlosberger langsam aber sicher heruntergezupft. In kläglicher Verfassung lag der Kranz am Boden, zerfressen und zerpflückt. Ein Wutgeschrei erhob sich unter den Wallfahrern.

»Wem g'hört die Goas?« frug der Wöscher Hans mit einer geradezu unheimlichen Miene und begann sich die Hemdärmeln aufzukrempeln. Allgemeines bängliches Schweigen herrschte.

Da trat endlich ein vierschrötiger Bursch mit roten Haaren und riesigen Sommersprossen im Gesicht aus dem Kreis der Umstehenden. Es war der Pflarrn Michele, der Gmoantepp von Pratzen.

»Dö – ö Go – a – as g'hö – ö – ört 'n Pfa – a – andler!« stotterte er mühsam.

»Mir g'hört dö Goas nit!« protestierte das Bäuerl, das mit den andern vors Haus gekommen war.

»Ga – a – anz g'wi – i – iß!« versicherte der Pflarrn Michele grinsend.

Der Wöscher Hans näherte sich bereits sehr verdächtig dem Bäuerl.

»Mir g'hört die Goas nit!« log sich der Pfandler von seiner eigenen Goas hinweg. »Mei' Goas is dahoam im Stall! Was woaß denn der Tepp da!« deutete er verächtlich auf den Pflarrn Michele. »I 300 hab' koane solche Viecher von Goas, dö 'n Herrgott sein' Kranz fressen!« rief er entrüstet und versetzte zum Beweis seiner völligen Unschuld seiner Goas einen kräftigen Fußtritt.

Das war das Signal, daß nun auch die andern die verbrecherische Goas mit Tritten und Hieben regalierten. Das dauerte aber kaum eine Minute. Die Goas riß entsetzt an ihrem Strick und schrie kläglich »Blä–ä–äh!« Plötzlich brach der Strick. Die Goas war frei und rannte, was sie konnte, den Berg hinauf.

In dem Tumult um die Goas hatte der Pfandler heimlich seinen Taschenveitel gezogen und den straff gespannten Strick, an dem die Goas hing, mit einem kräftigen Schnitt durchtrennt.

Nun fluchten sie der flüchtigen Goas nach. Und der Pfandler fluchte am allermeisten. Er bekam völlig Schaum vor dem Mund vor lauter Eifer und Wettern.

Die Gerlosberger zogen weiter nach Maria Schrofen. Zuvor schwur noch der Wöscher Hans, daß er dem Besitzer der Goas, wo und wann er ihn jemals träfe, alle Knochen einzeln im Leib zehnfach zerschlagen würde!

Der Pfandler Hiasl machte, als sich die Gerlosberger wieder auf den Weg begeben hatten, ein recht verschmitztes Gesicht und trottete langsam heim nach seinem Höfel. Dort fand er seine Goas schon vor 301 dem Stall auf ihn warten. Das hatte er auch sicher vorausgesehen. Das Viech war gescheut genug, heimzufinden.

Was aber das Wundersamste an der Sache war . . . die Goas vom Pfandler gab seitdem wieder mehr Milch, und er hat das Viech auch wieder behalten. Dabei ist der Pfandler der festen Überzeugung, daß sich diese Besserung der Goas nur von dem »g'weichten« Kranz herschreibe, den das Viech gefressen hat.

Dieser Meinung gibt er allerdings nur höchst selten und ganz vertrauenswürdigen Persönlichkeiten gegenüber Ausdruck. Denn es ist ihm höllisch bang um seine Knochen, falls ihn der Wöscher Hans doch einmal erwischen sollte, wenn er die Geschichte erführe.

Die Gerlosberger Wallfahrt hat leider nichts genützt. Es gab noch fast drei Wochen lang keinen Regen.

Dem Mesmer Franzl blieben jedoch die zugedachten Prügel erspart – in gerechter Erwägung des Umstandes, daß wahrscheinlich die gottvermaledeite Goas dadurch, daß sie dem Herrgott den Kranz gefressen hat, die Wallfahrt um ihre Wirkung brachte.

Der Mesmer Franzl sorgte übrigens auch für die Verbreitung der Ansicht, daß am Ende gar der leibhaftige Gottseibeiuns in Gestalt einer Goas den Gerlosbergern diesen Streich gespielt habe.

In Gestalt eines Bockes pflegt der Luzifer ja 302 regelmäßig zu erscheinen. Warum dann nicht auch einmal in Gestalt einer Goas? Dem Teufel ist alles zuzutrauen. Namentlich wenn es sich darum handelt, fromme Wallfahrer in ihrem gottgefälligen Werk zu stören. 303

 


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