Rudolf Greinz
Aus'm heiligen Landl
Rudolf Greinz

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Der Heiligenmaler.

In dem kleinen Wallfahrtsort St. Kathrein hatte der Gemeindeausschuß einen wichtigen Beschluß gefaßt.

An der Außenseite der Wallfahrtskirche befand sich ein altes Freskogemälde, das jüngste Gericht darstellend. Im Stil der bizarren ländlichen Malerei. Der Weltenrichter auf seinem Thron in der Mitte. Zu seiner Rechten die frommen Lämmlein, geleitet von einer Schar Engel. Zu seiner Linken die verstoßenen räudigen Sündenböcke, umgeben von scheußlichen Teufelsgestalten.

Das Gemälde hatte im Laufe der Zeit durch den Einfluß der Witterung sehr Schaden gelitten und war schon vielfach abgebröckelt und zerstört. Nun hatte der Gemeindeausschuß von St. Kathrein, dem natürlich auch der hochwürdige Herr Dekan angehörte, beschlossen, das alte Gemälde zur Erbauung der Frommen und zum Schrecknis der Sünder wieder herstellen zu lassen.

Es sollte möglichst genau wieder so werden, wie es ursprünglich war. Namentlich sollte die Gruppe der Böcke zur Linken des Herrn, von denen ein paar noch besser erhalten waren, möglichst wirksam und eindringlich für alle verstockten Seelen ihre Auferstehung in grellen Farben feiern.

200 Die Gemeinde wies den Auftrag für die Restaurierung des Gemäldes einem Kirchenmaler in Brixen zu, der im ganzen Land einen vorzüglichen Ruf genoß. Der Meister hatte allerdings nicht Zeit, den Auftrag persönlich auszuführen. Er schickte aber seinen ersten Gehilfen, der die Sache schon zur Zufriedenheit der St. Kathreiner machen würde.

Zufällig war der Heiligenmaler, der das Jüngste Gericht wieder beleben sollte, ein St. Kathreiner. Der Wopfner Friedl war als jüngster Sohn eines kleinen Bäuerls in St. Kathrein geboren. Er hatte zuerst als Goasbua dort gedient und sich dann langsam zu einem bäuerlichen Tuifelemaler entwickelt, der für sein Dorf und die nächste Umgebung Totenkreuzeln, Marterln und Votivtaferln herstellte.

Dadurch war es ihm gelungen, sich ein paar Kreuzer zu ersparen, und er zog damit fort, um sich zum Kirchenmaler auszubilden. Nun war er die erste Kraft bei seinem Brixener Meister.

Schon mehr als drei Jahre waren vergangen, seitdem der Wopfner Friedl St. Kathrein verlassen hatte und aus einem Tuifelemaler ein Kirchenmaler geworden war.

Mit seinem Abschied von der Heimat hing auch noch eine andere Geschichte zusammen. Da war ein sauberes Diandl im Dorf, die Zenzi vom Tschurtschen Jos. Der Jos war Müller in St. Kathrein. Ein alter Junggeselle, der immer viel zu geizig gewesen war, um zu heiraten.

Die Zenzi war das Kind einer Schwester. Der 201 Tschurtschen Jos hatte sie angenommen. Das Diandl führte ihm die Wirtschaft. Es sollte auch einmal alles erben, wenn der Jos das Zeitliche segnete.

Daran dachte er allerdings noch lange nicht, trotzdem er schon nahezu siebzig war. Im Dorf war der Jos wegen seines Geizes allgemein verrufen und nicht beliebt.

Als der Tschurtschen Jos auf die Liebschaft der Zenzi mit dem »Hungerleider«, dem Friedl, kam, fuhr er wie der helliachte Höllteufel dazwischen. Die G'spusi ging vorläufig wenigstens äußerlich auseinander. Der Friedl zog in die Fremde. Die beiden Liebsleut' schrieben sich aber fleißig, was der Jos nicht verhindern konnte.

Jetzt war der verflixte »Pemselwascher« zum innern Verdruß des Jos gar wieder nach St. Kathrein gekommen. Es sollte für den Müller aber schon noch mehr Verdruß aus der Anwesenheit des Pemselwaschers entstehen. Der Verdacht, daß der Friedl und die Zenzi wieder heimliche Zusammenkünfte hatten, ließ ihm ohnedies Tag und Nacht keine Ruhe mehr.

Die Restaurierung des Gemäldes machte rüstige Fortschritte. Es fanden sich stets Neugierige ein, die den Friedl bei seiner Arbeit beobachteten. Der ließ sich auf seinem Gerüst droben nicht im geringsten stören. Nun war er schon bei der Schar der Sündenböcke angelangt.

Eines Tages ging es durch das Dorf wie ein Lauffeuer, daß der vorderste der Böcke zur Linken 202 des Weltenrichters, so quasi der Anführer der Böcke, »aus und eben« dem Tschurtschen Jos gleiche.

Ganz das Gesicht des Jos sei es mit den grauen Bartstoppeln, den verkniffenen Lippen, der hakigen Nase und den kleinen Äuglein. Freilich verzerrt, wie es bei einem Sündenbock sein müsse. Aber genau so würde der Tschurtschen Jos dreinschauen, wenn ihn einmal der Teufel beim G'nack kriegte.

Der Jos hatte von der Geschichte gehört und schlich sich um die Mittagszeit heimlich zur Kirche. Es war gerade niemand da. Auch der Friedl auf seinem Gerüst nicht.

Als der Jos der Sache ansichtig wurde, packte ihn eine heillose Wut. Vorderhand ging er einmal heim und überlegte, was da zu tun sei.

Seine Wut steigerte sich aber nur, und so machte er sich schon am frühen Nachmittag auf den Weg zum Herrn Dekan. Der war ihm die höchste Instanz. Dort wollte er schon seine Meinung sagen!

In seinem Zorn platzte der Tschurtschen Jos, ohne überhaupt anzuklopfen, in das Zimmer des Herrn Dekans. Gleich unter der Tür hub er bereits zu schimpfen an: »Dös derlab' i nia und nimmer! Dös darf nit bleib'n! I laß 'n einsperr'n, den Hallodri, den miserabligen, den . . .«

»Pscht!« machte der Herr Dekan, der sich beim Eintritt des Jos von seiner bequemen Sofaecke erhoben hatte und dem Aufgeregten einige Schritte 203 entgegen ging. »Was fallt denn dir ein, Jos! Bist überg'schnappt?«

»Ös müaßt's es schon verzeihen, Hochwürden!« entschuldigte sich der Jos. »Nix für unguat! Aber i bin ganz aus 'm Häusl! So was kann oan' aa aus 'm Häusl bringen! So a Malefizer, a verfluachter!«

»Bei mir da wird nit g'fluacht!« mahnte der Herr Dekan.

»I muaß heut' fluach'n! Nachher wird mir leichter!« erklärte der Tschurtschen Jos.

»Nachher gehst vor die Tür außi fluach'n! Und wenn d' fertig bist, kimmst wieder einer!« sagte der Hochwürdige kurz angebunden.

»Naa, naa, Hochwürden, i will mi schon z'sammen nehmen!« versprach der Jos und wischte sich mit einem roten Schneuztüchl den Schweiß von der Stirn.

»Nachher kannst di hinsetzen und mir erzähl'n, warum d' so auseinander bist!« Der Herr Dekan bot ihm einen Sessel an und nahm selbst wieder sein Platzerl in der gemütlichen Sofaecke ein.

Ein runder Tisch trennte die beiden. Der Jos war auf seinem Sessel sehr unruhig. Er scharrte mit beiden Füßen und rückte hin und her. Das Sitzen war ihm offenbar unangenehm. Viel lieber wäre er auf und abgerannt und hätte seine Wut tüchtig herausgeschrien.

Der Herr Dekan zündete sich in aller Seelenruhe eine frische Virginia-Zigarre an, tat mit Behagen ein paar kräftige Züge daraus, richtete seine 204 gedrungene rundliche Gestalt in der Sofaecke etwas in die Höhe und sagte dann zum Jos: »So, iatz red'!«

»A Schand' is und a Skandal, daß man so was tuan darf!« fing der Tschurtschen Jos ganz traurig zu jammern an.

»Ja, was denn?« fragte ihn der geistliche Herr. »Hat di' wer betrogen? Is dir wer was schuldig blieben?«

»Ah, naa! Ös wißt's es ganz genau, was i moan'!« rief der Jos unwillig. »Der Sakra, der verfluachte . . .«

»Nit fluach'n!« befahl der Herr Dekan.

»Also nit verfluachter! Der Maler, der Tuifl, der höllische . . . .« Der Tschurtschen Jos wurde schon wieder ganz rabiat.

»Ah, den Wopfner Friedl moanst?« fragte der Herr Dekan und tat erstaunt, als wenn er von der Sache gar keine Ahnung hätte. »Was hat dir denn der 'tan? Dös is ja ganz a kommod's Manndl, der Friedl!«

»Dös is gar koa kommod's Manndl nit!« rief der Jos erbittert. »Dös is a Sakramenter a vermaledeiter! Bald i 'n erwisch', nachher hau' i ihm schon decht a paar aber . . .« Der Jos war aufgesprungen und bedrohte in seinem Eifer den Herrn Dekan mit beiden Fäusten.

Der Hochwürdige nahm seine Virginia aus dem Mund und meinte: »Du, Jos, gelt, dös machst du 205 nachher mit 'm Friedl alloan aus! Woaßt, i bin nit der Friedl! Setz' di lei wieder hin! Sitzen tuat soviel guat, wenn oans an rechten Viechszorn hat!«

Der Tschurtschen Jos setzte sich ganz dasig nieder. Er schämte sich, daß er sich so hatte hinreißen lassen.

»Also was hat er dir denn 'tan, der Friedl?« fing der Herr Dekan über eine Weile wieder an, indem er seine Zigarre neuerdings in Brand steckte.

»Aufig'malt hat er mi', der Kerl, der spottschlechte! Als Bock aufig'malt beim Jüngsten G'richt!« klagte der Jos.

»Geh', laß di auslach'n!« meinte der Herr Dekan lustig.

»Ganz g'wiß und wahr is's!« beteuerte der Tschurtschen Jos. »I hab's selber g'seh'n!«

»Geh', woher denn!« lachte der Herr Dekan. »Dös müaßt' i do aa g'seh'n hab'n! Recht fein is dös Bild word'n!«

»Mir g'fallt's gar nit!« erklärte der Jos grimmig. »Nit nur als Bock hat er mi aufitan, naa, sogar als Anführer von dö verdammten Sündenböck'! Dös lass' i mir nit g'fallen! Dös muaß anders g'macht werd'n! I lass'n sinscht einsperr'n von die Schandarm'!« Der Jos wurde schon wieder wütend. Sein sonst gelbliches Gesicht war dunkelrot geworden und seine Stimme überschlug sich völlig beim Schimpfen.

206 »Lass' di auslach'n! Dös is lei a dumm's G'red' von die Leut'!« meinte der Herr Dekan.

»Dös is koa G'red' nit! Wann i's selber g'seh'n hab'! Mei Nas'n hat er, meine Aug'n hat er, der Bock . . .«

»Du bist do nit a so schiach! Tat'st mir wohl erbarmen, wenn du so a G'friß schneiden tat'st wia der Anführer von dö Böck!« sagte der Dekan ganz mitleidig.

»Naa, i bin nit a so schiach! Aber der Teuxelsmaler, der hat mi a so schiach aufitan! Und dös derlab' i amal gar nit! Es lacht mi ja 's ganze Dorf aus!«

»Lass' du die Leut' reden, Jos! Dös is alles Unsinn!«

»Naa, i hab' mi selber g'seh'n! Und was i mit meine eignen Augen siach, dös lass' i mir nit wegleugnen!« beharrte der Tschurtschen Jos.

»Nachher fahlt's bei dir gewaltig!« Der Herr Dekan nahm die Zigarre aus dem Mund und sah sein Gegenüber traurig an.

»Fahlt? Wia? Was fahlt?« frug der Jos erschrocken.

»Da fahlt's!« sagte der Herr Dekan und klopfte sich mit der Hand aufs Herz.

»Moant's – i – i bin krank?« stotterte der Jos.

»Nein, du bist insoweit ganz gesund! Aber ein schlechtes Gewissen hast du!« sagte der Dekan mit ernster Stimme, auf einmal in die hochdeutsche Redeweise übergehend. Wenn er seinen Bauern 207 imponieren wollte, dann sprach er regelmäßig Hochdeutsch wie bei den Predigten. Das machte ihnen stets großen Eindruck.

»I hab' gar koa schlecht's G'wissen nit!« beteuerte der Jos und sah den Dekan etwas unsicher an.

»Wir alle sind Sünder, mein lieber Tschurtschen Jos!« fuhr der Hochwürdige fort. »Selbst der Gerechte fällt im Tage siebenmal!«

Der Jos zog unwillkürlich seine lange hagere Gestalt etwas ein, so wie er es bei den Predigten in der Kirche zu tun pflegte, und sah den Dekan aus seinen Augenwinkeln scheinheilig an.

»Dein böses Gewissen ist's, Tschurtschen Jos, das dich dein eigenes Bild als Sündenbock auf dem Gemälde erblicken läßt!«

»Naa, naa! I hab's g'seh'n! Und die Leut' . . .«

»Komm' du mir mit den Leuten nicht! Ich sage dir, daß du ein schlechtes Gewissen hast!«

Der Jos schüttelte den Kopf.

»Nicht? Du hast es also immer genau genommen mit dem Maß und Gewicht?«

Der Jos zuckte unwillkürlich zusammen. Es fing ihm an, unheimlich zu werden.

»Du bist nie geizig gewesen? Du hast stets von deinem Überfluß den Armen und der Kirche gegeben?« fuhr der Dekan fort.

»I hab koan' Überfluß nit!« stöhnte der Jos. »I muaß aa lei hart arbeiten und verdianen!«

»Verstockt bist du!« donnerte nun der Herr Dekan und stellte sich würdevoll vor dem Tschurtschen Jos 208 auf. »Ein ganz verstockter Sünder, dem der Herrgott ein Zeichen gegeben hat, wie es mit ihm gehen wird am jüngsten Tag!«

»Jessas! Jessas!« stöhnte der Jos und bekreuzigte sich mehrere Male hintereinander.

Es war ihm ganz schwül geworden, und er wußte jetzt augenblicklich wirklich nicht mehr, wie er daran war. Hatte ihn der Wopfner Friedl da hinaufgemalt oder gaukelte ihm der böse Feind nur ein höllisches Blendwerk vor.

»Alle vierzehn Nothelfer!« seufzte der Jos in seinen Zweifeln. Er fing ordentlich zu schwitzen an, zog wieder sein rotes Schneuztüchel und fuhr sich verzweifelt über Gesicht und Nacken.

Da hörte man draußen Schritte. Es klopfte. »Herein!« rief der Herr Dekan. Der Wopfner Friedl, ein hübscher stämmiger Bursch, nahe an die Dreißig, trat ein.

Der Tschurtschen Jos schnellte von seinem Stuhl empor, als wenn er von einer Natter gebissen worden wäre. Im Nu waren alle Schrecknisse des schlechten Gewissens und des jüngsten Tages vergessen.

Der Anblick des Heiligenmalers wirkte unmittelbar aufreizend auf ihn und entfachte seine Wut aufs neue. Alle Zweifel waren geschwunden. Er hatte wieder die feste Überzeugung, dieser da habe ihm den Possen gespielt.

»Ha? Bist da? Du Mistkerl!« rief er und wollte dem Friedl an den Kragen fahren.

»Hollah!« Der Wopfner Friedl schob ihn kräftig 209 beiseite, stellte sich mit den Händen in den Hosentaschen vor ihm auf und sah ihn herausfordernd an.

»So, iatz könnt's ös zwoa es mitanander ausmach'n!« sagte der Herr Dekan ganz gemütlich. »I geh' derweil mein' Kaffee trink'n! I sag enk nur dös oane: G'rauft wird bei mir da herinnen nit! Habt's mi verstanden?«

»Ja!« erwiderte der Jos und sah dabei den Wopfner Friedl springgiftig an.

Als der Dekan bei der Tür draußen war, standen sich die beiden eine Weile schweigend gegenüber. Der Friedl fing endlich für sich selbst lustig zu pfeifen an.

»G'steah's ein!« brachte endlich der Tschurtschen Jos mühsam mit unterdrückter Stimme hervor. »Hast mi aufig'malt oder nit?«

»Ja. I hab di aufig'malt!« erwiderte der Friedl vollkommen ruhig. Abermals entstand eine Pause. Der Jos kochte innerlich Gift und Galle.

»Du tuast mi wieder aber!« forderte er endlich.

»I tua di nit aber!«

»Du tuast mi aber!« Der Jos konnte kaum mehr an sich halten.

»I tua di nit aber! Du bleibst oben!« entschied der Friedl, drehte ihm den Rücken und ging pfeifend zum Fenster, um hinauszusehen.

»Du tuast mi nit aber?« frug nun der Jos unheimlich ruhig.

»Naa! Du bleibst droben!«

»Nachher kratz' i mi selber aber!«

»Dös kannst halten, wia d' willst!« Der Friedl 210 zuckte die Achseln und drehte sich wieder um. »Bald du di selber aberkratz'st, wirst eing'sperrt wegen Kirchenschändung!« Der Friedl sah dem Jos, der vor Wut alle Farben spielte, boshaft lachend ins Gesicht.

»Friedl, i sag' dir's iatz zum letztenmal, tua mi aber!« bat er endlich schier kläglich.

»Naa!« meinte der Heiligenmaler verstockt.

»Hast denn gar koa Herz im Leib!« verlegte sich der alte Geizhals auf die Rührseligkeit.

»Grad soviel wia du!« meinte der Friedl und schaute wieder zum Fenster hinaus.

»Du moanst wegen der Zenzi?« fragte der Müller über eine Weile.

»Ja.«

»Hast es derentwegen tan?«

»Ja, wenn's di wundert!«

»Madeln gibt's g'nua auf der Welt! Wirst dir wohl a andere derfind'n in der Brixner Stadt!«

»Da hast recht! I brauch' dei Zenzi aa nimmer! Du kannst dir's schon b'halten von mir aus!«

»Du tat'st es iatz gar nimmer mög'n?« Der Tschurtschen Jos warf dem Friedl einen erwartungsvoll lauernden Blick zu.

»Naa!« sagte der Friedl ganz ruhig.

Der Jos seufzte erleichtert auf. »Nachher brauchst ja gar nimmer so wild z' sein auf mi, wenn du 's Madl do nimmer magst! Da kannst mi schon abertuan!« meinte er.

»Dös gibt's nit!« rief der Friedl. »Du bist amal auf'm Bild und bleibst oben!«

211 Der Jos setzte sich auf einen Stuhl und dachte nach. Am liebsten wäre er wieder über den verflixten Maler hergefallen. Aber das sah er schon ein, mit Grobheit war da gar nichts auszurichten.

»Friedl?« begann er nach einer Weile wieder.

»Ja?«

»Wenn i dir iatz die Zenzi gaab'?«

»Dö kannst dir schon b'halten!«

»I moan' lei a so!« lenkte der Jos ein. »Tatest mi nachher aber von dem Bild?«

»I mag die Zenzi nimmer!« log der Friedl drauf los. »I verdian' mir iatz an schian' Patzen Geld! I kann mir die Madeln aussuach'n!« Dabei zog der Friedl etliche Banknoten aus der Brusttasche und warf sie vor dem Jos auf den Tisch. Der Jos betrachtete zuerst das Geld und dann den Friedl mit unverkennbarem Respekt.

»Jatz woaßt, zu verachten is die Zenzi g'rad aa nit!« sprach der Tschurtschen Jos nach einer Weile.

»I veracht' sie ja nit!« erklärte der Wopfner Friedl.

»Ja, warum willst sie denn nit heiraten?« versuchte der Jos neuerdings einzulenken.

»I hab' ja g'wollt! Du hast ja nit g'wollt!«

»Ja, wenn i aber iatz wollet?«

»Dir is nit z' trau'n!«

»Ah ja!« meinte der Jos, der schon ganz mürb geworden war. »I lasset schon mit mir reden.«

»Oha!« lachte der Friedl. »Da is erst die Frag', ob i mit mir reden lass'!«

212 »Schau', die Zenzi is do die Richtige für di!« redete ihm der Jos zu, dem schon völlig der Angstschweiß auf die Stirn trat, daß er schließlich doch als Bock auf dem Bild droben bleiben würde. »Und mi tuast nachher aber, schon weil wir auf dö Weis' Verwandte würden!«

»Mir is nit viel drum um dö Verwandtschaft!« erklärte der Friedl.

»Und erben tuat die Zenzi ja aa amal alles!« fuhr der Jos fort.

»Da kann i lang warten!« meinte der Friedl.

»Und etwas kriagt sie glei' mit aa!« versprach der Jos.

»Wer woaß, ob mi 's Diandl no mag!« ließ ihn der Friedl weiter schwitzen. »Drei Jahr' sein a lange Zeit. Vielleicht hat sie si's anders überlegt!«

»Dö mag di schon!« versicherte der Jos. »Dö muaß di mög'n!«

»Werd'n ma halt seh'n!« zuckte der Friedl die Achseln.

»Also, du heiratest die Zenzi und tuast mi auf der Stell' aber!« rief der Jos eifrig.

»Meinetwegen!« erklärte der Friedl endlich gleichmütig. »Aber dös sag' i dir, ewig schad' is's um den wunderschian' Sündenbock!«

»Du wirst schon an andern finden!« meinte der Jos, dem eine Zentnerlast von der Brust zu fallen begann. »Sein tuast a Malefizer!« setzte er dann halblaut und mehr zu sich selbst gesprochen hinzu..

Ein halbes Jahr später hielten der Friedl und 213 die Zenzi vom Tschurtschen Jos Hochzeit. Der Heiligenmaler hat seitdem in Bozen eine eigene Werkstatt eröffnet und erfreut sich eines großen Kundenkreises.

Daß der wunderschiane Sündenbock vom Jüngsten Gericht an der St. Kathreiner Kirche wieder verschwand, das bedauerte die ganze dortige Bevölkerung; denn der neue Bock, den der Friedl dafür hinaufmalte, hielt gar keinen Vergleich mit dem früheren aus.

So oft der Tschurtschen Jos in die Nähe der Kirche kommt, sendet er regelmäßig einen ängstlichen Blick nach der Stelle auf dem Gemälde, wo er einst als Anführer der Böcke zur Linken des Weltenrichters geprangt hatte. 214

 


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