Rudolf Greinz
Aus'm heiligen Landl
Rudolf Greinz

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Die g'frorne Liab'.

Durch die enge Talschlucht des Schnalsertales ging langsam ein Mann. Er war nicht mehr recht jung, der Goasleder Michl. So Ende der Vierzig, aber noch ganz gut erhalten. Ein eiskalter Wind pfiff ihm entgegen und trieb ihm den Schnee ins Gesicht. Es war keine Kleinigkeit, bei solchem Wetter einen langen Weg zu unternehmen. Vom Himmel schneite es wahre Leintücher herunter, und der Wind heulte und brüllte dem Michl um die Ohren, daß ihm Hören und Sehen verging.

Wenn er nur schon draußen wäre aus der Schlucht! Bloß mühsam konnte er sich seinen Weg durch den Schnee vorwärts bahnen. Zeitenweise war es sogar lebensgefährlich.

Zu seiner Rechten hohe steile Felswände. Zu seiner Linken ging es in die Tiefe. Unten brauste und tobte der Wildbach. Spitze, haushohe Felsen lagen in seinem Bett. Ein Fehltritt auf dem schmalen Steig, und um den Michl war's geschehen. Das wußte er. Aber das machte ihm nichts. Vorwärts wollte er, koste es was immer!

Die Gefahr scheute er nicht. Und vor dem Erkälten fürchtete er sich schon gar nicht. Er war nicht 78 verweichlicht und verwöhnt wie der Zipperer Jundl. Der freilich, der würde sich bei einem solchen Schneesturm nicht vor die Tür getrauen, geschweige denn den weiten Weg nach Wandegg unternehmen!

Aber die Lena, die wird Augen machen, wenn sie heut' den Goasleder Michl bei allem Wind und Wetter daherkommen sieht! . . . Der Michl freute sich ordentlich auf ihr erstauntes Gesicht. Das würde ihr doch Eindruck machen, daß er den fünfstündigen Weg zu ihr nicht gescheut hatte. Das heißt, im Sommer waren es fünf Stunden. Im Winter konnten es auch sieben und acht werden.

Der Goasleder Michl wohnte draußen im Tal. In Tschirland. Ein kleines Dörfl, das abgelegen von der breiten Heerstraße, die durchs Vintschgau führt, ganz bescheiden und einsam am Fuße eines Berges liegt. Der Michl hatte ein recht nettes Bauerngüatl in Tschirland und war immer recht behaglich gewesen, fröhlich und guter Dinge.

Bis vor kurzer Zeit. Da war das Weib in das Dasein des Michl getreten und hatte ihm seine Seelenruhe und seinen Frieden geraubt.

Dieses Weib war die Lena vom Schmalhoferbauern in Wandegg, drinnen im Schnalsertal. Schön war sie nicht, die Lena, und auch nicht mehr jung.

Seit Jahren schon war sie beim Schmalhofer als Dirn bedienstet, ohne daß sie irgendeinem Burschen oder gar einem Bauer als besonders begehrenswert 79 erschienen wäre. Jetzt auf ihre älteren Tag' hatte die Lena auf einmal gar zwei Bewerber, und beide g'standene Bauern.

Denn der Zipperer Jundl hatte es auch auf die Lena abgesehen. Und das war es eben, was den Goasleder Michl am meisten wurmte und ihn um seine »Ruah« brachte.

Der Zipperer Jundl besaß nämlich außer seinem Bauerngüatl noch eine kleine Mühle. Ein Umstand, der seine Aussichten bei der Lena bedeutend günstiger stellte. Aber dem Jundl gönnte der Michl die Dirn schon gar nicht. Denn die Lena hatte ein hübsches Geldl geerbt. In Tschars drüben war eine Basl von ihr gestorben und hatte der Lena ein nettes Erbteil hinterlassen.

Der Sagschneider Stöffl bei der Etschbruck'n drunten, der alles wußte, was im Tal vorging, hatte das gleich den beiden alten Junggesellen, dem Jundl und dem Michl, gesteckt. Und richtig, die zwei bewarben sich nun allen Ernstes um die Dirn beim Schmalhoferbauern.

Der Jundl und der Michl, die früher von Jugend auf die besten Freunde waren, wurden nun plötzlich zu Todfeinden.

Die Lena war mit ihren Gunstbezeigungen ihren beiden Bewerbern gegenüber bis jetzt immer g'sparig gewesen. Sie müßte sich's noch überlegen, welchem von den beiden sie den Vorzug geben sollte.

Der Jundl war entschieden der wohlhabendere. Aber dafür schaute er viel unansehnlicher und 80 bedeutend älter aus als der Michl. Dieser war trotz seiner Vierzig immer noch ein fescher Kerl. Der Jundl aber war stets etwas kränklich und daher auch griesgrämig gewesen.

Der Goasleder Michl hatte nun die Hin- und Herzieherei mit der Lena satt. Heute wollte er endlich mit ihr ins reine kommen, und dann sollte bereits um Lichtmeß geheiratet werden. Schon dem Jundl zum Trotz!

Der würde sich ärgern, wenn der Michl nach so kurzer Zeit Hochzeit halten konnte! Und weil heute gerade ein solches Sauwetter war, darum machte der Michl sich justament heute auf den Weg zum Schmalhofer. Sonst könnte ihm schließlich doch der Zipperer Jundl zuvorkommen und ihm die Lena vor der Nas'n wegschnappen.

Der Goasleder Michl hatte unter diesen Betrachtungen die Talschlucht schon längst hinter sich und den Aufstieg begonnen. Jetzt, da er sich im Freien befand, war er vollständig der Unbill des Sturmes preisgegeben. Doch der Michl kämpfte sich tapfer durch.

Die längste Zeit mochte er so geklettert sein. Von einem Weg war natürlich keine Spur mehr. Alles Schnee ringsum; wohin das Auge sah, nur Schnee. Der Michl mußte nur so aufs Geratewohl sich weiter tasten und sich auf seinen Orientierungssinn verlassen.

81 Es dunkelte bereits. Da hieß es vorsichtig sein. Der Weg nach Wandegg war stellenweise sehr gefährlich. Die Schneedecke war trügerisch. Darunter gähnten kirchturmtiefe Abgründe.

Nur langsam ging die Wanderung vonstatten. Immer dunkler wurde es, der Wind tobte und heulte, und das Schneegestöber war so dicht, daß es dem Michl fast den Atem benahm.

Da sah er ein kleines Lichtl vor sich aufblitzen. Gar nicht weit von ihm entfernt. Etwa zwanzig Schritte. Er mußte sich also doch vergangen haben; denn auf dem Weg nach Wandegg lag kein anderes Einödhöfel.

Der Michl steuerte langsam und vorsichtig auf den kleinen Lichtschein los. Endlich erkannte er die Umrisse einer Holzhackerhütte. Er ging hinein. Die Hütte bestand nur aus einem einzigen Raum.

Drinnen saß beim offenen Herd zitternd und fröstelnd der Zipperer Jundl und wärmte sich.

Es war nur ein armseliges Feuerl, das er sich da angemacht hatte. Der Holzvorrat, der vor ihm aufgestapelt lag, war allerdings auch winzig. Einige dürre Reiser, wie sie die Holzknechte übrig gelassen hatten. Sonst nichts.

Der Michl machte große Augen, als er den Zipperer Jundl wie ein Häufele Elend sitzen sah. Aber auch der Jundl war nicht wenig erstaunt, da er in dem Eismann den Goasleder Michl erkannte. Denn wie ein lebendiger Eiszapfen sah der Michl wahrhaftig aus. Haar und Bart schneeweiß und steif gefroren.

82 Über das faltige, vor Kälte völlig bläulich glänzende Gesicht des Jundl glitt ein Schimmer der Freude, als er den Michl erblickte. Für einen Moment hatte er die ganze Feindschaft vergessen und wurde nur von dem einen Gefühl beseelt, nicht mehr allein zu sein, einen Bekannten um sich zu haben.

Das war freilich nur für einen Augenblick. Denn der finstere, trotzige Blick, mit dem ihn der Michl anschaute, erinnerte ihn gleich wieder an ihre beiderseitige Gegnerschaft.

Der Jundl wußte im Anfang gar nicht, was er tun sollte. Er saß da, hauchte sich verlegen in die Hände und schielte den Michl scheu von der Seite an.

Der Michl nahm keine Notiz von seinem Nebenbuhler. Als wäre er überhaupt nicht in dem kleinen Raum vorhanden, so vollständig als Luft behandelte er ihn.

Er rieb sich die steifen Hände warm, schüttelte sich den Schnee ab und setzte sich in einen Winkel der Hütte. Dann entledigte er sich der schweren Stiefel, lehnte sich behaglich zurück, wickelte sich in seinen Wettermantel und zog aus der Tasche eine große Flasche Schnaps heraus.

»Ah! Dös war guat!« sagte er erleichtert vor sich hin, nachdem er einige tüchtige Schlucke daraus gemacht hatte.

Gierig schielte der Jundl nach der Flasche. Er war nicht so vorsichtig gewesen wie der Goasleder Michl und hatte sich nichts zum Essen und Trinken mitgenommen. Nun saß er schon seit einigen Stunden 83 hier einsam und verlassen und hungerte und fror zum Gotterbarmen.

»Joa, joa! So a Schnaps is guat, wenn oans z' kalt hat!« eröffnete der Jundl das Gespräch.

»Joa. Ganz guat!« brummte der Michl mürrisch zurück und tat wieder einen liebevollen Schluck aus der Flasche.

Die Blicke des Jundl wurden immer gieriger. Wenn er grad' auch so einen Schluck tun dürfte! Nur einen einzigen! Dann wäre ihm schon um vieles wohler und wärmer.

Draußen tobte und heulte der Schneesturm weiter. Er rüttelte an der schlecht verschlossenen Tür und an dem winzigen Fensterl der Hütte. Durch die Fugen und Ritzen zog und pfiff der Wind in kurzen Stößen herein und bedrohte das kleine Feuer am Herd.

»Is dös a Wetter!« seufzte der Jundl und hielt die Hände fast ganz ins Feuer. Am liebsten hätte er sich gleich selber hineingelegt. So fror ihn.

»Daß du di außer traut hast bei so an Hundswetter!« sagte der Michl höhnisch und sah seinem Nebenbuhler zum erstenmal voll ins Gesicht.

»I? Joa, mei – i – woaßt wol –« fing der Jundl verlegen an.

Der Michl hatte nun ein großes Trumm Speck aus der Tasche gezogen, dazu ein frisches Vintschgerbrötl, und fing beides mit Behagen zu verzehren an.

»Hast zur Lena wollen?« frug der Michl und schob sich mit dem Messer eine große Speckscheibe in den Mund.

84 »I? Joa. Freilich!« nickte der Jundl und sah neidisch auf den Michl, wie der seine Mahlzeit mit Heißhunger verzehrte. Er war doch ein rechter Esel gewesen, daß er sich keine Wegzehrung eingesteckt hatte. Jetzt mußte er hungrig zusehen, wie sein Todfeind sich's schmecken ließ.

»Da hättest a wen'g eahnder giahn müass'n. Nit grad' in die Nacht eini!« meinte der Michl. »Du hättest es alleweil no dertan beim Tag, wenn d' eahnder fort wärst von dahoam!«

»Du bist aa a so spat weg!« entgegnete der Jundl fast entschuldigend.

»I? Mir is's gleich, ob i heut' oder morgen zu der Lena aufi kimm. Mi mag sie do!« sagte der Michl selbstbewußt und tat wieder einen kräftigen Schluck aus der Flasche.

»Moanst? Dös wär' also so viel, als wenn sie mi nit mögen tät?« frug der Jundl bissig zurück . . . Herrgott, wenn der Zoch nur nit den guat'n Schnaps hätt'! dachte er bei sich . . . Dem tät i hoamleucht'n! Dem Kampl, dem hochmüatigen! . . .

»Du hast zwar die Mühl', aber i bin alleweil no a sauberer Kerl. I kriaget a Junge aa no . . . Moanst nit?« frug der Michl den Jundl spöttisch.

»Warum nimmst dir aft koa Junge nit?« entgegnete der Jundl und schnatterte vernehmlich mit den Zähnen. Teils vor Kälte und teils vor Wut. Denn nichts konnte ihn wilder machen, als wenn 85 man eine Anspielung darauf machte, daß er schon so früh gealtert aussah.

»Mir scheint, du hast z' kalt?« sagte da der Michl mit geheucheltem Mitleid. »Magst nit an Schluck tuan? Er tuat dir guat!«

Der Michl hielt ihm die Flasche hin. Der Jundl wollte schon mit zitternden Händen gierig darnach tasten. Da hielt ihn im letzten Moment sein Stolz zurück. Nein! Justament nicht! Der Michl sollte sich morgen nicht über ihn bei der Lena lustig machen können!

»I dank' dir schön. B'halt dir'n lei selber dein' Schnaps!« wehrte er barsch ab und schob die Flasche von sich.

»Schad'! Hätt' dir guat tan!« Der Michl zuckte gleichmütig die Achseln und trank nun selbst aus der Flasche. »Es is sakrisch kalt da herinnen. Und dös Tröpfele hebt warm!« sprach er dann.

»Geahst morgen in der Fruah zur Lena?« erkundigte sich der Jundl nach einer Weile.

»Naa. I geah' wieder hoam!« sagte der Michl trocken und fing auf's neue zu essen an.

»Aber i geah' aufi zum Schmalhofer!« rief der Jundl obstinat.

»Dös kannst halten, wia d' willst.«

»Und i mach's aus mit ihr, und auf Liachtmeß halt' i Hochzeit, daß d' es woaßt!« schrie der Jundl mit zittriger Stimme und funkelte den Michl mit seinen kleinen, hellgrauen Äuglein zornig an.

86 »Wenn's di nimmt, aft gönn' i sie dir!« brummte der Michl. »Geah', sei g'scheut, trink' an Schnaps! Sischt derkrankst no! Und dös wär' die Lena do nit wert!« lud er den Jundl neuerdings ein.

»Moanst wol, i kunnt' derkranken?« frug der Jundl ängstlich und ergriff zögernd die Flasche. Dann tat er einen gierigen Zug daraus. Herrgott, wie das wohl tat! Wie Feuer! Ordentlich warm wurde ihm schon.

Sein Zorn war verraucht. Mit beiden Händen hielt er die Flasche zärtlich umfaßt und tat noch einige kräftige Schlucke. Dann sah er begehrlich auf den behaglich schmausenden Goasleder Michl. Vielleicht gab der ihm doch auch noch ein bissel von dem Speck. Er hatte ja ein riesiges Trumm mit. Das konnte er doch unmöglich allein vertilgen.

Als ob der Michl seine Gedanken erraten hätte, schob er dem Jundl ein Brötl zu und schnitt ihm ein Stück Speck herunter. »Da iß! Und 's nächste Mal steckst dir was ein!« riet er dem Jundl. »Von der Liab' alloan wirst nit satt!«

Eine Zeitlang hockten sich nun die beiden bei dem trüben Schein des Feuers gegenüber. Der Michl war nun auch näher gekommen und hatte sich auf die andere Seite des Feuers am Herd niedergesetzt.

»Wenn i 's recht bedenk',« fing da der Michl nachdenklich an, »sein wir alle boade Stoanesel!«

87 »I bin koa Stoanesel nit!« wehrte sich der Jundl.

»Du bist aa oaner!« erklärte der Michl. »Sischt hockest nit in derer Kält'n da herob'n in der gottverlassenen Hütt'n!«

»I hab' mi halt aa vergangen!« sagte der Jundl. »I hab' mir denkt, i muaß amal klar werden mit der Lena. Dös oanschichtige Leben, dös hab' i satt! I brauch' aa an Menschen, der auf mi schaut. I werd' alleweil älter, und i moan' –«

»Joa, wenn sie nur auf di schaut!« unterbrach ihn der Michl. »A kränkliches Mannsbild is nit ihr G'schmack. Dös woaß i.«

»Woher woaßt denn du dös?« frug der Jundl mißtrauisch.

»Der Sagschneider Stöffl hat mir's verzählt. Wia er 's letztemal zu der Lena kommen is, hat sie ihm g'sagt, 's Geld g'freuet sie nur, weil sie iatz no was haben kann vom Leben. Bald sie amal verheirat't is, aft geaht sie amerst af Weißenstoan wallfahrten und nachher af Trens und af Absam und vielleicht aa af Oansiedeln. Und der Mann muaß mit. Dös is natürlich. Es kann oaner do sei Weib nit alloan in der Welt umadum fahr'n lassen!« erzählte der Michl.

»Dös is do a Sakra, der Stöffl!« rief der Jundl ärgerlich. »Da hat er mir koa Wörtl nit davon g'sagt! Der hat mir alleweil fürg'reimt, was 88 dös für a g'sparige Diarn sei! Wia dö sparen könnt'! Dö verfahret ja no ihr ganzes Gerstl auf der Bahn! Dös gibt's amal nit bei mir! Mei Weib muaß bei mir dahoam bleiben und aufs Viech schau'n! I will mei Ruah hab'n!« erklärte der Jundl ganz erbost.

»Siehst es, Jundl, drum soll oans si's amerst guat überlegen, bevor oans zum Verspruch geaht!« belehrte ihn der Michl. »I hab' aa nix g'wußt davon, daß die Lena a so a Gleime is. Hat dir dös der Sagschneider Stöffl erzählt?«

»Joa. Und dös hat mir g'fallen. A Weib soll auf die Sach' schau'n. Dös is recht. Und der Toni, der was Hüaterbua war ferchten beim Schmalhofer, der hat mir's aa verzählt. G'spart hab' die Lena, dös sei a Graus g'wesen. Bald sie an Kaffee g'macht hat, aft hat man die Kearn' zählen können, dö drein g'wesen sein!«

»B'hüat di Gott! I dank' schön! Dös will i ihr abg'wöhnen, wenn sie amal mei Weib is!« sagte der Michl drohend. »I will, daß mir mei Weib a ordentliche Kost gibt! Sischt bleib' i liaber ledig!«

»Joa. Und amal, da hat sie den Toni derwischt, wia er a Maulvoll Milch aus a Schüssel trunken hat. Mensch, den hat sie derbeutelt! Völlig nimmer stiah'n hat er können. Und bald nimmer g'wußt hat er, ob er a Manndl oder a Weibl is! So hat sie'n verhau'n!« berichtete der Jundl, ganz stolz auf die Heldentaten seiner Zukünftigen.

89 »Wegen an Maulvoll Milch! Der arme Bua! Dös muaß a Teufel sein! I dank schön!« Der Michl spie verächtlich aus. Es fing ihn nun auch kläglich zu frieren an.

Das Feuer drohte auszugehen. Dann saßen er und der Jundl in der Dunkelheit da heroben. Seine ganze Lage kam ihm plötzlich sehr lächerlich vor.

Da lief er, der Goasleder Michl, ein g'standener Bauer, den Berg herauf eines Madels wegen. Das heißt ihres Geldes wegen. Aber brauchte er denn eigentlich ihr Geld? Er hatte doch selber genug. Und wenn er schon durchaus heiraten wollte, dann fand er andere, jüngere, die vielleicht nicht so viel Geld hatten, aber dafür verträglicher waren.

Ja, wenn der Jundl nicht gewesen wäre, der sich die Dirn auch in den Kopf gesetzt hatte, so würde er die Sache wohl schon aufgegeben haben. So aber war der Jundl da. Und der wollte sie oder vielmehr ihr Geld haben. Und das reizte den Michl.

Wie er sich's aber jetzt überlegte, war es doch eine gewaltige Eselei, sich so ein Weibsbild fürs Leben aufzuhalsen . . . und nur deswegen, weil er seinem ehemaligen besten Freund einen Tuck antun wollte.

Je mehr es den Goasleder Michl in der einsamen Holzhackerhütt'n fror, desto nüchterner und klarer dachte er über die Angelegenheit. Geraume Zeit war es ganz still zwischen den beiden.

90 »Jundl?« begann endlich der Michl.

»Joa?«

»Schlafst schon?«

»Naa. Mir is 's soviel z' kalt!« jammerte der Jundl zähneklappernd.

»Woaßt, i hab' dir lei was sagen wollen. I hab' mir's grad' überlegt. I heirat' die Lena nit! Du kannst dir sie b'halten!« sagte der Michl energisch.

»Nit? Ja warum denn nit?« fragte der Jundl ganz verwundert.

»Weil i a g'schlag'ner Häuter wär' damit! Und da wär' do schad' um mi!«

»Moanst wohl, sie is a so beas?« fragte der Jundl ängstlich.

»A Maul hat sie amal koa guat's nit!« versicherte der Michl.

»Joa, joa. Du kannst schon recht hab'n. Haar' auf die Zähnd hat sie schon. Dös hab' i schon selber g'merkt.«

Wieder entstand eine lange Pause. Der Jundl dachte tief nach. So wie die Lena hatte er sich eigentlich sein zukünftiges Weib nicht vorgestellt. Er hatte überhaupt nie im Sinn gehabt zu heiraten.

Wenn's ihm zu einsam würde, hätte er sich halt eine Häuserin angestellt. Das wäre nie so riskiert gewesen wie eine Heirat. Einer Häuserin konnte man kündigen, wenn sie einem nicht mehr paßte. 91 Ein Weib aber mußte man bis an sein Lebensende behalten, auch wenn es einem gar nicht zusagte.

Jetzt, weil der Michl die Lena aufgegeben hatte, verlor sie auf einmal auch den ganzen Reiz für den Jundl. Wenn er nur gewußt hätte, wieviel Geld die Dirn eigentlich besaß. Im Eifer hatte er seinerzeit ganz darauf vergessen, den Sagschneider Stöffl genau darüber auszufragen.

»Michl?«

»Joa!«

»Du magst die Lena also nimmer?«

»Naa!«

»G'wiß nimmer?«

»Naa! G'wiß nimmer! Du kannst dir sie b'halten!«

»Woaßt epper du, wia viel Geld sie hat?«

»Joa. Viertausend Gulden.«

»Viertausend Gulden! Teuxl, dös is viel!« Der Jundl kratzte sich bedenklich hinter den Ohren. »Und du magst sie do nimmer?«

»Naa. Aa nit, wenn sie achttausend hätt'! I bin mir z' guat dazua! Sie is a Bißgurrn

Wieder eine längere Pause. Dann platzte der Jundl heraus: »I mag sie aa nit. I bin mir aa z' guat dazua! Muaß i da die ganze Nacht in der Kält'n hocken und kunnt' mir'n Toad holen! Und derwischet nachher no a beases Weib, dö mi am End' aa prügeln tat' wia'n Toni. Naa, i nit! I bleib' ledig und nimm mir z' Liachtmeß a Häuserin.« . . .

92 Gegen Morgen hatte der Schneesturm nachgelassen. Ein prächtiger Wintermorgen brach an. Der Schnee glitzerte in tausenden blitzender Funken beim Schein der kalten Wintersonne.

Die beiden Nebenbuhler, der Goasleder Michl und der Zipperer Jundl, hatten sich vollständig miteinander ausgesöhnt. An allen Gliedern steif von der ausgestandenen Kälte, kletterten sie mühsam den Berg herunter ins Tal.

Die Liebe zur Lena vom Schmalhofer aber war bei beiden in dieser Nacht eingefroren für weltewige Zeiten. 93

 


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