Rudolf Greinz
Aus'm heiligen Landl
Rudolf Greinz

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's Kunterfei.

Das war zu jener Zeit, als der Schieferegger Naz immer mehr ins Trinken kam und seine nüchternen Tage zu den größten Seltenheiten zählten, die man mit der Laterne suchen konnte.

Zuerst hatte der Naz einen kräftigen Tiroler »Reathl« bevorzugt. Der war ihm aber bereits viel zu wenig kräftig geworden, und er war daher schon beim Schnaps, Ohnewanzeler oder Gigges, wie es im Tiroler Volksmund auch heißt, gelandet.

Der Schieferegger Naz bewirtschaftete mit seiner Schwester, der Vef, ein ganz stattliches Gütel. Sonst hätte es ihm das Saufen auch nicht getragen. Der Naz war nun schon anfangs sechzig und die Vef nicht viel jünger.

Die Vef, die ordentlich Haare auf den Zähnen hatte, war immer eine Respektperson für den Naz gewesen, bis er vor dem Schnaps den größeren Respekt bekam. Da konnte dann die Vef, die sonst den Naz kommandierte wie an kloan' Buab'n, reden, was sie wollte. Der Schnaps war mächtiger, und die Räusche des Naz wollten ihre Fortsetzung haben.

An einem schönen Sommerabend saß der Naz wieder behaglich beim Traubenwirt und war schon in jenes Stadium gelangt, in dem ihm besonders 243 wohl zu sein pflegte. Er hockte allein an einem Tisch.

Sonst war nur noch ein Gast in der Stub'n. Der saß im Herrgottswinkel und ließ sich eine Flasche Bier und ein Stück grauen Kas schmecken. Es war ein junger Mensch mit langen Haaren und dem bescheidenen Anflug eines Schnurrbärtchens.

Der angehende Herr Kunstmaler Fritz Degenhart weilte seit ungefähr einem Monat in dem Dorf. So auf einer Art Sommerfrische und zu Studienzwecken. Man kann ja immer was lernen in den Bergen herinnen. Dann war der Hochwürdige Herr Dechant ein entfernter Verwandter von dem Malerle, wie die Bauern den Kunstjünger allgemein nannten.

Nun war das Malerle, das von dem Dechant auch mancherlei Unterstützung genoß, für einige Sommerwochen auf Besuch gekommen und hatte bei dieser Gelegenheit ein Porträt des Hochwürdigen gemalt. Von den Bauern, die das Bild zu sehen bekamen, wurde es natürlich gebührend bewundert. Es war halt soviel »schian«, und der Hochwürdige war just. als wenn er am Sunntig predigen tät'.

Der Schieferegger Naz war lange schweigsam vor seinem Schnapsglasl gesessen und hatte dem Maler am andern Tisch zugeschaut, wie dieser mit vollstem Appetit seinen grauen Kas verzehrte.

»Hat's g'schmeckt?« gröhlte der Naz endlich seinen Nachbarn an.

»Freilich!« erwiderte das Malerle.

»I tat' mi schon aa gearn amal malen lassen, 244 wenn's nit z' tuir kommet!« meinte der Schieferegger Naz nach einer Pause.

»Alles wird's nit kosten!« sagte der Maler, der wußte, daß der Naz stets ganz gut bei Kasse war.

»Wia viel verlangst denn nachher?« erkundigte sich der Naz.

»Fünfzig Gulden!« erklärte das Malerle.

»Ah wol?« meinte der Naz, der in seiner rosigsten besoffenen Laune war. »Den Fufziger könnten wir ja eigentlich a bissel abrunden. Wia wär's denn, wann i dir an Hunderter zahlet für mei Kunterfei!«

Das Malerle riß Mund und Augen auf und starrte den Schieferegger Naz an, als ob dieser plötzlich übergeschnappt wäre.

»Mir is schon Ernst!« versicherte der Naz, der in seiner Schnapslaune immer großmütiger wurde. »Wenn du mi wirklich guat abkunterfeist, grad' a so, wia i bin, nachher is mir a Hunderter ganz g'wiß nit z' viel! Sell kannst mir glaben!«

»Und wann willst denn dann g'malt sein?« erkundigte sich Fritz Degenhart, dem ob des glänzenden Auftrages schon das Wasser im Mund zusammenrann.

»Glei morgen kannst kommen. So after Mittag, wenn i mei Portion Knödel im Leib hab'. Da bin i am allerbesten aufg'legt!« erklärte der Schieferegger Naz.

»Alsdann, i werd' mi einfinden!« versicherte das 245 Malerle, zahlte seine Zeche und richtete sich zum Gehen.

»Kimm lei!« lud ihn der Naz noch dringend ein. »Dös Kunterfei vom Dechanten hat mir ganz sakrisch guat g'fallen! A so muaß 's meinige aa werden! Verstanden! Grad' a bissel weniger hochwürdig. Woaß man wol!« . . .

Am nächsten Tag machte sich das Malerle gleich nach dem Mittagessen auf den Weg zum Schieferegger Naz. Das Bauerngehöft lag ganz still und beschaulich in der Sonne da. Als Herr Fritz Degenhart den weitläufigen Anger durchschritten hatte, sah er vor der Haustür die Schwester des Naz, die Vef damit beschäftigt, ein Schaff auszuspülen.

»Grüß Gott!« sagte er. »Ist der Naz daheim?«

»Grüß Gott aa!« erwiderte die Vef mürrisch und musterte den Ankömmling mit mißtrauischen Blicken. »Was wollt's denn vom Naz?«

»Is er daheim der Naz?« frug der Maler nochmals.

»Joa. Dahoam sein tuat er schon.«

»Da kann ich ja dann zu ihm hinein?«

»Naa. Sell könnt's nit!«

»Warum denn nit?«

»Weil er grad' sein' Rausch ausschlaft auf der Ofenbank in der Stub'n drein, der B'suff, der malefizische!« keifte die Vef und rieb wütend an dem Schaff, als wenn sie den Naz unter ihren derben Fäusten hätte.

246 »Könnt's ihn dann nicht aufwecken?« meinte Herr Fritz Degenhart.

»Was wollt's denn eigentlich vom Naz?«

»Ja, ich bin wegen dem Malen da. Der Naz wird's Euch wohl g'sagt haben!«

»Nix hat er g'sagt. Wegen dem Malen seid's da? Was denn nit no? Bei uns gibt's nix z' malen nit. Is erst vorige Woch'n der Maler dag'wesen und hat die Kuchel und die Kammer ausg'weist!«

Das Malerle mußte lachen. »Aber ich bin ja kein Anstreicher. Ich bin ein Maler. Den Naz soll ich malen. Ein Kunterfei von ihm. Er hat mich ja gestern eigens herbestellt.«

»Da seid's ös epper gar dersell Maler, der den Dechant abg'malt hat!« Die Vef riß vor lauter Staunen Mund und Augen auf.

»Der bin ich.«

»Und der Naz hat enk herb'stellt, daß ös ihn malen sollt's? Dö b'soffne Mett'n abmalen? Ja, is denn der Mensch ganz narrisch worden?« Damit stellte die Vef ihr Schaff auf die Seite und ging dem Malerle voraus in die Stub'n.

Der Schieferegger Naz lag auf der Ofenbank und schnarchte wie zehn Brettersägen. Die Vef rüttelte ihn an beiden Schultern und schrie ihm in die Ohren: »Du! Der Maler is da. Er will di abkunterfei'n!«

Der Naz rührte sich die längste Zeit überhaupt gar nicht. Dann ließ er ein unwilliges Grunzen 247 hören. Erst als seine Schwester noch derber wurde, richtete er sich endlich langsam auf und sah blöd und völlig geistesabwesend in der Stub'n herum.

Es dauerte noch mindestens weitere fünf Minuten, bis der Naz halbwegs auf die Füße kam. Seinen Rausch schien er doch schon etwas ausgeschlafen zu haben; denn er erinnerte sich jetzt an den Auftrag, den er dem Maler gegeben hatte.

»Ah, bist wohl kommen?« meinte er mit einem gewissen Wohlwollen. »Nachher heben wir's halt an! Hast dei Zuig bei dir?«

Herr Fritz Degenhart wies seine kleine Staffelei und den Malkasten vor.

Der Naz wollte sich in Positur setzen. Da fragte ihn die Vef plötzlich bissig: »Muaßt was zahlen fürs Malen?«

»Sell wol!« erwiderte der Schieferegger Naz. »Wie viel haben wir ausg'handelt?« wandte er sich an den Maler.

»Hundert Gulden!« erklärte dieser.

»Jessas! Marand! Josef! Und alle Heiligen im Himmel! Der Mensch is b'sessen! Er is ganz überg'schnappt!« kreischte die Vef in den höchsten Tönen des Entsetzens. »Hundert Gulden! Hundert Gulden!«

»Bin i dös epper nit wert?« frug der Naz, den der Widerspruch der Vef nun erst recht obstinat machte.

»Hundert Gulden will er wert sein!« keifte die Vef. »Mit derer Larv'n!« Dann faßte sie das 248 Malerle kräftig beim Arm und erklärte: »Dös gibt's nit! Schaut's, daß 's bei der Tür außi kommt's! Sonst mach' i enk Boaden Füaß'!«

»'s Malerle bleibt da!« rief der Schieferegger Naz und stand torkelnd von seiner Ofenbank auf. »I will mei Kunterfei hab'n! Da in der Stub'n herin wird's aufg'hängt, damit die Leut' was z' schau'n hab'n! Oder bin i vielleicht nit schian g'nuag?« wandte er sich gereizt an die Vef. »Di freili, wann man abmalen tät', würden die Küah' scheu davor. Ja, justament hundert Gulden!« rief der Naz eigensinnig und reckte seine lange knochige Gestalt in die Höhe. »Aus mei'm Sack geaht's! Kann's i's vielleicht nit tuan, i a g'standener Bauer mit fünf Stuck Viech im Stall!«

»Und 's sechste Stuck bist du!« belferte die Vef.

»Is aa recht!« erklärte der Naz gleichmütig. »Dös is mei Sach'! Und a guat's Stuck Viech is alleweil no meahr wert, als a z'nichts alt's Weibsbild!«

»Ja hast dir denn dös überlegt? Hundert Gulden! Hast dir denn ausg'rechnet, wia viel Stamperln Schnaps als du für hundert Gulden kriagst?« fragte die Vef.

»Naa, dös hab' i nit ausg'rechnet!« erwiderte der Naz, der über diese plötzliche unerwartete Frage stutzig zu werden begann.

»Nachher rechn' dir's aus!« forderte ihn die Vef auf.

249 »Dös bin i nit im Stand!« erklärte der Naz.

»Will i dir's ausrechnen!« sagte die Vef, die merkte, daß sie einen Weg gefunden hatte, um das Blättlein schließlich doch vielleicht noch zu ihren Gunsten zu wenden.

Es entstand eine Weile Schweigen in der Stub'n. Der Naz hatte sich wieder auf die Ofenbank hingehockt. Das Stehen begann ihm beschwerlich zu werden. Die Vef, die schon in der Schual im Kopfrechnen die beste gewesen war und diese Eigenschaft bei ihrer geizigen Veranlagung nicht abgelegt hatte, rechnete eifrig darauf los.

»Hast es iatz?« fragte der Naz nach einer Weile ungeduldig.

»Joa!« meinte die Vef. »So a dreitausend Stamperln Schnaps kriagst für hundert Gulden.«

»Wa–a–as? Wi–a–a viel?« frug der Naz ganz stotternd vor lauter Überraschung.

»Dreitausend Stamperln!« wiederholte die Vef.

»Dös is frei nit möglich! So viel Schnaps gibt's gar nit!« rief der Naz, der sich von seiner Verblüffung gar nicht erholen konnte.

»Die Rechnung wird schon stimmen!« bestätigte nun auch das Malerle.

»Was? Stimmen tuat's?« rief der Naz, dem nun das Ungeheuerliche nach der Versicherung des Malers in den Bereich der Möglichkeit zu rücken anfing. »Dreitausend Stamperln Schnaps!« stieß er 250 bewundernd hervor. Dann schlug seine Laune plötzlich um. Er erhob sich schwerfällig wieder von der Ofenbank und stellte sich breitspurig vor dem Maler auf. »O du verfluachter höllischer Malertuifl!« gröhlte er. »Dreitausend Stamperln Schnaps! Da hättest du mi schian einig'ritten! Dreitausend Stamperln Schnaps für so a lötzes G'malach! Dös is ja ganz niederträchtig!«

»Freilich!« hetzte die Vef. »Der Pemselwascher der elendige hat di lei anschwindeln wollen!«

»Jetzt wird mir aber die Sache zu dumm!« rief nun das Malerle, dem die Geduld ausging. »Ich bin hierher bestellt und soll mich noch beschimpfen lassen! Da hört sich doch Verschiedenes auf!«

»Natürlich hört si Verschiedenes auf! Da hast recht!« meinte der Naz und trat dem Maler noch näher, so daß dieser unwillkürlich einen Schritt zurückwich.

»Ihr habt mir die Summe von hundert Gulden ja selbst angetragen!« beharrte das Malerle auf seinem Recht.

»Was hab' i dir antragen?« grollte der Naz. »Nix hab' i dir antragen! Zelm hab' i mir's no nit ausg'rechnet g'habt! Dreitausend Stamperln Schnaps! Du bist wohl g'stoben

»Der is nit g'stoben! Der hat's faustdick hinter die Ohren!« reizte die Vef den Naz.

»Das verbitte ich mir!« rief das Malerle ganz erbost.

251 »Du hast dir da gar nix z' verbitten!« bemerkte der Naz mit einer gewissen unheimlichen Ruhe und trieb Herrn Fritz Degenhart noch um ein paar Schritte vor sich zurück. »Zehn Stamperln Schnaps zahl' i dir, wenn du mi malst! Mehrer koan' Tropfen!«

»Ich male nicht für Schnaps!« erklärte Herr Fritz Degenhart empört.

»Is dir dös vielleicht z' wenig!« höhnte der Schieferegger Naz. »So viel vertragst ja gar nit! Von zehn Stamperln liegt ja so a Verreckerl, wia du oans bist, unterm Tisch, daß er acht Tag' 's Aufsteah'n vergißt!«

»Behaltet euren Fusel, Saufaus alter!« schrie nun das Malerle entrüstet. »Jetzt geht mir wirklich die Geduld aus!«

»Was? Fusel? Schimpfen aa no!« gröhlte der Schieferegger Naz und faßte den Maler an den Schultern. »Dir will i's zoag'n, wo der Zimmermann 's Loch g'macht hat! Du Abg'schöpfat vom höllischen Sudkessel du! An ehrlichen Menschen dreitausend Glaseln voll Schnaps außi schwindeln und nachher no aufdrah'n wollen. Hast so was schon amal g'seh'n!«

»Schmeiß ihn nur außi den Farbenpatzer!« belferte die Vef.

Das Malerle wehrte sich verzweifelt. Den derben Fäusten des Naz war es aber nicht gewachsen. Ehe Herr Fritz Degenhart bis zehne zählen konnte, war er bei der Stubentür draußen. Und nicht noch 252 einmal bis zehne dauerte es, da flog er auch schon zur Haustür hinaus. Er flog in einem gewaltigen Schwung und fiel dadurch weich, weil er auf einen frischgemähten Grashaufen am Rande des Angers zu liegen kam.

Seinen Farbenkasten hatte er krampfhaft umklammert gehalten. Die Staffelei kam ihm nachgesaust.

Erst später wurde sich Herr Fritz Degenhart aller Einzelnheiten bewußt. Darunter war die Erinnerung an ein kratzbürstiges Gefühl im Gesicht. Er konnte sich's nicht anders erklären, als daß sich die Vef mit einem alten Besen an der Schlacht beteiligt haben mußte.

Der Schieferegger Naz ist bis zum heutigen Tage noch ungemalt. Wenn er an die dreitausend Stamperln Schnaps denkt, die ihm bei einem Haar verloren gegangen wären, dann wird er immer von einem gewissen Ingrimm erfaßt und läßt sich in dieser Stimmung den Ohnewanzeler nur umso besser schmecken. 253

 


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