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Der genarrte Ehemann

(Herrand von Wildonie)

Ein Herr in Friaul, der selbst schon sehr alt war, besaß eine junge und liebreizende Frau, um die ein Ritter aus der Nachbarschaft sich so lange bewarb, bis sie seine Treue gern gelohnt hätte und ihm ein Stelldichein versprach. Der Hof ihres Mannes lag an einer Ebene, der Erker des Zimmers, wo das Ehepaar nachts zu schlafen pflegte, ging auf einen Hag hinaus, der dahinter lag. Der Bote nun, den sie fortsandte, sprach zu dem glücklichen Ritter: »Meine Herrin läßt Euch sagen, Ihr möchtet leise nach dem Hause kommen und in dem Hag warten. Vor Tag sollt Ihr Euch dann unter den Erker schleichen, da werdet Ihr ein Ringlein finden, das hängt an einer Schnur, die Schnur aber hat meine Herrin an ihre Zehe gebunden. Da ziehet dran, so wird sie merken, daß Ihr es seid, und kommt zu Euch in den Hag hinunter.«

In der angegebenen Nacht schlich sich nun der Ritter hin und fand auch wirklich die Schnur und das Ringlein daran hangen. Er faßte zu und klingelte dran. Aber da spürte der Hausherr die Schnur, denn sie ging ihm gerade über das eine Bein. Dadurch gestört, wachte er auf. Er mochte sein Weib nicht wecken, doch wollte er gerne sehen, was ihm denn so über den Körper hingeglitten wäre. Leise griff er danach und gewahrte nun, wo die Schnur angebunden war. Dann wickelte er diese ganz um seine Hand, bis das Ringlein heraufkam. Er erschrak heftig darüber und dachte: »Mein Weib betrügt mich«, daß ihm vor Leide das Ringlein unvermerkt wieder aus den Händen fiel. Dann sprang er aus dem Bette und lief, wo er ein Türlein wußte, das nach dem Hag hinausging. Der Ritter, der dort wartete, dachte: »Da kommt meine Herrin«, als er das kleine Türlein gehen hörte, und stürzte hin. Da erwischte ihn der Hausherr am Haar und schrie nach dem Gesinde. Der Gast dachte: Wenn ich mich wehre, so kommt meine Herrin ins Gerede, und ließ alles über sich ergehen. Von dem Geschrei des Hausherrn war aber indessen die Frau erwacht, die noch fest geschlafen hatte. Rasch warf sie ein Gewand über, denn sie ahnte sogleich, was geschehen war, lief mit Windeseile hinunter in den Hag zu den beiden, deren einer oben, der andere unten lag, und rief: »Was gibt es hier? Herzliebster Herr, bedarfst du meiner?« »Wenn ich nur wüßte«, schrie der Alte, »wer der ist, der sich mir hier wie ein Dieb ins Haus geschlichen hat.« »So geh doch«, sagte sie, »und hole ein Licht. Ich will ihn indessen halten! Mein Leben zum Pfande, wenn ich dir nicht alles so wiedergebe, wie du es mir übergeben hast.« Er dachte: Wenn ich sie gehen lasse, um Licht zu zünden, dort liegen mehr als zehn Mann, da kann noch größerer Schaden geschehen als durch den einen hier, und sagte darum: »Nehmt ihn also, aber das sage ich Euch: laßt Ihr ihn mir entlaufen so sollt Ihr mir's an seiner statt mit dem Leben bezahlen.« Damit übergab er ihr den Eindringling und lief fort nach einem Lichte. »Ach, nun bin ich Euch zu Leide statt zur Wonne gekommen«, sagte der Ritter, aber die Frau sprach: »Geht hin in den Hof und wartet dort auf mich!« »Euer Leib haftet für den meinen, und ehe ich den verlieren möchte, geb' ich lieber mein eigen Leben hin.« »Um mich sorgt Euch nicht!« Da küßte er sie: »Gott segne dich!« und ging. Denn sie hatte bereits ihren Anschlag ersonnen: Sie ergriff einen Esel, den sie in der Nähe fand, bei den Ohren und hielt ihn fest daran, wie sie vorher den Ritter festgehalten hatte. Aber kein Vieh mag sich gerne an den Ohren ziehen lassen. Es wurde bald störrisch und begann Schritt vor Schritt rückwärts zu gehen, bis wo der Hag zu Ende war. »Gott«, dachte sie, »wenn ich dich lasse, so bin ich schuldig um diesen Mann!« So zog das Tier sie immer weiter. Dornen, Nesseln und Geäst rissen ihr das Gewand vom Leibe, bis sie völlig nackt und ihr schöner Leib von Blut überströmt war. Indessen kam der Hausherr herbeigelaufen, es fehlte nicht viel, so hätte er sich verirrt, und brachte eine große, brennende Fackel. Die Frau verdroß es, daß er so lange fortgeblieben war, sie schrie: »Treuloser, davon werd' ich so bald nicht wieder genesen, was Ihr mir da zu halten gegeben habt!« Nun lief er schnaufend, was er konnte, denn er wollte ihr helfen, als er sie in Nöten sah. Als er aber das Tier in ihren Händen fand, erschrak er und rief: »Daß ich Euch je gesehen habe! Wo ist der Mann hin?« »Seht doch, was das hier ist«, antwortete sie: »Seid Ihr denn des Teufels, was habt Ihr mir da in die Hand gegeben?« »Geht schlafen«, schrie er, »ich sehe wohl, wie treulos und bösen Sinnes Ihr seid.«

Der Wirt legte sich nun nieder, während die Frau sich vor das Bett setzte. Als sie sah, daß er fest eingeschlafen und todmüde war, ging sie leise hinaus in den Hof, weckte eine Frau, die eine Gevatterin von ihr war, und sprach zu ihr: »Ach, geht doch ein Weilchen zu meinem Mann und setzt Euch vor sein Bett. Ihr braucht nichts zu tun als zu schweigen, wenn er redet, ich komme bald zurück.« »Was habt Ihr denn angestellt, daß Ihr nicht selber hingehen wollt?« fragte die Gevatterin. »Ach«, sagte die Frau, »es ist ein Zörnlein zwischen uns. Sollte er Euch schlagen, so will ich Euch gern Ersatz geben, ein halbes Pfund soll mir nicht zu viel sein.« »Ei«, dachte die Gevatterin, »wenn er mich selbst blutig schlüge, die Hälfte wäre genug, mich damit kurieren zu lassen, so daß ich immer noch die andere Hälfte als reinen Gewinn behalte.« So ging sie denn hin, schloß leise hinter sich die Tür und setzte sich vor das Bett. Indessen eilte die Frau zu ihrem Ritter und koste mit ihm nach Herzenslust.

Einige Zeit danach erwachte der Wirt aus seinem Schlafe. Als er die Frau nicht neben sich im Bette fand, rief er: »Wollt Ihr gar noch meiner spotten?« Aber nichts antwortete ihm als ein Schweigen. »Ihr werdet Euch sogleich zu mir herlegen!« schrie er, doch wieder kam nur ein Schweigen als Antwort zurück. Da ergriff er einen Riegel, legte die Gevatterin über und schlug drauf los, was ihm gut dünkte. Schnaufend fragte er nochmals: »Wollt Ihr mir nun gehorchen?« Als aber die Frau, in Angst, ihren wohlverdienten Lohn zu verlieren, immer noch beharrlich schwieg, begann er aufs neue noch heftiger dreinzuschlagen. »Wartet«, schrie er dann, »daß Ihr mich so betrogt, dafür sollt Ihr mir noch ein Wahrzeichen tragen!« Dabei zog er ein Messer hervor und schnitt ihr ihr schönes Haar bis oberhalb der Ohren ab. »Es wird Euch ja wohl ein Leichtes sein, Euch anderes Haar zu machen, nachdem Ihr mir aus dem Manne einen Esel gemacht habt.« Nun aber hatte er sich schon so sehr aufgeregt und ermüdet, daß er sich sogleich legen mußte und wie ein Toter ins Bett fiel.

Unterdessen hatte die Frau ihrem Liebsten mancherlei Wonne geschenkt, hieß ihn gehen, schlich sich wieder zurück zu ihrer Kemenate und sprach: »Gevatterin, geht, ich will nun selbst bei meinem Manne bleiben.« Die Geschlagene beklagte sich über den Unglimpf, der ihr widerfahren war, und zeigte ihr abgeschnittenes Haar, tröstete sich jedoch bald mit dem Gewinn, den ihr die Frau aufs neue versprach, und ging zurück zu ihren Kindern. Kaum war die Frau allein, so schlüpfte sie zu ihrem Manne ins Bett und schmiegte sich innig an ihn. Vor Müdigkeit bemerkte er gar nicht, wie sie ihn an sich und ihre Wange an die seine drückte.

Die Sonne stand schon hoch, als der Wirt endlich erwachte. Als er sie so zärtlich neben sich liegen sah, sagte er: »Hättet Ihr das nur früher getan, Ihr hättet in Ruhe leben können.« »Was meinst du damit, lieber Herr?« fragte sie. »Ich meine, daß Ihr böses Weib Kummer und Beschwer genug auf mich geladen habt.« »Wodurch das, lieber Herr?« »Ei«, sagte er, »was sollte denn das Ringlein bedeuten, das an einer Schnur bis hinunter ins Gras hing und an Eure Zehe gebunden war?« »Wozu hätte ich das getan?« fragte sie. »Wozu? Einen fremden Mann habt Ihr in den Hag kommen heißen, aber die Schnur ging mir übers Bein, so daß ich aufwachte, als er dran zu ziehen begann. Aber ich packte ihn nicht schlecht beim Haar und den Ohren.« »Wo habt Ihr denn den Mann hingetan?« sprach sie. »Ihr habt ihn mir abgejagt, dafür will ich Euch immer hassen, böses Weib.« »Wenn ich ihn Euch abgejagt habe, wo ist er denn?« »Ihr habt mir einen Esel statt seiner in die Hand gegeben, den Ihr bei den Ohren hieltet. Wollt Ihr mich zum Narren machen? Dazu bin ich doch wohl schon zu grau.« »Nun, und was tatet Ihr darauf?« »Sieh deinen Rücken an, so weißt du's!« »Gut«, erwiderte sie, »wenn Ihr die Spuren von Schlägen darauf seht, so will ich Euch's glauben.« Sie entblößte sich und zeigte ihren Rücken. »Nun«, sagte sie, »solltet Ihr's nicht vielleicht geträumt haben?« »Zeige dein Haar, zeige dein Haar!« rief er. »Warum das?« »Es muß abgeschnitten sein.« »Ha, Ihr Held!« sagte sie, »bin ich deshalb Eure Frau geworden, damit Ihr solche Niederträchtigkeiten von mir träumt?« »Du läßt es nicht gerne sehen«, rief er. »Wenn es aber nicht wahr ist«, erwiderte sie, »so seid Ihr toll geworden und ich will es meinen Verwandten klagen und Euch nie wieder gut werden.« »Ihr stellt Euch zornig«, sagte er, »damit ich es Euch erlasse. Aber ich tue es nicht, ich muß sehen, wie schön gestrählt Ihr seid.« »Es sei, wenn Ihr's nicht anders haben wollt: Seht, so schön gestrählt habe ich mich dem zu Liebe, mit dem Ihr mich der Treulosigkeit zeiht.« Dabei riß sie im Zorn ihren Kopfputz herab: »Habe ich mein Haar verloren«, rief sie, »wie leid wird es dem tun, für den ich's an den nächsten Feiertagen tragen wollte.« Nun war ihr Haar aber so lang, daß es bis auf die Hüften herabfloß. Der Wirt erschrak furchtbar und dachte: »Bin ich denn toll? Was habe ich da angerichtet? Sie hat recht, wenn sie mir dies nimmer verzeiht. Aber, bei Gott, hätt' ich nicht ihren Rücken und ihr Haar gesehen, ich schwüre jeht noch darauf, daß es wahr ist.« Reuig begann er nun zu bitten und ihre Verzeihung zu erflehen. »Wie«, entgegnete sie, »sollte ich mich so beschimpfen und der Ehre berauben lassen? Sucht Euch doch ein andres Weib, die es sich bieten lassen mag!« »Liebe Frau«, bat er, »ich will dir einen schönen Mantel von Samt oder Seide schenken, nur laß ab, mir länger zu zürnen.« »So sei es denn in Gottes Namen«, gab sie endlich zur Antwort. »Aber seht zu, daß es niemals wieder geschehe!«


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