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Wie man Frauen zieht

(Sibot)

Ein Ritter, reich an Ehren und irdischen Gütern, konnte Zeit seines Lebens dieser nicht froh werden: denn er selbst war sanften Mutes, seine Ehefrau aber ein böses und widerhaariges Weib, so daß die Nachbarn und alle Welt sie für die größte Zange hielten, die je gelebt. Hasel-, Birken- und Eichenruten, mit denen er ihr weidlich den Rücken gerbte, verschlugen nichts, denn sie blieb in allem wie zuvor. Wenn arme Leute kamen und um Herberge baten, empfing sie sie mit Gezänk, wen er aber fort haben wollte, den bat sie sicherlich da zu bleiben; so, daß stets geschah, was ihm nicht gefiel, was er aber gern gesehen hätte, auf keine Weise zu erreichen war. So währte der Streit unter ihnen nun schon dreißig Jahre, doch war es ihm nie gelungen, ihren zänkischen Sinn und böse Zunge zu zähmen. Zu allem Überfluß geriet aber die Tochter, die ihnen geboren wurde, in jedem Stücke der Mutter nach: von allem Üblen, das die Mutter hatte, streitsüchtig Wesen, Bosheit und Geiz, besaß sie mehr denn drei, war dabei aber eine schöne und starke Person und den Augen angenehm, nur wild von Sitten und grob in ihren Reden. »Tochter«, sagte der Vater da eines Tages zu ihr, »lege beizeiten die Sitten deiner Mutter ab! Daß du dich hernach nicht beklagen mußt, wenn du einen Mann bekommst. Denn glaube mir, er wird dir sonst den Rücken und die Hüften zerbläuen, daß du es zu spät bereust.« »Ei ja, dort geht der Mond auf, sieben Eier für'n Batzen, was nicht gar? Wie oft habt denn Ihr meine Mutter gerauft oder geschlagen?« »Was mich betrifft, ich lebte stets gern in bequemer Ruhe.« »Und warum sollt' ich's anders haben wie meine Mutter? Laßt mir Gott nur den Mann bescheren, das Übrige will ich schon fertig bringen.« »Paß aber auf, daß du nicht an einen gerätst, der dich zwingt, und nach seiner Weise tanzen lehrt, damit es nicht mehr Prügel in der Ehe gebe als du Pfennige im Kasten hast, denn eins dünkt mich billig: wer dich zum Weibe begehrt, er sei nun Ritter oder Knecht, dem geb' ich dich, möge er dir denn in Gottes Namen die Haut mit Eichengerten streichen.« »Jawohl, wegen der Federn, daß die Gänse wohlgeraten! Wo sind denn, die mich haben wollen? Traut sich ja doch keiner, es mit mir zu wagen, müßte ihm auch übel gelingen! Käme morgen einer und ich nähme ihn, das wollt' ich sehen, wer von uns beiden das längere Messer trüge. Freilich, es verdrießt Euch, daß Ihr meine Mutter so lange geduldig ertragen habt. Aber glaubt mir. Eure Reden sind nicht von der klugen Art, und ich will lieber nach der Henne tun als nach dem Hahn.« »Gut, so sage ich nichts mehr. Möge Gott es fügen und dir in kurzem den Mann senden, der dir deine Bosheit nach Gebühr erwidert!«

Nun wohnte da ein Ritter nahe bei, kaum drei Meilen entfernt, der besaß zwar einigen Reichtum, aber nicht allzuviel. Als er die Mär von Hörensagen vernahm, daß aber die Jungfrau im übrigen schön und stattlich sei, dachte er: »Ich will es wagen.« Und sann darüber nach: »Wie, wenn ich sie gut mache? Sollte mir dies aber nicht gelingen, so will ich sie so übel halten, daß sie sich nicht Rats wissen soll.« Eines Tages kam er also mit seinen Freunden und warb um sie. »Sollte ich mich daran versündigen«, entgegnete der Vater und offenbarte ihm alles, was er von den Sitten seiner Tochter zu sagen wußte, aber der Freier sprach: »All' das habe ich wohl gehört, aber just darum bin ich hergekommen. Gebt Ihr sie mir zum Weibe, so soll, will es Gott, kein Jahr vergehen und sie läßt von allem, was gegen meinen Willen ist.« Zum zweiten Male warnte ihn der Vater, er werde nichts dabei gewinnen als ein frühes Alter. Als aber der Ritter entgegnete: »Laßt mich nur walten, ich bin ja noch so jung«, so wurden sie am Ende doch noch einig und beredeten untereinander mit Wort und Handschlag, wann er kommen solle, um sie in sein Haus zu führen. Die Mutter wußte noch nichts von dem Geschehnis; als sie erfuhr, daß die Tochter vergeben worden sei, drohte sie ihr ans Leben und erging sich in allerlei Schwüren und Verwünschungen. Eines Tages, als sie beieinander saßen, sagte sie zu ihr: »Zu Tode will ich dich schlagen, wenn du deinen Mann besser hältst, als ich deinen Vater gehalten habe! Höre meinen Rat, Tochter: Wenn er zornig auf dich ist und dich zu Boden wirft, beiße, kratze und rauf' ihn wieder, denn besser so, als daß du vier Wochen lang mit zerbläutem Rücken herumläufst. Was mich betrifft, so habe ich, ungelogen, deinem Vater Haare ausgerissen mehr als ein ganzes Fell Wolle. Du bist aber voller gewachsen als ich und stärker an Gliedern und Armen, und dennoch habe ich, obzwar geringer als Du, den Preis behalten.«

Danach über sieben Nächte war der Tag da, an dem der Ritter die Braut holen sollte. Er wußte wohl, was ihm bevorstand und rüstete sich: er kaufte um einige Batzen einen halb lahmen Gaul, dazu nahm er einen Hund, den er an einem Stricke mit sich führte, holte seinen Habicht, der auf der Stange bei der Wand saß, nahm ihn auf die Hand und ritt so auf dem Gaul mit Hund und Habicht zu dem Hause des Schwiegervaters und forderte die Braut. Die gab man ihm ohne Widerrede und hieß sie in Gottes Namen dahinziehen. Als sie hinten auf dem Pferde saß, rief ihr die Mutter noch zu: »Vergiß nicht, was ich dir sagte, und sei deinem Manne Untertan, wie ich dich's gelehrt habe!« worauf die Tochter lachend erwiderte, sie möge nur ruhig sein, sie werde es in allen Stücken so halten, wie sie es versprochen habe. Damit ritten denn die beiden von dannen.

Statt aber nun die breite Straße zu reiten, bog er mit dem Pferde auf einen schmalen Weg ab, wo sie bald in eine verwilderte Gegend gerieten. Da begann der Habicht, den er auf der Hand trug, nach Jagdvogelart unruhig zu werden, denn er begehrte aufzusteigen. Er aber sprach zu ihm: »Willst du dich wohl stille halten, sonst schlage ich dich tot und zerschmettere dir den Kopf, daß dir die Sinne und die bösen Begierden bald vergehen sollen.« Da ersah aber der Habicht eine Krähe auffliegen und wollte ihr nach. »Gut«, sagte der Ritter, »wenn du nach Ungemach strebst, und es vorziehst, in Unfrieden zu leben, so geschehe dir denn dein Recht.« Damit würgte er ihn ab wie ein Huhn und warf den toten Vogel nieder in das Gras. »Nun habe deinen Willen, aber das sage ich hier, damit es jeder wisse: was heute mit mir auf dem Ritte ist, möge sich guter Sitten befleißigen, damit ihm, bei Gott, nicht ein Gleiches geschehe! Eia, du Hundevieh, was zerrst du mich, und renkst mir schier den Arm aus? daß er dir nicht zum Unheil gerate!« Der Hund gehorchte aber nicht und wollte dem Herrn auf keine Weise an der Seite bleiben. Da geriet dieser in Zorn, zog sein Schwert und hieb das Tier mit einem Streiche in zwei Stücke. Fast hätte die Braut aufgeschrieen, denn ihr wurde nun doch übel zu Mut. »Guter Gott«, dachte sie, »was ist dies für ein Mann, welcher Teufel mag ihn wohl hergebracht haben.« Denn er trug nun das Schwert entblößt in der Hand. Plötzlich dünkte es ihm wieder, als ginge das Pferd nicht so, wie er gerne gemocht hätte. Wenn man den Hund henken will, so sagt man, er sei ein Lederfraß, auch wenn er sein Lebtag kein Leder gefressen. So tat denn auch er mit dem Pferde, zückte das Schwert und hieb den Gaul mit einem gewaltigen Schlage übern Hals. »Da liege nun, Schindmähre und schnaube! Wärest du recht gegangen, du hättest den Tod nicht erleiden müssen.« »Herrin«, sprach er dann zu der Braut, »Ihr habt gesehen, was hier vorgefallen ist. Das Pferd liegt tot, samt dem Hunde und dem Federspiel. Da ich es aber seit langem entwöhnt bin, zu Fuße zu gehen, so gedenke ich, es auch jetzt nicht zu tun. Es bleibt mir daher nichts weiter übrig, Herrin, als Euch zu reiten.«

Als sie sah, daß es ihm ernst war, und er sie denn auch sogleich zu satteln begann, rief sie: »Herr, Gott bewahre Euch, laßt doch den Sattel weg, ich trage Euch so nur desto besser.« »Herrin, wie stünde es mir an, auf ungesatteltem Rosse zu reiten? Gebt acht, daß Ihr nicht böse Sitten annehmt, wie Habicht, Hund und Pferd getan.« »Dessen mögt Ihr ganz ruhig sein«, sagte sie, »ich trage Euch wohl beide.« Sogleich legte er ihr den Sattel auf, tat ihr den Zaum in den Mund, hieß sie, sich auf die Hände niederlassen und sprang auf. Kaum aber waren sie drei Speere lang so weitergeritten, als ihr gar schwach und übel zu Mute wurde. »Herrin! schnauft Ihr?« fragte er. »Nein, Herr, keineswegs! Glaubt mir, dies ist ein so schönes Feld, ich erbreche mich noch, wie fein ich trabe.« »So trabt denn zu, sonst entgeltet Ihr mir's noch!« »Nicht nötig, lieber Herr, Ihr dünkt mich eines hübschen Trabs wohl wert! In meines Vaters Hofe geht ein Rößlein, von dem hab' ich's gelernt. Ihr sollt sehen, wie sanft und eben ich gehen kann.« »Wollt Ihr immer tun, was ich will?« »Gewiß, Herr, was anders sollte ich wollen?« Da hub er sie sofort zu sich auf und nahm sie unter seinen Mantel.

Indessen hatten seine Freunde an einer bestimmten Stelle des Weges gewartet, denn er hatte ihnen heimlich gesagt, sie möchten kommen und sie nach Hause führen. Was nachher dort geschah, kann ich nicht sagen, denn ich war nicht dabei, als sie Hochzeit machten. Daß diese aber trefflich geriet, weiß ich wohl, auch wurde sie das beste Weib, das je an eines Mannes Seite lebte, empfing ihre Gäste freundlich und wartete seines Willens zu jeder Zeit.

Sechs Wochen danach kamen ihre Eltern zu Besuche, um nachzusehen, wie es ihnen ginge und sie sich eingerichtet hätten. Als die Mutter bemerkte, wie wohl sie sich vertrugen, rief sie die Tochter zu sich und sprach: »Ei, du »erschaffene Dirn', glaubst du, ich sähe das nicht, wie du dich zu deines Mannes Magd hast machen lassen? Daß Gott dich strafe, wie hast du dein Ding nur so töricht anfangen mögen!« und kneipte sie an allen ihren Gliedern, daß sie laut zu weinen begann. »Mutter«, sagte sie, »wenn Ihr Scheltens halber hergekommen seid, sucht Euch eine Andere, die Euch anhören mag! Ich habe den allerbesten Mann, aber wer ihm den Zorn aufrührt, der hat am längsten gelebt.« »Der Teufel sitzt in deinem Hirn, du alter Gimpel«, schrie die Mutter, »warte nur, schmutziger Kobold, das soll dir nimmer verziehen sein.« »Mutter, ich will Euch nicht drohen. Aber das rate ich Euch doch, grüßt meinen Mann besser, als Ihr meinem Vater getan. Das wäre Euer Glück, denn sonst wird es an Eurem Rücken zum Vorschein kommen.« »Ja«, entgegnete sie, »Hennenberg! Seht doch an, was die üble Haut da kläfft! Die Sucht soll er kriegen, ehe er mich unter die Zuchtrute nimmt!« Der Schwiegervater und der Eidam saßen indessen heimlich in einem andern Gelaß und hörten alles, was die Mutter sprach. Der Vater, glücklich, einen so trefflichen Eidam zu haben, empfand die Störung des guten Einvernehmens gar bitterlich. Da sagte jener: »Ich habe einen Anschlag ausgesonnen, wie ich bewirken könnte, daß Euer Weib sich änderte. Wenn Ihr mir verstatten wollt, nach meinem Willen zu tun, so sollt Ihr bald mehr darüber erfahren.« »Herr, das will ich Euch gern verstatten«, entgegnete der Schwäher, »ob Ihr sie streichen, scheren oder in den Kohlen braten wollt, mir soll es gleich sein, und mein Beistand soll Euch wahrlich nicht dabei fehlen.« »So reden wir nicht weiter davon, gebt acht, was noch heute geschehen wird.«

Er hatte sich bereits zu dem Anschlag vorbereitet und zwei Braten erstanden, die er mit sich trug, als er zu ihr in die Kemenate ging. »Willkommen, Herr Ekkehart«, rief sie ihm schon beim Eintreten entgegen. »Gnaden, Herrin, Frau Isenhart«, erwiderte er und trat nahe an sie heran: »Herrin, lange genug hat Euer Mann nun gelitten. Er sollte lieber mit einer flämischen Elle Schläge über Euren Rücken zählen, und wenn sie an Euch zerschlagen ist, sich rasch eine andere bringen lassen, bis Ihr um Euer Leben flehtet. Denn nie gab es ein Weib, dessen Bosheit der Euren geglichen hätte.« »Jawohl, wessen Kuh beißen die Rinder? Lieber Eidam, Herr Gickengauch, ich habe bisher Haut und Haar vor ihm behalten, ich behalt sie, will's Gott, auch weiter noch.« »So solltet Ihr doch wenigstens Gnade mit ihm haben.« »Sieh doch, was hab' ich ihm denn getan?« »Ihr verleidet ihm sein eigen Haus.« »Seine Katze nenne ich Maus und seinen Hund einen Hasen, wenn es mir beliebt. Das wird nicht anders werden bis an unsrer Tage Ende.« »Gut, so müssen wir's gegen Euren Willen erzwingen, daß Ihr davon ablasset. Ich weiß gar wohl, was Euch das Hirn im Kopfe verwirrt, daß Ihr gar so übel geraten seid: Ihr tragt zwei Zornbraten in Eurem Leibe, davon seid Ihr so böse geworden. Wer Euch die herausschnitte, brächte Euch leichtlich zu guten Sitten.« »Das ist mir wahrlich lieb, daß Ihr ein Arzt geworden seid und Euch so trefflich auf Krankheit versteht. Habt Ihr Nieswurz zur Hand und Agrimonia? Kennt Ihr Akelei und Fenchel?« »Frau, Eure Üppigkeit ist wahrlich groß.« »Nun, sollt' ich des nicht lachen, was Ihr da aus mir machen wollt? Wie sollte denn dies möglich sein, daß ich Braten in mir herumtrage, just wie ein wildes Eberschwein?«

Sie wollte entwischen, aber schon ergriffen sie zwei Knechte und warfen sie nieder. Dann faßte er ein scharf zugespitztes Messer und schnitt fest durch das Unterhemd, daß ihr das Lachen verging, bis eine lange und tiefe Wunde entstanden war: das Lied, das sie da sang, war nicht eben von der fröhlichen Art. Darauf nahm er einen der Braten, die er mitgebracht hatte, wälzte ihn in dem Blute und warf ihn in einen Eimer. »Herrin«, sagte er, »da habt Ihr, wovon Ihr all die Zeit so boshaft gewesen.« Sie lag unter ihm und flehte: »Ja, Herr, das ist es, was mir fehlte, und mich um alle Sanftmut gebracht hat. Welcher Teufel mir das angetan, das weiß ich selber nicht.« »Oh nein. Ihr habt noch einen zweiten Braten an dem andern Beine.« »Der stört mich nicht so sehr, als der da vor Euch liegt.« Da sprach die Tochter lachend: »Ich rate Euch, laßt Euch den zweiten auch noch herausschneiden, damit nicht alle Mühe am Ende vergeblich gewesen sei. Er könnte ein Junges bekommen, dann wär's uns mißlungen.«

»Ach nein, liebe Tochter, rede ihm zu, daß er es nicht tue. Ich habe mich schon bekehrt und will alles loben, was immer Ihr wollt.« »Wollte Gott, daß es so käme«, sagte die Tochter, »das wäre für meinen Vater ein selig Ding! Wo ist nun Euer Hennenberg und all die Sprüchlein, die Ihr mich gelehrt? Aber mich wundert, daß man so lange wartet, den andern Braten herauszuschneiden.«

Da wollte er sich an das andere Bein machen, aber sie schrie laut: »Ach nein, Herr, nein, laßt es genug sein! Gedenke, Tochter, daß ich dich trug, und sage ihm, daß er mich schone. Ich will hangen, wenn ich nicht fortan gut sein werde.« Da ließ er sie sofort aufstehen und sie gelobte ihm nochmals in die Hand, ihr Versprechen zu halten. Aber eher verbrennte der Rhein, als daß solch ein böses Weib sich ändern könnte. Sie fuhren bald wieder nach Hause. Doch wenn sie ihrem Manne künftig widersprach, so sagte er nur: »Ich allein kann es nicht fertig bringen, ich will rasch einmal nach unserm Eidam senden«, da wurde sie rot vor Scham und meinte, dies wäre nicht nötig und sie werde schon von selbst nach seinem Willen tun.


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