Luise Adelgunde Victorie Gottsched
Die Pietisterey im Fischbein-Rocke
Luise Adelgunde Victorie Gottsched

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Siebender Auftritt.

Frau Glaubeleichtin, Frau Seuffzerin, Frau Zanckenheimin, Herr Wackermann.

Frau Glaubeleichtin. Ja! nun kommen sie, Herr Bruder! nun wir aus einander gehen.

Herr Wackermann. Es ist mir gewiß sehr leid, und ich glaube, daß ich viel verlohren habe; aber ich bin durch eine wichtige Sache, welche die Frau Schwester angeht, und die sie bald erfahren werden, abgehalten worden.

Frau Glaubeleichtin (zu den andern:) Sie wissens vielleicht noch nicht, daß mein Schwager ein Orthodox ist?

Frau Seuffzerin. Orthodox? ach das kan unmöglich seyn.

Frau Zanckenheimin. O Himmel!

Frau Seuffzerin. Vielleicht geht der Herr Obriste bey einem Orthodoxen zur Beichte?

Herr Wackermann. O! nein! Ich ließ mich einmahl verführen, und gieng zu einem hin, denn ich hatte von euch Leuten gehört, daß sie die Absolution ohne grosse Schwürigkeit gäben, man möchte auch beichten, was man wollte; aber wahrhafftig! es hat mir noch kein Geistlicher so scharff zugeredet, als der. Es ist wahr, ich verdiente es wohl; Aber ich komme ihm gewiß nicht mehr wieder.

Frau Seuffzerin. O! Himmel! haben sie einem Orthodoxen gebeichtet! Wie? schämen sie sich nicht?

Herr Wackermann. Ja! wenn ich Orthodox bin; so weiß ichs gewiß selber nicht. Was heisst denn Orthodox?

Frau Seuffzerin. Ach! wer kan ihnen das sagen? Sagen sie doch einmahl, was ist die Wiedergeburth?

Herr Wackermann. Ja! das hätten sie mich vor diesem fragen sollen, da ich noch den Catechismum lernte.

Frau Glaubeleichtin. Es ist eine himmlische Tinctur; ein Quell-Wasser; eine Erbohrenwerdung.

Herr Wackermann. In der That, das weiß ich nicht mehr. Es kan aber wohl seyn.

Frau Glaubeleichtin. Ja! sie reden immer von ihrem alten Catechismo; Wir haben ihn aber verbessert.

Herr Wackermann. Sie haben den alten Catechismum verbessert? Potz tausend! das ist schön.

Frau Zanckenheimin. Madame, fragen sie ihm doch einmahl zum Spaas, was die Busse ist.

Herr Wackermann. O! ich gestehe ihnen, daß ichs nicht weiß: Aber ich möchte es gerne von ihnen lernen. Sagen sie mirs einmahl.

Frau Seuffzerin. Das würde vergeblich seyn. Sie verstehen das nicht.

Herr Wackermann. Vortrefflich schön! Ich frage, was ist die Wiedergeburth? Wir haben den alten Catechismum verbessert! Was ist die Busse? Sie verstehen das nicht! Man muß bekennen, daß man in ihren Versammlungen viel lernet.

Frau Glaubeleichtin. Das macht, die Materien sind für einen Officier zu hoch.

Herr Wackermann. Das will ich glauben. Ich mache mir auch keine Schande daraus, daß ichs nicht weiß. Das ist der GOttes-Gelehrten ihr Werck. Aber glauben sie denn, daß es sich vor sie schickt, von solchen Dingen zu reden?

Frau Zanckenheimin. O! mich dünckt freylich, daß ein erleuchtetes Frauenzimmer schon in der Kirche etwas zu sagen hat.

Frau Seuffzerin. Das ist gewiß.

Frau Glaubeleichtin. Die Frau Petersen, Bourignon, und Guion habens wohl bewiesen in ihren Schrifften.

Herr Wackermann. Ja, freylich! Das sind rechte schöne Stückchen. Ich habe aber von vernünfftigen Leuten gehört, daß es recht so liesse, als wenn die guten Weiber von Sachen geschrieben hätten, die sie nicht verstanden.

Frau Glaubeleichtin. Man muß die Leute reden lassen, Herr Bruder: Indessen muß das innere Christenthum und die Liebe doch gepredigt werden.

Herr Wackermann. Ja! man muß aber bey dem innern Christenthum und bey der Liebe, seine Pflichten und den Wohl-Stand nicht aus den Augen setzen.

Frau Seuffzerin. Ach, die Liebe! das innere Christenthum! Herr Obrister greiffen sie uns auf der Seite nur nicht an: Sie ziehen gewiß den kürtzern.

Herr Wackermann. Wird aber aus allen euren Schrifften wohl jemand recht ernstlich bekehret?

Frau Zanckenheimin. Das thut nichts. Die Liebe und das innere Christenthum muß doch geprediget werden.

Herr Wackermann. Aber worzu nützt es. Ist hier in unsern Landen wohl ein Orthodox, der darwieder streitet? Ihr wollts den Leuten wohl einbilden; aber es ist nichts.

Frau Glaubeleichtin. Die Liebe! das innere Christenthum! Ich lasse mein Leben davor, sage ich ihnen.

Herr Wackermann. Glauben sie denn, daß die Orthodoxen gar keine Liebe und kein Christenthum haben? Es ist doch wahr, wir Pietisten sind rechte Leute. Wir meynen, wir haben die Gottseeligkeit allein gepacht; und wir sehen nicht, daß andere Menschen uns oftmahls auslachen müssen.

Frau Glaubeleichtin. Was vor Menschen denn? Die Wittenberger in Wittenberg? Oder die Rostocker in Rostock?

Herr Wackermann. Nun ja! Oder die Leipziger in Leipzig. Wo Hencker sollen sie denn seyn? Adieu, Mesdames, es ist am besten, daß ich mich ihnen empfehle.

Frau Glaubeleichtin. Auf ein ander mahl kommen sie eine Stunde früher, Herr Bruder!

Herr Wackermann. Ich bin ihr Diener.

Frau Seuffzerin. Adjeu! Frau Glaubeleichtin, ich empfehle mich.

Frau Zanckenheimin. Adjeu! leben sie vergnügt! auf den Donnerstag sehen wir uns wieder.

Frau Glaubeleichtin. Leben sie wohl! Frau Seelen-Schwestern. Adjeu.


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