Luise Adelgunde Victorie Gottsched
Die Pietisterey im Fischbein-Rocke
Luise Adelgunde Victorie Gottsched

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Dritter Auftritt.

Fr. Glaubeleichtin, Fr. Bettelsackin.

Frau Glaubeleichtin. Seyd ihr schon wieder da, Bettelsackin? Ihr seyd ja unersättlich.

Frau Bettelsackin. In Wahrheit! die Zeiten sind sehr schlecht. Wenn solche begüterte und gottselige Frauen, als sie sind, nicht noch was thun wollen, so geht die gute Sache gar verlohren.

Frau Glaubeleichtin. Es ist aber nur ein Monat, da gab ich euch 60 Gulden, und 6 Wochen vorher gab ich euch 200 Gulden. Kurtz, ich habe in einem Jahre über 1000 Gulden gegeben: Da ich meinem Gesinde selbst noch das Lohn von 3 Jahren her schuldig bin. Ihr werdet mich noch bis aufs Hemde ausziehen.

Frau Bettelsackin. Ach! der liebe GOtt wirds ihnen nicht mangeln lassen. Er wird ihre Barmhertzigkeit belohnen. Sie können nicht glauben, wie sie seiner Kirchen aufhelffen, und wie viel Ehre sie davor bey unsern Herren haben.

Frau Glaubeleichtin. Was ist denn das für eine Noth, davon ihr sagt?

Frau Bettelsackin. Ausser dem, daß wir immer Allmosen, und einige Leute, die wir auf unserer Seite haben wollen, immer besolden müssen; so haben wir schon seit einiger Zeit zum Drucke gewisser Bücher von unsern Herren zuschiessen müssen. Was nun dabey das ärgste ist: So werden uns die Sachen an vielen Orten entweder confisciret, oder es will sie doch kein Hencker lesen.

Frau Glaubeleichtin. Ja! aber die übrigen bringen so viel mehr ein.

Frau Bettelsackin. Ach! was wollten sie doch? Die meisten Exemplare müssen wir wegschencken; und wenn wir das nicht thäten, wer würde sie haben mögen? Die Orthodoxen wissen den Vortheil nicht, deßwegen bleiben so viele von ihren Sachen in den Läden liegen.

Frau Glaubeleichtin. Nun weiter!

Frau Bettelsackin. Es sind insonderheit drey Dinge, welche uns gantz zu Grunde richten.

Frau Glaubeleichtin. Welche denn?

Frau Bettelsackin. Vors erste die Hällischen Studenten. Denn, wenn wir ihnen nicht mit Gelde unter die Arme greiffen, so würden sie bald zu den Orthodoxen übergehen.

Frau Glaubeleichtin. Das ist wahr. Das andere?

Frau Bettelsackin. Das sind die Prediger, so man in Schlesien und anderwerts des Pietismi wegen abgesetzet hat. Wie sollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht Vorschub thäte.

Frau Glaubeleichtin. Das ist wohl gut: Aber, weil doch die meisten nicht von Königsberg sind, so möchte ein jeder in sein Land gehen.

Frau Bettelsackin. Ach! was sagen sie? Sie leisten uns dem ohngeachtet sehr grosse Dienste. Sie schreyen, sie klagen, sie gehen aus einem Hause ins andere, und schimpfen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel Gutes.

Frau Glaubeleichtin. Nun! das dritte?

Frau Bettelsackin. Das ist die Artzeney aus dem Wäysenhause.

Frau Glaubeleichtin. Nun! was wollt ihr sagen?

Frau Bettelsackin. Davon werden so viel Leute gesund; und das kostet uns immer Geld – – – (Beyseite:) Potz tausend! da habe ich mich vergangen.

Frau Glaubeleichtin. Nun? werden denn etwan die Leute mit Geld erkaufft, daß sie nur vorgeben, sie wären gesund worden? Sollten unsere Herren so gottloß seyn?

Frau Bettelsackin. Das sage ich nicht.

Frau Glaubeleichtin. Was wollt ihr denn sagen?

Frau Bettelsackin. Sehn sie nur – – – es ist – – – Man muß doch diese Artzeneyen in den Ruf bringen, und da muß man allerley Leute kriegen – – – Da muß man vor viel arme Krancken die Artzeneyen verschreiben, und sie sind sehr theuer. Übrigens muß man denen, welche gesund geworden sind, so viel Allmosen geben, damit sie es nur allenthalben ausbreiten. Wahrhafftig! eine eintzige Frau hat uns 70 Gulden gekostet; und ihre Kranckheit war doch nicht sonderlich.

Frau Glaubeleichtin. Das ist alles sehr gut: Aber ich kann nicht mehr so viel geben: Da habt ihr vor dießmahl nur 2 Ducaten. Adjeu meine Tochter! grüsset eure Herren!

Frau Bettelsackin. Ich werde es ausrichten.


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