Luise Adelgunde Victorie Gottsched
Die Pietisterey im Fischbein-Rocke
Luise Adelgunde Victorie Gottsched

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Sechster Auftritt.

Herr Scheinfromm, Frau Glaubeleichtin, Herr von Muckersdorff, Jungfer Luischen, Cathrine.

Herr von Muckersdorff (zu Cathrinen:) Mademoiselle! der helle Blitz ihrer strahlenden Augen! (Cathrine lacht:) O! ho! lachen sie mich aus?

Herr Scheinfromm. Was macht er denn? Vetter! Das ist nicht Jungfer Luischen; dieß ist sie.

Herr von Muckersdorff. Ah! ha! – – – Mademoiselle, der helle Blitz ihrer strahlenden Augen – – – der helle Blitz – – – der helle Blitz – – – Blitz – – – Blitz – – – ihrer – – – ach! mein Gedächtniß ist nicht einen Finger lang. Und ich werde auch gantz scheu, wenn ich Mädgens sehe.

Frau Glaubeleichtin. Lassen sie nur seyn; sie werden noch Zeit genung haben zu complimentiren. Es kömmt nur darauf an, daß sie wohl mit einander leben.

Herr von Muckersdorff. O! das glaube ich gewiß! Denn ich bin nicht Orthodox, und sie ists auch nicht.

Frau Glaubeleichtin. Ich glaube es auch.

Herr von Muckersdorff. O! ich lache die Orthodoxen aus! Ich habe im Hällischen Pädagogio studirt, sehn sie; Und wenn ich einen Orthodoxen begegne, so sage ich allezeit (Er macht den Welschen Hahn nach) pia, pia, pia! glu, glu, glu, glu!

Herr Scheinfromm, (zieht die Achseln.) Aber Vetter! ich weiß nicht – – – Madame, sie sehen wohl seine Unschuld. Es ist ein Zeichen seiner Redlichkeit. Ihre Lehren werden das alles in ihm verändern.

Frau Glaubeleichtin. Ach! das sind kleine Fehler! die thun einer wahren Gottseligkeit keinen Abbruch. Nun, meine Tochter! du sagst nichts?

Jungfer Luischen. Was soll ich sagen Mama? ich kan mit den Welschen Hünern nicht reden.

Cathrine. Das ist ewig schade! denn das würde ein schön Gespräche seyn.

Herr von Muckersdorff. Verstehn sie die Music, Mademoiselle?

Jungfer Luischen. Gantz und gar nicht.

Herr von Muckersdorff. Ich auch nicht. Aber ich wollte, daß sie mich hätten singen gehört, wie ich gantz klein war. Die Leute sagten auch damahls, daß ich sehr leichtfertig wäre; aber das ist ein Merckmahl eines guten Zeichens.

Frau Glaubeleichtin (zum Scheinfromm:) Herr Magister, es ist mir lieb, daß ich ihren Vetter gesehen habe. Sie können den Contract nur machen lassen. Sie wissen meine Meinung, was ich meiner Tochter mit geben will. Ich habe ihnen die Vollmacht übergeben, die mir mein Liebster gelassen hat, daß ich in seinem Nahmen alles thun könnte, was ich wollte. Gehen sie also damit zu einem Advocaten, und lassen sie sich eine Schrifft aufsetzen. Sorgen sie davor, daß sie gültig sey; und wenn sie sie denn zu mir bringen; so will ich sie ungelesen unterschreiben.

Herr Scheinfromm. Wie? Madame! Wollen sie nicht einmahl die Behutsamkeit gebrauchen, und die Schrifft zuvor lesen?

Frau Glaubeleichtin. Wie? mit dem Herrn Scheinfromm sollte ich so mißtrauisch umgehen? Nein! gewiß nicht! das bin ich gegen sie nicht fähig; ich verspreche ihnen, daß ichs nicht lesen will.

Cathrine (beyseite:) Und mich dünckt, ich läse es gewiß.

Herr Scheinfromm. Ach! wie theuer ist mir dieses gute Vertrauen, Madame! Seyn sie versichert, daß ich es nicht mißbrauchen will; sondern daß ich ihren Willen getreulich ausrichten will. Sie gehen weg, Madame?

Frau Glaubeleichtin. Ja! ich muß gehen, und meine Zusammenkunfft erwarten.

Herr Scheinfromm. Vetter! nehme er Abschied.

Herr von Muckersdorff, (macht viel Reverentzen:) Bis aufs Wiedersehn! Madame! Adjeu! Mademoiselle!

Cathrine. Zum Hencker! das ist ein Kalbs-Kopf! Gut! da kommt unsere andere Jungfer. Mich dünckt, sie ist sehr froh; und glaubt, sie habe den Liebmann schon beym Ermel.


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