Luise Adelgunde Victorie Gottsched
Die Pietisterey im Fischbein-Rocke
Luise Adelgunde Victorie Gottsched

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Dritter Auftritt.

Jungfer Luischen, (welche die Thüre eröffnet) Herr Liebmann, Cathrine.

Jungfer Luischen. Cathrine! ist niemand mehr da? kan ich Herr Liebmannen weglassen?

Cathrine. Kommen sie! kommen sie nur alle beyde! ich habe ihnen schöne Historien zu erzehlen.

Herr Liebmann. Was denn?

Jungfer Luischen. Was ists?

Cathrine. Ists nicht wahr, daß sie sich beyde lieb haben?

Herr Liebmann. Ich dencke, ihr wisst es wohl.

Cathrine. Ja, aber geht es nicht gantz natürlich zu?

Jungfer Luischen. Was heist du Natur? Unsere Liebe ist rein, untadelich, und so, wie sie unter zweyen Leuten seyn soll, die ihrer Eltern Einwilligung haben.

Cathrine. Glauben sie es nicht.

Jungfer Luischen. Warum nicht? Was zum Hencker willst du denn haben?

Cathrine. Ich will sagen, daß sie alle beyde die ärgsten Sünder sind; ja noch wohl was ärgers. Lauter Sünde! Verderbte Natur! Abrenuntio Satanas!

Herr Liebmann. Ach Cathrine! ists denn itzo Zeit zu lachen? Seyd ihr närrisch?

Cathrine. Ein wenig; aber noch nicht so sehr, als Magister Scheinfromm. Der Unterscheid ist, daß ich aus Lustigkeit närrisch thue; Er aber ist ein Narr von der allergottlosesten Art.

Jungfer Luischen. So sage es doch nur heraus!

Cathrine. Ich habe es ihnen schon beyderseits gemeldet. Sie, mein Herr Liebmann, haben einen neuen Neben-Buhler, und sie, Jungfer Luischen, einen neuen Freyer.

Herr Liebmann. Einen Neben-Buhler?

Jungfer Luischen. Einen Freyer?

Cathrine. Ja!

Herr Liebmann. Wer ists denn?

Jungfer Luischen. Wie heisst er?

Cathrine. Er heisst: Der junge Herr von Muckersdorff.

Herr Liebmann. Muckersdorff?

Jungfer Luischen. Ists möglich?

Cathrine. Ja, der junge Herr von Muckersdorff, wehrtgeschätzter Herr Vetter des theuren Mannes GOttes Magister Scheinfromms, allmächtigen Gewissens-Rathes der Frau Glaubeleichtin, und der geheimen Zuflucht in allen ihren geistlichen und leiblichen Nöthen. Der Herr Scheinfromm ists, welcher bisher ihre Hochzeit verzögert hat, in der Absicht, daß sie, wie er sagt, aus Verdruß so lange zu warten, seinen lieben Vetter nehmen möchte.

Herr Liebmann. Der verdammte Bösewicht?

Jungfer Luischen. Ach! du hast mirs wohl gesagt. Wie aber? Ich sollte Muckersdorffen nehmen?

Cathrine. Warum denn nicht? Der junge Muckersdorff ist nicht reich; aber er könnte es eben so gut seyn, als ein anderer. Er sieht von Person nicht gut aus; aber was kann er davor? Er ist von schlechter Abkunfft; aber so sind auch seine Verwandten nicht vornehmer als er. Er hat nicht viel – – –

Jungfer Luischen. So schweige doch! Willstu mich denn gar zum Narren machen?

Cathrine. Hören sie, bedencken sie sich geschwinde, was sie thun wollen. Scheinfromm trägt eben itzo die Sache der Mama vor.

Jungfer Luischen. Ach! er wird sie leicht bereden.

Herr Liebmann. Mag er sie doch bereden! Wenn sie mir nur folgen wollen, meine Schöne! Wenn sie nur meinen Vorschlag annehmen. Des Papa Einwilligung habe ich, des Vetters seine kriege ich auch. Was fürchten sie denn?

Cathrine. Wie? sind sie noch nicht eins?

Herr Liebmann. Ach nein! sie ist unbeweglich, sie fürchtet, was man sagen wird; was man dencken wird. Grausame Luise! Sind sie einer unvernünfftigen Mutter noch nicht lange genung gehorsam gewesen! Soll denn ihre ungegründete Furcht die Ursache einer ewigen Trennung unter uns seyn?

Cathrine. Wahrhafftig, Jungfer Luischen! sie muß nicht zaudern. Der Kauff ist zwischen der Mama und Herr Scheinfrommen bald geschlossen; und es könnte leicht geschehen, daß sie in 24. Stunden eine Frau Muckersdorffin wären.

Jungfer Luischen. Ach! schweige nur davon. (Sie steht in Gedancken.)

Herr Liebmann. Sie stehn in Gedancken?

Jungfer Luischen. Gut! ich ergebe mich darein, weils nicht zu ändern ist.

Herr Liebmann. Ach! allerliebste Luise! wie froh bin ich! Meine Liebe – – –

Cathrine. Ja! nun ists eben Zeit verliebt zu thun. Bereden sie sich geschwinde.

Herr Liebmann. Nun, meine Schöne! nennen sie mir nur die Stunde, da ich vor die Garten-Thüre kommen, und sie abhohlen soll.

Jungfer Luischen. Was sagen sie Herr Liebmann? Glauben sie nur nicht, daß ich jemahls in ein solches Verfahren willigen werde, ohngeachtet ich von ihrer Hochachtung gegen mich überzeiget bin. Sprechen sie mit meinem Vetter, und ersinnen sie beyderseits ein ander Mittel. Will er mich selbst entführen und bis zur Rückkunfft meines Vaters bey sich behalten; so laß ichs mir gefallen. Aber ohne seine Gegenwart werde ich nichts thun; und vielleicht ist auch das schon zu viel.

Cathrine, (zum Liebmann.) Gehn sie geschwinde! geschwinde! mich dünckt die Frau kömmt.

(Liebmann geht ab.)

Cathrine, (zur Jungfer.) Und sie, Jungfer Luischen, mache sich nur auf eine Antwort gefasst, wenn man ihr den neuen Liebhaber antragen wird.

Jungfer Luischen. Ach! vor Scheinfrommen ist mir nicht bange; ich will ihn auslachen. Aber was sage ich der Mama?

Cathrine. Ich will gehen, daß ich nicht auch in die Brühe komme. Hernach hör ichs wohl, wies wird abgelauffen seyn. (Sie geht ab.)


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