Jeremias Gotthelf
Hans Joggeli der Erbvetter
Jeremias Gotthelf

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Im ersten Augenblick waren alle erschrocken, und als er endlich mit dem Finger auf Bäbeli zeigte und sagte: »Der Hof, der Hof!« begriff niemand, was er meine. Man warf ihm vor, er sei berauscht, und schämen sollte er sich, an seines Paten Begräbnis sich so zuzuputzen. Wenn er nicht selbst den Verstand gehabt, so hätten andere witziger sein sollen als er und es ihm wehren. Da kriegte der Knabe endlich Atem und sagte: berauscht sei er nicht, aber er sei gelaufen, was er vermocht, Bäbeli erbe, der Vetter habe Bäbeli den Hof vermacht, selb sei wahr und gewiß, er hätte es selbst gehört, und alle andern hätten es gesagt. Da gab es rund um den Tisch große Freude, und alle sagten – das hätten sie nicht gedacht, aber besser hätte der Meister selig es nicht machen können, und besser als Bäbeli gönnten sie es niemand. Nur Benz sagte nicht viel, ging bald hinaus. Bäbeli war schneeweiß geworden, hatte den Milchtopf fallen lassen, mußte sich setzen, schwankte zwischen Ohnmacht und Unglaube, und wie man ihm auch Wasser bot zum Trinken und ihm zuredete, so wollte es ihm doch entweder schwarz vor den Augen werden, oder es schüttelte ungläubig den Kopf, sagte leise, man solle sie doch nicht zum besten halten, die Sache könne nicht sein, und wenn es wäre, so wäre es ihm lieber, es wäre nicht, es wüßte nicht, was damit machen. »Du armes Tröpfli du«, meinte eine, »da habe doch nicht Kummer, da wird schon einer sich finden, der dich berichtet!«

Wie nach einer geschlagenen Schlacht im Rücken der Armeen Versprengte erscheinen, solche, welche zuerst Reißaus genommen oder die schnellsten Beine haben, die ersten Nachrichten bringen, lügen und berichtigen, daß es schwer wird, im Knäuel der Berichte den sichern Faden zu behalten, so erschienen auch im Nidleboden sogenannte Gräbtleute immer häufiger und mehr oder weniger außer Atem. Jeder hatte sein Eigenes zu erzählen, doch rühmten alle den Kirchmeier selig und sein Testament; denn es waren eben die Armen und Gebrechlichen, welche diesmal den Reichen und Stattlichen weit vorausgekommen waren, und alle bestätigten, was der Junge zuerst gebracht: Bäbeli sei Haupterbin und erhalte den Hof.

Dann erhob sich das bunte Gerede. Alle hatten viel gehört, aber die wenigsten das gleiche. Darüber waren die meisten einig, Benz hätte zehntausend Gulden und vieles die Armen und mancherlei die Verwandten. In einer innern Stube war das Testament eröffnet worden, anfänglich nur in Gegenwart der nächsten Verwandten; die Kühnsten unter den andern hatten nur so von ferne die Ohren gespitzt. Aber wie das dann so geht, die Hintersten drängten, der Notar hatte eine Stimme wie ein zerbrochener Topf, man mußte näher, wollte man was verstehen. Einiges verstand man, einiges nicht, einiges kam durch Tradition von den Vordersten zu den Hintersten, doch begreiflich mit vielen Variationen. Der Herr, der Hansli, habe eine Kuh geerbt, hieß es, welche er in Erlenbach gekauft, und dazu sei noch von Schulden abgelesen worden, welche ihm geschenkt seien; die Wirtin zu Zinggiwyl zwanzig Scheffel Korn zu Dreizinken, eine andere zehn Scheffel und die Hälfte der Hühner, eine andere die vorrätige Butter nebst einigem Gelde; die Magd vor Bäbeli, Mareili, tausend Gulden und zweihundert Ellen halbflächserne Leinwand (hätte wahrscheinlich lieber flächserne gehabt). Immer mehr habe es ein Gedränge gegeben, daß man fast nichts habe verstehen können. Aber wenn was darnach abgelesen worden, so habe es ein Gelächter gegeben, daß man es ganz vergessen, daß man an einem Begräbnis sei. Bald eins, bald das andere der Verwandten sei dann aus der innern Stube gekommen, zornig und brummend; der Herr, welcher die Kuh geerbt, sei durch die Leute gebrochen, schäumend wie ein wütender Ochse durch das Gehege. Aber davongelaufen sei er doch nicht, sondern nur bis an den Herrentisch und habe dort durcheinander geflucht und getrunken, daß es eine schreckliche Sache sei. Von einem solchen Testament habe man nie was gehört, solange die Welt stehe, habe er gesagt, und wer daran geholfen, der müsse ihm ins Zuchthaus oder gar auf die Galeeren. Einer, der ein solches Testament mache, dem fehle es im Kopf, und wofür seien die Zeugen da und ein geschworener Notar, als zu sehen, ob einer beim Verstand sei oder nicht. Aber Bäbeli solle nicht Kummer haben, setzten sie gewöhnlich hinzu, mehr als fünfzig hätten gesagt, er solle nur probieren, sie wüßten, ob der Kirchmeier beim Verstand gewesen sei oder nicht; was sie wüßten, wollten sie reden, wo man es begehre, es möge kommen, zu was es wolle. Mancher, der ein Herr sein wolle, wäre wenigstens ds Halb gescheuter, wenn er den Verstand hätte, welchen der Alte nur am kleinen Finger gehabt habe.

Doch von den Erzählungen und Tröstungen vernahm Bäbeli wenig, sie rauschten nur so in seinen Ohren wie der Wind durch die Bäume, seine Glieder zitterten, und daß auch sein Herz bewegt war, sah man an den Tränen, welche über seine Backen rollten. Draußen im Stalle und um das Scheuerwerk herum war großer Jubel, Freude über den unerwarteten fröhlichen Ausgang, boshafte Freude, die Gesichter der Verwandten erscheinen zu sehen, welche hier ihre Fuhrwerke abholen mußten. Allerlei wurde vorgeschlagen und angebracht, wie man sie in Wort und Tat necken könnte. Namentlich wollte man Hansli, dem Herrn, seine ererbte Kuh hinten an die Chaise binden mit einem großen Blumenstrauß zwischen den Hörnern, wie man von Schützenfesten Schafe und Rinder, welche man als Preise erhalten, heimzuführen pflegt. Benz hatte die größte Mühe, das Volk in Schranken zu halten und jeden Mutwillen zu verhindern; die Gesichter jedoch formen und wegwischen auf ihnen Spott und Bosheit, das vermochte er nicht.

Den Verwandten kam es allerdings als eine strenge Sache vor, noch einmal in den Nidleboden zu müssen, und gerne hätte jeder einen Taler oder zwei gegeben, sein Fuhrwerk stünde nicht dort. Warum noch einmal sehen müssen, was man gerne gehabt und nicht gekriegt und ohnehin vielleicht sein Leben lang nicht verwinden und vergessen kann? Zudem begriffen sie nur zu wohl, was für Augen man ihnen dort machen werde, und wie schwer es für sie sei, diesen Augen sich preiszugeben, ohne auf irgendeine Weise sich bloßzugeben. Dennoch mußte es überstanden werden; denn durch Boten die Fuhrwerke holen zu lassen, das, fühlten sie wohl, würde sie am allerlächerlichsten machen, vielleicht gar in den Kalender bringen. Nur einige Weiber verbündeten sich, gingen einen andern Weg und befahlen ihren Männern, bei einem bestimmten Wirtshause sie abzuholen. Kein Mensch und kein Teufel bringe sie mehr zu dem verfluchten Neste; sie wollten, sie hätten ihr Lebtag nie davon gehört, sagten sie.

Endlich rückte sie heran, die verblüffte Schar langnasiger Verwandten, doch nicht in Masse, sondern vereinzelt, und jeder machte ein eigenes Gesicht, und zwar ein so unbefangenes, als ihm möglich war, aber wenige brachten es dahin, daß sie aus dem Ton ihrer Stimme den Ärger und den Zorn herausgebracht hätten.

Vetter Hansli, jeder Zoll ein gemachter Herr, brutal und beschränkt, aber mit etwas Besenwurf übertüncht, frech und schlau, wo es um Batzen ging, kam daher, die ganze Gestalt voll Zorn und Gift, und ein ärger Gesicht als er machte sicherlich der Teufel im Buche Hiob nicht. Er polterte in den Stall, befahl anzuspannen auf der Stelle, und zwar gut. Dann fuhr er ins Haus hinein, wo er Peitsche und Mantel versorget hatte, und auf dem Wege schien ihm was einzufallen, was sonst nicht häufig der Fall war. Es fiel ihm nämlich plötzlich ein, woran er bis dahin gar nicht gedacht hatte, daß er ledig sei und Bäbeli auch, daß Bäbeli nun eine reiche Erbin sei, und sei am Testamente nichts anzufangen, so lasse sich vielleicht desto mehr mit dem Mädchen anfangen, und sei es diesen Weg oder jenen Weg, wenn er nur zum Nidleboden führe; der sei allweg die Hauptsache. Der Mann kehrte sich plötzlich wie ein Handschuh, öffnete ganz manierlich die Tür zur Wohnstube, wo er Bäbeli zu finden hoffte und fand, trat mit angestammter Unverschämtheit, welche gar keine Notiz nimmt von dem, was man fünf Minuten oder fünf Stunden vorher gesagt hatte, zu Bäbeli, bot ihm die Hand und wünschte ihm von ganzem Herzen Glück; er gönne es niemand besser als ihm, und der selige Vetter werde wohl gewußt haben, in welche Hände er es gebe, und wie es dieses Glück mit Abwartung und Aufrichtigkeit verdient habe. Es hätten das nicht alle gefunden, aber er wohl, habe es auch gesagt, und wenn er ihm was dienen könne, sei es Tag oder Nacht, so solle es ihn ansprechen. Ihm sei alles bekannt, und wenn einer ihm vor Verdrießlichkeiten sein könne, so sei er es, bei den einen sei er wohl an, und die andern hätten ihn zu fürchten. Jetzt wolle er nichts weiter sagen, nächstens werde er wiederkommen. So sprach Hansli und verabschiedete sich mit all ihm zu Gebote stehender Höflichkeit.

»Hat der eine Frau, oder möchte er eine?« platzte ein Weib heraus, welches gesehen hatte, wie Hansli bei der Eröffnung des Testamentes sich betragen hatte, ehe derselbe noch recht die Tür zugemacht hatte; ein schallend Gelächter der übrigen fuhr ihm nach. Ob Hansli es gehört, wissen wir nicht, wenigstens hob ihn sein glücklich Selbstbewußtsein darüber empor. Er war des glücklichen Wurfes sicher, blieb auch draußen freundlich, gab dem Knechte, welcher ihm sein Pferd hielt, diesmal einen Fünfbätzler Trinkgeld, und zwar den schönsten, welchen er bei sich hatte.

Endlich rollte das letzte Fuhrwerk fort, und stille ward es im Nidleboden. Es war Abend geworden, mild und freundlich koste leise der Wind mit den duftenden Blüten, am blauen Himmel senkte sich des Mondes Sichel ihrem Bette zu, welches die Sonne soeben mit ihrer schönsten Glut vergoldet hatte. Verspätete Krähen suchten eiligst und schreiend ein Nachtquartier, vom Walde her hörte man der erwachenden Eule zärtlich Seufzen.

Langsam kam der alte Gerichtsmann den Hügel herab dem Hause zu. Erstlich hatte er ausharren müssen, bis der letzte Gast verschwand, und dieses ging lange. Es gibt immer Leute, welche alles reut, was bei einer Mahlzeit übrigbleibt, welche meinen, sie verdienten einen Gotteslohn, wenn sie essen und trinken, bis nichts mehr auf dem Tische ist; und begräbt man einen alten, reichen Junggesellen, so teilt sich diese Eigentümlichkeit gar vielen mit. Zweitens hatte er noch mit dem Wirte abgerechnet. Er wußte aus Erfahrung, daß solche Rechnungen, solange sie in des Wirtes Kopf stecken, sind wie Brotteig, welchen man in geheizten Ofen tut, nämlich ansehnlich auflaufen und anschwellen. Um diesen Wachstum, welcher manchmal nur während einer Nacht unglaublich ist, zu verhüten, hatte er also trotz der erst höflichen, dann gröberen Ablehnung des Wirtes ausgerechnet, und trotz dieser Vorsicht hatte er über zweihundert Gulden zu bezahlen gehabt.

Er wußte nicht, welchen Eindruck die Botschaft auf die Bewohner des Nidlebodens gemacht, indessen ging er deswegen keinen Schritt geschwinder, und als er in die Stube trat, wo er Bäbeli alleine fand, blieb er bei dem üblichen Gruße: »Guten Abend gebe dir Gott!« »Danke Gott!« sagte Bäbeli traurig. »Und was hast gesagt?« fragte er endlich und schlug Feuer für seine erloschene Pfeife. Da fing Bäbeli wieder an zu weinen und sagte, wie es so großes Glück gar nicht verdient, wie es damit nichts anzufangen wüßte, und wie eigentlich, wenn es recht gegangen wäre und der Pate selig nicht hätte auf den Reichtum und die Vornehmheit sehen wollen, die Sache jemand ganz anderem gehört hätte. Er wüßte doch nicht, sagte der Alte. Wohl, sagte Bäbeli, da sei der Benz, auf dem sei in der letzten Zeit die ganze Last gelegen, und der hätte sich betragen, daß der Vetter hätte zufrieden sein können, dem hätte er gehört. Das tue ihm so schrecklich weh, daß der jetzt meine, es sei ihm vor seinem Glück gewesen, hätte dem Paten selig die Augen ausgebohrt, ihn vielleicht gar gegen Benz aufgehetzt. »He, das wird er nicht meinen«, entgegnete der Alte. »Wohl, das meint er«, sagte Bäbeli, »und das drückt mir fast das Herz ab. Ich habe es ihm am Gesicht angesehen, und kein freundlich Wort hat er mir seither gegeben. Wenn er nur mit mir tauschen wollte, oder, wenn ich nichts hätte, wenn er nur wieder zufrieden wäre und nicht meinte, ich hätte ihm zu Schaden geredet!«

Das werde wohl zu machen sein, sagte der Alte, es hätten sich schon viel schwerere Sachen gemacht, und ging hinaus den Ställen zu. Draußen fand er Benz, der ein Gesicht machte wie ein zorniger Bär. »Und bist zufrieden mit dem Paten selig?« frug der Alte Benz. Und wenn er nichts erhalten hätte, so wäre er mit ihm zufrieden, antwortete Benz. Aber sagen wolle er ihm, daß er einstweilen für jemand anders sehen könne, der hier befehle, er wolle fort. »Ists der Hochmut, daß du einen Kreuzer Geld hast, oder der Neid, daß du nicht den Hof hast, was dich forttreibt? Ists das eine oder das andere, so solltest du dich schämen, Bürschchen!« sagte der Gerichtsmann. »Es ist weder dies noch das«, sagte Benz, »aber beim neuen Nidlebauern will ich nicht Knecht sein.« »Darwider kann ich dir nichts haben«, sagte der Alte, »möchte selbsten nicht. Aber was ich habe sagen wollen, du sollest hinein, Bäbeli möchte dich was fragen, dann kannst du ihm ja selbsten den Dienst aufkündigen.« Benz ging, aber unwillig. Der Alte wandte sich dem Kuhstall zu, hielt Konferenz mit Kühen und Knechten.

Nach einer ziemlichen Weile, als Benz nicht wiederkam, schritt der Alte bedächtig wieder dem Hause zu, öffnete langsam die Stubentür. In der Stube standen Hand in Hand Benz und Bäbeli und hörten das Öffnen der Tür nicht. »Ihr werdet Tausches einig sein, oder hast dich frisch dingen lassen?« fragte der Alte. Erschrocken kehrten sie sich um, und fuhren auseinander. »Nit, nit!« sagte der Alte, »ihr habt euch nicht zu schämen, die Sache ist recht, gerade wie es sein soll.« Bäbeli wollte sagen, es wisse nicht, was er meine. »Das sind Schneckentänze«, sprach der Alte, »gerade so wollte es mein seliger Freund. Daß ihr beide einander gerne sahet, wußte er längst. Ihr waret ihm lieb, euch vertraute er den Nidleboden, welcher seit zweihundert Jahren in der Familie ist, an dem er mit ganzer Seele hing, am liebsten an, machte ihn auch zum Weibergut, damit er gesicherter sei, wenn Benz zum Hudel geraten sollte.« Er wüßte nicht, woran der Pate selig was gemerkt haben sollte, und er solle doch ja niemand was sagen, daß sie von so was geredet hätten, bat Bäbeli. »Mädchen«, sagte der Alte, »das läßt sich nicht verheimlichen; was getan werden soll, muß alsobald getan werden, so wollte es auch der Kirchmeier selig. Aber jetzt gehe und mach, daß das Abendessen gebracht wird! Stelle auf, was du hast, und vergiß den Wein nicht!« Bäbeli wollte Einwendungen machen, wollte das Versprechen, daß er nichts sagen wolle. Allein der Alte blieb fest und trieb Bäbeli ohne Erbarmen an die Ausführung seiner Befehle.

Endlich ward das Essen aufgestellt, die Hausgenossenschaft versammelt. Unnötig war des Gerichtsmanns Vorsorge nicht, denn ein muntrerer Appetit hatte sich in Speise und Trank wohl selten an einem Tische kundgetan, und wir müssen sagen, selbst Bäbeli aß und trank, freilich weniger als die andern. Hie und da wurde eine scherzhafte Bemerkung laut über die Gesichter der Verwandten oder ein Vorwurf an Benz, daß er nicht erlaubt, Hansli die Kuh an die Chaise zu binden. Da begann der Alte und sagte: da könnten sie ein Beispiel nehmen, was Hoffahrt und Hochmut für einen Ausgang nehmen täten, weil er die Menschen mit Blindheit schlage, und wohin Fleiß und Treue führten, weil sie aushielten bis ans Ende und immer jemand da sei, der sie sehe und lohne. Er kenne niemand, der ein Auge gehabt bis ins Innerste der Menschen hinein wie sein Freund, und niemand, der kaltblütiger genommen, was er gesehen. Er habe die Wurfschaufel in der Hand gehabt, die Tenne gefegt, habe die Leute gesiebt, bis er im Hause gehabt, wer ihm anständig gewesen, treu und lieb, und allen denen habe er ein Zeichen getan. Nun erzählte er, was die meisten noch nicht wußten, was er jedem unter ihnen verschrieben hätte, las dazu die Worte ab, mit denen er es getan hatte, und warum er es getan. Da war niemand, der nicht geweint hätte, und nicht wegen der Gabe, sondern wegen den wahren Worten und der schönen Vermahnung. »Benz und Bäbeli«, fuhr er fort, »sind am längsten bei ihm, beiden war er Vetter und Pate, beide waren ihm gleich lieb, und er wußte auch, daß sie einander nicht zuwider seien, aber vorgreifen, sich einmischen wollte er nicht. Nun sei Gott gelobt und gepriesen, daß jetzt sein allerletzter Wille erfüllt ist, und morgen geht ihr beide und gebt die Ehe an!« Da war große Freude unter allen, welche diese unerwartete Nachricht hörten, bloß Bäbeli wehrte und wollte weinen oder böse werden, es wußte nicht recht, was. Da sprach der Alte: »Mit der Eröffnung des Testamentes hat man nicht warten mögen, jetzt, da es offen ist, will ich mit dem Vollzug auch nicht zögern. Wann mir gesetzt ist, zu sterben, weiß ich nicht. So erfordert es auch die Sitte, welche unter solchen Umständen das Zusammenleben von Brautleuten nicht duldet. Übrigens kennt ihr euch seit Jahren, Vorbereitungen sind keine nötig, und der Selige hat seine Freude daran im Himmel. Also will es ich, und so geschieht es.«

So geschah es auch, und es war gut so, denn im Nidleboden geht es gut bis auf den heutigen Tag; Hoffart, Hochmut, Müßiggang sind dort noch nicht eingekehrt, sondern Liebe und Treue, Fleiß und Frömmigkeit sind die vier Sterne, welche in unverdüstertem Glanze über dem Nidleboden stehen, nie untergehen.


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