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4. Kapitel.

»Noch eine Tasse Tee, Herr Doktor?« fragte Frau Irma von Puttlitz am Abend den eleganten Herrn, der unter der verabredeten Maske des harmlosen »Jagdgastes« zwischen ihr und dem Hausherrn saß. Ihre braunen Augen blickten etwas kokett. Sie wußte, daß das weiße, fließende Batistkleid ihr vorzüglich stand und daß sie mit ihren 44 Jahren – die Nachbarinnen wußten allerdings nur von »knapp 40« – sehr wohl noch den Anspruch auf eine schöne Frau erheben konnte.

Der Angeredete glaubte mit einer höflichen Verbeugung ablehnen zu müssen.

Puttlitz fuhr sich mit der großen, weißen, wohlgepflegten Aristokratenhand durch den melierten Vollbart.

»Ich taxiere unsern Doktor jetzt eher auf einen »Kirsch«, als auf »Kirschblüte«.

Er lachte bei diesem Scherze behaglich.

Seine Angehörigen atmeten auf bei diesem Lachen, das tief aus der breiten Brust kam. Seit Monaten war es an dem oberen Ende des Tisches verstummt gewesen. Dumpfes Schweigen hatte dort an den langen Abenden gelastet und alle bedrückt, welche die gemeinsamen Mahlzeiten aus Arbeitszimmer, Feld und Inspektorsstube hier zu vereinigen pflegte.

Heute brauchte nicht die verheiratete Tochter mit der Mutter halblaute Gespräche über den dem weiblichen Teile der Familie zukommenden Wirtschaftsbetrieb zu führen, unterbrochen durch scheue Blicke nach dem finster vor sich hinbrütenden Vater und Gatten.

Der Schwiegervater hatte es nicht nötig, Brotkügelchen zu drehen aus Aerger darüber, daß er auf seine auf das Notwendigste beschränkten Fragen über Feld und Flur nur knappe Antworten des Schloßherrn erhielt.

Nein, heute wehte eine freiere, frischere Luft in dem dunkelgetäfelten Zimmer mit den Reihen blitzenden Zinngeschirrs auf den Wandbrettern. Sogar die runden, grünen Kacheln des ungeheuren Ofens, der sonst wie ein schlechtgelauntes Ungetüm in der Ecke da drüben zu hocken schien, sahen heute wie fröhlich grinsende kleine Monde nach der Tafel herüber.

Heitere Scherzworte flogen über das schneeweiße Gedeck mit den blitzenden Gläsern und blinkenden Aufsätzen. Helles Frauenlachen erklang, wo kurz zuvor noch alle Fröhlichkeit verbannt oder eingefroren schien.

Diese Stimmung hatte sich zuletzt auch den an der Tafel Servierenden augenscheinlich mitgeteilt.

Zwei Personen waren es, die allabendlich dieses Amt zu verrichten hatten. Vater und Sohn. Engelke senior und Engelke junior.

Ein ganz altes und ein junges Bedientengesicht.

Der erstere, schon leicht gebeugt von der langen Reihe der Jahre, die das sorgfältig gescheitelte Haar dünn und bleich hatten werden lassen. Zur vorzugsweisen Bedienung des Hausherrn bestimmt, hingen seine scharfen Augen unentwegt an den Mienen des Gebieters, jeden Wunsch davon ablesend und erratend. Die geschulten, mageren Hände ließen weder das Geschirr klappern, noch schienen seine Ohren zu hören, was nicht für sie bestimmt war. Lautlos bewegte er sich auf dem Parkett hin und her.

»Ja, mein alter Engelke,« pflegte sein Herr zu schmunzeln, wenn die Rede auf dieses Juwel kam, »den könnte ich so, wie er geht und steht, ins Provinzialmuseum abliefern.«

Dies war Engelke senior.

Der Junior war für Kenner ein Schatten davon, aber immerhin ein Schatten vom Original. Seine Züge waren etwas edler. »Vornehmer« pflegte Hauptmann Hintze zu sagen, der sich die Herausbildung dieses »Schattens« angelegen sein ließ, »Fortuna hat ihm in der Wiege mit dem Modellierholz ein paar Kanten weggestrichen, die beim Alten, für mich wenigstens, doch ein bißchen klobig wirken.« Fix, hurtig, immer zur Stelle, das hatte er dem Alten abgeguckt oder die Herren im Hause hatten es ihm durch manches Donnerwetter im Anfang seiner Laufbahn eingedrillt. Darüber herrschte bisweilen edler Wettstreit der Autorschaft. Was dem jungen an serviler Beflissenheit abging, das ersetzte er durch militärische Strammheit und ein, wenn auch durch Höflichkeit und Diskretion gemildertes ruckartiges »Zu Befehl«.

Mit einem Worte: er machte sich, der Junior.

Und dabei war er bis zu seinem 18. Lebensjahre Fabrikarbeiter gewesen, allerdings zum Kummer des Vaters, der am Tische im Schloß manches grollende Wort über »jugendliche Kriegsgewinner und Laffen« hören mußte. Dann hatte man ihn in das Stahlbad des Krieges geholt, durch das er sich als flotter Artillerist unversehrt durchgeschlängelt hatte, bis vor dreiviertel Jahren das Machtwort des Vaters den Arbeitslosen auf das Schloß geholt hatte.

Es schien, als ob man am Tische vergessen hätte, daß vor zweimal vierundzwanzig Stunden in diesen Mauern Entsetzen und Schrecken geherrscht und daß sie mit Grauen von den bleichen Lippen des jungen Offiziers die Worte gehört hatten: »es spukt, so wahr ich lebe!«

Nicht immer paßt das Wort: wie schnell man doch vergessen kann! Vergessen hatte keiner der fröhlich Tafelnden jenen Abend. Bei dem einen Teile herrschte das Bestreben: nicht daran denken. Das waren die beiden Damen. Und sie freuten sich darüber, daß die Herren so sorglos waren.

Die drei Herren dagegen freuten sich wieder wie die Kinder, die ihr Geheimnis haben, von dem die andern nichts wissen. Ja, es gewährte ihnen sogar einen eigentümlichen Reiz, wie Kinder mit verhüllten Worten über ihr Geheimnis zu reden, das nicht oder noch nicht für die »Großen« bestimmt war.

Jetzt erhob Hintze sein Glas mit einem lustigen Blinkern des einen Auges gegen den Freund:

»Prost, Waldemar, auf unseren »Kapitalen«!«

»Famos, in dieser prächtigen Gegend mal zum Schuß zu kommen,« gab dieser ebenso zurück.

»Schade, daß ich mit meinen alten Knochen wohl nicht von der Partie sein werde,« fiel von der oberen Ecke des Tisches die tiefe Stimme ein, »aber auf dem Anstand da oben ist's mir doch zu windig.« Der alte Herr schmunzelte trotz dieser bedauernden Worte so verräterisch, daß die beiden anderen Verschwörer ihm verzweifelte Blicke zuwarfen.

»Weshalb freust du dich denn so darüber, Kuno?« Frau von Puttlitz schob leicht pikiert ihre Tasse zurück. Die stattliche Dame war verstimmt darüber, daß der in ihren Augen doch noch äußerst rüstige Gatte sich gerade vor dem Fremden mit aller Gewalt zum gebrechlichen Stubenhocker stempeln wollte. »Du warst doch bis zum letzten Herbst ein leidenschaftlicher Jäger!«

»Der letzte Herbst war eben der letzte,« versetzte er unberührt. »Seitdem ist manches trübe Wasser den Berg hinabgeflossen, trübes Wasser, das sich auch im Meer der Unendlichkeit nicht mehr sauber wäscht. Außerdem: wir werden alt, wir alle. Auch du, trotzdem du jetzt natürlich ein beleidigtes Gesicht machst. Die jetzige Jägerei ist für jüngere Leute, zumal das Wild flüchtiger geworden ist.«

»Wo wechselt denn eigentlich euer Bock?« ließ sich jetzt die junge Frau hören, während ihre Hand verstohlen die der Mutter tätschelte, um deren kleine Fältchen des Unmuts auf der weißen Stirn zu verwischen.

Der lange Hauptmann legte sein Gesicht in ernsthafte Falten.

»Das ist eben die große Frage,« sagte er, »wo der Kerl wechselt, das wissen wir schon, aber aus welchem Bett er hochwird, das möchten wir gerne wissen, liebes Gischen.«

»Nanu! Das ist doch ganz gegen Gebrauch und Notwendigkeit. Die Hauptsache ist doch, an dem Wechsel zum Schuß zu kommen. Was schiert den Waidmann das Lager?« Sie blickte erstaunt auf die Herren, welche so seltsam die Gesichter verzogen. Komisch, wie sich heute abend ihr Mann benahm. Aber auch seinen Freund, den er da im Felde aufgegabelt, konnte sie nicht verstehen. Der hatte um den seinen Mund so ein unangenehmes Zucken, als ob er innerlich mit dem Lachen kämpfte. Wahrscheinlich verstand er überhaupt nichts von der Jägerei und machte die Witze der beiden anderen nur aus Höflichkeit mit.

»Sie kommen wohl sehr selten zur Jagd?« fragte sie etwas von oben herab und sah ihn von der Seite an.

Vater und Gatte grinsten unbändig. Ihre Mutter schlug die Augen nieder. War die Frage wirklich so unhöflich? Der Gast war jedenfalls nicht verletzt; denn er erwiderte mit ausgesuchter Höflichkeit:

»Im Gegenteil, meine Gnädigste! Die Jagd ist meine einzige Leidenschaft.«

»Die Menschenjagd,« wäre es dem alten Herrn beinahe entfahren. Er verschluckte sich aber in diesem Augenblick entsetzlich und war durch eigene Schuld für die nächsten Minuten außer Gefecht gesetzt.

Engelke senior trat geräuschlos hinter seinen Stuhl und schien auf das Kommando zu warten, das in solchen Fällen in früheren Tagen üblich war. Aber das gestöhnte: »Immer klopp mal ein bißchen!« kam heute nicht, und so trat er ebenso geräuschlos wieder zurück an das Büffet, wo er einer Schildwache gleich gestanden hatte.

»Ich weiß, du bist ja eine vortreffliche Jägerstochter und Ehefrau,« wandte sich der Hauptmann an Frau Gisela, »aber heut kannst du doch nicht mitreden ...«

»So!« sagte sie kampflustig, »jedenfalls weiß ich, daß ihr die Genehmigung vom Landrat noch nicht habt. Und die braucht ihr. So versiert bin ich auch.«

»Hi!« machte ihr Mann, als ob man ihn unvermutet gekitzelt habe, »Genehmigung vom Landrat. Unser verehrter Herr Doktor schaut gerade so aus, als ob er sich darum kümmere. – Hi!« machte er wieder, diesmal aber aufrichtiger, denn der Freund hatte ihm unter dem Tische auf den Fuß getreten.

Wiederum war die junge Frau verständnislos.

»Aber das grenzt doch an Wilddieberei!«

» Taceat mulier in ecclesia!« Der alte Herr hatte sich allmählich wieder erholt.

»Was ist das wieder für eine Sprache? Wahrscheinlich »Jägerlatein«, aber modernes, denn ich verstehe es nicht.«

»Uralt, Gischen. Heißt: Weiber sollen höchstens über Hasenjagd mitreden.«

»Du bist nicht sehr höflich, Kuno!« wandte sich seine Frau an ihn, nachdem sie ihre Tasse wieder ein Stück fortgerückt hatte.

Auch Gisela fand den Vater heute sonderbar und sprunghaft. Seine seltsame Heiterkeit kam ihr nicht ganz echt und erzwungen vor. Oder lag ihr noch der Schreck und die Unruhe in den Gliedern seit der Stunde, als man den geliebten Mann bewußtlos und mit blutender Stirn die Treppe herunter getragen hatte? Das unsagbare Weh, das sie ergriffen, als sie seinen wirren Reden entnommen, daß wiederum eine spukhafte Erscheinung seinen Weg gekreuzt hatte, wie damals ... Nein, nur nicht daran denken! sagte sie sich, innerlich erschauernd und preßte die schlanken Hände gegen die Schläfen.

Die Mutter bemerkte diese Bewegung.

»Ich denke, wir können die Tafel aufheben ...«

Stühlerücken. Ein allgemeines gedämpftes »Mahlzeit«. Handküsse. Engelke junior schlug die Portiere nach dem Nebenzimmer zurück und steckte dort die Kronen des in Geweihe gefaßten Beleuchtungskörpers an.

»Jagdzimmer,« murmelte Dr. Cornelius vor sich hin und lächelte, »wir sollen anscheinend nicht vom Thema abkommen!«

»Sehr richtig,« bemerkte der Freund, dessen scharfes Soldatenohr diese Worte aufgefangen hatte. Oder waren sie für dieses berechnet gewesen? Beide tauschten einen verständnisinnigen Blick.

Puttlitz hatte unterdessen Engelke senior einen Wink gegeben.

In Gedankenschnelle, wie aus dem Boden gezaubert, stand in blitzendem Kühler eine Flasche Sekt auf dem Tische.

»Ich weiß nicht, ob ich nicht um Entschuldigung bitten muß: »nur« deutscher. Den französischen hab ich seit August 14 von Haus und Hof verbannt ...«

»Einverstanden!« nickte Cornelius.

»Kunststück,« sagte die Stimme des Hauptmanns dicht bei seinem Ohr, »der ist nämlich kaum mehr aufzutreiben. Er hat ihn früher übrigens auch lieber getrunken!«

Frau von Puttlitz bot dem Gaste das erste Glas.

»Hoffentlich bleiben Sie recht lange!«

»Sehr liebenswürdig, meine Gnädigste. Ich bin ja eigentlich nur auf einen Rehbocksprung von Berlin herübergekommen. Ich würde besagtem Bocke nicht grollen, wenn er mich recht lange nicht zum Schusse kommen ließe.«

»Siehst du!« machte der Hausherr, »das nenne ich artig. Beinah' alte Schule. Dabei ist der Herr Doktor doch zu den Jüngeren zu rechnen. Du hast recht, Irma. Es gibt Umgangsformen und Artigkeitsgesetze. Aber ich sage, das reicht alles nicht weit. Haben Sie schon einen Menschen gesehen, Herr Doktor, der die Form wahrt, wenn seine Frau ihn ärgert?«

»Das erlaube ich mir nicht zu beurteilen, ich bin nicht verheiratet,« antwortete der Gefragte mit edler Schlichtheit.

»Sie weichen aus!« Frau Irma schlug die großen Augen zu ihm auf. »Sind Sie ein prinzipieller Verächter der Ehe? Mein Mann wagt es nämlich von sich zu behaupten, trotzdem ...« Sie lachte etwas kokett.

»Verächter? Im Gegenteil. Die Ehe ist mir bisher zu heilig gewesen. Ich möchte ihrer noch würdiger werden ...«

»Oder Sie sind noch zu anspruchsvoll.« Dies war die junge Frau, die dem Gaste noch etwas zürnte.

Nun sah dieser sie prüfend an. Er versuchte in ihren blauen Augen zu lesen. Mit einem Male kam ihm der seltsame Gedanke: diese Augen hast du doch schon irgendwo einmal gesehen! Aber wann und bei welcher Gelegenheit? Es waren helle, klare, blaue Augen ohne Falsch. Klar wie ein Gebirgsbach und blau wie der Himmel über weißen Firnen.

Seine eigenen Augen mochten wohl bei diesem krampfhaften Nachdenken etwas starr geworden sein, denn sie wandte sich jetzt mit einem leichten Erröten ab. Die Herren aus der Stadt haben eine besondere Art, einen anzusehen, war ihr Gedanke. Sie fühlte sich peinlich berührt durch diese forschenden, beinahe durchbohrenden Blicke.

Dr. Cornelius lächelte fein. Er hatte ihre Gedanken wohl nicht erraten. »Ansprüche zu stellen, daran habe ich bisher noch nicht gedacht. Vielleicht fehlte mir dazu auch die erforderliche Zeit ...«

Frau von Puttlitz sah ihn verständnislos an.

»Nicht Zeit?« Der elegante Lebemann vor ihr mußte scherzen. Ein Landwirt hatte nie Zeit, vielleicht auch ein Kaufmann. Schon der Offizier ... Sehr viel weiter reichte ihr Verständnis nicht. Sie war auf dem Lande, nebenbei einem höchst aristokratischen Sitze in der Mark aufgewachsen. Hatte wie ihre älteste Tochter blutjung geheiratet und von der »Welt« nur das gesehen, was ihr Besuche in der nahen Residenz bei kurzem Aufenthalt vor Augen führten. Der Freund ihres Schwiegersohnes, der hin und wieder den Schimmer eines ironischen Lächelns um den Mund hatte – trotz aller Höflichkeit und Bescheidenheit – interessierte sie. Dachte sie daran, daß sie noch eine Tochter hatte, das »zu Verwandten abgeschobene Gör«, wie der Schwager sie nicht sehr liebenswürdig dem Freunde in Abwesenheit vorgestellt hatte? Die Gedanken von Frauen, die Mütter unverheirateter Töchter sind, pflegen ja primitiv zu sein und sich in gerader Linie zu bewegen. Und so sagte sie:

»Sie haben aber doch Zeit gehabt, Ihren Doktor zu machen. Was für eine Art von Doktor sind Sie denn eigentlich? Curt hat uns bisher nur eine ziemlich mangelhafte Beschreibung von Ihnen gegeben ...«

»... der Philosophie,« um meinen Steckbrief zu vervollkommnen.

»Philosophie?« wiederholte sie zögernd. Darunter konnte man sich vieles und doch nichts vorstellen. Jedenfalls keinen Broterwerb. Aber einen solchen hatte der wohl auch kaum nötig. Sie überflog mit einem schnellen Blicke den tadellos sitzenden Anzug, das gute Schuhwerk, den diskret kleinen, aber ein Bündel gleißender Strahlen aussendenden Brillantring am letzten Finger der schmalen und doch kräftigen Linken ...

Ihn amüsierte diese blitzschnelle Musterung, die ihm nicht entging. Er kannte diesen umfassenden Rundblick älterer Damen, bevor sie sich mit einem Jüngeren in eine nähere, mehr persönliche Unterhaltung einließen.

»Präziser gesagt: Chemie, gnädige Frau. Das ist etwas handfesteres, greifbareres, als das allgemeine, molluskenhafte Wort Philosophie. Ich habe einmal richtiggehend studiert. Damals lebte aber mein Vater noch. Und der war von der guten, alten Sorte und hielt auf Arbeit. Er war wenigstens Preuße und im Dienst eines Hohenzollern, nebenbei bemerkt zuletzt Leibarzt des Prinzen Karl ...«

Die schöne Frau vor ihm verlor die letzte Spur von steifer Würde.

»... des Prinzen Karl,« wiederholte er und lehnte sich in den bequemen Ledersessel zurück, »dem er auch seine Erhebung in den Adelsstand verdankte.«

»Erblicher Adel?« Die Frage kam schnell und knapp heraus.

»Sogar dies.« Er zwang sich zur lässigen Gleichgültigkeit, obwohl ihn seine Kinnbacken schmerzten.

»Da wären Sie selbst ...?«

»Ein kleiner ›von Cornelius‹, sehr richtig, gnädige Frau.« Ihre Büste hob und senkte sich.

»Aber ...« fuhr er fort.

»Aber?«

»Ich mache keinen Gebrauch davon.«

»Oh! Und weshalb nicht?«

»Erstens weil ich mir dies Wörtchen nicht selbst verdient habe und ich bin etwas eigen in dieser Beziehung, ich denke immer an die fremden Federn. Zweitens ist es nicht mehr modern.«

Frau von Puttlitz schüttelte den Kopf. Die vorhin so schnell abgestreifte Würde zog wieder über ihre klassischen Züge.

»Nun gut. Ich muß Sie aber doch noch ein bißchen examinieren. Wir sprachen vor dieser kleinen Abschweifung von ihrer »Zeit«, die sie nicht haben wollten ...«

»Na eben, Waldemar, erzähle Mama doch mal ein bißchen von deiner Beschäftigung,« half der Freund nach, der dem Dialog, dessen Steigerung und Senkung, mit stillem Behagen gelauscht hatte, »aber natürlich: ad usum delphini, so für alte Damen berechnet«. Er rieb sich die Hände und freute sich darauf, was der »Philosoph« nun wohl seiner Schwiegermutter vorschwindeln würde.

Dr. Cornelius nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Sektschale, brannte sich eine neue Zigarette an, betrachtete nachdenklich deren blaue Kringel und begann:

»Um also, wie gewünscht, zu beichten: Morgens stehe ich auf ...«

»Ach nee!« machte Hintze.

»Sehr richtig bemerkt,« verbeugte sich Cornelius ironisch nach ihm hinüber, »insofern unterscheide ich mich nicht von gewöhnlichen Sterblichen« (daß er aber sehr oft erst beim Morgengrauen die Haustür aufschloß, sagte er nicht; vielleicht, weil er sich damit ohne Not als einen sehr unsoliden Sterblichen hingestellt hätte).

»Dann pflege ich zu frühstücken,« fuhr der Erzähler fort. »Dann lese ich meine Zeitungen ...«

»Zeitun en?« Dies war der Hausherr, der bis dahin schweigend, aber mit behaglichem Lächeln dem Verhör gefolgt war. »Also verschiedene?«

»Einige Dutzend.«

»O Gott, müssen Sie eine Ausdauer haben! Mir genügt eine

»Die »Tageszeitung«, meint mein verehrter Schwiegerpapa, und davon interessiert ihn auch nur die Rückansicht,« lachte der Hauptmann, »als guter deutscher Landwirt liest er nämlich ausschließlich die Annoncen.«

»Du bist ein unleidlicher Spötter, Curt. Können Sie sich vielleicht in diesen Tagen an der Politik erfreuen, Herr Doktor?«

»Das ist Geschmackssache. Jedenfalls verdirbt sie den Charakter. Und im übrigen ist es auch nicht die Politik, die mir die Zeitungen lesenswert macht.«

»Sondern?« fragten zwei weibliche Stimmen und eine männliche.

»Das »Vermischte«,« erwiderte Cornelius und machte eine sehr harmlose Miene.

Die Hausfrau drehte mit einer schnellen Kopfbewegung sich nach dem Sprecher um.

Der Hausherr machte: »Jott, wie niedlich!«

Und Frau Gisela Hintze, geborene von Puttlitz, verzog den roten Mund spöttisch.

Der Herr aus Breslau schätzte den Ausdruck dieser verschiedenen Erfolge richtig ein und beeilte sich, zu versichern: »Ich glaube, mit meiner Leidenschaft etwas angeeckt zu sein. Aber als Müßiggänger muß ich meinen Geist doch beim Kaffeeersatz anregen. (Nein, gnädige Frau, der ›echte‹ ist mir wirklich noch zu teuer.) Weshalb ich nun gerade Zeitungen lese und keine Romane? Die alte Literatur kenne ich. Und die moderne, für die bin ich zu schamhaft. Wie nett ist da das ›Vermischte‹. Dichtung und Wahrheit. In diesem Teil der Gazetten finden Sie wirklich alles ...«

»Auch Geistergeschichten?« fuhr es dem Hausherrn heraus.

Der Hauptmann stieß nervös seinen Stuhl zurück oder spielte er nur etwas Komödie?

Seine Frau wurde um einen Strich blasser und schloß für eine Sekunde die Augen.

Und die Dame des Hauses preßte die Lippen zusammen, sah ihren Mann mit einem vorwurfsvollen Blicke an, der sprach: aber Kuno, wir haben uns doch gestern in die Hand versprochen, das Wort »Geist« nicht mehr zu erwähnen!

Der Sünder betrachtete seine Sektschale und schien sich sehr dafür zu interessieren, daß er schon wieder den Boden sah.

Dr. Cornelius aber hatte von neuem Gelegenheit, den stillen Beobachter zu spielen.

»Um weiter zu berichten: Ich will nicht unterschlagen, daß ich auch Post bekomme ...«

»Natürlich viel von zarter Hand.«

»Von zarter, manchmal aber auch von recht derber, unhöflicher,« war die lächelnde Antwort.

»Ob er wohl Schulden hat?« fragte sich Frau von Puttlitz und ihre Augen bekamen einen nachdenklichen Ausdruck.

»Auch Besuche bekomme ich. Liebe nette, aber auch unangenehme ...«

»Aha!« jetzt denkt er an seine Gläubiger, stand bei seinem Vis-a-vis fest. Frauen vermögen mit einer gewissen Beharrlichkeit sich an einen Punkt zu klammern, der sich hinter ihrer weißen Stirn festgesetzt hat.

»... und so vergeht halt der Tag,« fuhr Cornelius fort.

»Bis daß dann der hübsche Abend herannaht!« Der lange Hauptmann griff nach einer frischen Flasche, die Engelke senior leise, behend und diskret in den Kühler gesetzt hatte, »du hast übrigens vom Vormittag etwas vergessen, Bester!«

»Das wäre?«

»Die Vervollständigung deiner Sammlung.«

»Sehr richtig. Bravo, wie du aufgepaßt hast! Ich nehme also nach der Lektüre besagter Zeitungen meine Schere zur Hand ...«

»Couponschere?« riet Puttlitz.

»Nagelschere?« die Tochter.

»Pfui!« sagte die Mutter.

»Beides falsch!« der Doktor war sehr vergnügt, »die Zeitungsschere. Ich sammle Zeitungsausschnitte, leidenschaftlich, wirklich ...«

»Von Kri...« las ihm der Hausherr vom Munde ab, verschluckte aber schnell die Fortsetzung: »...minalfällen«, da er sich wirklich an dem mussierenden Sekt verschluckt hatte. »Engelke, altes Kamel, bleib mir vom Leibe, stelle lieber die Flaschen länger kühler!«

Der zu Unrecht Gescholtene verzog sich aus dem Zimmer. Sein Kopfschütteln war lediglich ein inneres. Denn als geschulter Diener ließ er seine Gedanken nicht von dem glatten, ausdruckslosen Gesicht ablesen. Und wenn man ihn acht Tage lang auf die Folter gespannt hätte.

Draußen stieß er auf seinen Sohn, den Engelke junior. »Stieß«, denn die schnell geöffnete Tür schlug dem Junior gegen den Kopf. Er drückte sie ins Schloß und betrachtete nachdenklich seinen Sprossen. Dessen Gesicht war gerötet. Kam dies von dem Zusammenprall her? Aber Engelke senior war selbst einmal ein junior gewesen. Und deshalb sagte er:

»Horchen tut man höchstens als ganz grüner Stift, als Anfänger. Ich dächte, wir wären aus diesen Kinderschuhen heraus!«

Sein Ton war hart. Beinah lag ein drohendes Grollen in ihm.

Der Gescholtene nahm die leere Flasche aus der Hand des Vaters und trug sie, wie angewiesen, in die Küche hinunter.

Im Jagdzimmer drinnen aber sagte der Gast zu dem Hausherrn:

»Sehr richtig bemerkt, ich sammle Ausschnitte über Kriegsangelegenheiten.« Damit war dieser Punkt zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt.

»Und Abends?« examinierte Frau von Puttlitz weiter und markierte ein kleines Gähnen. Es war wirklich nur markiert, denn jetzt kam ein Punkt, der sie als Frau beinah am meisten interessierte. Wie jede verheiratete Frau hatte sie insoweit eine kaum zu unterdrückende Wißbegier, auf der anderen Seite aber die übliche falsche Vorstellung von dem zügellosen Nachtleben junger Leute in der großen Stadt.

»Und Abends? Da gehe ich aus. Nicht immer, aber hin und wieder. Mit meinen Freunden, zu meinen Freunden ...«

»Auch Freundinnen?«

»Auch Freudinnen.«

»Ach, das denke ich mir interessant. Sicher schicke junge Damen in den neuesten Kostümen ...«

»Sicher!« Cornelius lachte. Er dachte an die schlampige Ida, die als Vigilantin ihn vor wenigen Tagen in eine Verbrecherkneipe in Berlin N. geführt hatte. Doch von solchen Bekanntschaften konnte er hier doch nicht gut erzählen!

»Hoffentlich nicht zu schick,« sagte Frau von Puttlitz langsam, aber mit glänzenden Augen, »das Wort hat einen ominösen Beigeschmack.«

Gisela fand das Benehmen ihrer Mutter, ihre Fragen nicht sehr passend. Darum stand sie auf.

»Verzeiht, aber ich bin herzlich müde. Nehmen Sie mir diese Worte nicht übel, Herr Doktor; der letzten Tage Qual war groß ...«

Der drückte einen Kuß auf die zierliche Hand.

»Ich verstehe vollkommen, meine Gnädigste. Auch ich werde mich baldigst zurückziehen ...«

»Halt! Das gibt's nicht!« protestierten die beiden anderen Herren, »erst wird die Flasche ausgetrunken. Familie Engelke braucht heute abend keinen Schampus. Die ist sonst oft genug Nutznießer.«

Als sich die Damen nach längerer Sitzung entfernt hatten, rückten die drei Verschwörer ihre Stühle näher zusammen und sahen sich lachend in die Augen.

»Ob sie was gemerkt haben?«

»I keine Spur. Wir haben doch in unentwirrbaren Rebussen geredet,« versicherte Puttlitz.

»Ich habe auf Kohlen gesessen,« sagte der »Jagdgast« und versuchte, eine böse Miene zu machen.

»Nun aber zur Sache!«

»Entwerfen wir den Schlachtplan. Oder haben Sie schon einen entworfen?«

»Ich muß gestehen,« erwiderte der Detektiv, »viel Licht ist mir bei der ersten, mehr oberflächlichen Besichtigung des Geländes dort oben nicht aufgegangen. Doch wir waren zu zweit und das stört immer etwas meine Konzentration – Verzeih', Curt! – Jedenfalls habe ich mir verschiedentliche Fragen notiert, die sich mir bisher aufgedrängt hatten.«

Bei diesen Worten zog er sein Notizbuch aus der Tasche und schlug es auf.

»Immer fragen Sie, Herr Schutzmann!« machte der Hauptmann vergnügt und schenkte die Gläser voll.

Puttlitz verneigte sich leicht vor seinem Gaste und sagte liebenswürdig:

»Was in meinen Kräften steht, will ich gerne berichten. In erster Linie interessiert mich natürlich die Frage, ob Sie der Meinung sind, daß es sich bei dem Vorfalle um einen dummen, üblen Scherz oder um ein Verbrechen im Sinne des Strafgesetzes, oder aber um irgend eine Luftspiegelung oder dergleichen Kram handelt. Denn an ein »Gespenst« glaube ich so wenig, wie Sie und mein Schwiegersohn ...«

»Damit scheidet die letztere Möglichkeit aus. Wenigstens für unsere Beurteilung und Untersuchung. Mögen andere ruhig daran glauben ...«

»Andere ...?«

Dr. Cornelius lachte. »Nun, zum Beispiel Ihr Engelke Junior. Ich habe ihn auf der Herfahrt bereits ein bißchen auf Herz und Nieren geprüft.«

»Ich bitte dich – solche Leute! Immerhin wundere ich mich, denn Junior gehört doch der modernen, »aufgeklärten« Jugend an. Wenn es der Alte wäre! ...«

»Der ist womöglich noch schlimmer. Doch dies werden wir ja sehen, wenn ich ihn einmal ins Gebet nehme. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß ungebildete Leute so einem alten Schloß immer ein bißchen Spuk zutrauen ...«

»Schön!« ließ sich Cornelius belehren und griff in die kristallene Zigarettenschale, die mit aufgeklapptem Deckel aus Silber vor ihm stand, »doch nun zur zweiten Lesart: Verbrechen. Als Indiz dafür haben wir auf jeden Fall den Schlag, den du erhalten hast. Aber ... und nun kommt gleich ein Aber: der »Geist« hat dich ja gar nicht direkt berührt. Ein Werkzeug ist nicht gefunden worden. Im Schloß befindet sich keine elektrische Starkstromleitung, sondern nur, wie ich sofort festgestellt habe, die Schwachstromleitung für die Klingelanlage. Ein elektrischer »Schlag« scheidet also aus. Ich stehe vor einem Rätsel ...«

»Das du aber sicherlich lösen wirst, lieber Woldemar. Soviel ich orientiert bin, hast du doch schon viel schwierigere Probleme gelöst.« Der Freund trank ihm zu.

»Danke für das Kompliment. Ob ein Problem schwierig ist oder nicht, kann man erst nach seiner Lösung beurteilen, wenn man die Faktoren sämtlich kennt. Bei dem heutigen stehen wir aber noch davor

»Und wie denken Sie über einen Scherz?« fragte Puttlitz, und seine Stirn umdüsterte sich. Man sah ihm an, daß er nicht viel Federlesens mit dem unbekannten Witzbolde machen würde.

»Scherz oder Verbrechen kann man nicht von vornherein beurteilen. Ich kenne weder bisher alle Insassen des Hauses, noch habe ich Antwort auf meine Einzelfragen. Diese aber sind:

Erstens: wieviel Schlüssel sind zu dem Zimmer im Turme vorhanden?«

»Einer!« antwortete Puttlitz schnell und bestimmt.

Der Ton schloß jeden Zweifel und jede nähere Frage aus.

»Gut!« sagte der Detektiv. »Damit ist aber die Frage noch nicht gelöst, ob nicht nachgemachte Schlüssel sich in der Hand Unbefugter befinden. Darf ich das Original einmal sehen?«

Der Hausherr erhob sich, ging in das an der anderen Seite anschließende Arbeitszimmer und brachte von dort das Gewünschte.

Es war ein mindestens 15 Zentimeter langer, schwerer Schlüssel mit schön ausgearbeitetem, kompliziertem Barte. Eine alte, sorgfältige Schlosserarbeit, wie man sie im Jahrhundert der alles gleichmachenden maschinellen Technik nicht mehr findet.

Cornelius betrachtete ihn von allen Seiten, nahm zuletzt auch noch seine Lupe zur Hilfe. Dann legte er das Stück kopfschüttelnd auf den Tisch.

»Dieser Schlüssel ist seit vielen Jahren nicht mehr benützt worden. Ich kann auch nichts erkennen, was darauf schließen ließe, daß von diesem hier ein Nachschlüssel angefertigt worden wäre. Wenn Sie den uralten Rost und Staub ansehen, werden Sie mir recht geben.«

»Dann muß noch ein zweites Original existieren, denn die Tür war vorgestern Nacht geöffnet,« sagte Hintze und starrte unbehaglich vor sich hin.

Auch sein Schwiegervater machte ein ärgerliches Gesicht. »Ein Skandal! Da hat irgend ein Kerl, den ich nicht kenne, die Möglichkeit, da oben aus- und einzugehen, wie es ihm beliebt. Wenn es mit den anderen Räumen im Hause ebenso ist, dann kann ich ja einpacken!«

»Wir wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, Herr von Puttlitz. Vorläufig hat der »Kerl« ja nur ein Interesse für jenes sonst doch ziemlich unbedeutende Zimmer im Turme an den Tag gelegt ...«

»Und für meine Person, vergiß dies nicht!« machte Hintze ergrimmt und ballte die Hand zur Faust.

»Auch dies ist nicht ohne weiteres anzunehmen. Ich glaube, du bist da befangen. Der Schlag galt nicht deiner Person, sondern derjenigen, die den Mann da oben überrascht oder gestört hat.«

»Beweise?«

»Die aus der Wahrscheinlichkeit zu schöpfende Vermutung.«

»Aber damit nimmst du doch selbst an, daß ein »Schlag« geführt worden ist, während du vorhin ...«

»Alles noch Theorie. Wir haben ja so verzweifelt wenig Unterlagen ...«

»Genügt dir mein Kopf nicht?« versetzte der Hauptmann mit bitterem Lächeln und strich sich über die verbundene Stirn.

»Nein.«

»Erlaube mal!«

Cornelius nahm das Monokel aus dem Auge und polierte es umständlich mit seinem seidenen Tuche. »Es ist keineswegs immer leicht, aus der Art einer Wunde auf das verwendete Werkzeug zu schließen. In deinem Falle weiß ich nur, daß du weder gestochen, noch mit einem spitzigen oder kantigen Instrumente verletzt worden bist. Ich möchte es als eine breite, glatte Fläche bezeichnen ...«

»Ein Brett?« riet der Verwundete.

»Ein großer Hammer aus Holz oder Metall?« der Hausherr.

»Nichts von alledem, meine Herren. Ein Brett hat Fasern, Splitter und so weiter, die Spuren hinterlassen. Ein Hammer, mag er auch eine noch so breite Schlagfläche haben, pflegt mit einer deutlich sich abzeichnenden Kante aufzutreffen ...«

»Aber in Dreideubelsnamen!« wetterte Puttlitz jetzt los, »der heilige Geist sitzt doch bei mir nicht im Turme oben!«

»Sicherlich nicht,« sagte Cornelius ernst, »es muß ein Gebilde aus Fleisch und Blut sein, denn ein menschliches Auge hat es ja auch wahrgenommen. Beruhigen Sie sich also bitte. Wir werden in einigen Tagen schon klarer sehen als heute. – Doch weiter! Nächste Frage: das bewußte Zimmer war auch wirklich verschlossen, ich meine bis auf den einen Abend?«

»Alle Zimmer, die nicht benutzt sind, werden ständig verschlossen gehalten. Bis auf das sogenannte große Reinemachen, zu dem meine Ehehälfte allerdings restlos sämtliche Schlüssel einzufordern beliebt. Na, Sie sind nicht verheiratet, können sich den Kram jedes Frühjahr und jeden Herbst nicht vorstellen!«

»Ich hatte eine Mutter!« sagte der andere bescheiden.

»Na also! Wie gesagt, sonst ist alles derartige Zeug das ganze Jahr unter Schloß und Riegel. Wie?«

Cornelius hatte lächelnd den Schlüssel wieder in die Hand genommen und hielt ihn hoch. »Können Sie ihre Aussage beschwören?«

Der andere verstand nicht.

»Wir haben doch vor einer Minute festgestellt, wissenschaftlich sogar, daß dieser Schlüssel seit Jahren nicht mehr benutzt wurde!«

Puttlitz schlug sich gegen die Stirn. »Weiß Gott, da sieht man, wie leicht man einen Falscheid leisten kann! 's steht wissenschaftlich fest, sehr richtig. Das ist jetzt das höchste. Früher sagte man: es steht in den Akten. Ich lasse dahingestellt, wovor man sich mehr verbeugen muß. Aber da fällt mir eines ein, und das wird Sie sicherlich interessieren. Es steht tatsächlich etwas in den Akten. Und zwar über das verfl... Zimmer da oben. Nämlich in den Papieren meiner Familie. Einen Augenblick ...!«

Er erhob sich wieder hastig und eilte in sein Arbeitszimmer. Dort stieß er auf den Junior, der damit beschäftigt war, die hohen Fensterflügel zu öffnen, um die Abendluft in das Zimmer zu lassen. »Sehr richtig, Karl,« sagte er, »es ist unerträglich heiß hier. Gehen Sie aber jetzt zu Bett, ich brauche Sie nicht mehr!« Als der Diener sich entfernt hatte, suchte er aus seinem Schlüsselbunde einen komplizierten Schlüssel heraus und trat auf ein Möbelstück zu. Er schien etwas zu suchen, das nicht gleich bei der Hand war.

Endlich erschien er wieder, geröteten Gesichts, und schwenkte eine vor Alter gelbgraue Papierrolle in der Hand.

»Hier haben Sie das Dokument. Es war im Schranke hinter gerutscht, deshalb fand ich es nicht gleich.«

Der Detektiv nahm mit dem Gefühl einer gewissen Ehrfurcht die Urkunde entgegen und rollte sie vorsichtig auf. Das Papier war am Rande ziemlich brüchig. Er las:

»Ich, Kuno Franz von Pottlitz, Herr auf und zu Unzingen, stehe am Ende meines langen und wohl kann ich's sagen, reichen Lebens. Wohl darf ich sagen, daß zu ende alles guht vollbracht ist. Das testament, urkundlich, ist gemacht und ligt wohlverwahrt. Ihr werdet's finden und lesen, doch diese schrift hier ist eine art tagebüchlein, für die nachbaren nicht bestimmet, die da kommen werden und mit den meinen wol klagen, das der Herr gestorben. Ich war in meinen jungen Jahren ein arger Freund von schönen frauen und mägdelein. Zum spaße habe ich jeder ein Gütlein ausgesetzt und Feld dazu.

Soweit ich von meinem turme schauen kann ... (an dieser Stelle war die Handschrift unleserlich geworden) ... und deshalb will ich, daß dies Zimmer nach meinem Tode unverändert und stets wohlverschlossen bleiben soll, auf daß mein Geist Ruhe hat und blicken kann auf meine Kind- und Kindeskinder im tal da unten, die mir da entsprossen. Und wer mich stört zur mitternächtigen Stunde, den treffe mein Fluch und Arm ...«

Cornelius ließ die Rolle sinken. Er hatte halblaut und langsam gelesen.

»Verrückt, nicht?« lachte der Nachkomme dieses lebenslustigen Schloßherrn.

Der Hauptmann aber war blaß geworden.

»Aber Papa! Weshalb hast du nie von dieser Urkunde gesprochen?« Er war erregt. Seine Augen brannten.

»Weshalb nicht? 's war wohl ein bißchen Gêne dabei, lieber Curt. Weißt du, der Gedanke, so mit der halben Nachbarschaft zur »linken Hand« verwandt zu sein ...! Besonders durch Tutzingen dort drüben bin ich immer ein bißchen fix geritten. Die Leute dort haben so verflucht viel im Gesicht, was mich sonst angenehm berühren würde, wenn es sich um meine legitimen Verwandten handeln würde. Und wenn die kleinen Kinderchen auf der Dorfgasse sich herumwälzen ... ich mag gar nicht an meine Bilder aus der Kindheit denken ...«

Er griff hastig nach seinem Glase.

Trotz aller Ehrfurcht vor dem Gastgeber mußte Cornelius herzhaft lachen. Die Geschichte war allerdings mehr komisch als tragisch.

Selbst der Schwiegersohn, der unbewußt in eine so umfangreiche Familie hineingeheiratet hatte, verzog halb wider Willen seinen Mund. Nur gut, daß dieses blamable Dokument wohlverwahrt hier oben lag ... Doch mit einem Male kam ihm jäh ein Gedanke, der ihn von neuem erbleichen machte ... dies Vermächtnis ... das Bild des Ahnen im Turmzimmer ... der »Geist«, der dessen Züge hatte, dasselbe reich gestickte Gewand trug ... der Schlag ...!

»Um Gottes willen!« sagte Puttlitz und sah seinen Schwiegersohn entsetzt an, »was hast du denn? Du zitterst ja an allen Gliedern?«

Auch Cornelius blickte den Freund besorgt an, dem kalter Schweiß auf der Stirn stand, während seine Hände unruhig hin und her tasteten. Plötzlich sah er klar:

»Herr von Puttlitz, eine wichtige Frage: wo verwahren Sie diese Urkunde?«

Betroffen über diese Frage, deren Sinn er nur halb verstand, führte er seinen Gast in das Arbeitszimmer nebenan. Cornelius ließ sich zeigen, daß die Urkunde bei anderen Familienpapieren in einem völlig diebessicheren, modernen Kassenschranke verwahrt wurde, dessen Schlüssel der Besitzer Tag und Nacht bei sich trug.

»Dann läßt sich kein Zusammenhang konstruieren zwischen der Urkunde und unserem »Geist«, da bisher ja nur Sie von der Existenz des Schriftstückes wußten ...«

»Selbstverständlich. Meine Frau hat keine Ahnung. Die Sinnesart meines fröhlichen Ahnherrn wäre auch gar nicht nach ihrem Geschmack. Und meine beiden Töchter ... na, für die ist die Sache erst recht nichts.«

»Selbstverständlich!« pflichteten die anderen bei.

»So haben wir vorläufig allein die Tatsache, daß der »Geist« dem Bilde da oben ähnlich sah.« Die drei setzten sich wieder in das Jagdzimmer, nachdem Puttlitz seinen Schrank sorgfältig abgeschlossen hatte, »und können zu der weiteren Frage übergehen: wer kann es sein? Zuvor bitte ich um Auskunft über alle Personen, die sich über Nacht im Schlosse aufhalten.«

Nach der Aufzählung, die dem Frager gemacht wurde, gehörten zu den Bewohnern des Hauptgebäudes nur die Angehörigen der Familie, eine Köchin, die Wirtschafterin, ein Stubenmädchen und Engelke junior.

»Und der Senior?« fragte der Detektiv lächelnd, »wo ist der alte Herr nachts untergebracht?«

»Er verläßt stets nach Erledigung seiner Pflichten das Grundstück und begibt sich ins Dorf hinab, wo er mit seiner Frau ein Häuschen bewohnt,« lautete die Antwort.

»Dies war am Donnerstag um welche Zeit der Fall?«

»Genau um Mitternacht, das habe ich schon festgestellt.«

»Sehr schön. Und eine Stunde später passierte die Geschichte da oben. Engelke senior scheidet also aus.«

»Das möchte ich dem alten Kamel auch geraten haben!« knurrte der Hausherr.

»Alle anderen, die Sie erwähnten, schlafen also im Hauptgebäude. Ist dieses nachts gegen den Hof verschlossen?«

»Doppelt und dreifach, besonders seit dem letzten November.«

»Dann hätten wir also, da der »Geist« doch wohl als ein solcher maskulini generis anzusprechen ist, überhaupt nur zwei Personen, die, wenn ich den Kreis vorläufig einmal so eng beschränke, als »Täter« in Frage kommen können.«

»Zwei?«

»Na ja, der ›Verletzte‹ hat doch auszuscheiden. Und so bleibt nur Engelke junior und – Sie, Herr von Puttlitz,« sagte Cornelius lächelnd.

»Mein Herr, sind Sie ...?«

»Herrje!« rief da auf einmal der Hauptmann, »wir haben ja einen ganz vergessen, der erst letzten Mittwoch zu uns gekommen ist. Daß wir daran nicht gedacht haben!«

»Und dieser eine ist?« Cornelius hob gespannt den Kopf.

Hintze öffnete gerade den Mund, um die Antwort zu geben, da sagte eine vergnügte Stimme von der Tür her:

»Servus. Schampus ...? Det Jeschäft is richtig!«

»Neuling?!« machte der Detektiv mit dem Tone der höchsten Ueberraschung und Freude, stellte mit der einen Hand das Glas auf den Tisch, nahm mit der anderen das Monokel aus dem Auge und sprang auf, »wie kommen Sie hierher??«

Auf der Schwelle stand ein junger, überschlanker Mensch in Reisekleidung, die braunen Gamaschen mit Staub bedeckt. Sein hübsches, bartloses Gesicht strahlte, als er seinerseits den anderen erkannte.

Er schlug die Absätze zusammen und sagte mit leichter Selbstironie:

»Neuling, Leutnant a. D., jebürtig aus Berlin. Zurzeit Volontär auf Jrafschaft Unzingen. Va ... stehst de!«

»Das ist allerdings eine Ueberraschung, Menschenskind, und ich sitze hier und habe keine Ahnung, wo Sie herumtrudeln mögen, seit wir den feldgrauen Rock ausgezogen haben ...! Weshalb hast du mir diese Neuigkeit denn nicht vorgesetzt?« wandte sich Cornelius, noch immer halb erfreut, halb vorwurfsvoll an seinen Freund.

»Verzeih, Woldemar. Ich habe in all dem Trubel wirklich nicht an dieses unbedeutende Huhn da gedacht,« scherzte der Gescholtene.

»Huhn is eijentlich eine Insulte, hochverehrter Brotjeber,« sagte der Ankömmling und suchte nach einem Glase für sich, »ich werde den Volontärsrat einberufen.«

»Dessen einziges Mitglied Sie sind!« lachte Hintze.

»Nu, wenn schon!« sagte der Leutnant a. D. und schielte nach der Flasche, was nicht ohne Erfolg blieb.

Einen langen Zug tat er, dann stand das Glas leer auf dem Tische. »Donnerwetter, tadellos, direkt amön. Das hat den alten Staub hinuntergespült.«

»Es tut mir leid, daß ich Sie nicht mit dem Wagen abholen lassen konnte,« wandte sich der Hausherr an seinen vornehmen Volontär, »aber wir wußten die Stunde Ihrer Rückkunft gar nicht ...«

»O bitte, das macht fast gar nichts,« lachte Neuling ungeniert, »ich hätte ja von der Bahn telephonieren können. Aber der Abend war so schön und ich hatte ja auf Chateau Unzingen nichts zu versäumen.«

»Das nennen Sie nichts,« der Hauptmann wies auf Dr. Cornelius.

»Jottchen! Allerdings, wenn ich gewußt hätte, daß ein leibhaftiger Detektiv ...«

»Pst!« machten da Puttlitz nebst Schwiegersohn mit erhobenem Zeigefinger.

»Wieso: pst! Ist dieser erlauchte Herr denn nicht als Spürhund in unserem trauten Kreise? Nach meiner Kenntnis pflegt er sich doch überall da einzustellen, wo une grande action geschoben werden soll. Unausbleiblich wie die Leichenfrau im Trauerhause ...«

»Pfui, welcher Vergleich!«

»Sie sind unverbesserlich, Neuling!«

Der Gescholtene blinzelte aber äußerst vergnügt seine beiden Regimentskameraden an:

»Prost Cornelius! Was macht denn das Schloßgespenst? Noch immer fidel und munter?«

»Wissen Sie denn ...?«

»Natürlich. Ich war doch höchst eigenhändig zugegen, als man unseren Freund Hintze nach dem Eklat nach unten trug.«

»Ich dachte, Sie wären verreist gewesen?« fragte Cornelius, und seine Stimme hatte etwas Examinierendes.

»Is richtig, zwei lange Tage von den Fleischtöpfen Unzingens fern. War hart jenug für mich. Von Freitag früh bis heute abend, auf Bullenschau in Bernstadt.«

»Soso,« sagte Cornelius nur und streichelte nachdenklich sein Kinn. Sollte am Ende der ...?

Der Gedanke an diese Möglichkeit war durch sein Hirn gezuckt wie ein leichter Vogel, der keck zu einem Fenster hereinhüpft. Und der Leutnant a. D. Neuling war ein leichter Vogel. Wenigstens galt er im Regiment als ein solcher. War er wirklich derjenige gewesen, der den »Schloßgeist« imitiert, so konnte es sich natürlich nur um einen kecken Scherz handeln. Aber der Schlag ...?

Aergerlich schüttelte der Detektiv den Kopf.

Nach einem Verbrecher sah der munter dreinblickende Herr zu seiner Linken wirklich nicht aus. Sein Lachen klang herzlich und unverfänglich. Und seine blauen Augen hatten den Schein der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Sollte dieser Schein trügen?

Der Beobachter beschloß, weiter diese Rolle zu spielen. Vielleicht gab irgend ein Wort, ein Schatten einen Anhalt ...

»Nun,« hatte unterdessen Puttlitz, der sich interessiert vorbeugte, seinen Volontär gefragt, »haben Sie denn welche erstanden?« Er meinte die Bullen.

»Aber feste, ein halbes Dutzend. Süße Kerlchen! sage ich Ihnen.«

»43 hundert?«

»44, Nußbaum, der alte Israelit, ließ sich nicht erweichen,« antwortete Neuling halb bedauernd, halb ärgerlich.

»Sehen Sie, Herr Cornelius,« wandte sich der Hausherr an seinen Gast, »da haben Sie wieder ein drastisches Beispiel, wie der so viel geschmähte Landwirt sich in der Zwangslage befindet. Ich bekomme meine Bullen beim Händler, auf den ich doch angewiesen bin, nicht billiger als 42 bis 44 Hundert. Wenn ich sie aber dann, nach Aufzucht, wohlvermerkt, an den Viehhandelsverband abliefern muß, was zahlt mir diese edle Innung? Schäbige 20 bis 25 Hundert ...«

»Prost!« sagte Hintze zu Neuling, »Sie sind ein goldiger Mensch!«

»Apropos: Gold!« sagte der Leutnant a. D. und blickte sich suchend um. »wo haben Sie denn gleich ...?«

»Ach, Sie meinen das Wasser aus Danzig,« half Hintze nach, »ist auch da. Sie brauchen bloß hinter sich zu greifen.«

»Soso, ich dachte schon, Sie hätten die liebliche Flasche dem Eindringling da neben mir reserviert. – Hm! Fein. Wissen Sie, so ein bißchen Jold heimelt einen immer an. Man hat keins und dabei doch die Vorstellung, daß man es trinken kann. Eijentlich was Großartiges! Das Zeug steht aber ziemlich schnell ab, wenn die Flasche einmal offen ist ...«

Die anderen lachten und der Witzbold erhielt ein zweites Glas verabreicht.

»Also immer noch im Dalles?« fragte Cornelius.

»Selbstmurmelnd. Säße ich denn sonst hier und weidete dieses verehrten Herrn Schafe? – Sie haben mir übrigens noch immer keine Antwort auf meine bescheidene Frage nach unserem Freunde, dem Jeist, gegeben.«

»Er läßt Sie grüßen, hat er gesagt; er wollte aber warten, bis Sie wieder zurück seien,« warf der Detektiv mit kaum merklicher Betonung hin.

Doch der andere blieb harmlos, lachte hellauf.

»Famoses altes Haus, hätte ihn gar nicht für so rücksichtsvoll gehalten.«

»Weshalb nicht?« Der Frager faßte das imposante Geweih eines Zwölfenders ins Auge, das über dem Kopfe des Leutnant a. D. an der Wand hing.

»Weil der Mann nicht sehr höflich sich benahm. Ich möchte wenigstens nicht den Schädel unseres armen Hintze haben. Sie vielleicht?«

»Nein, danke sehr!« beteuerte Cornelius.

»Wissen Sie, ich denke mir, abgesehen von der anschließenden Prügelei, so einen spukenden Geist eigentlich riesig interessant,« malte Neuling mit großartigen Handbewegungen die Situation aus, »wenn er so mit glühenden Augen hinter dem staubigen Himmelbett hervorschleicht und »hu – hu! – ui!« macht ...«

»Himmelbett?« sagten Cornelius und Hintze gleichzeitig, »da oben steht ja gar kein Himmelbett!«

»Nicht? Das ist schade. Ein Spukzimmer ohne Himmelbett ist bloß halbe Sache.« Er machte ein enttäuschtes Gesicht.

»Ne ganz einfache Holzbettstelle steht oben!« sagte Puttlitz trocken.

»Und haben Sie schon mal gehört, daß Gespenster an eine Birkenmaserbettstelle herangetreten wären?« fragte der Detektiv lächelnd.

»Nee, dann ist es auch gar kein richtig gehendes Gespenst,« versetzte Neuling bestimmt.

»Allerdings nicht!« pflichtete Cornelius nicht minder bestimmt bei.

Sein Ton ließ den anderen aufblicken. »Sondern?« Sein hübsches, gebräuntes Gesicht drückte aber weder Argwohn, noch schlechtes Gewissen aus.

»Ein Mensch, wie wir vier es sind. Und sogar einer, der sich am hellen Tage mitten unter uns befindet, da natürlich nicht als »Geist« mit goldenem Wams und grünem Mantel, sondern in der Maske des Biedermanns in moderner Kleidung.«

»Was Sie nicht sagen! Schon am ersten Abend solche Erfolge! Gratulor. Und wer ist, bitt schön, dieser Minuskavalier?«

»Das werde ich gerade am ersten Abend schon verraten,« scherzte der Detektiv heiter, »so schnell decke ich meine Karten nicht auf. Das würde doch aussehen, als ob das Rätsel kinderleicht zu lösen wäre. Wir Detektivs müssen etwas aus uns machen, geheimnisvoll tun, mit wichtiger Miene überall herumkrauchen, auch wenn wir längst klar sehen, bis uns die Geheimniskrämerei selber langweilig wird. Und wenn dann die Spannung den Kulminationspunkt erreicht hat, dann lassen wir die Bombe platzen. Nur das Feuerwerk ruft ein staunendes »Ah!« hervor, auf das man mit blinzelnden Augen lange warten mußte.«

»Glänzend!« applaudierte der Hausherr.

»Genießer!« meinte Hintze.

»Jottvoll!« machte Neuling näselnd, »und dann merken die dummen Leutchen, die vor dem Feuerwerk die Augen aufreißen, gar nicht, daß es eigentlich nur eitel Blendwerk war.«

Warte, mein Freund, dachte Cornelius bei sich, an den »Blender« erinnere ich dich gelegentlich noch einmal!

Dann sagte man sich Gute Nacht.

*


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