Adolf Glaser
Savonarola
Adolf Glaser

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Fünfzehntes Kapitel.
Die Familie des Papstes.

Der Name Borgia ist nicht nur in der Geschichte, sondern im Bewußtsein der ganzen Menschheit für ewige Zeiten gebrandmarkt. Seltsamerweise haben irrige Vorstellungen gerade dasjenige Glied dieser Familie mit dem Brandmal gezeichnet, welches dasselbe am wenigsten verdient. Ohne Zweifel müssen sich bei Lucrezia Borgia unter dem Einflusse ihrer Umgebung sehr freie Ansichten über die Grenzen des sittlich Erlaubten entwickelt haben, aber die genauesten historischen Forschungen haben dargethan, daß ihr persönlicher Lebenswandel kaum besonders tadelnswert war. Nach dem Tode Alexanders VI. brach der größte Teil der Errungenschaften, welche er seinen Kindern zugewiesen hatte, wieder zusammen; Lucrezia jedoch blieb als Herzogin von Ferrara an der Seite ihres Gemahls, von ihm und seinen Unterthanen geliebt und geehrt. Anders erging es ihren Brüdern.

Wir kehren vorläufig wieder zu der Zeit zurück, als der König von Frankreich seinen Siegeszug durch Italien fortsetzte und der älteste Sohn des Papstes in seiner Begleitung blieb.

Der Graf Giovanni von Pesaro, Lucrezias Gemahl, war ein viel zu offenherziger und unbefangener Mensch, um sich in der gezwungenen, schiefen Stellung, die er nach der Okkupation in Rom einnahm, wohl zu fühlen. Als Neffe Ludwig Moros hatte er sich anfänglich für verpflichtet gehalten, für den König von Frankreich und gegen Neapel Partei zu nehmen, aber der Papst verlangte von ihm, sich den herannahenden Franzosen feindlich gegenüber zu stellen, und er mußte sicherlich ihm, als seinem obersten Kriegsherrn, gehorchen. Schon vor dieser Zeit schrieb er an seinen Oheim über die durchaus peinliche Lage, in welcher er sich befand, folgende Zeilen:

»Gestern sagte mir Seine Heiligkeit in der Gegenwart des Kardinals Ascanio: Nun siehe da, Herr Giovanni Sforza, was hast du mir zu sagen? Ich antwortete: Heiliger Vater, in ganz Rom glaubt man, daß Eure Heiligkeit mit dem Könige von Neapel einverstanden sei, und dieser ist der Feind des 228 Herzogs von Mailand. Sollte dem so sein, so befinde ich mich in einer schlimmen Lage, da ich im gemeinsamen Solde Eurer Heiligkeit und des genannten Staates stehe. Wenn nun die Dinge so fortgehen, weiß ich nicht, wie ich dem einen Teile dienen soll, ohne vom andern abzufallen, und doch wollte ich mich von keinem lossagen. Ich bitte, Eure Heiligkeit möge geruhen, meine Stellung derart zu regeln, daß ich nicht zum Feinde meines eignen Blutes werde und nicht den Verpflichtungen entgegenhandle, die ich meiner Kapitulation gemäß gegen Eure Heiligkeit und den erlauchten Staat von Mailand eingegangen bin. Er entgegnete mir, daß ich mich zu viel um seine eignen Angelegenheiten bekümmere und lieber den Sold von dem einen und vom andern Teile hinnehmen solle, meinem Vertrage gemäß. Und so befahl er dem Monsignor Ascanio an Eure Herrlichkeit zu schreiben, wie Ihr dann das Weitere aus dessen Briefen ersehen werdet. Mein Herr, wenn ich geglaubt hätte, in diese Lage zu geraten, so würde ich eher das Stroh unter meinem Leibe aufgegessen, als mich auf solche Weise gebunden haben. Ich werfe mich in Eure Arme und bitte Eure Herrlichkeit, mich nicht zu verlassen, sondern die Lage zu erwägen, in der ich mich befinde, mir Hilfe, Gunst und Rat zu erteilen, damit ich Eurer Herrlichkeit guter Diener bleibe. Erhaltet mir das Ansehen und das kleine Pesaro, welches mir durch die Gnade Mailands meine Vorfahren hinterlassen haben, da ich mit meiner Person und meinem Kriegsvolk stets Eurer Herrlichkeit zu Dienste beharren werde.«

Dieser Brief war geschrieben worden, noch bevor die Kardinäle Ascanio Sforza und Julius della Rovere zu Karl VIII. gestoßen waren, um ihn zur Absetzung des verrufenen Papstes zu bestimmen. Dieser wußte sich schlau aus der Sache zu ziehen und Karl VIII. blieb noch ungefähr vier Wochen in Rom, nachdem er den Pantoffel Rodrigo Borgias geküßt hatte. Dann zog er nach Neapel, wo er abermals fast ohne einen Schwertstreich siegreich einzog, da das erbitterte Volk den verhaßten König Ferdinand und dessen Sohn Alfons gezwungen hatte, die Flucht zu ergreifen.

An ihrer Stelle ergriff Prinz Friedrich den Oberbefehl und machte sich bereit, seine Truppen gegen den Feind zu führen. Aber noch bevor er so weit gekommen war, empörte sich das Volk von Neapel zu wilder Revolution. Die Unruhen daselbst richteten sich anfänglich gegen die Juden, welche man auch hier beschuldigte, den Krieg nur zu ihren Wuchergeschäften zu benutzen. Friedrich eilte rasch in die Hauptstadt und die Gegenwart des beliebten, durch seine Schönheit und Herzensgüte allgemein verehrten Prinzen beschwichtigte für kurze Zeit den Aufstand, der jedoch sofort wieder aufbrach, als er sich abermals zu dem Heerlager verfügte.

Bei diesen Zuständen im Innern des Landes war es dem tapfern Prinzen unmöglich, sich mit Erfolg dem Feinde entgegen zu stellen. Er mußte sich daher in die Festungen der Gebirgsgegenden zurückziehen und eine günstigere Zeit erwarten.

229 Die Zeit, welche der König von Frankreich noch in Rom verbracht hatte, war von Cäsar Borgia, der stets seine Privatangelegenheiten mit den öffentlichen Vorgängen zu verbinden wußte, benutzt worden, um sich einer schönen Unbekannten zu nähern, die sein Herz rasch entflammt hatte. Er hatte keine Ahnung von ihrem wahren Namen, denn Carlotta von Lusignan hatte ihm das entzückende Weib bei einem Besuche als Marchesa Cypriani aus Padua vorgestellt und er hatte nicht den geringsten Grund, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln. Ebensowenig zweifelte er aber auch daran, daß es ihm leicht sein werde, über die Tugend der schönen Fremden zu triumphieren. Wußte man doch überall in Rom, daß er sich mit seinem Bruder Don Jauffré in die Gunst von dessen Gemahlin, Donna Sancia, welche eine natürliche Tochter des Königs Ferdinand von Neapel und von diesem auch als Prinzessin vollkommen anerkannt war, teilte und überhaupt gar keinen Begriff von weiblicher Tugend und Ehre hatte.

Cäsar Borgia.

Nachdem Cäsar ganz zufällig die schöne Fremde kennen gelernt hatte, fand er sich zu jeder Zeit, die ihm beliebte, im Palaste Lusignan ein, um den Damen bald diesen, bald jenen Vorschlag zu machen, weil er fortwährend Gelegenheiten ersann, um mit der Marchesa Cypriani, welche seine Sinne beschäftigte, zusammen zu sein; diese Zudringlichkeit wurde nach und nach nicht nur für Katharina, sondern auch für Carlotta unerträglich und sie suchten sich 230 auf jede Weise seinen Aufmerksamkeiten zu entziehen, was nicht ganz leicht war, da Cäsar Borgia in der römischen Gesellschaft den ersten Rang behauptete und zugleich allgemein gefürchtet wurde.

Daß durch die Päpste aus dem Hause Borgia eine Menge spanischer Edelleute nach Rom gezogen wurden, verdroß die vornehmen Römer nicht wenig, hielt sie aber doch nicht ab, die spanischen Moden mitzumachen und an den spanischen Volksbelustigungen Vergnügen zu finden. Zu letztern gehörten die Stiergefechte, an denen Cäsar Borgia leidenschaftlich Gefallen fand. Zur Feier der Anwesenheit des französischen Königs wurde ein solches Stiergefecht in großem Maßstabe im kolossalen antiken Amphitheater der Flavier nahe beim alten Forum romanum veranstaltet, und es schien selbstverständlich, daß das ganze Rom zu diesem seltenen Schauspiele hinströmte. Dem Könige waren in allen größern italienischen Städten glänzende Feste gegeben worden, und die einzelnen Fürsten hatten bei diesen Gelegenheiten so viel Pracht und Geschmack entfaltet, als in ihrer Macht stand. Geistliche Schauspiele auf öffentlichen Mysterienbühnen, Tanzbelustigungen und weltliche Theatervorstellungen hatte er an den übrigen Höfen bereits gesehen, und es schmeichelte der römischen Aristokratie, daß man ihm in Rom ganz etwas Neues, eine ungewohnte, fremdartige Lustbarkeit bieten konnte.

Cäsar Borgia hatte der Königin Carlotta von Cypern und ihrer Freundin ausgezeichnete Plätze angeboten und die Damen, der damaligen Sitte gemäß, durch seine Diener in seinem eignen prachtvollen Wagen dahin bringen lassen.

Das Stiergefecht verlief in sehr glänzender Weise. Cäsar Borgia selbst hatte sich unter den Kämpfern befunden und die überraschendsten Proben seiner Kunst und Geschicklichkeit abgelegt. Aufgeregt verließ die zahlreiche Menge das kolossale Gebäude, dessen teilweise Zerstörung durch geschickte Dekorationen verhüllt war. Die beiden Damen wurden von einem Diener mit der Livree und dem Wappen der Borgia erwartet, der sie zu dem Wagen geleiten sollte. Dort stieg zuerst Katharina Cornaro ein, aber noch bevor Carlotta von Lusignan den Fuß auf den Tritt gesetzt hatte, wurde der Kutschenschlag rasch zugeworfen. Der Diener schwang sich auf und der Wagen fuhr so eilig davon, daß die gaffende Menge zu beiden Seiten erschrocken auseinanderstob.

Beide Damen waren im ersten Augenblicke so überrascht, daß sie nichts weiter empfanden als die heftigste Entrüstung über die große Ungeschicklichkeit, deren Schuld sie den Dienern zuschrieben. Wohl war es Carlotta aufgefallen, daß die Diener zwar die Livree des Hauses Borgia trugen und ihr doch von Gesicht unbekannt waren; sie hatte jedoch in der Eile des Gedränges nicht darauf geachtet. Katharina dagegen war der Meinung, der Irrtum werde sich aufklären, sobald sie im Palaste, den Carlotta von Lusignan bewohnte, angekommen sei. Zwar war ihr der ganze Vorfall äußerst peinlich, aber sie konnte nichts dagegen thun und wartete mit Ungeduld, bis der Wagen den kurzen Weg 231 zurückgelegt haben werde. Wie erstaunte sie aber, als die Fahrt gar kein Ende nehmen wollte und sie zuletzt bemerkte, daß sie bereits außerhalb der Thore Roms sei. Auch bemerkte sie, daß mehrere bewaffnete Reiter den Wagen umschwärmten. Ein panischer Schrecken bemächtigte sich ihrer, und ihr erster Gedanke war Cäsar Borgia! Seinem gewaltthätigen Wesen war ein solcher frevelhafter Schritt zuzutrauen und nach dem, was Katharina von ihm gehört hatte, mußte sie befürchten, keine Schonung ihrer Ehre bei ihm zu finden, selbst wenn sie ihren wahren Namen entdeckte.

Inzwischen hatte sich am Ausgange des flavianischen Theaters etwas ereignet, was eine neue Überraschung für Carlotta von Lusignan war. Plötzlich stand nämlich abermals ein Wagen vor ihr, und die Diener mit den wohlbekannten Gesichtern, die sie bereits vorher in der Livree des Hauses Borgia öfter gesehen hatte, standen in Bereitschaft, um die hohe Frau in gewohnter Weise beim Einsteigen zu unterstützen. Einen Augenblick war sie wie versteinert, dann suchte sie durch Fragen und Erkundigungen sich über die Lage der Dinge Klarheit zu verschaffen, aber da sie bemerkte, daß die Diener gar nicht wußten, wovon sie redete, dämmerte auch in ihr die schreckliche Ahnung auf, ihre junge und schöne Freundin sei das Opfer eines Gewaltaktes geworden, wie sie unter den obwaltenden Verhältnissen durchaus nicht selten waren. Die Persönlichkeit, um welche es sich hier handelte, verlieh dem Vorfall eine unabsehbare Tragweite, denn Katharina Cornaro war die Tochter der Republik Venedig, und eine gewaltthätige Handlung, die ihr widerfuhr, mußte für alle Betheiligten furchtbare Folgen haben. Carlotta war keine furchtsame Natur und hatte in ihrem Leben mancherlei schwierige Situationen überstanden, aber in diesem Augenblicke sank ihr der Mut und sie wünschte, sich niemals mit der Liebesangelegenheit zwischen dem neapolitanischen Königssohne und ihrer cyprischen Nebenbuhlerin beschäftigt zu haben. Wohl wußte sie, daß die Republik Venedig das kleinste Staatsverbrechen weit härter bestrafte als die größten Vergehen gegen die sittlichen Einrichtungen der Menschheit; aber hier hörte jede Nachsicht auf, denn eine Persönlichkeit wie Katharina Cornaro konnte man nicht aus den Augen der Welt verschwinden lassen, ohne die strengste Rechenschaft über ihr Verbleiben zu fordern. Für Cäsar Borgia war es eine Kleinigkeit, jedes Opfer seiner Lüste durch Gift oder Dolch zu beseitigen, wenn er desselben überdrüssig war. Noch besaß Carlotta Selbstbeherrschung und Macht genug, um ihre eignen Leute zum tiefsten Stillschweigen zu bewegen; aber immerhin blieb die Sache höchst gefährlich.

In diese Betrachtungen mischte sich auch das Gefühl des tiefsten Mitleids mit der schönen Tochter Venedigs, und mit Ungeduld stieg Carlotta vor ihrem Palaste aus, weil sie noch immer die leise Hoffnung hegte, Katharina dort zu finden. Wie ein lähmender Schlag traf sie die Nachricht, daß die Marchesa Cypriani nicht angelangt sei.

232 Katharina erlag unterdessen fast den Gefühlen des Entsetzens und der Wut, als sie mit unzweifelhafter Gewißheit einsah, daß man sie entführt habe und an irgend einen Ort bringen wolle, über dessen Richtung sie in der hereinbrechenden Dunkelheit gar keine Ahnung erlangen konnte.

Der Wagen fuhr rasch auf der holprigen Landstraße dahin und es wäre ganz vergeblich gewesen, durch Schreien Halt gebieten zu wollen. Auch wußte die Entführte, daß in solchem Falle die Dienerschaft streng den Befehlen nachkommen werde, die ihr Gebieter gegeben hatte, und daß man sie also möglicherweise mit roher Gewalt nach dem Orte schleppen werde, wo sie erwartet wurde. Auch in ihrer Seele tobte während dieser Augenblicke ein Sturm widerstreitender Gedanken und Empfindungen. Bald wurde sie von der äußersten Wut ergriffen und sie war entschlossen, jeden Angriff auf ihre Person mit der Kraft der Verzweiflung zu bekämpfen, bald wieder sank ihr Mut bis zur völligen Ohnmacht. Sie verwünschte sich und ihr Schicksal und war nahe daran, eine Liebe als sündhaft zu betrachten, die bis jetzt noch so wenig vom Himmel begünstigt worden war und sie vielleicht schließlich dem grauenhaftesten Verderben entgegenführte. Es lag ganz im Geiste der damaligen Frauenerziehung, daß sie dazwischen auch Gebete zum Himmel sandte und völlige Entsagung aller ihrer Herzenswünsche gelobte, wenn die Mutter Gottes sie nur dieses einzige Mal gnädig beschützen und retten werde.

Mitten in diesen hin- und herwogenden Gedanken fühlte sie plötzlich, daß der Wagen stille hielt. Der Augenblick der Entscheidung stand also bevor. Fast verlor sie die Besinnung vor Angst und Besorgnis.

Der Schlag wurde aufgerissen und – sie traute ihren Sinnen nicht – denn das wohlbekannte Gesicht ihres jüngsten Bruders Ferrante schaute zu ihr auf.

Katharina war so sehr in den Befürchtungen befangen, durch welche sie während der letzten Minuten gequält worden, daß sie anfangs gar nicht begreifen konnte, wie alles zusammenhing. Aber der Bruder half ihr bald zum Verständnis, denn er erklärte ihr, daß er den kühnen Handstreich ihrer Entführung im Auftrage der heimatlichen Republik mit Hilfe der venezianischen Gesandtschaft zu Rom in das Werk gesetzt habe; ihm sei die Aufgabe geworden, sie ohne Aufsehen nach Asolo zurückzubringen, wo man sie in Zukunft strenger als bisher bewachen werde, damit ihr jeder Gedanke an irgend eine Handlung, die sie auf eignen Antrieb, ohne den Willen Venedigs zu unternehmen gedenke, für immer benommen werde.

Bei den letzten Worten dieser Strafrede hatte Ferrante Cornaro der Schwester die Hand geboten, um ihr aus dem Wagen zu helfen. Er war darauf vorbereitet, von ihr mit Vorwürfen und vielleicht sogar mit Versuchen des Widerstandes behelligt zu werden; sein Erstaunen war daher nicht gering, als Katharina ihn mit dem Jubelrufe: »Mein Bruder!« begrüßte, ihre Arme um seinen Hals schlang und in leidenschaftlicher Erregung laut zu schluchzen begann.

233 In größter Eile wurde alsdann die Reise fortgesetzt und zwar in Begleitung des Gefolges, welches die ehemalige Königin nach Rom gebracht hatte und das bereits auf Ferrantes Veranlassung dem Wagen nachgeritten war. Allerdings mußte Katharina diese getreuen Diener auf Befehl der venezianischen Signoria sämtlich entlassen, aber es wurde wenigstens keine Strafe über dieselben verhängt.

Unterdessen war auch Carlotta von Lusignan durch einen Brief, den ihr Haushofmeister ihr sofort beim Eintritte in den Palast überreichte, aus der peinlichen Ungewißheit gerissen worden, in welcher sie sich auf der Fahrt vom Kolosseum befunden hatte. In diesem Briefe wurde ihr mitgeteilt, daß es dem Senat von Venedig gelungen sei, durch ergebene Diener den Aufenthalt der Königin Katharina von Cypern auszukundschaften und daß dieselbe mit aller ihr gebührenden Rücksicht, auf Anordnung der Republik wieder nach Asolo zurückgebracht werde. Es liege der Republik daran, diesen ganzen Zwischenfall als ungeschehen zu betrachten und völlig in Vergessenheit zu bringen. Darum sei es im Interesse der Prinzessin von Lusignan, über das Geschehene Stillschweigen zu beobachten, da sie sich sonst Unannehmlichkeiten zuziehen würde, die ihr leicht den Aufenthalt in Rom verleiden könnten.

So kränkend dieser Brief auch war, atmete Carlotta doch leichter, nachdem sie ihn gelesen, und es dämmerte in ihrer Seele der Zweifel auf, ob es der weiblichen Intrige in so verworrener Zeit möglich sein würde, die Pläne der Staaten zu durchkreuzen.

Von allen diesen Vorgängen hatte der tapfere Prinz Friedrich von Neapel nicht die leiseste Ahnung, wenngleich selbst in den schwierigen Verwickelungen, in welchen er sich befand, das Bild der schönen Katharina Cornaro ihn nicht verließ. Zwischen ihm und dem Könige von Frankreich, der inzwischen Neapel besetzt hatte, war endlich eine Zusammenkunft verabredet worden und Friedrich betrat unter der Zusicherung des freien Geleites das Schloß, welches lange Zeit von seiner Familie bewohnt gewesen, um mit dem dort residierenden Eroberer zu verhandeln.

Das von der Natur mit so überschwenglichen Reizen ausgestattete Neapel, wo der Überfluß an feurigen Weinen, köstlichen Früchten und die Gelegenheit zu allen erdenklichen Lebensgenüssen täglich aufs neue zu schwelgerischen Freuden einlud, hatte bereits sowohl auf den König wie auf sein Heer einen erschlaffenden Einfluß ausgeübt und den Wunsch nach einer Beendigung der Strapazen des Krieges hervorgerufen.

Karl wollte Friedrich veranlassen, seine Ansprüche auf die Krone von Neapel freiwillig aufzugeben und bot ihm als Entschädigung dafür ein Herzogtum im Innern von Frankreich.

Bei diesem Vorschlage regten sich in der Brust des jungen Fürsten alle süßesten Herzenswünsche. Er malte sich das Leben an der Seite Katharinas 234 auf einem neu geschaffenen Throne so verlockend aus, daß die Ansicht der Ratgeber, die ihn begleiteten und welche von ihm verlangten, er solle seine ererbten Ansprüche nicht aufgeben, wenig Einfluß ausübte. Er bat sich vom Könige Bedenkzeit aus, die er dazu benutzte, einen vertrauten Boten an Carlotta von Lusignan nach Rom zu senden.

Der Bote kam mit der niederschmetternden Nachricht zurück, Friedrich habe sich an den Senat der Republik Venedig in dieser Angelegenheit zu wenden.

Friedrich verstand diese Nachricht, und wenn irgend etwas ihn in dem Entschlusse, den Vorschlag des Königs von Frankreich anzunehmen, bestärken konnte, war es der Gedanke, daß Katharina für ihre Liebe leiden müsse und von Venedig als ungehorsame Tochter vielleicht mit harter Gefangenschaft bestraft werde. Er schickte daher eine Gesandtschaft an den Senat der Republik Venedig, um dort seinen Wunsch in aller Form vorzutragen und den Senat zu benachrichtigen, daß er gesonnen sei, auf das Anerbieten Karls VIII. einzugehen, wenn ihm Venedig die Hand Katharina Cornaros bewillige, welche er alsdann als seine Gemahlin in sein neues Herzogtum führen werde.

Aber in Kriegszeiten ändern sich die Verhältnisse oft rasch. Überdies war in Venedig ein neuer Doge gewählt worden, dessen herkömmliche Vermählungszeremonie mit dem Meere alles andre in den Hintergrund drängte.

Vermählung des Dogen von Venedig mit dem Meere.   Nach H. Vogel.

Diese Feierlichkeit pflegte alljährlich am Himmelfahrtstage abgehalten zu werden. Der Doge bestieg bei solcher Gelegenheit die festlich geschmückte und mit allem Pomp ausgestattete Galeere »Bucentauro«, fuhr, von den fremden Gesandten begleitet, unter dem Klange der Festmusik und dem Beifallsrufe der zahlreich versammelten Volksmenge ins Adriatische Meer und warf einen goldnen Ring hinein. Volksfestlichkeiten aller Art beschlossen die Feier des Tages, welches als eines der größten Feste der Republik betrachtet wurde.

Während Friedrich noch auf Antwort wartete, war Karl VIII. ungeduldig geworden und hatte sich die Krone von Neapel aufsetzen lassen.

Durch die Gesandtschaft, welche eine schroffe Ablehnung des Senates von Venedig an Friedrich zurückbrachte, langte zugleich die Nachricht an, daß gerade in Venedig unter dem neuen Dogen endlich eine Liga zustandegekommen sei, welche sämtliche Staaten von Norditalien unter Führung Venedigs zu dem Zwecke vereinige, den König von Frankreich aus dem Lande zu vertreiben und die Dynastie Aragon wieder auf den Thron von Neapel zu setzen.

So waren also die politischen Verhältnisse stärker gewesen als die heiße Sehnsucht liebender Herzen. Italien stand geeinigt, Venedig hatte mit dem Papste und der spanischen Regierung einen Vertrag geschlossen, dem sich die kleinern Republiken anschließen mußten und dem auch der Herzog von Mailand beitrat, nachdem er eingesehen hatte, daß der König von Frankreich viel versprach und wenig hielt, während ein durch gemeinsame Bedrängnis geeinigtes Italien doch eine bessere Gewähr für die Zukunft bot.

236 Der Traum eines idyllischen Glückes, an der Seite Katharinas inmitten beglückter Unterthanen, zerrann vor Friedrichs Blicken, und die Notwendigkeit drängte ihn auf andre Bahnen. Im neapolitanischen Königreiche regte sich bereits überall die Unzufriedenheit gegen das neue französische Regiment, denn der Eroberer verlieh die einträglichsten Stellen an Franzosen aus seinem Gefolge und kränkte den einheimischen Adel fortwährend in seinen Rechten. Somit sah Friedrich sich genötigt, auf seine Wünsche und Hoffnungen zu verzichten und sein Trachten ganz der Zukunft des ihm angestammten Reiches zu widmen.

Die neugeschaffene Liga stand unter Venedigs Führung; es wäre daher eine Unmöglichkeit gewesen, irgend einen Wunsch zur Erfüllung zu bringen, der von Venedig nicht gebilligt wurde und doch nur unter dessen Zustimmung verwirklicht werden konnte.

Die Errichtung dieser italienischen Liga war für Karl VIII. ein verderbendrohendes Ereignis; denn wenn der Feind sich in seinem Rücken zusammenscharte und ihm die Heimkehr verlegte, war er mit seinem Heere in der größten Gefahr. Wollte er es daher nicht zum äußersten kommen lassen, so mußte er baldmöglichst an den Rückzug denken, bevor das feindliche Heer richtig organisiert war und sich ihm kampfbereit entgegenstellen konnte. Die Gefahr würde minder groß gewesen sein, hätte nicht der deutsche Kaiser Maximilian seinem Schwager Ludwig Moro Hilfe versprochen und wäre nicht der spanische König Ferdinand der Katholische dem Bündnis beigetreten. Der Papst sandte dem Könige Karl von Frankreich noch die goldene Rose, während er sich bereits dem Bündnisse gegen denselben näherte. So kam es, daß Karl möglichst schnell an die Heimkehr dachte.

Einen Teil seines Heeres in Neapel zurücklassend, trat er den Rückzug an. Als er in Rom anlangte, wich ihm der Papst aus und der Kardinal von Santa Anastasia, ein Engländer, zugleich Erzbischof von Canterbury, empfing den König, der nur einen Tag in Roms Mauern verweilte und eilig nach Toscana zog.

Er sollte jedoch Italien nicht verlassen, ohne eine Schlacht geliefert zu haben, in welcher es wirklich zum Blutvergießen kam. Wo das Gebirge sich gegen die parmesanische Ebene abflacht, im Thale des Taro, bei Fornuovo, sah er sich den Weg versperrt durch das viermal stärkere Heer der Verbündeten, die ihm den Rückzug wehren wollten. Aber er blieb Sieger und die Geschichte erzählt, daß auf italienischer Seite dreitausend Mann blieben, während der französische Verlust nur zweihundert betrug. Der König war einen Augenblick lang in Lebensgefahr, aber er erzwang den Durchgang, ohne daß der Feind ihn ferner aufzuhalten gewagt hätte.

Dieser Tag bei Fornuovo erfüllte die Welt mit dem Ruhme der französischen Kriegsführung und wurde die Ursache mancher spätern Ereignisse.

Es hatte sich seit dem Einmarsche der Franzosen schon zu wiederholten Malen und an verschiedenen Orten in Italien die Pest gezeigt, deren Auftreten 237 fast immer die Folge kriegerischer Aktionen war, aber auch diesmal wieder an einzelnen Orten thörichterweise den Juden zugeschrieben wurde. Wenn eine derartige Epidemie auftauchte, war es in größern Orten natürlich, daß sie gerade in den engen und schmutzigen Straßen, in denen die Juden eingepfercht wohnen mußten, besonders heftig auftrat, aber das einsichtslose Volk verwechselte alsdann die Ursache mit der Wirkung und die rohen Leidenschaften des Hasses gegen die Juden, des Neides und der Habsucht vereinigten sich, um hier und da Aufregungen hervorzurufen, welche mit wilder Grausamkeit, mit Szenen des Mordes und der Plünderung zu enden pflegten.

Die großen Herrschaften, welche die Sache besser zu durchschauen wußten, flohen sofort beim Ausbruche der Pest aus den volkreichen Städten auf ihre Güter, wo die Luft weniger mit Miasmen erfüllt war. Die Furcht vor dieser verheerenden Krankheit ergriff diesmal besonders den päpstlichen Hof und mußte zugleich als Vorwand dienen, um die Entfernung des heiligen Vaters und der ihm nahestehenden Personen bei der Annäherung des Königs zu entschuldigen.

Auch Lucrezia Borgia benutzte die Furcht vor der Pest, um ihren Gemahl Giovanni Sforza dem Konflikte zu entreißen, den ihm der Durchmarsch des Königs Karl bereiten mußte. Papst Alexander stand ganz unter dem Einfluß derjenigen Frauen, die gewissermaßen seine Familie bildeten. So wußte es Lucrezia einzurichten, daß der Papst selbst aus Furcht vor der Pest ihre Abreise befahl, und zwar in Begleitung ihrer Mutter Vanozza, der schönen Julia Farnese und Madonna Adriana Orsini. Die Mutter Lucrezias und ihre Brüder, Vanozza de Catanei, gehörten seit einiger Zeit wieder mehr als bisher dem päpstlichen Hofstaat an. Sie war durch die Freigebigkeit ihres päpstlichen Freundes eine reiche Frau, die mehrere Häuser in Rom und Weingüter in der Umgegend besaß. Inzwischen war sie eine stattliche Matrone geworden, noch immer von festen, regelmäßig schönen Gesichtszügen und flammenden Augen; eine echte Römerin von Gestalt. Da sie sich nach schweren Kämpfen von dem Vater ihrer Kinder innerlich hatte losreißen müssen, stand sie den Personen aus der nächsten Umgebung Alexanders am besonnensten gegenüber, ja sie war die einzige, welche den wilden Cäsar, dessen Egoismus alles zu verschlingen drohte, durchschaute und ihm zuweilen Halt gebot. Giovanni Sforza mußte die Damen geleiten und erhielt den Befehl, so lange zu ihrem Schutze in Pesaro zu bleiben, bis sie von dort zurückgerufen würden.

Es war in ganz Rom bekannt, daß der allmächtige Stellvertreter Gottes, der die Gewalt zu binden und zu lösen in Händen hatte, ein richtiger Weiberknecht war, schwach gegen seine Kinder, blind für deren Fehler und bis zur Lächerlichkeit für ihre Vorzüge eingenommen. Cäsar Borgia wußte dies alles und sein Ziel war darauf gerichtet, der Alleinherrscher über den lenksamen Herrn der Christenheit zu werden und namentlich seine Geschwister aus dessen Gunst zu verdrängen.

238 Lucrezia war im Grunde eine etwas passive Natur, welche sich in jede Lage des Lebens zu finden wußte. Sie hatte früher in Pesaro mit ihrem Gemahl in anspruchsloser Einfachheit gelebt, und sie freute sich auch jetzt, an der Seite desselben dahin zurückzukehren, aber die drei verwöhnten römischen Frauen, namentlich Julia Farnese, langweilten sich in dem abgelegenen Orte und suchten sich Unterhaltung zu verschaffen, so gut es gehen wollte. Man verfiel dabei auf mancherlei Zerstreuungen, die man sich in Rom weniger leicht verschaffen konnte. Selbstverständlich mußten die vorgeschriebenen kirchlichen Pflichten eingehalten und täglich eine Messe gehört werden, nebenbei aber wurde nicht verschmäht, auch einmal einen Abstecher in das Heidentum zu machen und gelegentlich dem plumpsten Aberglauben zu huldigen.

Die Dienerschaft hatte nämlich eine alte Wahrsagerin ausgekundschaftet, und da selbst die intimsten Freundinnen des heiligen Vaters, gleich den meisten Frauen ihrer Zeit, an allem geheimnisvollen Wesen, das mit Zauberei verwandt war, Wohlgefallen fanden, so beschlossen sie, die Wahrsagerin aufzusuchen.

Der Scherz konnte jedoch nur dann gelingen, wenn die Damen nicht erkannt wurden, und sie entwarfen daher folgenden Plan. Julia, die in der Gegend gänzlich unbekannt war, sollte scheinbar als alleinstehende vornehme Dame die Wahrsagerin aufsuchen, Vanozza, Adriana und Lucrezia sich für das Gefolge, ihre Dienerinnen ausgeben. Wollte sich Giovanni bei der Sache beteiligen, so mußte er sich unkenntlich machen und gleichfalls für einen Diener der schönen Dame gelten. Um sich den Frauen gefällig zu erweisen, stimmte Giovanni bei und man verfügte sich auf Umwegen zu der Wohnung der Alten, die sich in den Trümmern eines antiken Tempels auf fernem Felde eine recht phantastische Heimstätte eingerichtet hatte, wo sie einer Sibylle gleich von den Bewohnern der Umgegend zwar im täglichen Verkehr gemieden, aber in besondern Fällen doch immer wieder aufgesucht und um Rat gefragt wurde. Julia Farnese trug ein Kleid von veilchenblauem Samt nach der neuesten Mode und hatte ihre prachtvollen Haare, welche bis auf ihre Füße niederfielen, durch ein Netz von Seidenfäden, an denen kleine Goldflitter hingen, festgehalten. Sie saß zu Pferde und der Graf war als Reitknecht verkleidet an ihrer Seite. Da er am meisten in der Umgegend bekannt war, mußte er bedacht sein, sich besonders unkenntlich zu machen, was er vermittels eines falschen Bartes zu erreichen suchte. Die schöne Frau sah in der That wundervoll aus, und es war ganz begreiflich, daß die alte Wahrsagerin sie allein der Beachtung wert hielt und ihr einfach gekleidetes Gefolge wenig zu bemerken schien. Lucrezia hatte die Kleider einer Zofe angezogen, in welchen sie reizend genug aussah.

Die alte Hexe bot der geschmückten Dame einen Sitz an und kümmerte sich kaum um deren Begleitung. Sie besah die Hände der schönen Frau und hütete sich wohl, derselben irgend etwas zu sagen, was nicht angenehm zu hören war. Daß sie mit einem vornehmen Manne vermählt sei, aber von einem höher 239 stehenden geliebt werde, stimmte einigermaßen mit der Wirklichkeit, und was sie ihr sonst über ihr zukünftiges Schicksal voraus sagte, mußte vorläufig in gutem Glauben hingenommen werden. Die Gesellschaft hatte sich über das ganze Maskenspiel höchlich ergötzt, der Alten war es jedoch nicht entgangen, daß das Gefolge der vornehmen Dame sie etwas verspottete.

Julia sprach nun den Wunsch aus, die Wahrsagerin möge auch ihren Begleitern die Zukunft enthüllen. Da gab es denn mancherlei Seltsames zu hören, was zuweilen der Wahrheit nahe kam, zuweilen aber auch den Beweis lieferte, daß die Zauberin wirklich in dem Glauben war, es handle sich um die Dienerschaft der vornehmen Dame.

Man würde zuletzt über den ganzen Vorgang nur gelacht haben, hätte nicht ein Ausspruch der alten Sibylle die Heiterkeit etwas gestört. Nachdem sie nämlich Lucrezias Hand betrachtet und die Linien derselben geprüft hatte, sagte sie: »Diese Hand bringt demjenigen große Gefahr, dem Ihr sie gereicht habt.« Als sie darauf Giovannis Hand genau betrachtet hatte, sprach sie, offenbar ohne Ahnung des Zusammenhangs, in welchem dieser Ausspruch mit den Worten stand, die sie zu seiner Gemahlin gesagt hatte, die Prophezeiung aus: »Die Frau, welche Euch angehört, bringt Euch in Lebensgefahr.«

Hätte die Alte eine Ahnung gehabt, daß sie den Gebieter von Pesaro mit seiner Gemahlin vor sich hatte, wahrscheinlich würde sie ihnen nicht solche düster klingende Vorhersagungen gemacht haben, aber sie sprach dieselben vielleicht nur zu dem Zwecke aus, um sich für die höhnischen Blicke der vermeintlichen Diener zu rächen, und um nicht ausschließlich rosige Zukunftsbilder zu malen, sondern ihre Kunst durch einige Schatten in ein glaubwürdigeres Licht zu setzen.

Sie wurde darauf von Julia reichlich beschenkt, und die heitere Gesellschaft war der Meinung, die alte Sibylle werde nie erfahren, wer sie an diesem Tage aufgesucht hatte.

Wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, prägten sich die unheilvollen Worte, die sie Lucrezia und ihrem Gemahl gesagt hatte, tiefer in das Gedächtnis der jungen Frau, als die übrigen Teilnehmer des abenteuerlichen Ausflugs dachten. Öfter als sonst erschien vor ihrer Phantasie das Bild des Bruders, und mit Schaudern gedachte sie der dunkeln Gerüchte, welche bereits in verschiedenen Fällen heimliche Mordthaten auf Rechnung des gefürchteten Cäsar schrieben. Mit Zittern erinnerte sie sich später der Worte der Wahrsagerin, so oft sich irgend etwas ereignete, was ihrem Gemahl von seiten ihrer eignen Familie Gefahr bringen konnte.

Die drei andern Frauen sowie Giovanni hatten das Gerede der Wahrsagerin bald vergessen. Es war ein Scherz gewesen, der für einen Tag ausgereicht hatte. Es gab nicht viele Unterhaltungen, wenn man auch die Gegend überall durchstreifte, die vornehmen Familien der Umgegend besuchte, nach der nahegelegenen Villa Imperiale oder an den Hof von Urbino sich begab.

240 Bei einem dieser Ausflüge nach dem letztgenannten Orte wurde den Damen ein heranwachsender wunderschöner Knabe mit sinnigem Blick und edlen Gesichtszügen von der Herzogin von Urbino vorgestellt, und sie erfuhren, daß es Raffael, der Sohn des Malers Santi sei, der sich bereits eifrig in der Kunst seines Vaters übte, und die Gunst des Herzogs und seiner Gemahlin durch treffende Porträtskizzen und liebliche Madonnenbilder erworben hatte.

Die Ruhe des ländlichen Aufenthalts erreichte viel früher eine Unterbrechung, als man anfänglich gedacht hatte, denn nachdem der König Karl VIII. in Eilmärschen nach Oberitalien zurückgegangen und die Schlacht bei Fornuovo geschlagen worden war, schien jede Begegnung mit dem französischen Herrscher aus dem Wege geräumt. Alexander VI. hatte sich zuerst nach Orvieto und dann nach Perugia begeben. Dorthin ließ er Giovanni Sforza mit den Damen kommen. Nach wenigen Tagen ging der Papst mit der schönen Julia Farnese, seiner jetzigen Geliebten, ihrer Vorgängerin Vanozza und Madonna Adriana nach Rom zurück, während Giovanni Sforza mit seiner Gemahlin Lucrezia wieder nach Pesaro reiste. Da der Herzog von Mailand der Liga beigetreten war und sich dem Könige von Frankreich feindlich gegenüberstellte, konnte Giovanni Sforza auf den Vorschlag Venedigs, für die Liga in Sold zu treten, ohne Bedenken eingehen. Er that dies denn auch mit Freuden. Auf Befehl des Papstes, der ihn, vermutlich durch Lucrezias Einfluß bestimmt, schonen wollte, blieb er vorläufig widerwillig noch in Pesaro und erst nach mehreren Monaten, als der Krieg bereits zum Stillstand gekommen war, ging er zur Armee ab, während seine Gemahlin Lucrezia sich nach Rom begab. 241

 

 


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