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III.

Der junge Bursche sollte Rechenschaft von seiner Sendung an Don Andreas bringen, der seiner, eine Cigarre rauchend, in einer Allee des Prado wartete, in der Nähe des Denkmals, welches den Opfern des 2. Mai errichtet ist. Indem Andreas die Tabakswolken von sich blies, die in bläulichen Ringeln in die Höhe fliegen, prüfte er sein Gewissen und konnte sich nicht enthalten, zu erklären, daß er in die schöne Manola wo nicht verliebt sei, sich doch wenigstens sehr lebhaft mit ihr beschäftigte. Wenn selbst die Schönheit des jungen Mädchens nicht genügt hätte, das wenigst entzündbare Herz in Flammen zu setzen, so würde die Art von Geheimniß, welches ihr Schrecken zu verkünden schien, als Andreas nach dem Unfall, der Juancho getroffen hatte, eine Frage an sie richtete, nicht verfehlt haben, die Neugier eines jeden etwas abenteuersüchtigen jungen Mannes zu erregen. Mit fünfundzwanzig Jahren ist man, ohne eben ein Don Quixotte von la Mancha zu sein, stets bereit, die Prinzeß zu vertheidigen, die man für unterdrückt hält.

Was sollte Feliciana, das so wohlerzogene junge Mädchen, bei alledem? Andreas war über diese Frage ziemlich in Verlegenheit, aber er sagte sich, daß seine Heirath mit ihr erst in sechs Monaten stattfinden sollte und daß daher diese kleine Liebschaft Zeit hätte, zu Ende geführt, gelöst oder vergessen zu werden, ehe der verhängnißvolle Termin herankam, und daß überdies Nichts so leicht sei, als eine Intrigue dieser Art zu verbergen, da Feliciana und das junge Mädchen in solchen entgegengesetzten Sphären lebten, daß sie sich einander nie begegnen könnten. Das sollte seine letzte Junggesellenthorheit sein; denn in der Welt nennt man es eine Thorheit, ein junges anmuthiges und reizendes Mädchen zu lieben und sehr verständig, ein altes, mürrisches Mädchen, das einem mißfällt, zu heirathen. Dann wollte er als Eremit, als Weiser, als wahrer Ehemärtyrer, leben.

Als er in seinem Kopfe die Sachen so geordnet hatte, überließ Andreas sich den angenehmsten Träumereien. Er wurde doch, Dank Felicianas Vasquez de los Rios, an eine Regel des guten Tons und geschmackvoller Unterhaltung gebunden, welche ihm sehr lästig war, obgleich er nicht dagegen zu protestiren wagte; er mußte sich in eine Menge englischer Gewohnheiten fügen, in den Thee, das Piano, die gelben Handschuhe, die weißen Halsbinden, die Lackstiefel, den gegangenen Tanz, das Gespräch über neue Moden, über große italienische Arien, über allerhand Dinge, welche seiner von Natur freien und heiteren Laune widerstrebten. Unwillkürlich empörte das alte spanische Blut sich in seinen Adern gegen die Eroberungen der nordischen Civilisation.

Sich schon als den glücklichen Liebhaber der Manola des Circus betrachtend – welcher junge Mensch ist nicht wenigstens in Gedanken ein wenig Geck? – erblickte er sich in der kleinen Stube des jungen Mädchens, seines Fracks entledigt und bei einer Mahlzeit von Pasteten, Orangen, eingemachten Früchten, angefeuchtet durch Peralta und Pedro Ximenez-Wein, der mehr oder minder echt war und den die Tia aus der nächsten Weinhandlung geholt hatte.

Ein papel de hilo nehmend, gefärbt in Regliseauflösung, rollte das schöne Kind die weichen Blätter irgend eines geschnittenen Tabaks hinein und bot ihm eine Cigarrette, die mit der klassischsten Vollkommenheit gedreht war.

Dann den Tisch mit dem Fuße zurückschiebend, nahm sie von der Mauer eine Guitarre, die sie ihrem Anbeter überreichte und ein Paar Castagnetten von Granatholz, die sie an ihren Fingern befestigte, indem sie die Schnur, die sie verbindet, zwischen ihre kleinen Perlmutterzähne nahm, und darauf tanzte sie mit einer bewundernswerthen Anmuth und Leichtigkeit einen der alten spanischen Tänze, in denen Arabien sein brennendes Schmachten und seine geheimnißvolle Leidenschaft hinterlassen hat und murmelte dazu mit abgestoßener Stimme einige alte Verse einer Séguidilla, unzusammenhängend und eigenthümlich, aber von ergreifender Poesie.

Während Andreas sich diesen üppigen Träumereien mit solchem Glauben hingab, daß er den Tact der Castagnetten bezeichnete, indem er seine Finger krachen ließ, ging die Sonne schon unter und die Schatten wurden lang. Die Stunde zum Essen nahte, denn in Madrid setzen jetzt Personen in guter Lage sich zu eben der Stunde zum Mittagstisch, wie in Paris und London. Der Bote des Don Andreas kehrte noch immer nicht zurück; selbst wenn das junge Mädchen am entgegengesetztesten Ende der Stadt, bei dem Thore San-Joachimo oder San-Geronimo gewohnt hätte, würde der junge Schelm mehr als genug Zeit gehabt haben, den Weg zweimal zurückzulegen, besonders, wenn man bedachte, daß er den ersten Theil der Reise an dem Wagen hängend gemacht hatte.

Dieses Zögern wunderte und verdroß Andreas, der nicht wußte, wo er seinen Boten wiederfinden sollte und der sogleich beim Anfang ein Abenteuer enden sah, welches so reizend zu werden versprach; wie konnte er die einmal verlorene Spur wieder auffinden, wenn er nicht das geringste Zeichen besaß, um sich zu leiten, nicht einmal einen Namen und sich nur auf den Zufall verlassen durfte?

»Vielleicht ist irgend ein Unfall geschehen, von dem ich mir nicht Rechenschaft zu geben weiß; ich will noch einige Minuten warten,« sagte Andreas zu sich selbst.

Der Erlaubniß der Doppelgegenwärtigkeit entsprechend welche den Erzählern gewährt ist, folgen wir der Kalesche in ihrem raschen Laufe. Sie war zuerst an dem Prado hingefahren, dann in die San-Juanstraße eingebogen, noch immer den Abgeordneten des Don Andreas mit Händen und Füßen hinten an ihren Federn hängend; dann hatte sie die Straße de los Desamparados erreicht. Ungefähr in der Mitte dieser Straße hatte der Kutscher, die Ueberladung seines Fuhrwerks bemerkend, dem armen Perico mit der ausgezeichnetesten Geschicklichkeit einen Peitschenhieb über das Gesicht versetzt und ihn dadurch gezwungen, loszulassen.

Als er die vor Schmerz weinenden Augen gerieben hatte und wieder sehen konnte, war die Kalesche am Ende der Straße de la Fé, und das Rollen ihrer Räder wurde schwach auf dem ungleichen Pflaster. Perico, ein vortrefflicher Läufer, wie alle jungen Spanier, und durchdrungen von der Wichtigkeit seines Auftrages, nahm die Beine in die Hand und hätte sicher den Wagen wieder eingeholt, wäre er in gerader Linie gefahren; aber an dem äußersten Ende der Straße machte er eine Biegung und Perico verlor ihn einen Augenblick aus dem Auge. Als er selbst an die Ecke der Straße kam, war die Kalesche verschwunden. Sie war in das Gewirre von Straßen und Gäßchen eingebogen, welche an den Platz Lavapiez grenzen. War sie durch die Straße del Povar, oder Santa-Inez, oder Las Damas, oder San-Lorenzo gefahren? Das konnte Perico nicht errathen; er durchlief alle, indem er hoffte, das Fuhrwerk vor irgend einem Thore halten zu sehen, aber er wurde in seiner Hoffnung getäuscht; nur begegnete er auf dem Platze dem Wagen, der leer zurückkehrte und dessen Kutscher die Peitsche knallen ließ, wie Pistolenschüsse, und sich beeilte, eine andere Ladung einzunehmen.

Verdrießlich darüber, das nicht vollbracht zu haben, was Andreas von ihm verlangt hatte, wanderte Perico einige Zeit durch die Straßen, wo, wie er vermuthete, die Kalesche ihre beiden Insassen abgesetzt hatte; er dachte dabei mit jenem frühreifen Scharfsinne der Leidenschaft, welchen die Kinder des Südens besitzen, daß ein so junges Mädchen einen Galan haben müßte und sich an das Fenster stellen würde, um ihn kommen zu sehen, oder daß sie ausgehen würde, um ihn aufzusuchen, wenn er nicht käme; denn der Tag des Stierkampfes ist in Madrid den Spaziergängen, den Liebesabenteuern und den Zerstreuungen gewidmet. Dieser Berechnung fehlte es nicht an Richtigkeit; in der That lächelten viele hübsche Köpfe an den Fenstern, oder beugten sich über die Balcons, aber keiner war der der Manola, welcher zu folgen man ihn beauftragt hatte. Endlich der Sache überdrüssig, ging er, nachdem er sich die Augen an dem Brunnen von Lavapiez gewaschen hatte, nach dem Prado hinab, um Don Andreas Rechenschaft von seiner Sendung zu geben. Wenn er auch nicht die genaue Adresse brachte, so war er doch so ziemlich gewiß, daß die Schöne in einer der vier Straßen wohnte, deren Namen wir anführten, und da alle sehr kurz sind, war dies schon weniger unbestimmt, als wenn man sie in ganz Madrid hätte suchen müssen.

Wäre er noch einige Minuten länger geblieben, so hätte er eine zweite Kalesche vor einem Hause der Straße del Povar halten und einen Menschen herausspringen sehen, der den Mantel bis zu den Augen in die Höhe gezogen hatte und aus dem Wagen in den Thorweg eilte. Der Sprung vom Wagen verschob die Falten des Mantels und ließ unter demselben seidene Strümpfe erblicken, die mit einigen Blutstropfen befleckt waren und ein kräftiges Bein umspannten.

Man hat ohne Zweifel schon Juancho erkannt. In der That war er es. Aber für Perico bestand kein Band, welches Juancho mit Militona vereinigte, und die Anwesenheit des Letzteren würde keine Andeutung des Ortes gewesen sein, wo das junge Mädchen wohnte. Ueberdies konnte auch Juancho nach Hause kommen. Dies war sogar die wahrscheinlichste Annahme. Nach einem so dramatischen Auftritt, wie der, dessen Zeuge wir waren, mußte er der Ruhe bedürfen und sich einige Umschläge auf die Schramme seines Armes machen, denn die Hörner des Stieres sind giftig und bewirken Wunden, die langsam heilen.

Perico begab sich mit verlängerten Schritten nach dem Obelisken des zweiten Mai, wohin Andreas ihn bestellt hatte. Wieder ein Unfall! Andreas war nicht allein. Donna Feliciana, die zu irgend einem Einkaufe mit einer ihrer Freundinnen, welche sie nach Hause begleitete, ausgegangen war, bemerkte aus ihrem Wagen ihren Verlobten, der mit auffallender Ungeduld auf und niederging; sie war mit ihrer Freundin ausgestiegen, hatte sich Andreas genähert und ihn gefragt, ob er so unter den Bäumen zu der Stunde, wo die mindest poetischen Naturen sich ihrer Nahrung überließen, umherwandele, um ein Sonnet oder ein Madrigal zu dichten. Der unglückliche Andreas, der auf der That des Beginnens einer Intrigue ertappt worden war, konnte sich nicht enthalten, ein wenig zu erröthen, und stammelte einige galante Gemeinplätze. In seinem Innern war er wüthend, obgleich der Mund lächelte. Perico, der unsicher war, beschrieb um die Gruppe verlegene Kreise; so jung er auch war, hatte er doch begriffen, daß er einer jungen, nach französischer Mode gekleideten Dame nicht die Adresse einer Manola geben dürfte. Nur wunderte er sich, daß ein Cavalier, der so schöne Damen im Hut kannte, Interesse an einer Manola fand.

»Was will denn der Bursche dort von Ihnen, der Sie mit seinen großen schwarzen Augen anstiert, als wollte er uns verschlingen?«

»Er wartet ohne Zweifel, daß ich ihm das Ende meiner Cigarre hinwerfe,« erwiderte Andreas, indem er die Handlung dem Worte hinzufügte und dabei ein unbemerkbares Zeichen gab, welches sagen wollte: »Komm' zurück, wenn ich frei bin!«

Der Bursche entfernte sich, und, ein Feuerzeug aus der Tasche ziehend, zündete er die Havannacigarre an und rauchte sie mit dem Wohlgefallen eines vollendeten Rauchers.

Aber Andreas war noch nicht am Ende seiner Leiden. Feliciana schlug sich die Stirn mit ihrer handschuhbekleideten Hand und sagte, wie aus einem Traume erwachend: »Mein Gott, ich war so sehr mit unserem Duett von Bellini beschäftigt, daß ich vergaß, Ihnen zu sagen, wie mein Vater, Don Geronimo, Sie zum Essen erwartet. Er wollte Ihnen diesen Morgen schreiben, allein da ich Sie diesen Nachmittag sehen sollte, sagte ich ihm, daß es sich nicht der Mühe verlohne. Es ist schon sehr spät,« sagte sie, indem sie nach ihrer Uhr sah, die nicht größer war, wie ihr Daumennagel; »steigen Sie mit uns in den Wagen, wir setzen Rosa bei ihrer Wohnung ab und kehren dann zusammen nach Hause zurück.«

Wenn man darüber erstaunt, ein junges, so wohlerzogenes Mädchen einen jungen Mann in ihren Wagen nehmen zu sehen, so müssen wir bemerken, daß in der Kutsche eine englische Gouvernante saß, steif wie ein Pfahl, roth wie ein Krebs und in das längste Schnürleib eingeschlossen, und daß das Ansehen derselben hinreichte, Verliebte und Spötter in die Flucht zu jagen.

Es gab kein Mittel, den Vorschlag abzulehnen. Nachdem Don Andreas Feliciana und deren Freundin die Hand gereicht hatte, um ihnen in den Wagen zu helfen, nahm er auf dem Rücksitz Platz, neben der Miß Sarah, wüthend darüber, den Bericht Perico's nicht haben hören zu können, und mit der Aussicht auf einen bis in das Unendliche verlängerten musikalischen Abend.

Da wir glauben, daß die Beschreibung eines bürgerlichen Mittagessens nichts Interessantes für unsere Leser haben würde, wollen wir Militona aufsuchen, indem wir hoffen, in unseren Nachforschungen glücklicher zu sein, wie Perico.

Militona wohnte in der That in einer der Straßen, welche der junge Spion des Don Andreas vermuthete. Die Art der Architektur des Hauses zu beschreiben, welches sie mit vielen Anderen bewohnte, würde sehr schwer sein, denn sie gehörte einer sehr gemischten Ordnung an. Die freieste Fantasie hatte bei dem Durchbrechen der Fenster gewaltet, von denen nicht eines dem andern glich. Der Erbauer schien sich das Ziel der verkehrten Symmetrie gesteckt zu haben. Nichts entsprach in dieser unordentlichen Façade dem Andern; die Mauern, beinahe sämmtlich außer der Richtung, bildeten einen Bogen, und schienen im Begriff zu stehen, durch ihre Last niedergeschmettert zu werden. Eiserne S und Kreuze hielten sie kaum zusammen, und ohne die beiden etwas finsteren Nachbarhäuser, an die es sich stützte, wäre es ohne Zweifel auf die Straße gefallen; am unteren Theile ließ der in großen Stücken herabgefallene Abputz die nackte Mauer sehen; der obere Theil, der besser erhalten war, zeigte Spuren ehemaligen rothen Anstrichs, die so aussahen, als wäre dieses arme Haus über sein elendes Aeußere erröthet.

In der Nähe des Ziegeldaches, das beschädigt war und gegen das Blau des Himmels braun abstach, lächelte ein kleines Fenster, umgeben von einem neuen Kalkanstriche; rechts daneben enthielt ein Käfig eine Wachtel; ein anderer, links neben dem Fenster, nur von kaum bemerkbaren Dimensionen, geschmückt mit rothen und gelben Glasperlen, diente einer Grille zum Palaste; denn die Spanier, denen die Araber diesen Geschmack hinterlassen haben, lieben sehr den monotonen Gesang der Wachtel und der Grille. Ein durchbrochener irdener Wasserkrug, der an beiden Henkeln an einer Schnur aufgehängt und mit einer perlengestickten Decke behangen war, erfrischte durch Herabträufeln zwei darunter stehende Töpfe mit Basilicum. Dieses Fenster war das von der Stube Militona's. Von der Straße aus hätte ein Beobachter sogleich errathen, daß dieses Nest von einem jungen Vogel bewohnt würde; die Jugend und die Schönheit üben ihre Herrschaft selbst über leblose Dinge und prägen diesen unwillkürlich ihren Stempel auf. Wenn unsere Leser nicht fürchten, mit uns die Treppe mit den ausgetretenen Stufen und dem schadhaften Geländer zu besteigen, werden wir Militona auf denselben folgen, wie sie hüpfend die Stufen mit der ganzen Elasticität achtzehnjähriger Gelenke hinaufspringt; sie schwimmt bereits in dem Lichte der oberen Stockwerke, während die Tia Aldonza, zurückgehalten auf den dunklen Räumen der unteren Stufen, verzweifelte Hms ausstößt und sich mit beiden Händen an den schmutzigen Strick anklammert.

Das junge Mädchen hob eine Ecke der Decke empor, die vor der Thür mit den kleinen Fächern lag, wie sie in Madrid so gewöhnlich sind, nahm ihren Schlüssel hervor und öffnete.

Ein so ärmliches Gemach konnte die Diebe nicht leicht reizen und verlangte zu seinem Verschluß nicht großer Vorsichtsmaßregeln; ging sie aus, dann ließ sie die Thüre gewöhnlich offen, war sie aber zu Haus, so schloß sie dieselbe sorgfältig. Es war dann in dem ärmlichen Raum ein Schatz, wo nicht für die Diebe, doch wenigstens für die Verliebten.

Ein einfacher Kalkanstrich ersetzte auf den Wänden Tapete und Draperien; ein Spiegel, der verschiedene Risse hatte, warf nur sehr unvollkommen das reizende Gesicht zurück, das ihn zu Rathe zog; eine Gypsstatue des heiligen Antonius zwischen zwei blauen irdenen Vasen mit künstlichen Blumen; ein fichtener Tisch mit zwei Stühlen und ein kleines Bett, bedeckt mit einer Decke von Mousselin, bilden das ganze Meublement.

Wir dürfen einige Bilder der heiligen Jungfrau und Heiliger nicht vergessen, die auf Glas gemalt und vergoldet waren, und an byzantinische oder russische Kunst erinnerten, einen Kupferstich des zweiten Mai, die Beerdigung des Daoiz und Vélarde, einen Picador zu Pferde nach Goya, und dann ein basquisches Tambourin als Gegenstück einer Guitarre. Durch ein Gemisch des Geheiligten und des Profanen, an welchem der glühende Glaube der wahrhaft katholischen Länder keinen Anstoß nimmt, erhob sich zwischen beiden Instrumenten der Freude und des Vergnügens ein langer Palmzweig, welcher am Palmsonntage aus der Kirche mitgebracht worden war.

So war das Stübchen Militona's, und obgleich es nur die nothwendigsten Dinge des Lebens enthielt, hatte es doch nicht das kalte und furchtbare Ansehen des Elends; ein heiterer Strahl beleuchtete es; das lebhafte Roth der Ziegelsteine des Fußbodens gewährte einen freundlichen Anblick; kein mißgestalteter Schatten konnte sich mit den Fledermausflügeln anklammern in diesen Winkeln von blendender Weiße; keine Spinne breitete ihr Netz zwischen den Balken der Decke aus: Alles war frisch, lachend und hell in diesem Gemache. In England hätte es die vollkommenste Oede gezeigt; in Spanien war es beinahe ein Bild des Wohlstandes und mehr als nöthig, um so glücklich zu sein, wie im Paradiese.

Der Alten war es endlich gelungen, sich bis zur Höhe der Treppe hinaufzuschroten; sie trat in das reizende Stübchen und sank nieder auf einen der beiden Stühle, der unter ihrem Gewicht auf beunruhigende Weise krachte.

»Ich bitte Dich, Militona, hänge den Krug herab, damit ich einen Schluck trinken kann; ich ersticke, ich erwürge; der Staub der Arena und die verwünschten Pfeffermünzpastillen haben mir die Kehle in Feuer gesetzt.«

»Du hättest sie nicht handweise essen sollen,« erwiderte das junge Mädchen, indem sie das Gefäß zu den Lippen der Tia neigte.

Aldonza trank drei oder vier Schluck, fuhr sich mit dem Rücken der Hand über den Mund und fächelte sich schweigend Luft zu.

»Ach, was die Pastillen betrifft,« sagte sie mit einem Seufzer, »was für wüthende Blicke schleuderte Juancho nach unserer Seite. Ich bin überzeugt, daß er den Stier nicht richtig traf, weil der hübsche Herr mit Dir sprach; er ist eifersüchtig wie ein Tiger, dieser Juancho, und wenn er ihn gefunden hat, so wird er ihm eine böse Viertelstunde bereitet haben. Ich möchte nicht viel Geld für die Haut dieses jungen Mannes geben, denn sie läuft Gefahr, von tüchtigen Stößen durchlöchert zu werden. Erinnerst Du Dich noch an den schönen Streich, den er dem Luca versetzt hat, welcher Dir bei der Romera San-Isidoro ein Bouquet reichen wollte?«

»Ich hoffe, daß Juancho sich nicht zu solchen Schritten wird verleiten lassen; ich habe den jungen Mann gebeten, nicht mehr zu mir zu sprechen, und ich that dies so flehend, so bestimmt, daß er es von dem Augenblick an auch nicht mehr that; er begriff meinen Schreck und hatte Mitleid. Aber was für eine abscheuliche Tyrannei, so von dieser wilden Liebe verfolgt zu werden!«

»Das ist Deine Schuld,« sagte die Alte; »weshalb bist Du so hübsch.«

Ein lauter Schlag an die Tür, wie mit einem eisernen Finger gethan, unterbrach das Gespräch der beiden Frauenzimmer.

Die Alte stand auf und sah durch das vergitterte, mit einem Laden geschlossene Schiebfenster, welches sich in Mannshöhe, nach spanischem Gebrauch, in der Thür befand.

Vor der Oeffnung erschien der Kopf Juancho's, bleich unter der dunklen Farbe, mit der die Sonne und die Arena ihn überzogen hatten.

Aldonza öffnete die Thür ein wenig und Juancho trat ein. Sein Gesicht verrieth die heftigen Regungen, die ihn in dem Circus ergriffen hatten; man las dunkel eine unterdrückte Wuth, denn für diese Seele von großem Ehrgefühl wurde das Pfeifen durch die Bravorufe nicht verwischt; er betrachtete sich als entehrt und verpflichtet zu den verwegensten Heldenthaten, um sich in der öffentlichen Meinung und gegen sich selbst wieder zu Ehren zu bringen.

Was ihn aber besonders beschäftigte und was seine Wuth auf den höchsten Gipfel steigerte, war, daß er die Arena nicht hatte früh genug verlassen können, um den jungen Mann zu treffen, der gegen Militona so galant zu sein schien. Wo sollte er ihn jetzt finden? Ohne Zweifel war er dem jungen Mädchen gefolgt und hatte noch mit ihr gesprochen.

Bei diesem Gedanken griff seine Hand unwillkührlich nach seinem Gürtel, um hier sein Messer zu suchen.

Er setzte sich auf den andern Stuhl, und Militona, die sich an das Fenster stützte, zerpflückte eine Nelke; die Alte fächelte sich Luft zu, um sich eine Haltung zu geben; allgemeines Schweigen herrschte zwischen den drei Personen; die Alte war es, die es unterbrach.

»Juancho,« sagte sie, »leidet Ihr noch immer an Eurem Arm?«

»Nein,« erwiederte der Torero, indem er seinen tiefen Blick auf Militona richtete.

»Ihr müßt Umschläge von Wasser und Salz auflegen,« fuhr die Alte fort, um das Gespräch nicht gleich wieder fallen zu lassen.

Aber Juancho antwortete nicht, und wie beherrscht durch eine fixe Idee, sagte er zu Militona:

»Wer war der junge Mann, der bei dem Stierkampfe neben Ihnen saß?«

»Ich sah ihn zum ersten Male; ich kenne ihn nicht.«

»Aber Sie wünschen ihn zu kennen?«

»Eine hübsche Vermuthung. Nun, und wenn das wäre?«

»Wenn das wäre, so würde ich ihn tödten, diesen hübschen Jungen, mit den lackirten Stiefeln, den weißen Handschuhen und dem Frack.«

»Juancho, Sie sprechen wie ein Wahnsinniger; habe ich Ihnen denn das Recht gegeben, eifersüchtig auf mich zu sein? Sie sagen, daß Sie mich lieben; ist das meine Schuld und muß ich Sie auf der Stelle anbeten, weil es Ihnen gefällig ist, mich hübsch zu finden?«

»Das ist wahr, sie ist nicht dazu gezwungen, aber dennoch würdet Ihr Beide ein schönes Paar geben! Nie wäre eine feinere Hand auf einen kräftigeren Arm gelegt worden, und wenn Ihr miteinander eine Cachucha in dem Garten von Las Delicias tanztet, so wäre das Etwas, um auf die Stühle zu steigen.«

»Habe ich etwa die Coquette gegen Euch gespielt, Juancho? Habe ich Euch durch Blicke, durch Lächeln oder freundliche Mienen angezogen?«

»Nein,« erwiederte der Torero mit barscher Stimme.

»Ich habe Euch nie Versprechungen gemacht, noch Euch erlaubt, Hoffnungen zu hegen; ich habe Euch immer gesagt: Vergeßt mich. Weshalb quält Ihr mich und beleidigt mich durch Eure Gewaltthaten, die Nichts rechtfertigt! Soll ich denn, weil ich Euch gefallen habe, keinen Blick auf Jemanden richten, ohne daß er ein Todesurtheil sei? Wollt Ihr stets rings um mich her die Einsamkeit bilden? Ihr habt den armen Luca verstümmelt, einen braven Burschen, der mich amüsirte und mich zum Lachen brachte; Ihr habt Ginez, Euren Freund, schwer verwundet, weil er meine Hand gestreift hatte; glaubt Ihr, daß das Alles Eure Angelegenheit befördert? Heut begeht Ihr Streiche in dem Circus; während Ihr mich beobachtet, laßt Ihr den Stier auf Euch zukommen und versetzt ihm einen erbärmlichen Stoß!«

»Aber das kommt daher, weil ich Dich liebe, Militona, mit aller Kraft meiner Seele, mit dem ganzen Ungestüm des Blutes, das meine Adern verbrennt; weil ich nur Dich auf der Welt sehe und weil das Horn eines Stiers, das mir in die Brust dränge, mich nicht den Kopf abwenden ließe, wenn Du einem andern Manne zulächeltest. Ich habe freilich kein sanftes Wesen, denn ich brachte meine Jugend damit zu, gegen die wilden Thiere zu kämpfen; jeden Tag tödtete ich und setzte mich der Gefahr aus, getödtet zu werden; ich kann nicht die Sanftmuth jener kleinen, jungen, zarten und schwächlichen Männer haben, die den Frauen gleichen und ihre Zeit damit verlieren, sich zu frisiren und die Zeitungen zu lesen! Wenn Du nicht mein sein willst, so sollst Du wenigstens auch keinem Andern gehören!« entgegnete Juancho nach einer Pause, indem er heftig auf den Tisch schlug, als wollte er durch diesen Hauptschlag sein inneres Selbstgespräch in eins zusammenfassen.

Dann sprang er hastig auf und ging, indem er brummte:

»Ich werde ihn wohl zu finden wissen und ihm drei Zoll Eisen in den Leib stoßen.«

Kehren wir jetzt zu Andreas zurück, der in der erbärmlichsten Lage vor dem Piano saß und seinen Theil in dem Duett von Bellini mit einer solchen Menge falscher Töne sang, daß er Feliciana zur Verzweiflung brachte. Nie hatte eine elegante Abendgesellschaft ihm mehr Langweile verursacht und er wünschte die Marquise von Benavidès und ihre Tertulia zu allen Teufeln.

Das so reine und so feine Profil der jungen Manola, ihre glänzend schwarzen Haare, ihr arabisches Auge, ihre milde Anmuth, ihre malerische Kleidung, ließen ihn nur ein mittelmäßiges Vergnügen an den Nymphen im Turban finden, welche den Salon der Marquise erfüllten. Sejne Verlobte erschien ihm entschieden häßlich und er ging, ganz verliebt in Militona.

Als er die Alcalastraße hinab ging, um nach Hause zurückzukehren, fühlte er sich an dem Schooße seines Rockes gezogen; es war Perico, welcher neue Entdeckungen gemacht hatte und dem daran lag, ihm darüber Rechenschaft abzustatten, vielleicht auch seinen versprochenen Duro zu empfangen.

»Cavaliere,« sagte der Bursche, »sie wohnt in der Straße del Povar, im dritten Hause rechts. Ich sah sie so eben an ihrem Fenster, als sie frisches Wasser in den Krug goß.«


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