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Die sieben Leidens-Stationen eines Bräutigams auf dem Wege zum Traualtare.

Ist ein junger Mann auf der Wallfahrt Zum gnadenreichen Bilde, auf den Knieen rutschend, wie ein Römischer Imperator auf das Kapitol, glücklich bis in die Hauptkapelle seiner Heiligen, in ihre Herzenskammer meine ich, gedrungen, und hat sie das dargereichte ex voto, sein Herz – bloße Kurmacher Pflegen ihre Madonnen mit wächsernen Dutzendherzen abzuspeisen – auf ihrem Altare niederlegen lassen; hat sie ferner beim Empfange dieser Gabe die Augen bewegt und einige Thränen vergossen – wie schon die wunderthätigen Bilder des Mittelalters weinten, um ihre Anbeter zu rühren und zu Geschenken zu bewegen – und hat er vollständige Absolution für den Frevel, ihr nach dem Herzen getrachtet zu haben, erlangt: so ist deshalb die Pilgerschaft des Liebenden noch lange nicht geendet, und der Hauptaltar in dem Kirchlein seiner Schutzheiligen noch nicht der Traualtar.

Zu Letzterem hat er noch sieben bitterböse Stationen zu durchwandern, und zwar in der drückendsten Hundstagshitze eines jugendlich vollen, glücklich liebenden Herzens, Ich möchte diese Stationsreise überhaupt die Hundstage des Liebenden nennen, teils im Gegensätze der Hundetage, die seiner nach Ablauf der erstern warten, teils auch weil es ihm an Gelegenheit, toll genug zu werden, selten mangelt. Ich will aber diese sieben Stationen zum Torus näher bezeichnen.

Station I.

Es ist nicht zu verwundern – bloß der Jüngling thut's – daß der Guardian des Nonnenklosters, aus dessen Zellengewebe jener die Himmelsbraut zu locken und zur eigenen zu machen wünscht, durch tausend Zeichen, die zwar keine Seele merken soll, die aber keiner entgehen – aufmerksam gemacht, einem intentionierten Sabiner-Raube zuvorkomme, und in einem examine rigoroso den Raub- und Ehelustigen nach dem: quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando? befrage, – Das quis? ebenso wie das cur? der häufigen Besuche und das ubi? weiß der Inquisitor meistens schon, wenigstens beantwortet der liebende Inkulpat diese Fragen ohne Anstoß. Das quid? hingegen und quibus auxiliis? oder die Nachweisung der Titel und Mittel, verursachen schon mehr Bedenklichkeiten, und ist der Beicht- und Hausvater in Anfertigung dieser generalia, ohne welche es, seiner Meinung zufolge, niemals zur Sache käme, ordentlich pedantisch gewissenhaft. Ist endlich der Schatz hütende, Feuer und Flammen speiende Drache durch Vorzeigung mehrerer mit kabbalistischen Figuren bemalten Eselshäute, durch Diplome, Patente, oder Pfandbriefe beschwichtigt und zum wahren Sauglämmchen umgewandelt worden, so wird er auch mit dem quomodo der Einwilligung nicht länger zaudern, und das quando der Guts-Übergabe festsetzen. Einstweilen und bis der junge Mann die Tochter als Allodium bekomme, erklärt er ihn zu ihrem Lehensherrn, und befiehlt ihr, das Lehensgelöbnis mit einem Kusse zu bekräftigen. Sie thut's mit Freuden.

Station II.

Der Jüngling ist nun Bräutigam, (Mir ist es beinah so lieb wie ihm, denn nun habe ich durch diesen Titel eine Handhabe, bei der ich ihn fassen kann; die unbestimmte, schwankende Bezeichnung: der Jüngling, der Liebende, wäre mir zuletzt so lästig geworden, wie dem Beteiligten.) Eine ganze Legion Pflichten, zwar Kinderspiele gegen die später nachfolgenden, aber doch immer schon drückend genug, übernimmt er mit diesem Tage. Die erste ist, daß er sein eigener Herold werde, und das Gelingen seiner Doktor-Disptutation – der Schwiegervater war der Opponent–austrompete. Zuerst stillt er den Neuigkeitshunger wildfremder Menschen, indem er seinen Namen dem der Geliebten auf der grauen Folie der Zeitungs-Beilagen assoziiert, und sich und die holde Moitistin dem Wohlwollen von Tod und Teufel empfiehlt. Freunden und Bekannten thut er ein gleiches auf dem Glanzparkett gestochener, goldumrändelter Karten, die in Briefcouverten eingeschachtelt, so sicher wie in zerlassenes Fett gepackte Ortolane, die Reise um die Welt antreten. Für teilnehmende Verwandte hingegen, welchen die Garantie eines bedruckten Papierfetzens noch nicht sicher genug dünkt, und welche die autographische Vidiniation seines Glückes verlangen, muß der Bräutigam so viel eigenhändige Abschriften seines im Tempel der Fortuna muliebris zahlbaren Sola-Wechsels anfertigen, als er eben teilnehmende Verwandte hat. Wehe ihm, wenn sein Stammbaum in tadelloser Ordnung ist: ein Unglück, um welches ihn viele Edelleute, die als sein Widerspiel, das Gelübde der Ehelosigkeit ablegen, d.h. Stiftsherren werden wollen, beneiden dürfen. Jeder Ast, jeder Zweig macht ihm eben so viel Briefe, als er Blätter und Schilder zeigt, zur Pflicht, und in diesem Falle – aber auch nur in diesem allein – möchte der altadeligste Reichs-, Frei- und Bannerherr ein novus homo sein, um nicht zwischen der Verlobungs-Anzeigen erheischenden Sippschaft, die Frachtzetteln gleichenden – der Inhalt ist stereotyp, und nur die Anreden sind nach Bewandtnis auszufüllen – verteilen zu müssen. Rührend ist es anzusehen, wie seine Verlobte demselben Schicksal unterliegt – es ist das erste gemeinschaftlich erlebte – und auch ihrerseits sich schriftlich um das gnädigste Wohlwollen der anzuheiratenden Tanten und Oheime bewirbt, und in der Zerstreuung orthographische Fehler und Klexe macht, wie sie sich die Finger mit Siegellack verbrennt und mit Tinte die Brandwunde löschen muß. – Der Kondukteur, welcher den Leser durch diese und die folgenden Stationen führt, kann sich die Folterpein eines Braut-Paares, welches statt der Küsse Briefe wechseln muß, und diese nicht einmal unter einander, lebhaft genug ausmalen, und findet hierbei nur das Gute, daß diese satanische Korrespondenz dem Bräutigam Gelegenheit gewähre, sich als tüchtigen Geschäftsmann zu zeigen; auch kann jedes Kollegium psychologisch richtiger auf die Brauchbarkeit eines Referendars aus seiner Verlobungs-Anzeige, als nach seiner Probe-Relation schließen.

Station III.

Die schriftlichen und gedruckten Bulletins sind kaum beseitigt, als die mündlichen an die Reihe kommen. Das Brautpaar führt nun, als herumziehender Thespis-Karren, in jedem befreundeten Hause ein kurze Szene aus dem selbst verfaßten Lustspiele auf – es ist aber stets dasselbe, wie das der Knaben am heiligen Drei-Königstage – und zieht dann, mit Glückwünschen und Freundschaftsbeteuerungen reichlich abgelohnt, in das nächste. Der Triumph des Brautpaares – die neidischen Gesichter der ledigen Mitschwestern für sie, der Stolz auf das reizende Pendant für ihn – vermag aber kaum, die mit dieser Glückausstellung verbundene Langeweile aufzuwiegen; um so mehr, da die Gesamtmasse der gemachten Besuche gleich der zurückkehrenden Flut in den Glückshafen zurückströmt, und das Visitenzimmer der Braut einer Brandung gleicht, wo man vor dem Geräusch der sich brechenden Wogen sein eigenes Wort nicht verstehen kann.

Der Bräutigam, um das Gleichnis durchzuführen, steht ernst und steif in dem Aufruhr der empörten Elemente, gleich einem Leuchtturme, auf den jedes mit Komplimenten befrachtete Kauffahrteischiff getrost lossteuert. – Daß auch die Brieftauben regelmäßig und mit regelmäßigen Antworten versehen zurückkehren, ist eine Unannehmlichkeit, die sich noch ertragen läßt. Sie kosten nur Postgeld – keine Zeit. – Der liebetrunkene Bräutigam hat aber mitten im Glücke, wie Tantalus bis an den Adamsapfel im Wasser sitzend, noch nicht einen Augenblick Muße gehabt, seiner geliebten Sekundantin drei vernünftige Worte zufließen zu lassen. Doch es soll noch besser kommen.

Station IV.

Der Brautstand der Tochter verwandelt urplötzlich das ganze Gynäceum des Hauses in eine Ostindische Handlungs-Kompagnie, welche von Kaufmann zu Kaufmann zieht, beschaut, wählt, verwirft, den ganzen Laden umkehrt, ohne auch nur für ein Petermännchen an Wert zu kaufen, und dann zum Nachbar zieht, um dieselben Nachgrabungen nach den Papyrus-Rollen der Spitzen, Tülls und feinen Leinwandzeuge anzustellen. Der Bräutigam ist dieser Prozession als Kreuz- und Kreuzerträger zugeordnet, wird auch zum Schein bei jedem Stück um Rat befragt, versteht aber den Henker was von weiblichem Putz, und nickt zu jedem Lumpen ein unpassendes: »Schön, sehr schön!« – Nach Hause gekehrt, wandelt sich die Schwester-Loge in eine arbeitende um, d. h, nicht im laxen Sinne der Freimaurer, sondern im strengsten – und das arme Ei, aus welchem der Ehemann kriechen soll, weiß sich vor Hauben-Mustern, Nadeln, Leinwandballen, Scheeren und künstlichen Blumen kaum zu retten.

Schön wär's, wenn er sich als Gipsbüste auf den Ofen flüchten, und von dort aus munter in das Gedränge schauen könnte; so aber muß er Jedermann oder jeder Frau im Wege stehen, und darf sich nicht hinter die Kulissen ziehen, ja er muß sogar – und es fällt ihm sauer genug, und auch so uns – zu allem eine lächelnde Miene machen.

Station V.

Trotz des Leinwand-Simplons, welchen die Braut zu sprengen und zu ebnen hat, bleibt ihr doch noch hinreichende Zeit – mir ist es ein Rätsel, wo sie diese hernimmt – den Verlobten mit einem Kunstwerke der zarten Hände zu überraschen und anzubinden. Gern möchte der Gute ihr gleiches mit gleichem vergelten; da er indessen nur Informationen und Relationen anfertigt, so muß er wohl auf dem Bazar der Stadt nach Gegengeschenken forschen. – Der Herzog von Orleans wünschte Voltaire für dessen Trauerspiel Ödip mit einer goldnen Kette zu beschenken, und ließ ihn durch einen Höfling befragen, ob er eine Erbs- oder Filigrankette begehre. Der Dichter entschied sich nach einigem Besinnen für eine Kette von der Größe und Schwere einer am Ziehbrunnen hängenden. Dieses Anekdötchen führe ich als Fingerzeig für Geschenke wählende Verlobte an, als den einzigen Ausweg, wie sie dem Tadel der Braut wegen Geschmacklosigkeit oder Unmodernität des Angebindes – denn der gute Wille allein entschuldigt nicht – begegnen können. Der Gabenspender wähle goldene, und zwar die schwersten – sie sind über die Landtags-Beschlüsse der Mode erhaben. Wenn er nicht lieber, und das ist das Gescheidteste, auf die Freude der Überraschung verzichten, und seine Bald-Frau in die Schimmer-, Flitter- und Prachtläden der Modehändler führen, sich als stets Ja sagender und zahlungsfähiger Finanzminister hinter seine Fürstin stellen, und dieser die Auswahl überlassen will.

Station VI.

Der christlichen Theorie vom freien Willen möge sich der Bräutigam, so lange er solcher ist, je eher je lieber entkleiden, und sich die Zeit über mit dem fatalen mohamedanischen Fatalismus behelfen. Er darf nicht einmal einen Einspruch mit der mildernden Einleitung: »wie es scheint« – eine Formel, welche nach Llorente die Spanischen Könige auf den Rand des Gutachtens der Inquisition zu setzen pflegten – wagen, wenn er nicht das ganze Wespennest der Anverwandten seiner Braut sich auf den Hals ziehen will. Würde nicht Vater und Mutter, Schwester und Bruder, Vetter und Muhme, der Teufel und dessen Großmutter über Verletzung des Völkerrechts, oder der Karnevals-Freiheit schreien, wenn der Bräutigam die kurzen Saturnalien der Jungfrau durch ein willkürliches nie pozwalam verkümmern wollte? Würden sie nicht von Orientalischem Despotismus reden, wenn es dem sich in ihrem Rabenhorst einbürgern wollenden Fremdlinge einfiele, der Braut einen Tanz oder einen Tänzer zu verbieten? Und sehen sie es nicht alle geduldig mit an, wenn jeder courmachende Affe den Bräutigam auf dem Laurentius-Roste der Eifersucht brät? Und hat wohl ein Verlobter, während er in diesem Spanischen Stiefel schmachtet, einen andern Trost, als die Gewißheit, daß seine Qual mit dem Ringewechsel – wie das Wetter mit dem Wechseln des Mondes – sich ändern müsse, und er dann ein Wort mitreden, ja die Frau eben so, wie die Braut ihn bisher geplagt, plagen und ihren Willen durchkreuzen dürfe?

Station VII.

Auf der siebenten und letzten Hauptstation, die der Bräutigam zu berühren hat – ein Dutzend kleinerer Kapellen und Kreuze lasse ich gern seitwärts liegen – gehen ihm die Augen über seine Belladonna, die er früher nur dem Wortsinne nach, nicht aber in botanischer Hinsicht kannte, allmählich auf. Er findet den früher spiegelhellen Diamant voller Knoten und schwer zu behandeln, Einen geheimnisvollen Isis-Schleier nach dem andern lüftet die Schöne, und er möchte, wie der Jüngling zu Sais, über diese Entdeckungen in Ohnmacht fallen. Ja, sie ist unter seinen Küssen wie die Königstochter in der Volkssage, deren Unterleib sich in einen Drachen endigte, entzaubert worden, aber ganz und gar zur Schlange mit buntschillernder Haut und schönen Augen geworden. – Ist er klug, so springt er in drei Sätzen den Berg, den er monatelang aufwärts rutschte, wieder hinab, und thut, als wenn nichts vorgefallen wäre, oder er beißt sich wohl gar wie der Fuchs das im Fangeisen steckende Bein wohlgemut ab, um nur den Rest zu retten; ist er's nicht, nämlich klug, so versehe er sich wenigstens mit Munition zu dem bevorstehenden dreißigjährigen Kriege der Ehe, und rechne nur auf zehn Jahre währende Friedens-Unterhandlungen und auf das Ultimatum des schlichtenden Todes. Doch das gehört nicht hierher.


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