Sextus Julius Frontinus
Des Sextus Julius Frontinus' Schrift über die Wasserleitungen der Stadt Rom
Sextus Julius Frontinus

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105. Wer Wasser zum Privatgebrauch abzuleiten wünscht, muss um Bewilligung nachsuchen und dem Curator ein Schreiben vom Fürsten bringen; der Curator muss sodann der Bewilligung des Caesar schleunige Vollführung leisten und sogleich einen Freigelassenen des Caesar zu seinem Procurator bestellen. Einen Procurator aber scheint zuerst Ti. Claudius eingesetzt zu haben, nach der Herleitung des Neuen Anio und der Claudia. Mit dem Inhalte des Schreibens müssen sich auch die Verwalter bekannt machen, damit sie nicht gegen den Vorwurf begangener Nachlässigkeit oder Betruges sich je durch den Vorwand der Unwissenheit schützen können. Der Procurator muss daran denken, dass der Kelch des bewilligten Gemässes unter Zuziehung der Wäger gestempelt werde, genau auf das Maass der Eichungen, wovon wir oben geredet, Acht haben und Kenntniss von denselben haben: damit es nicht der Willkühr der Wäger überlassen sey, nach persönlicher Gunst einen Kelch bald von grösserem bald von kleinerem Lichten gutzuheissen. Aber es werde auch nicht der freien Willkühr überlassen, sogleich vom Kelche ab eine jede beliebige bleierne Röhre anzufügen; sondern es werde eine angefügt von demselben Lichten, auf welches der Kelch gestempelt worden, in einer Entfernung von 50 Fuss, wie durch den Senatsbeschluss, der hier unten folgt, verfügt ist.

106. Den Vortrag der Consuln, Aelius Tubero und Paulus Fabius Maximus, dass einige Privatleute aus öffentlichen Gerinnen Wasser ableiteten, anbelangend, so hat man, was rücksichtlich dessen geschehen soll, darüber folgendermassen erkannt. Es soll keinem Privatmanne erlaubt seyn aus öffentlichen Gerinnen Wasser abzuteilen: und alle diejenigen, welchen das Recht der Wasserableitung ertheilt wäre, sollten es aus den Schlössern ableiten, und die Wassercuratoren Acht darauf haben, an welchen Orten innerhalb und ausserhalb der Stadt Privatleute passend Schlösser anlegen könnten, auf dass sie aus ihnen das Wasser leiteten, welches gemeinschaftlich aus dem Schlosse abzuleiten ihnen die Wassercuratoren angewiesen hätten, und keinem von denjenigen, welchen öffentliches Wasser bewilligt würde, sollte das Recht zugestehen, innerhalb des Raumes von 50 Fuss von dem Schloss ab, aus welchem man Wasser ableiten wollte, eine weitere Röhre anzufügen, als eine Fünfer. – In diesem Senatsbeschluss ist bemerkenswerth, dass er nur aus dem Schlosse Wasser abzuleiten erlaubt, damit nicht die Gerinne oder die öffentlichen Röhren häufig verletzt würden.

107. Das Recht auf bewilligtes Wasser geht weder auf den Erben noch auf den Käufer noch auf irgend einen neuen Eigenthümer der Grundstücke über. Den öffentlichen Badeanstalten wurde von alten Zeiten her das Vorrecht zugestanden, dass das einmal bewilligte Wasser auf ewige Zeiten bliebe. So erkennen wir aus allen Senatsbeschlüssen, von welchen ich einen hier unten folgen lasse. Jetzt wird die Bewilligung jedes Wassers mit dem Besitzer erneuert.

108. Den Vortrag der Consuln Q. Aelius Tubero und Paulus Fabius Maximus, es müsste festgesetzt werden, mit welchem Rechte ausserhalb und innerhalb der Stadt diejenigen Wasser ableiten dürften, welchen solches angewiesen worden wäre, anbelangend, so hat man, was rücksichtlich dessen geschehen soll darüber folgendermassen erkannt. Es sollte jenen die Anweisung von Wassern, mit Ausnahme deren, welche vom Gebrauch der Badeanstalten oder für den Augustus bewilligt worden, so lange verbleiben, als dieselbigen Eigenthümer den Boden besässen, auf welchem sie das Wasser angewiesen erhalten hätten.

109. Sobald einige Wasser frei werden, wird es gemeldet und in die Denkschriften eingetragen, welche man nachschlägt, um den Nachsuchenden von den frei gewordenen Wassern geben zu können. Diese Wasser pflegte man sogleich abzusperren, um sie in der Zwischenzeit den Besitzern der Grundstücke oder auch andern zu verkaufen. Menschenfreundlicher aber schien es unserm Fürsten, damit die Grundstücke nicht plötzlich vom Wasser entblösst würden, eine dreissigtägige Frist zu gestatten, innerhalb welcher die betreffenden Beamten das Wasser vertheilen sollten. Ueber das an Grundstücke von Genossen bewilligte Wasser finde ich nichts festgesetzt : es ist jedoch hieher zu beziehen die Beobachtung und rechtliche Vorschrift, dass, so lange Jemand von denen, welche gemeinschaftlich eine Bewilligung erhalten haben, am Leben wäre, das volle den Grundstücken angewiesene Wassermaass fliessen, und dann erst die Bewilligung erneuert werden sollte, wann ein jeder von denen, welchen die Bewilligung ertheilt worden, im Besitze der Bewilligung zu seyn aufgehört hätte. Dass bewilligtes Wasser irgendwo anders hin, als auf die Grundstücke, für welche es bewilligt worden, oder aus einem andern Schlosse, als aus dem im Schreiben des Fürsten befohlenen, nicht geleitet werden dürfe, liegt am Tage, wird aber auch durch Verordnungen untersagt.

110. Man erhält aber auch diejenigen Wasser bewilligt, welche Ueberlauf genannt werden, nämlich entweder aus den Wasserschlössern oder durch die Durchrinnungen der Röhren. Eine Bewilligung, die von den Fürsten höchst sparsam ertheilt zu werden pflegt. Aber sie ist den Unterschleifen der Wasserer unterworfen. Welch grosse Sorgfalt um diese zu verhindern nöthig ist, wird aus dem hierunten folgenden Anfang der Verordnungen ersichtlich.

111. Ueberlauf will ich dass Niemand leite, ausser welche durch meine oder der frühern Fürsten Bewilligung die Erlaubniss dazu haben. Denn, dass aus den Schlössern einiges Wasser ausfliesse, ist erforderlich, sowohl zur Gesundheit unserer Stadt, als auch zum Gebrauch bei dem Reinigen der Cloaken.

112. Nach Auseinandersetzung des die Regulirung der Gewässer für den Privatgebrauch Betreffenden, ist es nicht unzweckmässig, einiges von demjenigen, wodurch wir die Umgehung der heilsamsten Bestimmungen auf der That selbst ertappt haben, beispielsweise zu berühren. In einer grossen Zahl von Schlössern habe ich einige Kelche angebracht gefunden von grösserer Weite, als bewilligt worden war, und darunter einige, die nicht einmal gestempelt waren. So oft aber ein gestempelter Kelch das gesetzliche Eichmass überschreitet, kommen die Umschleife des Procurator, der ihn gestempelt hat, an Tag: ist er aber nicht einmal gestempelt, so trifft die Schuld alle, besonders den Empfänger, sodann den Verwalter. In einigen Schlössern, wo zwar Kelche von gesetzlichem Eichmass gestempelt waren, fanden sich unmittelbar Röhren von weiterem Gemässe angefügt: was zur Folge . gehabt hatte, dass das Wasser nicht den gesetzlichen Raum hindurch zusammengehalten, sondern in dem kurzen beschränkten Räume herausgedrückt, leicht die nächste weitere Röhre anfüllte. Daher ist überdiess, so oft ein Kelch gestempelt wird, auch die Vorsicht noch zu gebrauchen, dass auch die nächsten Röhren in dem im Senatsbeschluss bezeichneten Raume gestempelt werden. Denn so erst ist dem Verwalter, wenn er weiss, dass die Röhren nicht anders, als nachdem sie gestempelt worden, angebracht werden dürfen, jede Entschuldigung genommen.

113. Auch bei der Anbringung der Kelche ist zu beobachten, dass sie nach der Linie geordnet worden, und nicht der Kelch des einen mehr nach unten, der eines andern mehr nach oben gestellt werde. Der niedrigere verschlingt mehr; der höhere saugt weniger, weil der Lauf des Wassers von dem niederen angezogen wird. An den Röhren einiger waren gar keine Kelche angebracht. Solche Röhren heissen ungebundene, und werden nach des Wasserers Belieben erweitert oder verengt.

114. Ausserdem ist folgender Betrug der Wasserer unerträglich: geht ein Wasser auf einen neuen Besitzer über, so legen sie im Schloss ein neues Loch an; das alte lassen sie bestehen und ziehen daraus verkäufliches Wasser. Ganz besonders also muss, glaube ich, der Curator darauf bedacht seyn, auch dieses abzustellen; denn das erheischt nicht nur die Bewahrung des Wassers selbst, sondern auch die Erhaltung des Schlosses, welches, wenn man es häufig und ohne Ursache durchlöchert, schadhaft wird.

115. Auch jener Erwerb der Wasserer ist abzuschaffen, den man Stiche nennt. Weithin und in allen Richtungen laufen die Röhren durch die ganze Stadt unter dem Steinpflaster fort. Wie ich erfahre, haben diese, von dem sogenannten Stecher hin und wieder angebohrt, allen Handlungen, an denen sie vorbeigehen, in besondern Röhren Wasser geliefert: woher es kam, dass ein geringes Wassermass zum öffentlichen Gebrauche gelangte. Wie viel Wasser in Folge der Beseitigung dieses Uebels wiedergewonnen sey, ermesse ich aus dem Umstande, dass durch die Aufhebung von dergleichen Rohr-Verzweigungen eine bedeutende Menge Blei zusammengebracht worden ist.

116. Es ist noch übrig die Erhaltung der Leitungen; bevor ich jedoch darüber zu reden anfange, muss ein Kurzes über die deshalb angestellte Dienerschaft auseinandergesetzt werden. Dienerschaften gibt es zwei, eine für den Staat, die andere für den Caesar. Die Staats-Dienerschaft ist die ältere; welche, wie wir erwähnt haben, vom Agrippa dem Augustus hinterlassen und von diesem dem Staate übergeben worden ist; sie zählt ungefähr 240 Mann. Die Zahl der Dienerschaft des Caesar beläuft sich auf 460, und Claudius hat sie errichtet, als er die Gewässer in die Stadt leitete.

117. Beide Dienerschaften aber werden in einige Klassen von Dienern getheilt, in Verwalter, Schlosswärter, Aufseher, Pflasterer, Decker und andere Werkleute. Von diesen müssen einige ausserhalb der Stadt gegenwärtig seyn bei Dingen, die zwar keinen grossen Kraftaufwand erfordern, wohl aber zeitige Hülfe zu erheischen scheinen. Sämmtliche innerhalb der Stadt auf ihren Standpunkten an den Schlössern und Künsten müssen alle Arbeiten zu fordern bemühet seyn, besonders für plötzliche unvorhergesehene Vorfälle, damit aus mehreren Stadtvierteln demjenigen, welches von der Notwendigkeit bedrängt würde, ein reichlicherer Wasservorrath zugewendet werden könne. Die so umfassende Anzahl beider Dienerschaften, welche durch Umschleife oder Nachlässigkeiten der Vorgesetzten hin und wieder zu Privat-Werken abgezogen wurden, haben wir auf diese Weise zu einiger Zucht und zum Staatsdienste zurückzuführen beschlossen, dass wir Tags zuvor jeder vorschreiben, was sie zu thun habe, und was sie an jedem Tage gethan, in den Acten verzeichnet würde.

118. Die Besoldung wird der Staats-Dienerschaft aus der Staatskasse gezahlt: Unkosten, die der Kasse erleichtert werden durch die Einnahme von zum Wasserrechte gehörigen Pachtgeldern, die bezogen werden aus Gärten oder Gebäulichkeiten, welche um die Leitungen oder Schlösser oder Künste oder Becken liegen. Dieses Einkommen von beinahe 250,000 Sestertien, entfremdet und schwankend, ist in den letzten Zeiten der Chatoulle des Domitianus zugewendet worden, aber die Gerechtigkeit des Divus Nerva hat es dem Volke wiedergegeben, unser Fleiss hat es auf eine bestimmte Norm gebracht, damit es feststände, welches die zu diesem Gefälle gehörigen Orte wären. Die Dienerschaft des Caesar empfängt ihre Besoldung aus dem Fiscus; aus welchem auch alles Blei und alle Auslagen für die Leitungen und Schlösser und Becken bestritten werden.

119. Nachdem wir das die Dienerschaft Betreffende auseinandergesetzt haben, wollen wir, unserm Versprechen gemäss, zur Erhaltung der Leitungen übergehen, einer Sache, die vorzugsweise einer angelegenen Fürsorge werth ist, da sie von der Grösse des Römischen Reiches das vorzüglichste Zeugnis abgibt. Viele und weitläuftige Bauarbeiten erwachsen fortwährend, denen man zuvorkommen muss, ehe sie grosser Mittel bedürfen. In der Regel jedoch sind sie mit umsichtiger Mässigung hinzuhalten; weil denjenigen, welche einen Bau zu machen oder zu erweitern antragen, nicht immer zu trauen ist. Daher muss der Curator nicht nur durch die Kenntnisse von Sachkundigen sich unterrichten lassen, sondern auch mit eigener practischen Erfahrung ausgerüstet seyn, und sich nicht bloss der Baumeister seines Postens bedienen, sondern die Zuverlässigkeit und gründliche Kenntniss mehrerer zu Hülfe nehmen, um zu erwägen, was augenblicklich auszuführen, was aufzuschieben, und wiederum was durch öffentliche Unternehmer, was durch Privat-Handwerker bewerkstelligt werden müsse.

120. Bauarbeiten entstehen aus folgenden Ursachen; entweder verdirbt etwas durch das Alter, oder durch den Eigennutz der Grundbesitzer, oder durch die Schuld schlecht veranstalteten Baues , was bei den neuern Bauten öfters vorkommt.

121. In der Regel leiden durch Alter und Einwirkung der Witterung die Theile der Leitungen, welche von Bogenwerk getragen werden oder an den Abhängen der Berge angebracht sind, und von dem Bogenwerk das, was über einen FIuss geführt wird. Und deshalb sind diese Arbeiten mit sorgfältiger Eile zu vollführen. Weniger unterliegt einer Beschädigung das Unterirdische, welches weder dem Frost noch der Hitze ausgesetzt ist. Die Schäden aber sind von der Art, dass man ihnen entweder ohne Unterbrechung des Wasserlaufes beikomnmen kann, oder dass sie ohne Ablenkung desselben nicht ausgebessert werden können, wie diejenigen, welche in der Bettung selbst unvermeidlich sind.

122. Diese entstehen aus doppelter Ursache: entweder nämlich wird durch Anhäufung des Schlammes, welcher zuweilen zu einer Kruste erhärtet, die Wasserbahn verengt; oder es wird das Deckwerk zerstört, woher Durchrinnungen geschehen, durch welche die Seitenwände der Gerinne und die Untermauerungen nothwendig beschädigt werden. Auch die Pfeiler selbst, die aus Tofstein aufgeführt sind, weichen unter der so grossen Last. Die Wiederherstellung der Schäden in den Bettungen der Gerinne darf nicht im Sommer stattfinden, damit die Benutzung der Gerinne nicht zu einer Zeit unterbrochen werde, in welcher das Bedürfniss am grössten Ist; sondern im Frühjahr oder Herbst, und zwar mit der grössten Beschleunigung, damit, nachdem nämlich vorhin alle Vorbereitungen zur Beschleunigung getroffen worden, die Gerinne möglichst wenige Tage ausbleiben. Niemanden entgehet, dass auf diese Weise bei jeder Leitung einzeln vor und nach zu verfahren sey, damit es nicht, wenn mehrere zu gleicher Zeit abgekehrt würden, der Bürgerschaft an Wasser fehle.

123. Die ohne Unterbrechung des Wasserlaufes auszuführenden Arbeiten bestehen besonders aus Mauerwerk, welches sowohl zur rechten Zeit als auch gewissenhaft auszuführen ist. Die passende Zeit für Mauerwerk ist von den Kalenden des April bis zu den Kalenden des November: so dass es am Rathsamsten ist, denjenigen Theil des Sommers, welcher in allzugrosser Hitze erglühet, unbenutzt zu lassen; weil eine gemässigte Witterung nothwendig ist, damit das Mauerwerk die flüssigen Theile mit Bequemlichkeit einsauge und in Einheit erstarke. Nicht minder jedoch, als die Sonnenhitze, wirkt zu heftiger Frost frühzeitig vernichtend auf den Stoff: kein Bau aber fordert grössere Sorgfalt, als welcher dem Wasser trotzen soll. Mithin ist Gewissenhaftigkeit in demselben durch alle einzelnen Theile hindurch, dem Gesetze gemäss, welches allen bekannt ist, von wenigen aber beobachtet wird, ein Haupterforderniss.

124. Daran zweifelt meines Bedünkens wohl Niemand, dass auf die nächsten Leitungen, nämlich die vom 7ten Meilenstein an aus Quadersteinen bestehen, ganz besonders ein wachsames Auge gehalten werden müsse, weil sie einerseits vom grössten Umfange sind und andererseits jede einzelne mehrere Gewässer trägt. Denn sollte es einmal nothwendig werden, diese zu unterbrechen, so werden sie den grössern Theil des Stadtwassers hinwegnehmen. Jedoch gibt es auch für diese Schwierigkeiten Hülfsmittel : eine Grundlage nämlich wird aufgeführt bis zur Wage der fehlenden Bettung: diese aber mittelst bleierner Archen durch den Raum der unterbrochenen Leitung wieder fortgesetzt. Da ferner fast alle Hohlgerinne durch Felder von Privaten geführt waren, und die Beischaffung der künftigen Baubedürfnisse schwierig schien, wenn nicht auch irgend eine Rechtsbestimmung zu Hülfe käme, zugleich damit nicht die Bau-Unternehmer vom Zutritt zu den wiederherzustellenden Gerinnen von Seiten der Grundbesitzer gehindert würden, so ist ein Senatsbeschluss gegeben wurden, den ich hier folgen lasse.


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