Sextus Julius Frontinus
Des Sextus Julius Frontinus' Schrift über die Wasserleitungen der Stadt Rom
Sextus Julius Frontinus

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85. Die Alsietina lieferte 392 Fünfer. Diese wird ganz ausserhalb der Stadt verbraucht, und zwar auf Caesars Rechnung 254, für Privatleute 138 Fünfer.

86. Die Claudia und der Neue Anio wurden ausserhalb der Stadt jede aus eigenem Gerinne verausgabt; innerhalb der Stadt flössen sie zusammen. Und zwar lieferte die Claudia ausserhalb der Stadt auf Caesars Rechnung 217, für Privatleute 439; der Neue Anio auf Caesars Rechnung 731, für Privatleute 414 Fünfer. Die von Beiden übrigen 3824 Fünfer wurden innerhalb der Stadt vertheilt durch die 14 Stadtviertel in 92 Schlösser: von diesen auf Caesars Rechnung 779, für Privatleute 1839, zum öffentlichen Gebrauch 1206 Fünfer: wovon an 9 Lager 104, an 18 Wasserhäuser 522, an 12 Künste 99, an 226 Becken 481 Fünfer.

87. Das ist die Uebersicht der bis auf Kaiser Nerva berechneten Wassermenge. Jetzt ist durch die Fürsorge des thätigsten Fürsten alles dasjenige, was entweder durch die Betrügerei der Wasserer ist unterschlagen worden, oder Fahrlässigkeit hat zu Grunde gehen lassen, gleichsam durch eine neue Auffindung von Quellen wieder angewachsen. Und beinahe ist die Wasserfülle öffentlich Preis gegeben gewesen; jedoch nachher hat man auch eine gewissenhafte Vertheilung vorgenommen, damit diejenigen Stadtviertel, welchen nur Ein Gewässer zu Dienste stand, mehrere erhielten: z. B. der Coelius und Aventinus, auf welche die einzige Claudia durch die Neronischen Bogen geleitet wurde: woher es kam, dass, so oft irgend eine bauliche Herstellung eintrat, diese sehr bevölkerten Hügel Durst litten. Ihnen hat man jetzt wieder mehrere Gewässer zufliessen lassen, vor allen aber die Marcia, welche in erweitertem Werke vom Coelius bis auf den Aventinus hingeleitet wird. Auch haben in allen Theilen der Stadt die Becken, neue und alte, mehrentheils zwei Röhren von verschiedenen Wassern erhalten, damit, wenn der Zufall das eine oder das andere in Stocken versetzte, durch den Zufluss des andern der Gebrauch der Becken unterhalten würde.

88. Diese Sorgfalt des mildesten Kaisers Nerva, ihres Fürsten, fühlt von Tag zu Tag die Königin und Beherrscherin der Welt; und mehr noch wird es fühlen die Gesundheit derselbigen ewigen Stadt, nach Vermehrung der Zahl der Schlösser, der Wasserhäuser, Künste und Hecken. Nicht geringerer Vortheil aber fliesst in Folge der Vermehrung seiner Bewilligungen den Privaten zu: diejenigen auch, welche furchtsam unerlaubtes Wasser ableiteten, geniessen jetzt seit den Bewilligungen ihr Wasser furchtlos. Nicht einmal die durchrinnenden Wasser sind müssig: ganz anders sieht es jetzt aus mit der Reinlichkeit der Strassen; die Luft ist reiner; und die Ursachen der fast erstickenden Ausdünstung, wodurch bei den Alten die städtische Luft verrufen war, sind beseitigt.

Es entgeht mir nicht, dass ich meiner Schrift die Anordnung der neuen Verausgabung schuldig bin: allein da ich das dahin Gehörige schon an die Vermehrung angeschlossen habe, so muss man begreifen, dass das nicht vorgetragen werden könne, bevor es vollständig erledigt ist.

89. Wie nun, dass nicht einmal dieses dem Eifer des Fürsten, den er im höchsten Grade für seine Mitbürger beweiset, genüget, der da glaubt, er habe zu wenig zu unserer Wohlfahrt und Vergnügung beigetragen, wenn er den so grossen Wasserreichthum, den er herbeischuf, nicht auch klarer und erquicklicher machte? Es ist der Mühe werth das Einzelne durchzugehen, wodurch derselbe, indem er den Fehlern einiger Gewässer abzuhelfen suchte, die Nutzbarkeit sämmtlicher erhöhete. Denn wann hat einmal unsere Stadt, beim Eintreten auch nur unbedeutender Regengüsse, nicht trübes und lehmiges Wasser gehabt? Und zwar nicht weil sämmtliche diese Eigenschaft von ihrem Ursprünge her haben, oder weil dieser Nachtheil bei allen denjenigen fühlbar seyn müsste, welche aus Quellen gefasst werden; insbesondere die Marcia und die Claudia, und die übrigen, deren Klarheit, von der Fassung an unversehrt, gar nicht oder doch nur äusserst wenig durch Regen getrübt wird, im Falle Brunnen gebaut und vorgelegt sind.

90. Die beiden Gewässer des Namens Anio bleiben minder klar; denn sie kommen ans dem Flusse und werden oft auch bei heiterem Wetter getrübt: weil der Anio, obwohl aus dem reinsten See abfliessend, dennoch dadurch, dass die weichen Ufer nachgeben, etwas mit fortnimmt, wodurch er getrübt wird, bevor er in die Gerinne eintritt: ein Nachtheil, den er nicht nur bei Regengüssen im Winter und Frühlinge, sondern auch im Sommer erleidet, in welcher Jahreszeit man eine angenehmere Klarheit der Wasser

91. verlangt. Von diesen fliesst der eine, nämlich der Alte Anio, in tieferer Lage als die meisten, und behält deshalb den Nachtheil in sich. Der Neue Anio hingegen verdarb die übrigen: denn weil er aus höchster Lage und vorzüglich reichhaltig fliesst, kommt er dem Mangel anderer zu Hülfe. Durch die Unerfahrenheit der Wasserer aber, welche ihn häufiger, als eine Aushülfe nöthig war, in fremde Hohlgerinne ableiteten, verunreinigte er auch zureichende Gewässer, besonders die Claudia, welche, viele tausend Schritte hindurch in eigenem Gerinne geführt, zu Rom erst durch ihre Mischung mit dem Anio bis auf den heutigen Tag ihre Eigenthümlichkeit einbüsste. Und weit entfernt, die nebeneinkommenden Wasser unschädlich zu machen, wurde vielmehr eine ganze Menge derselben herangezogen durch den Unverstand solcher, welche die Gewässer wider Gebühr vertheilten; so dass wir sogar gefunden haben, dass die Marcia, durch ihre Klarheit und Kälte im höchsten Grade reizend, Badeanstalten und Walkern und ich

92. mag nicht sagen welchen schmutzigen Verrichtungen diente. Es wurde daher beschlossen sie sämmtlich zu trennen, dann so zu ordnen, dass besonders die Marcia ganz zum Trinken diente, und so weiter die übrigen jede nach ihrer Beschaffenheit zu passendem Gebrauch angewiesen würden, z. B. der Alte Anio zur Bewässerung der Gärten und zu den schmutzigeren Diensten der Stadt selbst verwendet würde, aus mehreren Gründen; denn je entfernter von der Quelle sein Wasser geschöpft wird, desto unheilsamer

93. ist es. Nicht aber genügte es unserm Fürsten, der übrigen Gewässer Fülle und Reiz wiederhergestellt zu haben: er hat die Möglichkeit erkannt, auch die Mängel des Neuen Anio zu beseitigen. Er hat nämlich den Befehl gegeben, den Fluss aufzugeben, and ihn aus dem über dem Sublacensischen Landsitze des Nero belegenen See, da wo er am klarsten ist, herzuleiten. Denn da der Anio oberhalb Treba Augusta entspringt, so gelangt er, sey es nun weil er zwischen felsigen Bergen herabfliesst und um die Stadt selbst herum wenig bebautes Land liegt, oder weil er durch die Tiefe der Seen, in die er aufgenommen wird, gleichsam sich der Hefen entschlägt, theils auch durch die kühlende Beschattung des über ihm hängenden Waldgesträuches, höchst kalt und zugleich äusserst klar in jenen See. Diese so glückliche Eigenthümlichkeit des Wassers, welches in allen Gaben der Marcia gleichkommen, an Fülle aber dieselbe übertreffen wird, wird an die Stelle jenes garstigen. und trüben Wassers treten, und die Inschrift wird als neuen Gründer ausstellen den Imperator Caesar Nerva Trajanus Augustus.

94. Weiter haben wir anzugeben, was Rechtens sey in Betreff der Leitung und Unterhaltung des Wassers: jenes ist zu verstehen von der Beschränkung der Privaten auf das Maass der erlangten Bewilligung, dieses von der Erhaltung der Leitungen selbst. Indem ich hierin die über das Einzelne gegebenen Gesetze tiefer aus dem Alterthum heraufholte, habe ich bei den Alten einiges anders gehalten gefunden. Bei ihnen wurde alles Wasser zu öffentlichem Gebrauche verwendet, und bestand die Verordnung: Kein Privatmann soll anderes Wasser leiten, als welches aus dem Becken auf die Erde fällt (das nämlich sind die Worte jenes Gesetzes): Das heisst was aus dem Becken überströmt : wir nennen es Ueberlauf. Und selbst dieses wurde zu keinem andern Gebrauche bewilligt, als der Badeanstalten und Walkmühlen; und es war steuerpflichtig, indem eine Vergütung festgesetzt war, die in die Staatskasse bezahlt wurde : einiges wurde auch in Häuser der Vornehmsten der Stadt zugestanden, im Falle die übrigen einwilligten.


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