Sextus Julius Frontinus
Des Sextus Julius Frontinus' Schrift über die Wasserleitungen der Stadt Rom
Sextus Julius Frontinus

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64. Nach Verfolgung dessen, was über die Gemässe zu sagen nothwendig war, will ich nun angeben, welches Maass ein jegliches Gewässer, nach den Angaben in den fürstlichen Denkschriften, bis auf meine Amtszeit hat haben sollen und wieviel es verausgabt hat; darauf welches Maass ich selbst durch gewissenhafte Untersuchung, unter vorleuchtender Umsicht des besten und thätigsten Fürsten Nerva, gefunden habe. Also es standen in den Denkschriften im Ganzen 12,755 Fünfer: in Verausgabung 14,018; ein Mehr in Vertheilung als in Einnahme wurde berechnet von 1263 Fünfern. Hierüber betroffen, fühlte ich, da ein vorzüglicher Theil meiner Dienst-Obliegenheit, wie ich glaubte, auf der Erforschung zuverlässiger Angaben über die Gewässer und deren Menge beruhete, mich lebhaft aufgefordert zu untersuchen, wie denn mehr verausgabt würde, als so zu sagen im Erbvermögen wäre. Vor Allem ging ich also daran, die Fassungen der Leitungen zu messen; aber ich fand ein weit, das heisst um ungefähr 10,000 Fünfer, grösseres Maass, als in den Denkschriften, wie ich bei jedem einzelnen Gewässer zeigen will.

65. Der Appia ist in den Denkschriften ein Maass von 841 Fünfern zugeschrieben. Zwar konnte an ihrer Fassung, weil sie aus zwei Gerinnen besteht, die Eichung nicht gefunden werden; bei den Gemellen jedoch, zwischen der Spes Vetus, wo sie sich mit dem Zweige der Augusta vereinigt, habe ich eine Wasser-Höhe von 5 Fuss, eine Breite von l Fuss und 9/12 gefunden : daraus ergeben sich 8 Fuss und 9/12 im Querschnitt: 22 Hunderter und eine Vierziger; welche 1825 Fünfer betragen, um 984 Fünfer mehr, als sie in den Denkschriften enthält. Sie verausgabte 704 Fünfer, um 137 Fünfer weniger, als ihr in den Denkschriften zugeschrieben wird, und überdem um 1121 Fünfer weniger, als die Eichung bei den Gemellen angibt. Es geht jedoch bedeutend viel Wasser durch die Schadhaftigkeit der Leitung verloren, welche wegen ihrer tieferen Lage nicht leicht die Durchrinnungen gewahr werden lässt. deren wirkliches Vorhandensein aus dem Umstände ersichtlich ist, dass in sehr vielen Stadttheilen verloren gegangenes Wasser bemerkt wird, auch einige unerlaubte Röhren haben wir in der Stadt ertappt. Ausserhalb der Stadt aber hat sie wegen der tiefen Lage, die ich bei der Fassung 50 Fuss unter der Erde angetroffen habe, keine Beeinträchtigung erlitten.

66. Dem Alten Anio ist in den Denkschriften ein Maass von 1441 Fünfern zugeschrieben. An der Fassung habe ich 4398 gefunden, ausser dem Maasse, welches in die eigene Leitung der Tiburter abgeführt wird; mehr, als in den Denkschriften steht, um 2907 Fünfer. Verausgabt wurden, bevor sie zum Teiche kam, 262: das im Teiche nach den angebrachten Eichstäben berechnete Maass beträgt 2362 Fünfer: es gingen also zwischen der Fassung und dem Teiche verloren 1774. Nach dem Teiche verausgabte er 1348 Fünfer: mehr, als wir gesagt haben dass in den Denkschriften das Fassungsmaass bezeichnet würde, um 169: weniger, als wir angezeigt dass nach dem Teiche in die Leitung aufgenommen würde, um 1014. Die Summe des Wassers, welches zwischen der Fassung und dem Teiche und nach dem Teiche verloren ging, betrug 2783 Fünfer: was ich einem Irrthum in der Messung zuschreiben würde, wenn ich nicht gefunden hätte, wo sie unterschlagen würden.

67. Der Marcia ist in den Denkschriften ein Maass von 2162 Fünfern zugeschrieben. An der Fassung messend habe ich 4690 Fünfer gefunden: mehr, als in den Denkschriften steht, um 2528. Verausgabt wurden, bevor sie zum Teiche gelangte, 95 Fünfer; überdiess wurden zur Unterstützung der Tepula 92 gegeben; ebenso dem Anio 164: die Summe, welche vor dem Teiche verausgabt wurde, betrug 351 Fünfer. Das in dem Teiche nach den dort angebrachten Eichstäben berechnete Maass, dasselbe mit dem,, welches kurz nach dem Teiche auf die Bogen aufgenommen wird, beträgt 2944 Fünfer. Die Summe, welche entweder vor dem Teiche verausgabt, oder welche auf die Bogen aufgenommen wird, beträgt 3294 Fünfer; mehr, als in dem Fassungsmaass der Denkschriften aufgezeichnet steht, um 1133; weniger, als die bei der Fassung vorgenommenen Messungen herausstellen, um 1395. Sie verausgabte vor dem Teiche 1840 Fünfer; weniger als in den Denkschriften, wie gesagt, das Fassungsmaass bezeichnet wird, um 227; weniger, als aus dem Teiche auf die Bogen übernommen werden, um 1104. Beide Summen, die entweder zwischen der Fassung und dem Teiche oder nach dem Teiche verloren; gingen, beitrugen 2499 Fünfer: deren Abfangung, wie bei den übrigen Gewässern, wir an mehreren Stellen ertappt haben. Denn dass diese nicht mangeln, ist auch daraus schon offenbar, dass bei der Fassung ausser dem Maasse, welches wir aus dem Fassungsvermögen der Leitung, wie gesagt, ermittelt haben, mehr als 300 Fünfer verschleudert werden.

68. Der Tepula ist in den Denkschriften ein Maas von 400 Fünfern zugeschrieben. Dieses Wasser hat keine Quellen : es bestand aus einigen Adern, die in der Julia abgefangen sind. Ihre Fassung hat man sich also vom Teiche der Julia an zu merken: aus diesem nämlich empfangt sie zuerst 190 Fünfer; dann gleich darauf aus der Marcia 92; überdiess aus dem Neuen Anio bei den Epaphroditianischen Gärten 163. Daraus ergeben sich im Ganzen 445 Fünfer; mehr, als in den Denkschriften, um 45, welche bei der Verausgabung sich zeigen.

69. Der Julia ist in den Denkschriften ein Maass von 649 Fünfern zugeschrieben. An der Fassung konnte die Eichung nicht bestimmt werden, weil sie aus mehreren Zuflüssen besteht; bei dem 6ten Meilensteine von der Stadt aber wird sie ganz in den Teich aufgenommen, wo ihr Maass nach den offen ersichtlichen Eichstäben 1206 Fünfer beträgt: mehr, als in den Denkschriften, um 551. Ausserdem empfängt sie nahe bei der Stadt hinter den Pallantianischen Gärten aus der Claudia 162 Fünfer. Die Totalsumme der Fünfer der Julia in der Einnahme ist 1368. Davon gibt sie 190 in die Tepula; verausgabt für eigene Rechnung 803. Daraus ergeben sich im Ganzen 993 Fünfer, die sie verausgabt: mehr, als sie in den Denkschriften hat, um 343; weniger, als sie in dem Teiche, wie wir angegeben, hat, um 213: gerade so viel, als wir bei denen ertappt haben, welche sich ihrer ohne fürstliche Bewilligungen anmassten.

70. Der Virgo ist in den Denkschriften ein Maass von etwas weniger als 152 Fünfern zugeschrieben. Die Eichung konnte an der Fassung nicht gefunden werden, weil sie aus mehreren Zuflüssen besteht und zu sachte in ihr Gerinne eintritt. Nahe bei der Stadt jedoch am 2ten Meilensteine habe ich auf dem Felde, welches jetzt dem Cejonius Commodus angehört, wo sie einen schnelleren Lauf hat, die Eichung vorgenommen, welche 2504 Fünfer beträgt: mehr, als in den Denkschriften, um 1752. Unser Beweis ist jedem gleich zur Hand: sie verausgabt nämlich alle Fünfer, die wir bei der Eichung gefunden, das ist 2504.

71. Das Fassungsmaas der Alsietina ist weder in den Denkschriften angeschrieben, noch konnte es an Ort und Stelle mit Sicherheit gefunden werden: weil sie aus dem Alsietinischen See und nachher in der Gegend von Carejae aus dem Sabatinischen ein so grosses Maass empfängt, ale die Wasserer belieben. Die Alsietina verausgabt 392 Fünfer.

72. Die Claudia, reichhaltiger als andere, ist besonders der Beeinträchtigung ausgesetzt. In den Denkschriften hat sie nicht mehr als 2855 Fünfer; obgleich ich an der Fassung 4607 gefunden habe: mehr, als in den Denkschriften, um 1752. So sehr aber ist unsere Messung die richtigere, dass wir am 7ten Meilensteine von der Stadt im Teiche, wo die Messungen unbezweifelt sind, 3312 Fünfer gefunden haben: mehr, als in den Denkschriften, um 457: obgleich sie nicht nur auf Verwilligungen vor dem Teiche verausgabt , sondern ihr auch, wie wir entdeckt haben, sehr viel heimlich entzogen wird, und mithin um 1295 Fünfer weniger gefunden wird, als in der That seyn sollte. Bei der Verausgabung aber liegt der Betrug am Tage, welche weder mit der Angabe der Denkschriften, noch mit den von uns an der Fassung, und auch nicht einmal mit den im Teiche vorgenommenen Messungen, namentlich nach so vielen Beeinträchtigungen, übereinstimmt. Es werden nämlich nur 1750 Fünfer verausgabt: weniger, als in den Denkschriften die Berechnung gibt, um 1105; weniger aber, als die an der Fassung angestellten Messungen gezeigt haben, um 2857; weniger auch, als im Teiche gefunden wird, um 1562. Weshalb sie denn, in eigenem Gerinne lauter zur Stadt gelangt, in der Stadt mit dem Neuen Anio vermischt wurde, um durch die Zusammengiessung sowohl deren Fassungsmaass als Verausgabung zu verdunkeln. Wer aber etwa glaubt, ich hatte den Maassen der Zuflüsse geschmeichelt, ist daran zu erinnern, dass die Curtische und Caerulische Quellen dem Claudischen Gewässer zur Leistung der für seine Leitung bestimmten oben von mir bezeichneten 4607 Fünfer in dem Maasse genügen, dass noch 1600 Fünfer überflüssig sind. Dabei aber läugne ich auch nicht, dass das, was überflüssig ist, eigentlich nicht diesen Quellen angehört: es kommt nämlich aus der Augusta, welche, zur Ergänzung der Marcia erfunden, während sie ihrer nicht bedarf, wir den Quellen der Claudia zugewiesen haben, obgleich selbst die Leitung dieser nicht alles Wasser aufnimmt.

73. Der Neue Anio war in den Denkschriften angesetzt mit 3263 Fünfern. Beim Messen an der Fassung habe ich 4738 Fünfer gefunden : mehr, als in dem Fassungsmaass der Denkschriften steht, um 1475. Dass in dieser Angabe der Summe der gesammten Fünfer keine Leidenschaft herrsche, auf welche andere Weise kann ich das handgreiflicher bewahrheiten, als dadurch dass in der Verausgabung der Denkschriften selbst eine grössere Anzahl von Fünfern enthalten ist ? Verausgabt nämlich werden 4200 Fünfer; da doch sonst in denselbigen Denkschriften ein nicht grösseres Fassungsmaass, als von 3263 gefunden wird. Ueberdiess habe ich entdeckt, dass nicht bloss 527, der Unterschied zwischen unserer Messung und der Verausgabung, unterschlagen werden, sondern ein weit grösseres Maass. Woraus hervorgeht, dass die von uns angenommene Messung sogar noch Ueberschuss liefere. Der Grund dieser Erscheinung liegt darin, dass die reissendere Wassermasse, nämlich aus einem reichhaltigen und schnellen Flusse aufgefasst, eben durch die Geschwindigkeit ihr Maass vergrössert.

74. Ich zweifle nicht, dass Manche die Erscheinung, dass nach den angestellten Messungen die Wassermenge weit grösser befunden worden ist, als in den fürstlichen Denkschriften angegeben steht, sich als eine auffallende bemerken werden. Der Grund hiervon ist der Irrthum derjenigen, welche von Anfang an jegliche Wassermenge nicht sorgfaltig genug abgeschätzt haben. Und dem Glauben, sie seyen aus Furcht vor dem Sommer oder vor trockenen Zeiten so sehr von der Wahrheit abgewichen, steht der ' Umstand im Wege, dass, nach angestellter Messung eben im Monate Julius, die in diesem Monat gefundene oben angegebene Menge eines jeden Gewässers sich nach meiner Erforschung den ganzen Sommer hindurch immer gleich geblieben ist. Was jedoch auch die vorangehende Ursache sey, das wenigstens ist aufgedeckt, dass 10,000 Fünfer verloren gegangen sind; indem die Fürsten Ihre Bewilligungen auf das in den Denkschriften angegebene Maass beschränken.


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