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8. Bis zu den Messern am Grenzstein

»Der Kaiser kommt«, riefen die Kreuzfahrer einander freudestrahlend zu, als ein schnelles Ruderschiff die Nachricht von Accon gebracht hatte, daß Friedrich mit seiner Flotte auf Cypern gelandet sei. Mit gehobenem Haupt schritten die Deutschen einher, auch die Partei des Papstes: Lombarden und Provenzalen, Templer und Johannesbrüder vermochten das frohe Gefühl nicht zu unterdrücken, daß jetzt die träge Ruhe zu Ende sei und eine große Entscheidung bevorstehe. Der Kaiser kam als Gebannter und kam gegen den Willen des Papstes, der den verspäteten Kreuzzug vor der gesamten Christenheit als neuen Frevel und Ungehorsam verklagt hatte. Aber daß er dennoch sein Gelübde erfüllen wollte und daß er in stolzem Mute wagte, trotz der Verdammung des heiligen Vaters im Dienst des Erlösers zu kämpfen, das fesselte für den Augenblick die Herzen der Menschen in Bewunderung und hemmte die Bosheit der Unversöhnlichen. Und als Kunde auf Kunde einlief, daß der gewaltige Herr das ganze Königreich Cypern ohne Schwertstreich, nur durch die Wucht seines Willens und durch blitzschnelle Überraschung unter seine Gewalt gezwungen habe, und daß er seine hochfahrenden Gegner gleich Unterworfenen mit sich führe, da bezwang die Furcht selbst die Unbotmäßigsten; die Fürsten von Antiochien und Tripolis, alle Grafen und Barone des nördlichen Syriens riefen nach ihren Rossen und beeilten sich, gen Accon hinabzuziehen, um dem Oberherrn der Christenheit zu huldigen. Die Johannesbrüder luden ihre Komture aus den großen Burgen am Libanon, um dem Kaiser die Helden ihrer reichen Genossenschaft vorzustellen, und sogar die hochfahrenden und eigenmächtigen Templer beschlossen, sich vorläufig vor der überlegenen Macht zu beugen. Da endlich seine Flotte in Sicht kam, strömte alles nach dem Hafen, die Edlen, die Kreuzfahrer, die Bürger der Stadt, und er setzte seinen Fuß auf den Boden des gelobten Landes unter einem Jubelgeschrei, das bis zum Himmel stieg. Auch der Patriarch mit seinen Bischöfen stand grüßend am Ufer, und der Kaiser beachtete wenig, daß der Stellvertreter des Papstes ihm, weil er gebannt war, den Friedenskuß versagte. Sein Antlitz strahlte vor Freude, als er die Führer der Christenheit und einen unzählbaren Schwarm des Volkes vor sich sah, wie sie niederknieten und begeistert die Hände zum Himmel hoben, um ihn als Kaiser und Herrn und als ihren Retter zu begrüßen.

Groß war die Freude der Christen, doch noch größer die Bestürzung der Mohammedaner. Zu ihnen flog die Kunde, daß der große Emperor gekommen sei, wie ein Wüstensturm, der den Horizont mit rotem Dampfe verhüllt, Wolken von heißem Sande aufwühlt und durch seinen Atem das Mark der Glieder und das Grün des Bodens versengt. In jedem Weiler und in jeder Burg der Sarazenen lauschten die Leute der Verkündigung, in den Oasen der Wüste saßen die Haufen der Bodwinen, nachdenklich die Bärte streichend, und die wilden Krieger des Libanon, die den Sarazenen verfeindet waren wie den Christen, sprengten durch die Felsschluchten und schrien die Neuigkeit in die Täler. Es war nicht das kleine Kreuzheer, welches den eingeborenen Söhnen des Ostens solche Scheu einjagte, ihre Späher hatten oft in die leeren Lagergassen der Christen geschaut und auch die Schiffe der kleinen Flotte gezählt, welche der Kaiser heranführte. Es war der Name des einen Mannes, der die Kühnsten mit banger Sorge erfüllte. Nicht grundlos war die Scheu, mit welcher sie ihn betrachteten, denn sie hatten im Guten und Bösen die Gewalt seines Wesens erfahren. Er hatte Sizilien den Helden ihres Volkes entrissen, jeden Widerstand niedergeschlagen, alle seine Feinde vom Erdboden vertilgt. Sie wußten, daß er erlittene Kränkung nicht vergaß und daß er Untreue zu rächen wußte, ausdauernd, kalt die Stunde erwartend, aber sicher und erbarmungslos gleich einem Geiste der Luft, der unsichtbar den tötenden Hauch entsendet. Doch wie er sie mit Schrecken erfüllte, so verstand er ihnen auch zu gefallen durch vornehmen Stolz, durch sein prachtvolles Wesen und durch das hochsinnige Vertrauen, welches er den unterworfenen Bekennern des Islams schenkte. Denn aus ihnen wählte er die Leibwache, die ihn immer umgab. Mit den Sultanen der Sarazenen verkehrte er durch Gesandte wie mit stammverwandten Fürsten und gern tauschte er mit ihnen Geschenke; die arabischen Gelehrten und Dichter pilgerten zu seinem Hofe, er selbst kannte ihre heilige Sprache und hatte Verständnis für die Weisheit und Kunst des Morgenlandes. Wo er als Herr waltete, hielt er streng darauf, daß die Mohammedaner in ihrem Glauben nicht gestört wurden, ihre Muezzim riefen in Palermo und Messina zum Gebet wie in Kairo und Damaskus und gern verkündeten ihre weisen Männer, daß er kein Christ sei wie die andern, sondern eher ein Bekenner des Propheten. Während das Mißtrauen der päpstlichen Partei jede Tat seines Lebens feindselig deutete, empfing ihn die Bewunderung der Ungläubigen als einen Mann, der an Stärke und Weisheit allen überlegen sei.

»Hier hast du mich,« rief Friedrich fröhlich dem Bruder Hermann zu, »denke an den Abend von Otranto, es ist gekommen, wie ich hoffte.«

»Auch wie ich fürchtete«, antwortete der Meister ernst.

»Ja,« sagte der Kaiser, »der Alte hat mir Not genug gemacht; dennoch verspreche ich dir, ich gehe nicht eher von hier fort, bis ich dich und deine Brüder in Jerusalem eingeführt habe. Vermögen wir nicht mit dem Blitz zu treffen, so wollen wir durch Donner betäuben. Vor allem will ich deinen Mißgönnern von St. Johann die Herrenfaust zeigen. Beim Einfahren sah ich Brüder vom weißen Kreuz in der Maut lagern, sie sollen sogleich erfahren, daß dieser Hafen mit seinen Einkünften mir gehört. Und wir werden das Geld gebrauchen. – Das Heer muß aus der verdorbenen Luft hinein ins Land.«

»Die neue Burg ist geschanzt, welche des Kaisers Heerlager gegen Sultan Elkamil decken soll«, versetzte Hermann.

»Du tust immer still das Richtige«, lobte der Kaiser. »Wo lagern die Sarazenen?« Und zur Stelle begann ein eifriger Austausch von Nachrichten.

Unterdes stand Ivo in der Halle des Königsschlosses unter einer glänzenden Versammlung von Edlen. Als der Kaiser mit seinem Gefolge eintrat, erscholl wieder donnernder Jubelruf, und er dankte mit sichtlicher Freude. Einer der Herren nach dem andern nahte huldigend, und da auch Meister Montague vom Tempel sein Knie beugte, flog ein Lächeln des Triumphes über das Antlitz Friedrichs, und er ließ ihn einen Augenblick knien, bevor er ihn aufhob und küßte. Während er den knienden Ivo erhob und mit einem Kuß ehrte, sagte er leise: »Ihr seid einer von den Treuen und hier gedenke ich Euch nicht von mir zu lassen. Denn Ihr seid erwählt, die deutschen Ritter anzuführen, mit denen ich mich umgeben will. Einst wart Ihr zu stolz, die Reise mit meinem Golde zu rüsten, jetzt lege ich Euch an eine goldne Kette.«

Als Ivo in das Gemach des Kaisers trat, sich für den neuen Dienst zu melden, fand er den Herrn im Gespräch mit einem Edlen, dem sein schwarzes kurzgeschnittenes Haar und das hagere, gefurchte Gesicht das Aussehen eines Italieners gaben. »Kennst du den Edlen von Ingersleben, Humbert?« fragte Friedrich und setzte, zu Ivo gewandt, hinzu: »Mein Vetter, der Graf von Meran.«

»Ich sah den Herrn niemals vor diesem Tage«, antwortete der Graf stolz.

Der Kaiser setzte sich und betrachtete mit stillem Behagen die beiden Helden, welche sich förmlich gegeneinander neigten. »Vertragt euch unter dem Kreuz als gute Gesellen«, riet er gemütlich. Als er den Grafen entlassen hatte, berührte er mit der Hand die Schulter Ivos da, wo er einst die Stickerei eines Tuches gemustert hatte, und sagte, auf die Tür deutend, vertraulich: »Er ist still und scharf. Mir hat er gute Dienste geleistet, da wir beide jünger waren und ich im Kampf gegen die empörten Sarazenen Siziliens. Diese haben zuweilen erkannt, daß er Feinde nicht schont. Ihr wißt vielleicht, daß er durch Heirat meinem Hause nahe verbunden ist; ihn und sein Gemahl habe ich nach Deutschland weggegeben, damit der junge König Heinrich, der die Nähe des Vaters entbehren muß, von Angehörigen meines Geschlechtes beraten sei. Zu der Kreuzfahrt lud ich den Grafen, weil er mit Sprache und Brauch der Sarazenen so gut bekannt ist wie wenige. Könnt Ihr nicht sein Freund sein, Ivo, so seht zu, daß er nicht Euer Feind wird, denn er ist seinen Gegnern lästig. – Aber ich habe noch jemanden, der Euch kennen muß.« Er schlug dreimal an eine tönende Erzschale. Durch eine Seitentür trat ein alter Mann herein mit scharf geschnittenen Zügen und forschenden Augen in langem wallendem Gewande. »Dies ist mein Lehrer Omar,« sprach der Kaiser herzlich, »einer von den Weisen, der die tiefen Geheimnisse der Zahlen und der Sterne versteht und der auch aus den Seelen der Menschen Geheimes zu lesen weiß. Betrachte diesen, Omar, und suche von ihm die Konstellation zu erfahren, wenn er selbst die Stunde seiner Geburt kennt, denn meine Deutschen sind darin sorglos.«

Der Araber schaute prüfend auf den jungen Helden, dem dabei gar nicht wohl zumute war, er bat ihn, seine Hand zu öffnen, und nickte zufrieden, als Ivo nicht nur das Jahr der Geburt zu sagen vermochte, sondern auch, daß er am hohen Pfingstsonntag geboren sei, gerade als das Glöcklein zur Mette läutete.

Seit diesem Tage wurde Ivo von dem Kaiser mit so gütigem Vertrauen behandelt, daß er sich selbst darüber wunderte und daß der Neid anderer erwachte. Vielleicht verdankte er die unerwartete Gunst einem Horoskop, welches Omar anfertigte, vielleicht einem andern geheimen Bande, welches ihn nach der Meinung des Kaisers zu treuem Dienst fesselte.

Im glänzenden Kriegerschmuck, mit wehenden Bannern rückte der Teil des Kreuzheeres, welchem der Kaiser am meisten vertraute, aus der Nähe des Hafens zwei Tagemärsche in das Land. Am Ufer eines klaren Baches wurden die Gassen gezogen, die Zelte geschlagen; jeder lebte in ungeduldiger Erwartung des Kampfes, denn drei Sarazenenkönige zogen mit ihren Heerhaufen heran, und der mächtigste von ihnen, Elkamil, Sultan von Ägypten, welcher die Herrschaft über Palästina an sich gerissen hatte, lagerte so nahe, daß jeden Tag ein Zusammenstoß zu erwarten war. Doch keine Posaune rief zum Kampf, nur Gesandte der Christen und Sarazenen ritten zwischen den beiden Heerlagern.

Unterdes wurde es nicht leicht, das Heer zu ernähren, am schwersten, den Rossen das Futter zu schaffen, die leichten Reiter der Sarazenen streiften umher, lauerten hinter Felsen und Sandhügeln und die ausgesandten Haufen der Christen hatten fast täglich kleine Kämpfe zu bestehen und kehrten oft vergeblich zurück, gemindert an Zahl und Vertrauen. Einst erhielt Lutz den Befehl, mit einer Anzahl Knechte nach Lebensmitteln auszureiten. »Ich denke mit gefüllten Karren heimzukommen oder gar nicht«, sagte er, des Auftrages froh, zu Henner. Bei früheren Jagdfahrten war er viel durch das Land gestreift, auch diesmal wußte er seinen Zug auf Umwegen weit hineinzuführen, bis er von der Höhe auf ein Tal blickte, das, von einer reichen Quelle bewässert, in tiefem Frieden dalag. »Hier hat noch niemand gesengt, die Häuser sind unversehrt, ich sehe Kamele und weidende Rosse.« Die Reiter wanden sich durch ein Gehölz vorsichtig in den Grund, wo ihr plötzliches Erscheinen arge Verwirrung hervorbrachte. Eine kleine Karawane hatte sorglos am Quell gerastet, verhüllte Frauen rannten zu den Kamelen und ihre Wächter sprangen zu den angepflöckten Rossen. Doch sie wurden umringt und entwaffnet, bevor sie zum Widerstand bereit waren, und Lutz rief ihnen durch den syrischen Dragoman zu: »Werft euch mit den Gesichtern auf den Boden und rührt euch nicht, an euch ist uns wenig gelegen.« Die Knechte durchsuchten die Häuser und öffneten die gemauerten Gruben, in denen das Getreide lag. Während sie aber hastig die Karren beluden, kam von der entgegengesetzten Seite ein anderer Haufe des Kreuzheeres herangejagt mit ähnlicher Absicht; Lutz erkannte die Mäntel der Johanniter und ritt ihnen entgegen: »Sucht euch andere Gelegenheit, hier sind wir Wirte.«

»Wir teilen die Beute,« rief ein Bruder, »oder, beim heiligen Kreuz, ihr sollt gar nichts erhalten, denn wir sind die stärkeren.«

»Wir aber waren die ersten,« versetzte der Thüring, »und deshalb füllen wir vor euch.« Er gab seinen Begleitern das Zeichen, vorzusprengen und gebot, die Karren zum Schutz des kauernden Haufens an den Seiten aufzufahren. »So halte ich meine Speerbeute in der Wagenburg geschlossen,« rief er; »will einer von euch durchbrechen, so erhält er Hiebe.«

Die Brüder ritten scheltend und drohend durcheinander, ihr Führer schrie zornig herüber: »Hört meinen letzten Vorschlag, nehmt eure Säcke und macht euch davon, uns aber laßt die Weiber und Kamele.«

»Ihr seid gütig«, spottete Lutz. »Ich will euch nicht in Versuchung bringen, euer Gelübde zu brechen. Wir halten Quell und Tal besetzt und haben keine Eile abzuziehen, seht zu, ob ihr's so lange aushaltet wie wir«, und er rief zu den Karren zurück: »Nehmt einen Hammel, ihr Knaben, und bereitet säuberlich eine Mahlzeit, denn wir fühlen Hunger.«

»Ihr seid ganz nahe an dem Lager der Sarazenen,« mahnte der Bruder, »jeder Augenblick Säumen kann euch die Todespforte öffnen. Ganz unsinnig muß ich euch schelten, daß ihr so sorglos lagert.«

»Bedrängt euch die Nähe, so macht euch fort,« antwortete der Thüring, »ich gedachte euch, wenn ihr ruhig harret, von dem gebratenen Hammel anzubieten.«

Die Brüder zögerten, Gewalt zu brauchen, denn obgleich ihr Gewissen sie nicht gehindert hätte, den Gegner anzufallen, so scheuten sie doch das strenge Lagergesetz.

»Wisset, starrköpfiger Deutscher, daß wir ausgeschickt sind, den Haufen zu fangen, welchen ihr zwischen den Karren festhaltet. Es ist wertvolle Beute, denn die Weiber sind aus dem Harem des Sultans und uns ward ihre Reise verraten. Wagt ihr sie zu weigern gegen den Befehl unseres Feldherrn?«

»Gewiß weigere ich sie«, entgegnete Lutz. »In meiner Heimat ist nicht Brauch, daß ein Ritter auf den Fang von Weibern ausgeht, sondern diese haben Frieden bei den Fehden der Männer, zumal edle Frauen. Gehören die Verhüllten zum Hofhalt des Sultans, so sollt ihr sie erst recht nicht erhalten.« Und als er so für die fremden Frauen sprach, fiel ihm der Vorwurf ein, den sein Lehrer ihm zuweilen machte. »Niemals trifft sich eine bessere Gelegenheit, dem Mangel abzuhelfen.« Er gebot seinen Begleitern: »Fällt die Speere, daß sie nicht gegen euch vorbrechen«, und den Dragoman rufend, ritt er zum Haufen der Gefangenen und begann mit höflicher Handbewegung: »Ist eine Edle unter den Frauen hier, so ersuche ich sie in allen Ehren, daß sie für mich ein Stück ihres Schleiers abschneide und mir freiwillig übergebe, damit ich ihr als Ritter dienen kann, denn ich gedenke nicht zu leiden, daß jene schreienden Helden euch wegführen.«

Eine der Frauen, welche mit verhülltem Gesicht an dem Kamele lag, erhob sich, riß einen Zipfel ihres Schleiers ab und hielt ihn dem Ritter hin; Lutz erkannte, daß zwei dunkle Augen ängstlich auf ihn starrten. Er dankte ehrbar. »Dagegen weihe ich mich Eurem Dienste, habt die Güte, jetzt ein wenig aufzublicken«, und sein Roß spornend, rief er den Brüdern entgegen: »Wisset, ich bin Ritter jener weißen Taube geworden, und wenn ihr etwas gegen ihre Freiheit und Ehre sinnt, so werdet ihr mir einen Speerkampf nicht versagen. Werft ihr mich, so folgt euch die Dame, werfe ich euch, so laßt mich die Schweife eurer Rosse so bald als möglich sehen. Das ist ehrliche Bedingung.«

Die Langmut des Johanniters war zu Ende, mit einem lauten Fluch wandte er sein Pferd zum Anlauf, beide rannten gegeneinander, und als die Speere gebrochen waren, zogen sie die Schwerter und schlugen, daß die Helme klangen. Da gab einer der Brüder ein schrilles Zeichen, der Johanniter wandte sein Pferd, und alle jagten, so schnell sie vermochten, von dannen.

»Ich sehe, was Euch den Kampf verleidet«, rief Lutz, als eine Schar Sarazenen in der Entfernung sichtbar wurde. »Ihrer sind viele, und wir müssen auf den Rückzug denken.« Er berührte den alten Haremswächter mit der Speerstange. »Ihr Fledermaus, der Ihr weder Vogel noch Maus seid, nehmt Eure Damen unversehrt in Empfang«, und sich zu der Verhüllten wendend, welche dem Kampf vom Rücken des Kamels zugesehen hatte: »Ihr seid frei, Herrin, erweist auch mir die Gunst, jenen dort Stillstand zu gebieten, während ich meine Karren abwärts führe. Lebt wohl, ich fürchte, daß ich Euch niemals wiedersehe und mein Lebelang die Sehnsucht nach Euch herumtrage.«

Die Frau sprach einige arabische Worte zu dem Alten, welcher den Sarazenen entgegenritt. Lutz aber gebot, noch schnell auf die Karren zu werfen und über die Sättel zu hängen, was erreichbar war, deckte die abfahrende Ladung und gelangte glücklich an das Lager, ohne von den Feinden verfolgt zu werden.

Als er, durch Ivo und Henner eingeholt, den Zelten nahte, begegnete den Thüringen der Kaiser. Ivo berichtete zur Stelle den Ritterdienst seines Mannes und wies auf den Schleier. Da dem Kaiser die gute Behandlung des Harems sehr willkommen war, so lachte er und redete das Gefolge an, was er sonst selten tat: »Erkanntet Ihr ein wenig, Herr, wie Eure Dame aussieht?«

»Ich sah nur zwei Augen wie die einer Eule,« versetzte Lutz ehrlich, »und zwei trippelnde Füße. Wenn sie unter der Dorflinde im Reigen spränge, würde sie Mühe haben, sich neben unseren stolzen Mägden zu behaupten.«

Henner wurde traurig über die ungefüge Antwort. Der Kaiser bemerkte die strenge Miene des langen Ritters und fragte ergötzt: »Wie behagt es meinen Thüringen im gelobten Lande?«

»Da dies ein heiliges Land ist,« antwortete der Marschalk ehrerbietig, »so darf ein billig denkender Mann nicht zu viel weltliche Ergötzlichkeit erwarten. Dennoch ist es ein jämmerlicher Gedanke, daß zwei würdige Heilige, wie die Jungfrau Maria und Joseph, in ihrem Leben hier so viel Herzeleid erduldeten. Sicher wäre ihnen auf Erden manches besser gediehen, wenn sie aus dieser dürren Gegend fröhlich nach Deutschland ausgewandert wären, sie hätten dort größere Courtoisie gefunden, und dazu mehr Redlichkeit.«

»Ihr vergeßt, Marschalk,« mahnte der Kaiser, »daß in diesem Falle die Kreuzigung und die Erlösung ausgeblieben wären, und wir müßten alle miteinander zur schwarzen Hölle fahren. Obwohl es auch in Deutschland an Pfaffen nicht gefehlt hätte, denen die Heiligen verdächtig geworden wären. Denn auch deutsche Priester sind begierig, Holz zum Scheiterhaufen zu schichten.«

Als die Lagergenossen verwundert den goldgestickten Schleier musterten, erklärte Lutz zufrieden: »Die Herrin ist bräunlich und sitzt in einem Harem, ich hoffe, das wird meinem Berchtel um so lieber sein.«

Aber er wurde noch an das Abenteuer erinnert. Denn als kurz darauf ein Gesandter der Sarazenen in das Lager kam, öffnete der Dragoman des Kaisers die Tür seiner Hütte und führte einen nubischen Knaben herein, welcher vor dem jungen Ritter niederkniete und einen Selam sprach, zuerst arabisch, dann ziemlich verständlich in der Sprache der Lateiner, daß die Herrin des Schleiers dies ihrem Ritter als Dank sende, worauf er sich selbst und einen zierlichen Kasten vor die Füße des Thürings setzte.

»Der Knabe ist aus der lateinischen Schule des Sultans Elkamil,« erklärte der Dragoman, »wie ich selbst aus der arabischen zu Messina; er ist zum Erklärer erzogen, und vermag Euch und dem Herrn wohl zu dienen.«

Lutz sah die Sendung bedenklich an. »Öffne den Kasten.« Als er eingemachte Datteln darin fand, schob er ihn dem Sklaven hin: »Iß von diesen Pflaumen, solange sie reichen, denn weiter habe ich dir nichts anzubieten«; er selbst ergriff eine Bürste und rieb ihm damit kräftig die Haut. »Lange begehrte ich diese Probe zu machen. Die Schwärze geht über alle Schornsteinfegerei, sie ist untilgbar, und dies ist das rechte Rabenkind und ganz sicher ein Heide und Höllensohn.«

Verlegen brachte er den Knaben seinem Herrn. Der Schwarze erwies sich anstellig und empfänglich für die Freundlichkeit, mit welcher ihn die neuen Herren behandelten, er wurde bald der verzogene Liebling der Hütten, und Ivo vertrieb sich manche müßige Stunde damit, den jungen Ali Reiterdienst zu lehren und sich arabische Worte vorsagen zu lassen.

 

Die gehobene Stimmung, in welcher die Kreuzfahrer den Kaiser begrüßt hatten, sollte nicht dauern. Friedrich hatte einen großen Kriegsrat nach Accon berufen und ritt frohen Mutes hinab. Es war eine erlauchte Versammlung: der Patriarch und die Bischöfe des gelobten Landes, die Meister der drei Orden, die Edlen des Kreuzheers und der christlichen Besitzungen in Syrien. Als der Kaiser die Verhandlung über den Feldzug eröffnen wollte, erhob sich der Patriarch und meldete eine Botschaft des heiligen Vaters, welche an die Versammlung gerichtet sei. Zwei Franziskaner traten ein und überreichten kniend das Schreiben des Papstes. Feierlich begann er zu lesen, daß der Statthalter Christi den Geistlichen und Laien des Kreuzheeres verbiete, dem eidbrüchigen und gebannten Kaiser, dem nach seinem ersten Ungehorsam die Pilgerreise versagt worden, und der in ungehorsamem Trotz dennoch gefahren sei, irgendwelchen Gehorsam zu leisten. Damit aber das versammelte Kreuzheer nicht führerlos werde, bestelle der heilige Vater selbst zu Feldherren des Heeres für die Abendländer Hermann von Salza, für die Morgenländer zwei andere edle Barone. Als die Vorlesung beendet war, herrschte Totenstille im Saale, und Ivo, der hinter dem Stuhl des Kaisers stand und gesehen hatte, daß dieser wie im Krampf die Lehne des Thronsessels packte, war erstaunt, als er mit ruhiger Stimme begann: »Der heilige Vater ist trotz seiner hohen Jahre eifrig für das Wohl der Christenheit besorgt. Mir möge die erlauchte Versammlung nicht verdenken, wenn ich den Eifer seiner Mahnung für allzu groß halte, nicht meinetwegen, denn als ein treuer Sohn weiß ich mich auch, wenn er zürnt, seinem Willen zu fügen; wohl aber sorge ich um die begonnene Kreuzfahrt und unser aller Ehre. Denn das Heer ist klein und jeder Zwiespalt in demselben nimmt die Hoffnung auf Sieg. Erachten die hochwürdigen Väter der Kirche und meine Edlen für heilsam, dem Wunsche des Papstes zu gehorchen, so werde ich nicht widerstehen; aber ich werde als Streiter Christi und weltlicher Oberherr dieser Länder mit dem Heere ziehen selbst gegen den Willen des heiligen Vaters, denn dies ist mein Recht als Kaiser und König, als Ritter und als Christ.«

Da erhob sich unter den Deutschen ein Summen des Beifalls, und auch die Welschen waren durch die Nachgiebigkeit des Kaisers freundlich gestimmt. Doch Peter von Montague zerriß die Versöhnung, welche sich anknüpfte, indem er hochfahrend begann: »Die Brüder vom Tempel sind nur dem Gericht und der Oberhoheit des Papstes untertan und vermögen nicht im Rat zu sitzen und nicht in einem Lager zu dienen mit einem weltlichen Fürsten, den unser Oberherr gebannt hat. Wir versagen uns seinem Befehle, wie der Teilnahme an seinen Verhandlungen mit den Feinden, und wir schlagen unsere Zelte gesondert von den seinen auf.« Dasselbe erklärte Bernard der Johanniter, die Geistlichen und die meisten Laien des Morgenlandes. Heftig eiferten die Parteien gegeneinander, während der Kaiser, ohne ein Wort in den Streit der Meinungen zu werfen, auf seinem Stuhle saß; mit Mühe vermochte Hermann von Salza durchzusetzen, daß die Herren, welchen der Papst den Oberbefehl überwiesen hatte, von der Versammlung als Feldherren ausgerufen wurden.

Schweigend ritt der Kaiser in das Lager zurück. Aber als er mit wenigen Getreuen in sein Zelt trat, sagte er heiter: »Lange Jahre spiele ich mit dem Alten von den sieben Hügeln das Königsspiel, welches sie Schach nennen, und ich habe manches von ihm gelernt; jetzt hat der hitzige Spieler einen falschen Zug mit seinem Elefanten Gerold getan, er soll mich nicht verleiten, in den gleichen Fehler zu fallen. Du, Humbert, hast von je gute Freundschaft mit Templern und Johannitern gehalten, bewahre die Vertraulichkeit, so sehr du kannst, damit wir zu rechter Zeit erfahren, was sie in ihrem Lager ersinnen.«

Ivo wollte das Zelt mit den anderen Herren des Gefolges verlassen, da hielt ihn der Kaiser durch ein Zeichen zurück, und als sie allein waren, sagte er herzlich: »Bleibe noch, mir ist heut einsam zumute, erzähle mir, was du willst, am liebsten Fröhliches.« Er reichte ihm die Hand, und als Ivo sich gerührt darüber beugte, preßte er ihm heftig die Finger zusammen. »Und du weißt nicht einmal das Ärgste, denn während ich hier mit Christen und Heiden streite, rüstet der fromme Vater der Christenheit daheim ein Heer, um mich aus meinem Erblande zu verjagen. Dennoch hoffe ich, daß ich diesmal sein Meister bleibe.« Und er saß im nächsten Augenblick mit Königsmiene auf seinem Stuhl, ließ sich von der Jagd im Bergwalde Thüringens erzählen und belehrte Ivo über die Vorzüge der norwegischen Schneefalken.

Unterdes erhob sich in den Zeltgassen Lärm und Getümmel, die Krieger eilten auf den Erdwall, welcher das Lager umgab, starrten in die Ferne und riefen einander heftig zu, während ausgestellte Wachen auf schäumenden Rossen vor das Zelt des Kaisers jagten. Als dieser heraustrat, empfing er von den Aufgeregten die Nachricht, daß ein fremder Krieger sich einen Ritter aus dem Christenheer zum Zweikampf fordere. Geringschätzig sagte Friedrich: »Ich denke, er wird nicht vergeblich schreien, die Helden in unserem Heere haben so lange über unsern Müßiggang geklagt, daß sie in einen Baumstamm hacken würden, dem man einen Turban aufsetzt«, und zu dem sarazenischen Leibwächter gewandt, fragte er: »Kennst du deinen Glaubensgenossen? Wer ist der brüllende Wüstenlöwe?«

Mit einer Gebärde des Abscheues antwortete der Mann: »Kein Bekenner des Propheten, Herr; sie sagen, daß es Hassan der Ismaelit ist, einer von den Verfluchten, welche dem Scheik in den Bergen dienen.«

»Wie?« fragte der Kaiser neugierig, »senden auch die Assassinen des Libanon ihre Helden gegen uns herab? Ich rate, ihr Herren, daß wir den Unhold betrachten.« Er ritt mit seinem Gefolge aus dem Tor; auf der Höhe vor ihnen ragte im Sonnenlicht ein Reiter, Mann und Roß in hellglänzendes Metall gehüllt, über der Stahlkappe trug der Fremde eine spitzige rote Mütze und über der Rüstung einen schneeweißen Überwurf. Hinter ihm hielt ein kleiner Trupp seiner Genossen in ähnlichem Kriegsschmuck, näher am Lager schrie ein Syrer in der Sprache der Morgenländer und Lateiner die Ausforderung gegen das Christenheer und zwei Reiter mit Pauken und langen Posaunen begleiteten die Verkündigung durch mißtönenden Lärm. Die Kreuzfahrer drängten sich mit zornigen Gesichtern um das Gefolge des Kaisers, und der Herzog von Limburg meldete: »Derselbe Fremdling war gestern vor Accon bei den Zelten der Johanniter, er hat einen der Bruderschaft geworfen und erlegt und ist darauf schnell wie ein fallender Stern in der Ferne verschwunden.«

»Vieles haben wir im Abendlande von den unholden Bräuchen der Rotmützen vernommen und von der Dreistigkeit, mit welcher sie das Messer führen,« versetzte der Kaiser, »ich merke an den bestürzten Mienen, daß sie auch von meinen Helden mit Scheu betrachtet werden.«

»Ihr Messer hat den Grafen Bohemund von Tripolis getötet«, rief einer der Edlen, und ein anderer: »Zwei Komture von St. Johannes und ein Meister der Templer sind durch sie gemordet.«

»Es ist eine Bruderschaft ehrloser Schufte,« erklärte der Graf von Meran, »die Meuchler, welche sie gegen ihre Feinde aussenden, schleichen durch jede Tür und dringen durch den Ring der Leibwache. Auch die Sultane des Islams hegen in ihrem Harem Angst vor ihnen und kaufen sich durch Jahrgeschenke los von der täglichen Sorge um heimlichen Mord!«

»Dann sind diese Heiden in der Kunst des Messers besser erfahren, als deine Welschen, Humbert, denen es an gutem Willen auch nicht fehlt«, versetzte der Kaiser ungerührt.

»Die Templer haben ihren Brüdern verboten,« fuhr der Graf fort, »gegen das Ungetüm dort zu kämpfen, weil sie demselben ritterliche Ehre nicht zugestehen. Sie allein unter allen Anwohnern des Libanons werden von den Mördern gefürchtet, denn sie haben ihnen Land abgenommen und die Burg Safitah darauf erbaut.«

»Wir haben zuweilen die Redlichkeit kennengelernt, mit welcher die Templer ihre Gegner in Worten und Werken behandeln,« sagte Friedrich verächtlich; »und es gibt ein Sprichwort, daß auch der üble Teufel nicht so schwarz ist, wie die Leute ihn schildern. Jener dort kommt doch nicht mit dem Messer, sondern mit dem Speere, und fordert ritterlich zum Kampfe, ich denke, wenn er einen Johanniter geworfen hat, werden meine Deutschen ihm den Gegengruß nicht schuldig bleiben.« Er sah im Kreise umher, eine Zahl Edler sprengte aus dem Haufen, des Kaisers Blick haftete auf Ivo. »Reitet hinaus, Herr, und faßt mir diesen Uhu, gegen welchen alle meine Raubvögel die Federn sträuben.«

Ivo winkte seinem Marschalk und eilte sich zu waffnen, während Henner mit dem Dragoman und einem Rufer in das Feld ritt. Das ganze Heer sammelte sich zu dem bevorstehenden Streite, auch der Kaiser hielt erwartungsvoll auf der Stelle; der Fremde aber sprengte, als der gebotene Kampf angenommen war, von der Höhe herab und tummelte stolz sein Roß, den Antritt des Gegners erwartend. Als Ivo im Harnisch aus dem Lager kam, laut begrüßt von den Kreuzfahrern, begann Henner, der den Ismaeliten seither nicht aus den Augen gelassen hatte, vertraulich: »Er ist ein kräftiger Gesell, und im Schwertkampf wird er Euch Not machen. Aber er ist noch jung und versteht seine Kunst nicht zu bergen, immer wieder wirft er sein Pferd zur rechten und gleich darauf zur linken Hand, um dann ein Stück in Rabbia geradeaus zu sprengen. Er will das Tier an seine Kunst mahnen. Kommt Ihr ihm im Anritt nahe, so wird er das Pferd umlenken, das gerade Rennen vermeiden und Euch wie ein Blitz à travers anfallen. Solche Künste sind auf unserer Rennbahn auch bekannt, nur daß sein Tier mehr einem Aale gleicht als einem Pferde. Seht, Herr, wie ein Wunder schwingt es sich. Wenn Ihr im rechten Augenblick zum Gegenstoß dreht und Euer Fuchs nicht versagt, so mögt Ihr ihn wohl überrennen.«

»Ihr ratet gut,« versetzte Ivo eifrig, »laßt blasen, ich bin bereit.«

Die Kämpfer ritten auf den Platz, Ivo grüßte, die Lanze neigend, der Ismaelit antwortete in derselben Weise. Der Fremde wandte sich nach Norden und Ivo nach der Gegend, wo Jerusalem lag, während beide ihr Gebet sprachen. Dann klangen hell die Fanfaren und beide rannten gegeneinander; unterdes hielt der Marschalk die Hand auf sein klopfendes Herz. Aber der lautlosen Stille im Christenheere folgte helles Siegesgeschrei, denn dem gefährlichen Anfall auf die ungedeckte Seite begegnete Ivo durch schnelle Wendung im Laufe, sein Speer zerbrach am Metallschild des andern, aber die Wucht des schweren Reiters und seines mächtigen Pferdes warf wie der Stoß eines Sturmbocks den Gegner und sein schwächeres Roß zu Boden. Der Ismaelit lag, von dem Rosse geklemmt, der Helm war ihm abgesprungen und aus seinem jugendlichen Gesicht starrten die dunklen Augen auf Ivo, den Todesstoß erwartend. Dieser war zu Boden getaucht und hielt die Schwertspitze über den Hals des Gegners, welcher kein Zeichen gab, daß er Schonung begehre. »Gut geritten, Ivo,« rief der Kaiser herzureitend, »schenke mir sein Leben, wenn er es selbst nicht begehrt. Löst ihn vom Rosse, entwaffnet ihn und schafft ihn zu unseren Zelten, mein arabischer Arzt soll nach seinen Schäden sehen. Ich bin dir dankbar, Ivo, daß du diesen Scheucher für meinen Vogelherd eingefangen hast.«

Die Begleiter des Fremden waren während des Kampfes näher geritten, sie stießen nach dem Fall ihres Gefährten einen gellenden Klageschrei aus und verschwanden hinter den Hügeln. Der Geworfene, welcher schwer am Bein beschädigt war, wurde auf einer Trage zu den Hütten geschafft, welche das kaiserliche Zelt umgaben, und Friedrich trug dem Sieger die Sorge und Wache über den Kranken auf.

Als Ivo mit einem Dragoman an das Lager des Ismaeliten Hassan trat, begegnete seinen forschenden Augen ein wilder Blick voll geheimer Seelenqual, aber seinem gehaltenen Gruß antwortete der Fremde in gleicher Würde, indem er mit der Hand an Brust und Haupt rührte. Der Wächter meldete: »Er hat sich geweigert, Nahrung zu nehmen, und hat auch den Trank zurückgewiesen, den der Arzt bereitet hat.« Da sagte Ivo: »Während du als Gefangener des Kaisers unter uns weilst, habe ich die Pflicht, für deine Sicherheit und für dein Wohl zu wachen. Ich bitte dich, erschwere mir nicht mein Amt.«

Der Fremde antwortete finster: »Habt Ihr mein Leben bewahrt, um ein Unterpfand zu erhalten, durch welches Ihr meinen Stamm demütigen könnt, so ist Eure Hoffnung vergeblich. Sind mir auch die Waffen genommen, ich weiß auf dem Lager die Lösung zu finden, die mir dein Schwert versagt hat.« Er legte sich zurück und wandte sein Haupt ab.

»Du sprichst, wie einem Tapferen gebührt,« versetzte Ivo, erfreut über den Stolz des anderen, »doch du kennst unsere Sitte nicht. Wer im ritterlichen Kampf Gefangener des Kaisers wird, dem mutet dieser nichts zu, was für einen Helden schmachvoll wäre. Unterdes rate ich dir, für deine Genesung zu sorgen, denn gerade so wie jetzt, bist du auch später Herr deines Schicksals, wenn dir das Leben verleidet wird.«

»Wenig liegt an dem Leben eines Besiegten«, rief der Ismaelit.

»Du hast dich unserm Kampfbrauche gefügt und mein Roß stärker gefunden als das deine; hätten wir den Kampf ausgefochten in der Weise deines Volkes, so würdest vielleicht du der Sieger sein«, tröstete Ivo. »Darum verzweifle nicht, sondern denke mutig auf neuen Streit. Bringt ihm Trank und Kost, damit ich's ihm anbiete.« Ivo aß ein wenig von der Speise und setzte den Trank an die Lippen. »Nimm,« lud er freundlich ein, »und laß dir die Heilung gefallen. Beide sind wir jung und haben in unserem Leben noch Ruhm und gutes Glück zu hoffen.«

Der Fremde empfing den Becher aus der Hand seines Wirtes und sah ihn mit dankbarem Blicke an.

Einige Tage darauf sprach Ivo am Lager des Ismaeliten: »Bei uns ist Sitte, daß ein gefangener Held sich durch hohen Eid verpflichtet, während der Haft nichts gegen das Wohl seiner Wirte zu tun und nicht durch Flucht zu entweichen. Gern würde ich dir deine Gefangenschaft erleichtern, wenn ich wüßte, ob dich ein Eid bindet und wie dieser Eid lautet. Doch zürne mir nicht, wenn ich dir auch sage, daß viele unter uns den Männern deines Volkes nicht vertrauen, weil ihr fremde und unehrliche Bräuche übt und heimliche Todesboten gegen eure Feinde sendet.«

Der Ismaelit sah finster vor sich nieder. »Ich bin ein Krieger und gehöre nicht zu der kleinen Zahl der Geweihten, denn nur diese dienen unserm Scheik mit dem Messer. Wisse, Franke, verschieden sind die Pflichten des Lebens unter uns, gerade so wie bei euch. Stehen wir auch alle als Schwurgenossen zueinander, so folgt doch jeder dem Gesetz, welches seinem Berufe gegeben ward. Sieben sind der Stufen zu dem höchsten Amt, auch bei uns arbeitet der Landbauer sorglos auf seinem Acker, der Edle bewahrt seine Ehre, die Weisen hüten die Gedanken des Volkes, und unser Vater, der Scheik, sorgt als ein Heiliger über alle. Die Krieger und Weisen geben ihm Rat, wenn er ihn verlangt, sie sprechen Recht in den Tälern und kämpfen mit den Feinden. Nur was gegen die Fremden geschehen muß zur Ehre des Glaubens und der ganzen Bruderschaft, darüber waltet der Scheik allein, denn dazu ist er von Gott begnadet, und sein Ausspruch, an dem wir nicht deuten, ist unfehlbar.«

»Wie mögt ihr euch, wenn ihr Männer seid, solcher Herrschaft eines Mannes fügen, der eure Seelen und Gedanken führt, wie der Hirt die Schafherde?«

»Auch ihr gehorcht, wie wir vernehmen, einem Scheik, den ihr den heiligen Vater nennt, er öffnet und schließt euch die Tore des Christenhimmels, und auch ihr dient ihm willenlos auf den Knien.«

Erzürnt rief Ivo: »Wage nicht, eure teuflische Lehre mit dem milden Gesetz der Christenheit zu vergleichen. Unser Glaube ist durch heilige Verkündigung festgesetzt und alle unsere Bischöfe und frommen Väter haben darüber zu wachen, daß er rein bewahrt werde. Unser heiliger Vater ist nur der erste unter ihnen, und wir dienen ihm, soweit er weise und redlich ist. Mehr als einem Papst haben Geistliche und Laien widerstanden, und er wurde herabgeworfen von seinem Stuhl, weil er unwürdig war.«

Der Fremde legte sich, ohne zu antworten, auf sein Lager zurück.

Als Ivo dem Kaiser die Unterredung berichtete, sprach dieser: »Zeige ihm Vertrauen, ich wette, es ist mehr Redlichkeit in diesem Heiden, als in manchem Christen.« Und auf Ivos ehrerbietige Mahnung, daß die Sicherheit des Kaisers Vorsicht gebiete, versetzte er gleichgültig: »Wisse, du sorgsamer Deutscher, wenn Messer und Gift eines Meuchlers den Kaiser zu erreichen vermöchten, so wäre er längst aller irdischen Sorge enthoben. Oft war ich begierig, das Geheimnis zu erkunden, welches die Bruderschaft vom Messer verbindet, denn ihr Scheik, wie er auch sei, hat doch etwas Großes bewirkt, sein ganzes Volk gehorcht ihm bis zum Tode. Wären sie die Bösewichter, wozu ihre Nachbarn sie gern machen, so hätten sie sich längst untereinander gleich Ratten vertilgt. Bist du des Helden Hassan besser versichert, so will ich ihn selbst ausfragen. Denn er gilt in seinem Volke für einen großen Mann, und er ist, wie die Templer behaupten, ein Schwestersohn und Liebling des Scheiks.«

Friedrich widerstand der Versuchung nicht lange; eines Abends trat er verhüllt in die Hütte, redete den Ismaeliten in arabischer Sprache an, und als er nach langer Unterredung schied, sagte er befriedigt zu Ivo: »Sie haben verrückte Bräuche, und ihre Messer sind in Wahrheit unhöflich. Die Scheiks haben für sie einen eigenen Glauben gemacht, indem sie vorgeben, daß die göttliche Offenbarung von Moses zu Christus gekommen sei, von diesem zu Mohammed und daß sie jetzt aufs neue verkündet werde von ihnen selbst. Dennoch sind sie nicht ganz Teufelskinder. Dein Gefangener fragte ganz verständig nach dem Gesetz der Christen. Ich habe ihm seine Freiheit angekündigt, und sobald er genesen ist, mag er zu seinen Bergen ziehen. Vielleicht gelingt es uns, diese Wilden an bessere Sitte zu gewöhnen.«

Trotz dem Vertrauen des Kaisers bewachte Ivo doch sorgsam die Hütte des Fremden, denn ihm kam vor, als ob dieser geheimen Verkehr unterhalte, und die Wachen mußten einigemal fremdartige Gestalten verscheuchen, welche sich in die Nähe drängten. Aber der Argwohn gegen den Ismaeliten schwand in größerer Sorge. Eine Gesandtschaft des Sultans Elkamil war in das Lager gekommen, und als Ivo bei dem Kaiser eintrat, fand er diesen in einer zornigen Aufregung, welcher der kluge Fürst selten unterlag. »Weißt du, was der Bote des Sultans mir zugetragen hat? Daß die Treue von den Christen gewichen und zu den Heiden gezogen ist, ich stehe hier von meinen Mitchristen preisgegeben und verraten und ich verdanke nur dem Hochsinn eines Sarazenen, daß ich nicht ein Gefangener bin. Zwei Briefe sendet der höfliche Sultan, welche Christen an ihn geschrieben haben, der eine ist von dem heiligen Vater selbst, welcher den Sultan warnt, mit mir zu verhandeln, denn ich sei gebannt, und alle Verträge, die ich schließe, seien nichtig; der andere Brief des Schurken Montague verrät dem Heiden gar die Stunde, in der wir täglich mit kleinem Gefolge in das nahe Tal reiten, um dort zu baden, damit der Sultan uns durch seine Reiter ergreife. Wie gefällt dir, du deutscher Sänger, die neue Weise, in welcher meine Feinde den Sarazenen ins Ohr singen? Und wer hat den Templern zugetragen, daß wir im Bade zu fassen sind?«

»Gebt uns Deutschen die Erlaubnis,« rief der empörte Ivo, »den Bösewicht Montague zu greifen, und wir reißen ihn mitten aus seiner Bruderschaft und führen ihn gebunden an die Sättel unserer Pferde in dies Lager und vor Euer Gericht.«

»Ich weiß, daß ihr Thüringe behende seid, widerwärtige Leute an eure Sättel zu binden«, antwortete der Kaiser, ein wenig besänftigt durch den Zorn des Getreuen. »Aber solange du mir diesen Ritterdienst nicht gegen alle Feinde erweisen kannst, danke ich dir dafür; denn er würde das Übel nur ärger machen und uns schnell aus dem heiligen Lande hinaustreiben. Anderes gebietet dem Kaiser sein Amt. Willst du wissen, was?« Er nahm zwei Briefe von der Tafel, warf sie in einen Kasten und schlug den Kasten zu. »Schweigen und stillhalten, bis der Tag der Rache kommt. Unterdes sind diese Briefe für mich nicht geschrieben, und auch du vergiß, daß du von ihnen gehört hast.«


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