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4. Der Herrin Dank

Eine halbe Wegstunde von Erfurt waren auf großer Wiese die starken Pfähle der Turnierschranken errichtet und durch Querriegel verbunden, mit zwei Eingängen auf den entgegengesetzten Seiten. Der freie Raum ringsumher stieg allmählich zu den bewaldeten Höhen. Dort standen unter den ersten Bäumen die buntfarbigen Zelte der Kämpfenden; wo ein Edler sich gelagert hatte, wehte ein Banner mit seinen Farben und Wappenzeichen, bei jedem Zelte stampften Rennpferde und drängten sich buntgekleidete Knechte, Spielleute und neugierige Zuschauer. Dazwischen hatten die Erfurter Buden und Tische aufgestellt, in denen sie Speise und Trank feilboten, hier und da war in Holzhütten ein Herd errichtet mit dem Blasebalg und die Schmiede warteten mit ihren Hämmern am Amboß, um an Rüstungen und Hufbeschlag ihre Kunst zu erweisen. Zwischen dem Waldesrand und den Schranken trieben sich Städter und Dorfleute umher zu Fuß und zu Roß, viele waren aus großer Entfernung aufgebrochen und hatten die Nacht bei Bekannten in der Nähe oder gar im Freien am flammenden Feuer zugebracht. Lange vor Beginn des Festes schallte der Lärm zum Himmel; die Sänger, welche die Fahrt begleitet hatten, sangen von den Taten ihrer Helden, die Geiger spielten lustige Reigen, Rosse wieherten, die Verkäufer luden schreiend zu ihren Buden, die Menge schwatzte und lachte; um jeden, der Bescheid wußte, sammelte sich ein Haufe Neugieriger, der sich die Wappen und Namen der Ritter erklären ließ und seine Vermutungen über das Glück der einzelnen austauschte.

Während Herr Godwin mit seinen Knechten in den Schranken umherritt, dieselben von Knaben und vorwitzigem Volk frei zu halten, standen die fahrenden Leute, welche als Turniergehilfen der Kämpfer in Sold genommen waren, in großen Haufen unweit der Eingänge, denn als Helfer der Knappen mußten sie sich in das Gewühl der Männer und Rosse werfen, um Geworfene zu retten, Speertrümmer aus dem Wege zu räumen, Speere aufzuheben, kleine Schäden an Riemzeug und Rüstung zu bessern; und sie taten dies nicht stillschweigend, sondern mit Geschrei. Die Übung half ihnen, aalgleich wußten sie sich zwischen den Reitern und unter den Rossen durchzuwinden, wenn aber einer von ihnen getreten und verwundet wurde, hatte er den Schaden und geringen Dank.

Unterdes trugen in Erfurt die Knappen der Ritter, welche an dem Turnier teilnehmen wollten, die Schilde anmeldend nach der Herberge, in welcher der alte Graf von Orlamünde als erwählter Turnierrichter saß. Durch ihn wurden die Kämpfer in zwei Parteien geteilt und nach ihrem Wunsch entweder Herrn Henner oder einem Dienstmann der Grafen von Gleichen zugewiesen. Denn Markwart von Gleichen hatte die Führung der Gegner übernommen und alle, welche dem Herrn Ivo abgeneigt waren oder ihre Kraft gegen die Herausforderer versuchen wollten, sammelten sich unter seinem Banner. Die Mehrzahl der Kämpfer aber ging zur Messe und tat heimliche Gelübde für einen guten Ausgang, denn der Kampf im Turnier bedrohte mit weit größerer Gefahr als das Speerrennen der einzelnen. Wer in die Hände der Gegner fiel oder gar vom Roß geschleudert wurde, der hatte schlechte Behandlung und Schaden an Leben und Gliedern zu besorgen.

Lange harrten die Zuschauer auf dem Rennplatz, endlich klangen die Posaunen und vier Scharen Geharnischter sprengten mit geschlossenen Helmen auf der Straße heran, jede gefolgt von ihren Knappen. Die Kämpfer im Helm hielten, von den Marschällen geführt, durch die beiden Tore ihren Einritt; es waren im ganzen etwa achtzig Speere, welche sich so aufstellten, daß die Herausforderer den Osten und Süden, die Gegner den Norden und Westen des umhegten Raumes erhielten, die gegenüberstehenden Haufen hatten abwechselnd gegeneinander zu reiten. Wer den Speer verstochen hatte, oder wer sich an die Schranken drängen ließ, galt für wehrlos und durfte nach Turnierrecht durch Schläge gezwungen werden, den Helm abzubinden und sich gefangenzugeben. Roß und Rüstung verfielen dem Sieger.

Die vier Scharen ordneten sich jede in zwei Glieder, die Partei Ivos kenntlich durch einen weißen Schleier, die Gegner durch ein Tannenreis an den Helmen. Als die Herren so hielten und die Rosse schnoben und stampften, da dachten die Zuschauer mit Stolz daran, daß sie die Blüte ihres Adels und der waffentüchtigen Helden vor sich sahen, im Heergewande, in ihrem schönsten Kriegerschmuck, die großen Helme zum Teil bemalt mit den Wappenfarben, bei manchen Edlen gekrönt durch einen Aufsatz, der ein geschnitztes Wappentier wies, einen Fächer, einen Mohrenkopf, oder was sonst den Herren als Zierat gefiel. Die Holzschilde, mit schwarzem, grauem oder weißem Pelzwerk überzogen und zuweilen mit dem Wappenzeichen versehen, die langen Gewänder über Rüstung und Roß, von farbigem Stoff, mit Bildern geschmückt, waren den Leuten ein prachtvoller Anblick.

Posaunen und Pfeifen erklangen, das Kampfspiel begann. Ivo ritt mit seinem Haufen in schnellstem Lauf gegen die Schar des Grafen Markwart von Gleichen, die ihm entgegensprengte, um den Anprall nicht stehenden Fußes zu erwarten. Laut krachten die Speere des ersten Gliedes in jeder Schar, die Trümmer sanken zu Boden, und im Nu fuhr das zweite Glied durch die Zwischenräume des ersten in den Vorkampf, damit die speerlosen Genossen Zeit erhielten, von den Knappen, welche sich in das Gewühl stürzten, neue Speere zu empfangen. Mit diesen Waffen drängte, wer von der ersten Reihe freie Hand behielt, wieder den Genossen nach, um die Reihen der Gegner zu durchbrechen und die Hintersten des feindlichen Haufens an die Schranken zu drücken. Ein wildes Getümmel erhob sich, von allen Seiten tönte der Schlachtruf und das Geschrei nach Speeren, und an der einen Seite des Kampfplatzes wogte ein unsägliches wirres Durcheinander von Rossen und Menschenleibern. Auch die Zuschauer schrien und jauchzten in wilder Aufregung, bis sich die beiden kämpfenden Scharen nach den entgegengesetzten Seiten der Schranken auseinanderzogen, während ihre Gefangenen von den Knappen gewaltsam aus der Umfriedung gezerrt wurden. Jetzt sprangen die fahrenden Leute in den Rennplatz und säuberten ihn von dem gebrochenen Holze und den gestürzten Rossen, die sich nicht aufzurichten vermochten. Wieder rief die Posaune, die beiden anderen Scharen, welche gegenüber hielten, rannten ebenso wie die ersten zusammen; unterdes zogen sich die Kämpfer des ersten Rennens hinter ihnen auf den früheren Stand. In solcher Weise wurde viermal gerannt, damit jede der Scharen ihren langen Anlauf erhielt. Dann erhob sich nach einer Pause, in welcher nur einzelne gegeneinander ritten, ein allgemeiner Kampf der beiden Parteien. Die Zahl der Streitenden war kleiner geworden, aber der Eifer gestiegen, die Reihenfolge im Abritt war nicht mehr zu bewahren, auch der Zusammenhalt der Scharen wurde gelockert, von allen Seiten stießen die Wilden nach der Mitte und suchten sich die Gegner, welche ihnen am leidigsten waren; immer schärfer gellten die Rufe der Kämpfenden, die Pfeifen und Posaunen schrien dazwischen und gleich dem Gebrüll empörter Meereswogen tönte Zuruf, Jubelgeschrei und Klage der Schauenden um das sinnbetörende Schauspiel. Der Rettbacher stieß mit Henner zusammen. »Wo sind Eure neuen Rosse?« schrie er, sein Pferd zum Anlauf wendend. »Am Heuwagen,« rief Henner zurück, »hütet Euch, daß Ihr heut Euren Gaul bewahrt.« Und sie stießen zusammen wie zwei Felsblöcke, welche gegeneinander geschleudert werden, beide blieben unbewegt sitzen und beiden kamen die nächsten Genossen zu Hilfe, während sie sich, neue Waffen suchend, dem Getümmel zu entziehen suchten. Aber die von Ingersleben waren zahlreicher, Lutz schleuderte mit seinem Rosse die herzueilenden Knappen des Rettbachers zur Seite und der Waffenlose mußte, indem er unablässig nach einem Speer schrie, den Rücken wenden und durch die Windungen seines Pferdes den Verfolgern zu entrinnen suchen, welche ihn den Schranken näher trieben.

Unterdes blieben die Führer im dichten Kampfgewühl, denn um beide scharten sich am engsten die Genossen, weil die Ehre der Partei daran hing, daß ihr Vorkämpfer nicht gefangen wurde. »Gebt Raum,« rief Ivo, den zugereichten Speer einlegend, »jetzt bring' ich's zum Ende«, und er fuhr mit so gewaltigem Roßsprunge auf Herrn Markwart zu, daß diesem das Tier auf das Hinterteil gesetzt wurde und mit dem Reiter zu Boden rollte. Hilflos lag der Graf unter dem Rosse und um ihn begann das Stoßen und Zerren, so daß die Zuschauer in dem tollen Gewirr nichts deutlich erkannten, nur einen Strudel von Helmen und Roßhäuptern, der sich kreisend um den unsichtbaren Mittelpunkt bewegte. Aber die Mannen von Ingersleben drängten mit ihren Speeren dicht um den liegenden Grafen, und Ivo rief ihm zu: »Nur das Wappenbild auf Eurem Gewande begehre ich. Gebt Euch, Graf Markwart, damit meine Knaben Euch nicht die Arme schnüren.« Der Betäubte vermochte kaum zum Zeichen der Ergebung die Hand zu heben. Ivo sprang herab, löste ihm die Schnur des Helms und half ihm auf das zitternde Roß, aber die behende Schere seines Knappen hatte dem Gefallenen bereits den seidenen Überwurf gekürzt.

Da gab der Kampfrichter den Bläsern ein Zeichen, das Ende auszurufen. Wer nach dem letzten Posaunenton noch weiterkämpfte, verlor seine Rüstung, darum schwand allmählich das Getöse, die Kämpfer banden ihre Helme ab und suchten ihre Stelle in den geminderten Haufen. Ivo aber sprengte mit entblößtem Haupt in die Mitte des Raumes, rief den Teilnehmern am Turnier seinen Dank aus und zog dann langsam mit seiner Schar in den Schranken umher, während der Beifallsruf der Zuschauer wie Donner erklang. Die Gefangenen entließ er, soweit er Macht über sie hatte, ohne Lösegeld.

Es war ein kleines, aber ruhmvolles Turnier. Die Gegner Ivos hatten den größeren Verlust an geworfenen Helden, wie an zerbrochenen Rippen, und die Erfurter rühmten als besonderen Zufall, daß kaum zwei gefährlich verwundet waren. Nur die Beutelustigen grollten dem Sieger, weil er das Waffenspiel allein auf Speere und nicht auch auf die stumpfen Schwerter eingerichtet hatte, welche sonst nach dem Speerkampf geschwungen wurden und reichlicher zu Gefangenen verhalfen. Ganz unzufrieden war der Rettbacher, denn die Herren von Ingersleben hatten ihn gefangen, und weil er sich sträubte, mit Riemen geschnürt.

Am Abend lag Ivo müde auf seinem Lager, Henner hatte sich nicht nehmen lassen, den Herrn eigenhändig mit wohlriechendem Öle zu salben, er umhüllte ihn sorglich mit der weichen Decke und mahnte: »Gönnt Euch die Ruhe. Nie wurden Stöße ruhmvoller empfangen, und die Anstrengung dieser Tage war größer, als wohl ein anderer Mann ertrüge.«

»Wahrlich,« lachte Ivo, sich mühsam ausstreckend, »an den Blumen rühmen wir im Liede die Farben Rot, Blau und Braun, aber auf der Haut bereiten sie nicht das größte Behagen.«

Unterdes kniete Nikolaus auf dem Boden und breitete vor dem Herrn den Gewinn des Kampfes, die bunten Stücke Tuch und Pelzwerk aus, er rief dabei noch begeisterter als der Marschalk: »Das Leid währt nicht lange, denn nicht ein Finger wurde gebrochen, und selig preisen wir den Helden, der dafür Ruhm in allen Landen davonträgt. Es wird ein Mantel, den eine Königin mit Stolz tragen kann, oben das weiche Pelzwerk und unten die wilden Tiere, und in der Mitte die ganze Herrlichkeit des Himmels, Sonne, Mond und Sterne.« Und er summte vor sich hin:

Non leo rugiens, neve bos mugiens,
nec hircus hinniens, cornibus quatiens
insanit totiens, quam miles saliens
        dominae serviens.
Nicht der brüllende Löwe, noch der brummende Ochs und nicht der meckernde Bock, der mit den Hörnern stößt, begeht soviel Unsinniges, als der Speere verstechende Ritter, welcher seiner Herrin dient.

Henner verließ das Zelt mit einem argwöhnischen Blick auf den Schüler und Ivo sprach müde zu Nikolaus: »Sage mir, was du lateinisch gesungen hast.«

Die Miene des Schülers änderte sich, als er mit Ivo allein war, und an das Bett tretend antwortete er nicht wie ein Dienender, sondern wie ein Sänger, der zu seinem Genossen redet: »Es gibt nichts auf Erden, was sich solchem Ritterspiel vergleichen läßt, als der Kampf zweier Stiere auf dem Anger oder auch zweier übermütiger Böcke, wenn sie mit den Hörnern zusammenschlagen. Um fünfzehn Lappen Zindel und Perkan habt Ihr Euch fünfzehn Todfeinde gemacht; seid sicher, sie werden's Euch nachtragen.«

»Mögen sie«, versetzte Ivo gleichgültig, »nicht alle bewahren ihre Tücke so dauerhaft als du; und wenn sie es tun, so weißt du auch, daß ich wenig darnach frage.«

»Nur eines mindert Euren Ruhm,« fuhr Nikolaus fort, »daß Ihr mit ziemlich heiler Haut davongekommen seid, weit ritterlicher wäre es, wenn Ihr wenigstens ein Bein gebrochen hättet.«

»Ich bin dir dankbar für die guten Wünsche.«

»Nicht ich denke so, denn das Schicksal hat mich davor bewahrt, ein Reiter zu werden, aber Euresgleichen hegt solche Gedanken. Es ist Art der Welt, Herr, die Liebenden zu bewundern, wenn sie Unglück haben. Der junge Held Leander schwamm zu seiner Herrin Hero über ein großes Wasser, wäre er nicht ertrunken, so würde kein Hahn nach ihm krähen. Jetzt rühmen die Sänger in allen Landen seinen Heldenmut. So würden auch Euch die Frauen lieblicher zulächeln, wenn Ihr wenigstens halbtot am Boden liegen wolltet, denn das brächte ihnen mehr Ehre.«

»Eine weiß, daß mir wenig am Leben gelegen ist«, versetzte Ivo lachend.

»Wäre es noch auf dem Wege zur Herrin oder lieber von ihr«, antwortete der Schüler. »Aber für ein Gewand das Leben zu wagen, solcher Dienst ist nicht nach meinem Sinn.«

»Nein,« murmelte Ivo, »sonst wärest du schwerlich ein fahrender Schüler.«

»Was kann ich dafür?« fragte Nikolaus. »Jedes Geschöpf hat seine eigene Natur, und ich bin nicht in die Welt gesetzt, um mit Schwert und Spieß zu hantieren. Das merkte ich neulich, als Ritter Konz und die Dorfknaben ihre Schwerter gegen mich zogen und die Magd Friderun dazwischen sprang. Mich ängstigte das kalte Eisen, dennoch freute ich mich über das Weib, denn sie achtete um meinetwillen die Schwerter weniger als Rohrhalme.«

»Um deinetwillen?« wiederholte Ivo, aus seiner Mattigkeit erwachend.

»Ja, Herr,« versetzte der Schüler, »ich hoffe, daß sie mir wohlwill, und wenn mir einmal besseres Glück zuteil werden sollte, so denke ich, sie als meine Hausfrau heimzuführen.«

Ivo richtete sich auf. »Du?« fragte er kalt.

»Warum nicht? Jedermann denkt in der Stille gut von sich und rechnet auf besseres Glück.« Und wieder an das Bett tretend, fuhr er eifrig fort: »Ich weiß, auch Ihr achtet mich im Grunde nicht viel mehr, als Eure Ritter tun, die einen leeren Kopf in dickem Eisentopfe verstecken. Und trüget Ihr Euren Rittergurt gerade so wie die andern, ich würde Euch nicht lange dafür danken, daß Ihr mich aus dem Schnee gehoben habt, sondern ich würde meinen Stab weitersetzen und das Zauberweib Fortuna anflehen, daß sie mir anderswo ein Unterkommen bereite, am Küchentisch eines lustigen Bischofs oder in einer kalten Schneewehe. Aber Herr, obwohl Ihr so fleißig Speere zerstecht, daß die Spreizel durch das ganze Land fliegen, so habt Ihr doch andere Gewohnheiten, welche ich lieber verehre. Wenn die Nachtigall singt, so zwitschert auch in Eurem Herzen ein kleiner Vogel, wenn Ihr einen Notleidenden seht, so rötet sich Eure Wange in Mitgefühl, wenn Ihr lacht, so klingt das herzlicher als bei den meisten Menschen und es macht auch andere froh. Und nicht zum wenigsten dankbar bin ich Euch deshalb, weil Ihr den Witz habt, mich zu ertragen, wenn ich rede, wie ich denke, und weil Ihr einmal zu mir gesagt habt: Nur die Lüge will ich nicht leiden, sage mir die Wahrheit und ich gelobe, dir niemals zu zürnen und dir auch Unrecht zu verzeihen, solange ich das vermag. Das spracht Ihr, Herr, und ich tue darnach. Andere habe ich oft belogen, gegen Euch bin ich ehrlich gewesen. Wollt Ihr mich so nicht mehr dulden, so sagt mir's, ich laufe von dannen. Für Eure Lieder werdet Ihr leicht einen andern fahrenden Sänger finden, der sie Euch zurechtsetzt und im Lande verbreitet, und für Eure vertraute Schreiberei noch eher einen gefälligen Pfaffen, den Ihr durch Eide festbinden könnt.«

Ivo streckte den Arm von seinem Lager: »Bleibe bei mir, Nikolaus.«

Der Schüler beugte sich über die Hand und verließ leise das Zimmer. Ivo legte sich seufzend zurück. Die Siegesfreude, welche er eben noch empfunden hatte, war ihm geschwunden. Vergebens mühte er sich, das Bild der Herrin festzuhalten und an die Überraschung zu denken, die ihr der Mantel bereiten werde; immer wieder kam ihm das zornige Antlitz des Landmanns vor Augen, dem der Sohn entwichen war, und dazwischen hörte er die klagenden Worte der Magd Friderun. Er machte mit der Hand eine heftige Bewegung, um die fremden Gedanken loszuwerden, aber sie warfen ihn lange umher, bis sie endlich als undeutliche Traumbilder entschwebten.

Einige Tage darauf traten Frau Else und Hedwig aus den Frauengemächern der Wartburg in den kleinen Hof, welcher zu ihrem Gebrauch abgegrenzt war. In den Steinhallen der Burg loderten die Kaminfeuer, aber draußen schien die Abendsonne warm auf den Felsen. Der Landgraf war mit großem Heergefolge nach Italien zum Kaiser gezogen, auch Hedwig rüstete sich zur Abreise nach Augsburg an den Hof des jungen Königs Heinrich, wo sie zu weilen pflegte. Die Frauen waren allein, nur in einer warmen Mauerecke kauerte, das rote Turbantuch über der braunen Stirn, fröstelnd ein stummes Sarazenenmädchen, die vertraute Dienerin der Fremden.

Beide stiegen aus dem Hofe einige Stufen hinauf zu einem Söller von zierlichem Schnitzwerk, der oben an die Mauer gefügt war; von dort sahen sie über Felsen und Baumwipfel hinab auf ein enges Tal, in welchem die Hirten mit ihrem Herdenvieh lagerten. Durch die stille Luft klangen einzelne Töne der Sackpfeife wie ein Gruß, den das Tal der Höhe zusandte.

»Es ist niedrige Kunst, die jene dort üben,« begann Hedwig, »aber fröhlicher ist ihr Mut als der meine, denn hinter vergoldeter Pforte stehe ich in der Klausur und der Blick ins Freie macht mich traurig. Du bist glücklich, Else, daß du ohne Wächter mit offenem Antlitz über Berg und Tal ziehen darfst. Es ist lange her, seit ich mit meinen Füßen auf offenen Anger trat und für mich Blumen zum Kranze las.«

Nahe vor ihren Füßen ertönte leiser Gesang, die Frauen sahen einander an. »Das klingt nicht wie das Lied eines Bauern, es ist eine ritterliche Weise«, sagte Hedwig und beugte sich über die Brüstung. Unter dem Söller fiel der Fels steil zur Tiefe. Auf einem Vorsprung, der kaum dem Stehenden Raum gab, lehnte ein Mann in ärmlicher Tracht, dem das Haar wirr um das Gesicht hing; einen großen Filzhut, wie ihn die Landfahrer trugen, hatte er abgenommen und hielt ihn, nach der Höhe blickend, über sich, als wollte er eine herabgeworfene Gabe auffangen. »Klimmen bei euch die Bettler mit Lebensgefahr nach Almosen?« fragte Hedwig. »Kann ich ihm spenden, so tue ich's, denn er wagt seinen Hals oder doch seine heile Haut, wenn ihn die Wächter auf der Zinne erblicken.« Sie suchte in der Tasche, welche ihr an der Seite hing. »Fange auf«, rief sie hinab und warf etwas in den Hut, ein undeutlicher Dank wurde gehört, dann klang die frühere Weise fort. Während die Frauen lauschten, schwebte plötzlich ein dunkler Gegenstand vor ihnen in der Luft, ein Bündel mit Stoff umwickelt sank vor ihre Füße; die Frauen sprangen auf und sahen über die Mauer, der Felsblock war leer, der Fremde verschwunden. »Ihn deckt der Laubwald, wir aber haben ein Gegengeschenk empfangen,« rief Hedwig mutwillig, »bücke dich nicht darnach, Else, wer mag wissen, was darin ist.«

»Ich sehe silberne Borten glänzen«, versetzte Frau Else erstaunt.

»Rufen wir eine unserer Frauen, daß sie es öffne.« Sie klatschte schnell in die Hände, ihre Dienerin flog von der Mauerecke herzu, Hedwig gebot ihr in fremder Sprache. Die Dienerin löste die Bänder und entrollte einen bunten Mantel, seltsam aus vielen Stücken zusammengenäht, mit allerlei ritterlichen Zeichen, Sternen und Fabeltieren bedeckt. Die Landgräfin sah erschrocken darauf und rang die Hände. »Das ist der Mantel, den Herr Ivo im Kampfe für seine Herrin erworben hat.«

»Weißt du, wer die Herrin ist?« fragte Hedwig mit blitzenden Augen.

Else neigte wie betäubt das Haupt. Wieder machte Hedwig eine heftige Bewegung, die Dienerin raffte den Mantel zusammen. »Was soll aus der Speerbeute werden?« fragte sie wieder.

»Nie habe ich ihm ein Recht gegeben,« klagte Else, »nicht durch Wort, nicht durch Miene, mir so dreist sein Geschenk zu senden. Rein hielt ich mich vor dem Himmelsherrn und vor meinem lieben Hauswirt.«

»Eine andere Frau würde stolz sein, so teuer gewonnene Spende zu empfangen«, versetzte Hedwig kalt. Frau Else aber stieß mit dem Fuß an das Bündel. »Hinweg damit, eine Versuchung erkenne ich, die mir der Böse sendet, meinem Hausherrn will ich die Kränkung klagen.«

»Willst du Herrn Ivo töten oder deinen Gemahl und vielleicht beide, weil ein Ehrengeschenk über die Mauer geflogen ist, welches keine Königin mißachten wird? Wahrlich, bescheiden und demütig rollte der Bund vor unsere Füße. Merke auf, Else, kränkt dich das Gewebe, so strafe den, der es gesandt hat, durch Kälte in Blick und Wort; aber mache keinen Mann zum Vertrauten, keinen, Else, denn du selbst möchtest die Folgen beweinen. Von der Gabe, die der Werber vor unsere Füße gesandt hat, denke ich dich schnell zu befreien.« Sie fragte die stumme Dienerin: »Brennt das Kaminfeuer in meiner Kammer? Trag den Bund eilig hinauf, schließ die Türe, wirf ihn in die Flammen und harre, bis er zu Zunder verbrannt ist.« Und sie fügte einige fremde Worte hinzu.

Als das Sarazenenmädchen die Treppe hinaufeilte, trat ihr ein Mann in dunklem Priesterkleide entgegen, es war Meister Konrad. Er riß das Bündel aus ihrer Hand, und während die Stumme heftig mit den Armen gegen ihn schlug und mißtönendes Geschrei ausstieß, lüftete er das lose Band, sah die Zipfel des zusammengerollten Tuches und gab es mit finsterer Miene zurück. Als das Mädchen entsprungen war, blickte er forschend in die Landschaft hinaus.

Unterdes standen die Frauen einander schweigend gegenüber. Endlich wies Hedwig nach einer Esse, aus welcher ein dicker Qualm aufstieg. »Dort schweben in braunem Dampfe Greifen und Löwen den Wolken zu«, rief sie übermütig. »Getilgt ist der Zauber, mit dem der Kühne edle Frauen umstricken wollte. Stecht Ihr wieder einen Mantel zusammen, Herr Ivo, so sorgt dafür, daß er unverbrennbar werde. Sei ruhig, Else, wären wir Bauernkinder, wie die dort unten, so würden wir den Glasring, den uns ein kecker Werber an den Finger drückt, entweder in den nächsten Bach werfen oder auch heimlich bewahren, und uns fröhlich im Reigen weiter schwingen. Küsse du deinen Trauten um so herzlicher, wenn er zur Heimat kehrt, schweig und vergiß. Denn wir sind nicht allein, dort naht der finstere Meister, der wenig spricht und auf alles merkt, und der in diesem Hause mehr gebietet als einem leichten Herzen frommt.«

Konrad verneigte sich gemessen vor den Frauen. »Ein Bauer rief klagend in den Schloßhof, daß ihm ein Bär aus den Bergen in seinen Zaun gebrochen sei, Herr Walter rüstet eine Jagd gegen das Untier.« Und zu Frau Else tretend, fuhr er leise fort: »Was soll mit dem Mantel werden?«

Else wies nach der Höhe. »Er ist verbrannt, mein Vater.« Der Meister nickte zufrieden mit dem Haupt.

Als Frau Else sich nach demütigem Gruß dem Hause zugewandt hatte, trat Konrad zu Hedwig, die ihn mit zusammengezogenen Brauen erwartete. »Enthaltet Euch, edle Frau, Eure Kunst an meiner Herrin Elisabeth zu üben. Sie ist seither unsträflich gewandelt in einer verdorbenen Welt, die Unschuld eines Kindes hat sie sich als Hausfrau und Mutter bewahrt, ihr Sinn ist völlig lauter, ihre Rede wahrhaft, und sie gleicht einem Engel des Himmels, soweit irdischer Unvollkommenheit solche Hoheit gegönnt ist. Ich aber habe vor Gott und den Heiligen gelobt, ihr Gemüt dem Himmel rein zu bewahren, wie ich es empfing. Darum rate ich Euch, verlockt sie nicht in das weltliche Treiben, das Euch die Seele füllt. Denn obgleich ich selbst ein sündiger Mensch bin, bei dieser Reinen will ich stehen wie der Wächter vor dem Paradiese, der den Gefallenen wehrt, das Heiligtum zu betreten.« Er sprach in großer Bewegung und seine Augen flammten.

Hedwig antwortete stolz: »Seid Ihr zum Wächter einer Frau gesetzt, die in weltlichen Freuden leben darf, so hütet Euch, Herr, daß Ihr nicht Eifer für den Glauben nennt, was Herrschsucht und Neid gegen andere ist. Wisset, daß ich unter den Sündern die Kunst gelernt habe, durch die Augen der Menschen in ihr Herz zu schauen. Ich sah zuweilen, daß ein Priester ein Weib mit der Geißel zur Nonne schlug, weil er sie anderen Männern nicht gönnen wollte und daran verzweifelte, sie für sich selbst zu gewinnen.«

Aus den Augen des Priesters brach ein heißer Blick des Zornes, aber er erblaßte und sprach leise: »Ich sagte Euch, daß ich ein sündiger Mensch bin. Habe ich mit schweren Gedanken zu ringen, so wissen meine hohen Fürbitter, daß ich mich selbst mit strenger Buße strafe. Ihr aber sprecht nur wie ein böser Feind von den geheimen Sorgen einer frommen Seele, denn Ihr vermögt nichts von der heiligen Freude zu ahnen, die ein Lehrer haben darf über eine Schülerin wie jene ist. Verständet Ihr die Kunst, in dem Gemüt anderer zu lesen, so würdet Ihr auch in meinem Herzen erkennen, daß ich ein treuer Diener meines Gottes bin und daß ich keine Schonung übe, wo ich Unglauben und Herrschaft des Teufels erkenne, sei der Sünder hoch oder niedrig, Landfahrerin oder Fürstin.«

»Ihr sprecht zu einer Nichte Eures weltlichen Herrn, des Kaisers,« versetzte Hedwig kalt, »und zu einer Frau, welcher der heilige Vater selbst ihre Rechtgläubigkeit bereitwillig bestätigt hat. Und ich rate Euch, daß Ihr Euer menschenfreundliches Werk zu Rom beginnt unter den Großen der Kirche; denn man sagt, daß Hoffart, Geldgier und was Ihr als Sinnenlust und Werke des Teufels verfolgt, nirgend mehr in Blüte stehen als dort.«

Sie wandte ihm den Rücken und er sah ihr zornig nach.

Die Nacht war gekommen, der Vollmond ging am Himmelsgewölbe, das wolkenlos wie ein dunkler Kristall die Erde umschloß. Nur hoch über der Burg schwebte eine schwarze Wolke, vielleicht war es der zusammengeballte Dampf eines verkohlten Gewebes. Auf den Höhen und im Tal war kein Windeshauch zu spüren, regungslos starrte das junge Laub an dem Gehölz, welches den Fuß des Burgfelsens umgab. Auch der Hof hinter der Mauer lag einsam mit dunklen Schatten und hellen Lichtern. Da klang eine Frauenstimme leise wie ein Hauch von der Mauer herab: »Ein Käuzlein ruft das andere.«

Von unten aus dem Schatten des Felsen kam ebenso die Antwort zurück: »Dein Geselle hängt am Steine, er hört die Stimme, die ihn selig macht, das Antlitz vermag er nicht zu schauen; denn dunkler Schatten birgt das Licht deiner Augen und ich erkenne nicht, ob dein Mund mir zulacht.«

Und von der Höhe sprach's wieder: »Ich aber möchte alle Finsternis der Nacht über dich decken, denn mir bangt um dich, und mich ängstet dein Stand auf dem schmalen Stein. Schnell weichen die Schatten, der erste Mondenstrahl, der auf dich fällt, verrät dich den Wächtern.«

»Sorge nicht,« antwortete es, »grau ist der Stein und grau das Gewand deines Kauzes. Ach, eine Lüge war unser Spiel mit dem Käuzlein, so klein ist der Raum, der mich von dir trennt, und doch fehlen die Flügel, auf denen ich mich zu dir schwinge.«

»Harre unten, Geselle,« flüsterte es, »die Späher wachen. Ich weiß eine, die ihrem Ritter dankbar ist und die ihre Kappe treu bis zu der Stunde bewahrt, wo sie sich damit umhüllen darf. Wisse auch, arge Not bereitete das Geschenk, welches zwischen zwei Frauen fiel, und nur eine List vermochte es vor dem Feuer zu retten. Wie gefiel dir's, mein Kauz, als die fremde Frau in der Tafelrunde eine Geschichte erzählte, die wir beide am Baume erlebt? – Die Heiligen mögen uns vor einem gleichen Ende bewahren.«

»Sinnvoll sprach die Frau, denn in dem Astloch fand ich den Brief meines Gesellen. Aber hart war dein Gebot, die Augen zu senken.«

Oben klang leises Lachen. »Arme Schattenvögel sind wir. Wenn wir bei Sonnenlicht gegeneinander blinzen, erraten uns die Späher. Ich bewahre geduldig die Kappe, ertrage auch du das Geheimnis um meinetwillen.«

»Ob ich in deiner Nähe atme,« antwortete der Mann, »oder ob ich von dir getrennt bin, immer fühle ich den Zauberring, den du um meinen Arm gelegt hast. Auch, wenn du in der Ferne weilst, ist der beste Teil meines Lebens bei dir. Und ich sage dir, Herrin, ganz wie im Traume wandle ich dahin, unablässig schweben meine Gedanken um den Baum und den Quell, an dem ich dich küßte, als du noch frei durch Flur und Hain zogst. Alle meine Sinne sind durch deine Macht gefangen, und mir ahnt, nicht eher werde ich den Frieden wiederfinden, als bis ich dich an meiner Seite schaue, wie einst in seligen Tagen am Quell.«

In der Höhe schwieg's, erst nach einer Weile hauchte es leise, mit bebender Stimme: »Ich aber sorge anders um dich, du kindischer Mann; auch unter den Fremden freue ich mich in meinen Gedanken des Geliebten; wenn ich dein Lob höre, so pocht mir das Herz, und gern sinne ich darüber, wie ich alle Herrlichkeit um dein Haupt sammeln könnte. Deinen Ruhm will ich erhöhen und als sieghaften Helden will ich dich unter deinesgleichen sehen. Ich hoffe, bald kommt der Tag, wo du dem großen Herrn der Christenheit wert wirst; vielleicht, daß du durch die Gunst des Kaisers einen Preis gewinnst, den du dir, wie du sagst, am meisten ersehnst.«

»Ungleich ist unsere Liebe,« sprach es traurig in der Tiefe, »du begehrst für mich Kampf und Heldentat, damit du stolz sein kannst auf einen Ritter, der dir dient. Ich aber sehne mich in deine Arme, dein holdes Lachen will ich hören und die süßen Worte, die du mir einst in das Ohr sprachst. Lade mich, daß ich das Mohrenschloß breche, welches dich umschließt, und ich will, wie hoch die Mauer auch rage, zu dir eindringen, dich auf mein Roß heben und meine Beute behaupten gegen jedermann, ja auch gegen Kaiser und Reich. Aber tröste mich nicht mit der Gunst anderer und hoffe nicht, Geliebte, daß Fremde für meines Herzens Seligkeit tun werden, was wir selbst nicht zu tun vermögen. Allein sind wir beide auf der Welt mit unserer Liebe, und nur auf uns selbst dürfen wir vertrauen.« Die Frauenstimme antwortete nicht, nur ein Seufzer drang in das Ohr des Mannes, der ernsthaft fortfuhr: »Bitter und schwer wird mir die Entsagung, in der ich wie ein Mönch lebe, und für meine Liebe ist es die härteste Prüfung, daß ich deinen Willen ehre, auch wenn du dich mir versagst. Wisse, du Holde, wenn ich mein Haupt hoch trage unter den Edlen dieses Landes und wenn ich gering achte, was andere mit wilder Begier erfüllt, so gewinne ich die Kraft nur darum, weil ich mich würdig halten will, für den holden Gruß, den ich von deinen Lippen hoffe und für das Umfangen deiner Arme.«

Eine kleine Hand hob sich wie zum Segen über die Mauer. »Nicht um meintwillen sollst du stolzer sein als deinesgleichen, und nicht mir verdankst du es, wenn du dich edler hältst als andere, denn du folgst nur dem hohen Sinn, der dir selbst eigen ist. Ja, du hattest recht, den Ehrgeiz zu schelten, mit dem ich dir durch Fremde eine größere Herrschaft bereiten möchte. So, wie du bist, sollst du dich mir bewahren. Glücklich war ich in der Stunde, in welcher du dem Herrn dieser Burg antwortetest, du, ein hochsinniger Edler einem Begehrlichen. Daß du nicht um Gunst und Lohn der Mächtigen sorgst, darum will ich dich lieben, und wie ein Lied in reinem Ton soll dein ganzes Leben erklingen nach deiner eigenen Art. – Wehe mir, die Schatten schwinden, und das Mondenlicht umsäumt dein bleiches Antlitz. Drücke dich an den Felsen und vernimm meinen letzten Gruß. Immer liebe ich dich. Selig fühle ich mich in deiner Heimat, selten verging ein Tag, wo nicht unter den Frauen dieses Hauses von dir die Rede war, aus der Ferne sah ich die Stätte, wo deine Wiege stand, und sie zeigten mir den alten Turm deines Hofes. Täglich habe ich dir mit dem Schleier Grüße zugeweht und deine Liederweise vor den kleinen Vögeln deines Landes gesungen. Ist deine Sehnsucht heiß, so wisse, auch ich gehe jetzt in das Elend, da ich dich meiden muß.«

Von unten hob sich ein Arm in die Höhe, vergebens bemüht, der Geliebten Hand zu fassen, welche sich nach ihm ausstreckte. Da erscholl vom Turme ein feindlicher Ruf und ein Pfeil flog zwischen den ausgestreckten Armen an den Felsen. »Lebe wohl, gedenke mein«, flüsterte es noch traurig hinauf. Im nächsten Augenblick glitt die Gestalt eines Mannes abwärts, von der Höhe starrten zwei Frauenaugen angstvoll in die Dämmerung hinab.


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