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Kopfleiste

Erstes Kapitel.
Eine sonderbare Herberge

Ein müder Wanderer am Ende seiner Kräfte. – Der Retter in höchster Not. – Mittelalterliches Gerichtsverfahren. – An der Stadtmauer. – Ein unheimliches Versteck. – Die Beratung. – Jörg findet eine Stellung.

 

F Fast unvermittelt war die kalte Februarnacht hereingebrochen, als der Sturmwind von Westen her schweres Schneegewölk herantrieb. Wie ein Heerhaufen gespenstisch schwarzer Reiter zog es lautlos über Augsburg dahin, das sich beeilte, seine Tore zu schließen, als nun die schwere Bummerin von Sankt Afra die siebente Stunde anschlug und die zahllosen kleinen und kleinsten Glöckchen der Kirchen und Kapellen ihre helleren Stimmen erhoben und heimelig den Abendfrieden einläuteten.

Aber am Nachthimmel wollte es nicht Friede werden. Immer neue Wolkengespenster wallten heran, und mit lautem Heulen lief ihnen der Wind voraus, klapperte mit den Fensterläden, knarrte und stöhnte gar erbärmlich um die Windfahnen und bog pfeifend um die vielen Ecken der winkeligen Gäßchen, die sich da im Südost der gewaltigen Reichsstadt im Quartier der Armen zusammendrängten wie eine Schar frierender Bettler.

Und jetzt schüttete der Himmel Flocken herab, weichen, wässerigen Schnee, der alles durchfeuchtete, sich in eisiges Schmelzwasser auflöste und die wenigen Wanderer antrieb, rascher das wohlig warme Heim aufzusuchen. Freundlich schimmerte da und dort Kerzenlicht oder ein Herdfeuer aus den niedrigen Häuschen, und mochte es auch noch so ärmlich und bescheiden sein, im Gegensatz zu dem schneidend kalten Windesbrausen und Schneegestöber mutete auch die erbärmlichste Hütte noch einladend und als Wohnsitz von Glücklichen an.

Das mochte wohl der Wanderer denken, der trotz dem Wettergraus langsam, ja lässig durch die Gassen schlenderte, mit müdem, schwerem Schritt, unschlüssig bald in eine Nebengasse abbog, sich in den vielen Sackgäßchen verirrte und dadurch verriet, daß er weder ein Heim hatte noch im Gewinkel der alten Stadt vertraut war.

Es war ein kräftiger und junger Bursche, mit einem offenen und treuherzigen Gesicht, in dem die blauen Augen sonst wohl anders zu blitzen verstanden als jetzt, da ein Ausdruck stumpfer Übermüdung und gleichgültiger Ergebung in ihnen stand, der sich nur manchmal in den von ungeduldiger Pein wandelte, wenn an einer Straßenecke der Wind sich mit einem Aufschrei auf ihn stürzte und den zerfetzten Rock auseinanderflattern ließ, der seinen ganzen Wetterschutz bildete. Denn bei solcher Gelegenheit sah man, daß dieser zerschlissene, durchlöcherte, farblos gewordene und vor Nässe triefende Rock fast alles war, was der junge Mann an sich trug. Sein Wams war nur ein um den Leib gebundenes Tuch, seine Beinkleider waren zerrissen, und statt Schuhe hatte er die Füße in Fetzen eingebunden und mit Stricken verschnürt, um nicht barfuß laufen zu müssen.

Den ganzen Tag war er in der Stadt umhergeirrt und hatte keine Arbeit gefunden und kaum einen Bissen Brot. Die Nacht vorher hatte er unter dem Überhang einer der alten Brücken am Stadtbach verbracht, und es war ihm noch nicht warm geworden seit der Erstarrung, in die ihn dieses eisige Lager versetzte. Vor drei Tagen war er hier eingewandert auf der Suche nach Brot, und gleich hatte er seine Kleider verkaufen und gegen diese Lumpen umtauschen müssen, nur um noch einen Pfennig für Brot aufzutreiben. Aber der Kleiderwechsel war sein Verderb, denn wo er nun vorsprach um Arbeit, zuckte man die Achseln oder rief nach dem Hunde oder dem Gesellen, um Schutz zu suchen vor dem nicht Vertrauenswürdigen.

Erschöpft lehnte er sich auf ein steinernes Bänkchen vor einem der Häuser. Er konnte nicht weiter … Das war das Ende. Ihm schwindelte vor Schwäche. Alle Glieder schmerzten ihn. Der verzweifelte, irre gewordene Kopf wußte keinen Ausweg, nur noch das Sterben …

Er hatte schon um Obdach gebettelt, aber keine barmherzige Seele gefunden. Wäre er wie ein Junker gekleidet gewesen, hätten nicht Entbehrung, Übermüdung, Verzweiflung und Lebensangst sein Gesicht entstellt, man hätte ihm wohl Platz gemacht. So aber wies man ihm die Türe.

Er fühlte, daß diese Nacht seine letzte wäre, wenn sie ihm wieder kein anderes Asyl böte als eine Brücke, keine andere Mahlzeit als einen Schluck Wasser am Brunnen. Er hatte nichts mehr zu verkaufen als seiner Hände Arbeit, und deren bedurfte offenbar niemand. Die Barmherzigkeit war ausgestorben.

Ihn fröstelte. Seine Füße erstarrten unter der weißen Decke, die der Schnee gleichgültig und geschäftig darüberbreitete. Es war ihm, als kröche schon der Tod empor an ihm, und mit wahnsinnigem Entsetzen taumelte er wieder auf, um zu wandern. Solange man geht, kann man nicht sterben. Und er schleppte sich weiter, von Gasse zu Gasse …

Da stieß er an eine vermummte schmächtige Gestalt, die da unschlüssig lehnte, und die er fast umgerannt hätte, als er um die Ecke bog, wo jener offenbar Schutz vor dem Wind gesucht hatte. Eine Hoffnung sprang in ihm auf. »Um Christi und aller Heiligen willen, edler Herr, nur einen Schilling! Ich habe gestern und heute noch keinen Bissen im Leibe,« sagte er flehentlichst.

Jörg und Möfli

Aber der andere schien verlegen; er enthüllte sein Gesicht, das eines alten, abgehärmten, langbärtigen Mannes, und sah den Bittsteller nicht weniger ängstlich und erwartungsvoll an als jener ihn.

»Beim Gotte Jakobs,« sagte er, »ich wollt' Euch helfen, aber sie haben mich geschlagen wie einen Hund und mir alles weggenommen. Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht über Nacht in der Stadt bleiben wollte, aber sie haben die Tore geschlossen früher, als ich hinaus konnte. Ich bin ein alter Mann, und sie haben mich so geschlagen, daß ich nicht konnte gehen.«

Der junge Mann machte unwillkürlich eine Geste des Unwillens, als er sah, wen er um Hilfe gebeten. Der safrangelbe Ring auf dem Oberkleide, der sich jetzt enthüllte, als der alte Mann beteuernd die Hand hoch hob, verriet ihm den Juden, wenn der auch den spitzen Hut abgenommen, um nicht sofort erkannt zu werden. Er wußte nun wohl, warum jener so ängstlich tat, war doch den Juden bei Strafe der Auspeitschung in der alten Stadt Augsburg verboten, auch nur eine Nacht in ihren stolzen Mauern zuzubringen. So weit war er also schon gesunken, einen Juden anzubetteln! Aber sein von der Not geläutertes Herz siegte über das Vorurteil. War denn das nicht auch ein Unglücksgefährte, war es nicht ein Bruder im Elend, ein Mitleidender auf der wüsten Insel menschlicher Hartherzigkeit, auf die auch er ebenso schuldlos verstoßen wurde?

Und er folgte nicht seiner ersten Aufwallung sich abzuwenden, sondern schloß sich dem armen, vor Schmerzen halb lahmen Alten an, und schon das bloße Bewußtsein, einen Genossen zu haben, noch dazu einen, der noch viel schlechter daran war als er, da sich vor jenem diese hochfahrenden, reichen Bürger noch viel grausamer verschlossen als vor ihm, tröstete ihn und gab ihm wieder Lebensmut. Nachdem sich der alte Möfli aber überzeugt hatte, daß wider Erwarten diese Begegnung zu verbotener Stunde für ihn keine neue Pein zeitigte, ja als er sah, daß sich sein neuer Bekannter als ein Freund gebärdete, der ihn, den vor Schmerz und Kälte Steifen, sogar freundlich unter den Arm nahm, stützte und führte, ward er zutunlich; bald floß sein armes, gequältes und verängstigtes Herz über und machte ihn so unvorsichtig, zu verraten, daß er sehr wohl nicht nur für Abendbrot, sondern auch für wohliges Nachtlager sorgen könne. Er war auf dem Wege dahin, mußte aber vor Erschöpfung rasten, da man ihn so greulich zugerichtet als unschuldig leidenden Zeugen. Bei einem Rechtshandel hatte man sich auf ihn berufen, und deshalb mußte er von Friedeberg vor den Richter kommen und sich den demütigenden Prozeduren unterwerfen, die das Gerichtsverfahren jenes Jahrhunderts für seinesgleichen ausgeheckt hatte. In Augsburg mußte in jenen finstern Zeiten bei einem Judeneid der Zeuge auf der Haut eines Schweines, des ihm verhaßten, unreinen Tieres, stehen und beim Schwören seine rechte Hand bis ans Gelenk in die fünf Bücher Mosis stecken. Und weil der Richter ganz wider Gewohnheit seinem Schwur entscheidende Kraft beimaß, hatte sich der Prozeßgegner das Vergnügen gemacht, ihm aufzulauern. Der Ratsdiener, der ihn auf Geheiß des Magistrats wie jeden Juden in Augsburg gegen hohes Entgelt begleitete, hatte nur roh gelacht, als man seinen Schützling zu Boden warf und mißhandelte, bis sich die Scharwächter in den bösen Handel mischten.

Das alles erzählte Möfli in dem weinerlichen und gedrückten Ton, der den gequälten Juden im Mittelalter naturgemäß anstand, seinem neuen Freunde, während ihn dieser seiner Weisung gemäß langsam durch schmutzige und verborgene Winkelgäßchen führte bis an die Stadtmauer, an die manch armselig Häuslein angebaut war als Wohnung für die Stadtguardia.

»Wartet ein wenig, ich muß bitten, daß man Euch einläßt,« ließ sich da der Alte vernehmen, in einem männlicheren Tone als die ganze Zeit vorher. Sein Mut war überhaupt gestiegen in dem Maße, als sie in die öde und verrufene Gegend gegen die Vogelmauer zu kamen, der jeder ehrsame Bürger des Abends als einem Tummelplatz der Werber und »Ainspennigen« scheu auswich. Hatte ihm sein wunder Rücken auch jetzt noch manches Lamento erpreßt, so hatte doch seine gedrückte Stimmung einer fast heiteren Sicherheit Platz gemacht, und es wollte seinem Begleiter gar manchmal scheinen, als habe jener übertrieben und sich vorhin absichtlich elender gestellt, als er war. Nun war er in eines der kleinen, verfallenen Häuschen gehumpelt, das finster, wie unbewohnt dalag, von drei Seiten umfaßt von wüstem Schutt, Gerümpel und Mistplätzen. Mit der vierten Mauer aber blickte es gegen die hier sehr hohe Stadtmauer und war mit ihr durch eine Reihe Ställe verbunden.

Die Wartezeit dauerte endlos für seinen Gefährten, und eine solche Schwäche überkam den Unglücklichen nach dem langen Marsche, daß er betäubt und fast besinnungslos auf einen Haufen Bretter niedersank. Sonst hätte er es bemerken müssen, daß man ihn scharf beobachtete, ja daß in den hölzernen Ställen Gestalten leise hin und wieder schlichen, überhaupt eine gewisse Bewegung in dem Hause war und ein Ratschlagen, das nichts Gutes für den draußen Harrenden verhieß.

In dem dunklen Flur stand Möfli mit einem übermäßig dicken Weib und einem baumlangen Gesellen, und Rede und Gegenrede flogen im Flüsterton von einem zum andern.

»Wie geschaffen is er für uns,« sagte eifrigst Möfli in seinem Rotwelsch. »Er hat ein ehrlich Gesicht und kann sich nicht helfen. Sowie er daliegt, bleibt er.«

»Halt koa Fisikapaperl,« sagte giftig darauf der Lange, der sich offenbar gegen die Aufnahme des Fremdlings sträubte. »Was war denn dös mit der Prezin? So lang hast sie zubracht, bis uns die Grundtrummel beinah in den Turm bracht hätt wann ich's ihr net eintränk'.«

Aber da sich auch die Frau auf die Seite des Alten stellte und auch ein weiterer herbeigerufener Mann die Aufnahme befürwortete, konnte er endlich doch seinen Willen durchsetzen. Die Gesellschaft verschwand, wie von der Finsternis verschluckt. Aber Möfli wartete noch eine gute Weile zu, bis er wieder auf die Gasse hinaustrat zu dem angstvoll seiner Harrenden, dessen sich schon die Schreckensidee bemächtigte, sein neuer Freund werde überhaupt nicht wiederkehren.

»Sind doch gute Leute,« sagte aber dieser nun mit freundlichster Stimme. »Sie werden Euch einen Platz an der Ofenbank geben und einen Bissen und einen trockenen Faden auf den Leib dazu. Ihr müßt nur nicht viel fragen nach der Gesellschaft. Es sind arme Leute, ein paar Stadtbettler, denen ich einmal Gutes getan hab, und die sich heut meiner erbarmen.«

Und er führte seinen Schützling, aber nicht in das Haus, sondern klinkte die Gartentüre auf, nachdem er heimlich gespäht, ob kein Beobachter zugegen. Er ging geradeswegs auf einen der Schweineställe zu, öffnete den Koben und bedeutete seinem erstaunten Gefährten, mit hineinzusteigen. »Wir haben a warmes Platzl unter der Mauer, a Tanzhaus können wir uns nicht bauen,« meinte er dazu aufmunternd. Der Stall war leer und finster wie ein Grab. Aber der Alte war darin offenbar heimisch. Er führte den Neuling an der Hand von Schragen zu Schragen und wußte auf einmal irgendwo ein Brett zu lösen, denn sie kamen aus dem schlüpfrigen, übelriechenden Stall auf trockenen Boden, und ihre Schritte hallten von einer Wölbung wider. Plötzlich drückte er den darob zu Tode Erschrockenen auf die Kniee nieder. »Der Gang ist schadhaft,« erläuterte er, und sie krochen ein Stück weiter in einem Schacht, der einem Manne kaum den Durchschlupf erlaubte. Dann pochte der Führer an einer Tür, und bevor sich sein Genosse noch von all dem Unerwarteten erholt hatte, stand er auch schon in einem mäßig großen, erleuchteten Raum, in dem eine entsetzliche warme Stickluft herrschte. Um ihn drängte sich eine ganze Gesellschaft von Männern und Frauen, die ihn mit gutmütiger Neugier musterten.

Also das waren die Stadtarmen von Augsburg, die da in einem Kellerloch in unbeschreiblichem Schmutz und Verwahrlosung hausten!

Ein altes, dickes Weib spielte die Rolle der Hausfrau und bot den Ankömmlingen zutraulich die Hand. Auf einer Bank am Ofen, der vor Hitze glühte, saß ein wahrer Hüne. Aber er war erschrecklich mager, hatte ein Auge mit einem schwarzen Pflaster überklebt, und das eine Bein war verkrüppelt; nach rückwärts war es in eine Schiene gebunden, die auf einem Holzfuß steckte, und an Stelle des Fußes war nur ein unförmlicher Ballen zu sehen.

Auch ein junges Weib und ein besser gekleideter Mann mit einem Gesicht, das so gewollt freundlich aussah, daß es unangenehm wirkte, war da, und er tat unendlich zuvorkommend mit dem Fremdling, den die ungewohnte Wärme auf das süßeste erschlaffte.

In einem elenden Bett lag eine abgehärmte junge Frau mit einem Säugling und noch zwei kleinen Kindern, und an einem zweiten Tisch spielten zwei betrunken aussehende Männer Würfel, schlugen auf den Tisch, gröhlten laut und spuckten in weitem Bogen auf den Boden. Auf dem aber hockte ein Kretin, blaß und gelblich im Gesicht, mit breitem, ewig grinsendem Maul und schwarzen, unruhigen Augen, der heiser und unverständlich lallte.

Das Ganze machte den Eindruck einer Spelunke niedrigster, aber auch durchaus harmloser Sorte, und der Argwohn, den der seltsame Zugang in dem jungen Manne wachgerufen, verflog wieder, wenn er seine Wirte musterte. Es waren eben Bettelleute, wie sie zu Hunderten an allen Markttagen um die Tore und Kirchen lungerten. Natürlich mußten sie sich in den Winternächten in solche Schlupfwinkel zurückziehen, und die da hatten sich wohl verwahrt in diesem alten Gewölbe der Stadtmauer, um nicht von andern daraus verdrängt zu werden. Er hatte keine Ursache, den Erzählungen seines Führers zu mißtrauen. Und schließlich hatte er nichts zu verlieren, und diese guten Leute da waren barmherziger als die Reichen auf dem Weinmarkt; sie schenkten ihm von ihrer geringen Speise und gaben ihm Trank und Obdach.

»Also Jörg Paumann nennst du dich und bist deines Zeichens Kupferschmied,« meinte der übermäßig Freundliche, der offenbar der Wohlhabendste von allen diesen Bettlern war, und auf dessen Geheiß ihm ein unbeschreiblicher Mischmasch von Speisen, ein »Kaschernat«, wie es die dicke Wirtin im Jargon der fahrenden Leute nannte, vorgesetzt wurde, das er gierig hinunterschlang.

»Glaub's wohl, daß d'stier g'worden bist in dieser elenden Zeit. Silberschmiede und Goldschmiede brauchen die Augsburger, aus Kupfer fressen die Säu …«

»Is auch nit so viel los in Augsburg,« mischte sich der alte Möfli ein, dem man inzwischen ein Lager für seine geschundenen Glieder bereitet hatte. »Schulden machen sie, aber zahlen wollen sie nix.«

»Hast auf der Sauhaut schwören müssen, Hebräer?« sagte nun mit breitem Lachen der Bettler auf der Ofenbank. »Sei froh, daß d'nicht in Schlesien bist. Dort müssen die Juden auf einem Schragen mit drei Haxen stehen beim Schwur, und so oft sie runterfallen, kost's Batzen als Buße, und beim vierten Mal haben sie verloren.«

»Laßt die dumme Schmäh,« antwortete Möfli unwirsch, »sagt lieber was Gescheites, wie wir dem Jörg da wieder verhelfen. Zum Betteln is der zu gut, das ist für euch Gesindel.«

Darob erhob sich ein böser Rumor, und erst als die dicke Wirtin mit dem Kochlöffel dareinfuhr und erklärte, jeden an die Luft zu setzen, der nicht Frieden halten wollte, kam es wieder zu leidlicher Ruhe. Aber das einmal angeschlagene Thema spann sich fort, und Möfli war unermüdlich in neuen Vorschlägen, um dem jungen Kupferschmied, an dem er offenbar sein ehrlich Gefallen gefunden, wieder zu einer bürgerlichen Existenz zu verhelfen.

»Taufferhans,« sagte er zu dem Menschen, der Jörg freihielt, »ihr seid angesehen beim Fuggerschen Gesind; wo fünfhundert aus einer Schüssel essen, bleibt ein Brocken auch für den Fünfhunderteinten. Seht zu, daß er dort unterschlupft!«

In der Bettlerherberge

Der also Angeredete kniff aber die listigen Äuglein zu und zog die Brauen bedächtig hoch. Er schüttelte den Kopf. »Wird nicht zu machen sein. Seit die Herrschaft Grafen sind, müssen auch die Laufer schon in kaiserlichem Dienst gestanden sein.«

Aber der alte Jude gab nicht nach, bis der Taufferhans, der offenbar Verbindungen in der Bedientenstube der Fuggerschen Hofhaltung hatte, versprach, sich darob umzutun und anzunehmen.

Und so wurde Jörg Paumann, der Kupferschmied, gräflich Fuggerscher Bedienter von der Bettler Gnaden.

Mit neuen Kleidern, das heißt solchen, mit denen man sich überhaupt sehen lassen konnte, hatten sie ihn beschenkt, als er voll heißen Dankes am nächsten Morgen Abschied von ihnen nahm, um von seinem neuen Patron, der ihn bat, seinen Spitznamen Taufferhans nicht zu gebrauchen, da er wohlehrbar Hans Schlaffer hieße, in der Bedientenstube des Fuggerschen Palastes vorgestellt zu werden.


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