Georg Forster
Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ...
Georg Forster

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Siebenter Abschnitt.

Grundsätze, sittliche Begriffe, Sitten, Verfeinerung, Luxus, Schicksal der Weiber bey den Völkern im Südmeere.

– Primæ dederunt folaria vita.
LUCRETIUS.

Der Mensch nähert sich nur alsdenn seiner Vollkommenheit, wenn er bereits anfängt dem Triebe alles um sich her zu erforschen, dem Durste nach Wahrheit, und nach Begriffen die eines jedweden Dinges wahre Eigenschaften darstellen, ein Genüge zu leisten; wenn er endlich schon einem Gefühle von Billigkeit gehorcht, und Gedanken und Handlungen darnach abmißt. So heftig und eigennützig die Begierde ist, alles dasjenige, was man für ein Gut hält, zu besitzen und sich selbst zuzueignen, so unausbleiblich lehrt gleichwohl die Erfahrung den Menschen, daß noch viel Unvollkommnes im Genuße aller seiner Güter liegt; und in eben dem Grade in welchem er dieses fühlt, wird er unglücklich seyn, bis er eine neue Art des Genußes, und zugleich die ergiebigste erfindet, nämlich das Vergnügen andern wohlzuthun und seinen Genuß mit ihnen zu theilen. Nur diese menschenfreundliche Empfindung, nur diese Billigkeit öfnet dem Menschen eine Laufbahn an deren Ende eine dauerhafte Glückseligkeit, als das hohe Ziel seines Hierseyns, ihm entgegenwinkt. Hievon handelte schon der vorhergehende Abschnitt.

Weder diese Billigkeit, noch dieses Mitgefühl, mangelt den Inselbewohnern im heissen Striche des Südmeeres. Ein Beweis davon ist, unter mehreren andern, die Wisbegierde, womit sie uns über Gegenstände die unser Vaterland, unsre Regierungsform, unsern Gottesdienst betrafen, und über die zur Verfertigung unserer Kleidungsstücke etc. abzweckenden Künste, befragten; und die Aufmerksamkeit, womit sie auf unsere Belehrung horchten. Die Kleider die wir anhatten, gaben zu verschiedenen Fragen Anlaß; ich mußte ihnen den Unterschied zwischen unseren wollenen, seidenen, baumwollenen und leinenen Zeugen begreiflich machen; ihnen folglich erzählen, daß die wollenen von der haarigen Bedeckung eines ThieresUnsere Schafen nannten sie Bua-niho, d. i. ein gehörntes Schwein; eigentlich nach dem Wortverstande aber, ein Schwein mit Zähnen. Diese uns so ungereimt scheinende Benennung kann Veranlaßung geben, über die Entstehung mancher unerklärbaren Benennungen in andern Sprachen nachzudenken. Einmal kennt man dort kein größeres Hausthier als das Schwein; daher der erste Theil jener Benennung; sodann aber weiß man auch nichts von Hörnern, und eben deswegen ward der Begriff von großen Zähnen, die aus dem Schädel hervorwachsen, untergeschoben. Daß eine dunkle Idee, aus Ueberlieferungen, von ehemals dort vorhanden gewesenen wilden Schweinen, die allenfalls wegen ihrer großen Hauer den Namen der großgezahnten Schweine (Bua-niho) verdienen könnten, hier zum Grunde liegen sollte, mögte ich nicht gern behaupten., die seidenen von einem Raupengespinste, die Baumwollenen von der Saamenhülle eines Strauchs, der ihrem E-Wawai (Gossypium religiosum) sehr ähnlich sähe, und die leinenen aus den Fasern einer Pflanze verfertigt würden. Ich drehte auch bisweilen einige Fäden aus ihrer Baumwolle zusammen, um ihnen die Möglichkeit, daß sie zu Kleidungsstücken gebraucht werden könnte, zu zeigen. Die Arbeit des Büchsenspänners, der auf dem Amboß Beile schmieden mußte, und die Arbeit der Zimmerleute, wenn sie ihre Werkzeuge schärften, betrachteten sie ebenfalls mit großer Aufmerksamkeit; weshalb auch Capit. Cook verschiedene Schleifsteine hinterließ, und Sorge trug, daß den guten Einwohnern der Gebrauch dieser Sachen gezeigt und gelehret wurde.

Wir mußten ihnen oft erklären, daß wir an Gott glaubten; dann fragten sie, wie er auf englisch hiesse, und gaben sich Mühe den Namen, Gott, auszusprechen. Ihre Aufmerksamkeit war bey diesen Unterredungen allemal sichtbar, vornämlich aber, wenn man auf ihr Verlangen ihnen erklärte, daß dieses Wesen ohne Hervorbringer (unerschaffen) da sey, unsichtbar, allmächtig, unendlich gut. Sie frugen auch noch wohl, ob wir ihn mit Gebet anredeten? ob wir Priester und Marais d. i. zum Gottesdienste bestimmte Plätze hätten, die bey ihnen zugleich Begräbnisplätze sind, u.s.w. Dies alles, sage ich, sind Beweise eines forschenden, nach Wahrheit durstenden Geistes. Ihr eigenes System von nützlichen Kenntnissen, und gewisse höhere Begriffe, welche von den Einsichtsvolleren unter ihnen aufbewahrt werden, bestätigen die Thätigkeit ihres Geistes in Erforschung der Natur. Hieher gehört der Anbau gewisser Pflanzen zur Speise oder zur Bedeckung; die Zubreitung dieser Pflanzen nach Maasgabe ihrer verschiedenen Bestimmung; die Kunst mit den einfachsten Werkzeugen oft zierliche Kleidungsstücke, Hausgeräthe, Waffen, und Schmuck zu verfertigen; die Kenntniß der Vögel, Fische, und Pflanzen auf ihren Inseln; die Wissenschaft der Jahrszeiten und Winde, der Benennungen der Gestirne, ihres Aufgangs und Niedergangs; einige geographische Kenntnisse von der Lage vieler Inseln zwischen den Wendekreisen; die Kunst, bey Tage und bey Nacht, zur See zu fahren, und sich dabey nach dem Lauf der Sonne oder der Sterne zu richten; die Zahl und Namen der Tage binnen einer Mondes Revolution, und die Zahl der Monden im Jahre. Müssen nicht Lehrer oder Aeltern ihnen diese Begriffe beybringen, ihr Gedächtniß darin üben, und sie auf die Beobachtung und eigene Erfahrung der verschiedenen Phänomene verweisen? müssen sie dadurch nicht einen Hang zur Erforschnng der wahren Beschaffenheit der Dinge bekommen? und wird dieser, in der Anwendung auf das gemeine Leben, nicht über alle Handlungen, über alle Geschäfte einen Geist der Aufrichtigkeit und Billigkeit verbreiten? Wohl wird er das! Wir dürfen nur, statt alles ferneren Beweises, einen Blick auf ihren menschenfreundlichen Umgang mit so vielen Europäern werfen. Die Weltumseegler an Bord des Delphins, der Boudeuse und EtoileHr. von Bougainville, der Endeavour, der Resolution und der Adventure, haben dem liebreichen, freundschaftlichen Herzen ihrer taheitischen Wohlthäter ein bleibendes Denkmal gestiftet. Wie gutmüthig führten sie uns nicht Erfrischungen und gesunde Lebensmittel im Ueberfluß zu? Wie bereitwillig waren sie nicht, uns Hülfe zu leisten, wenn wir, einzeln, uns tief ins Land verirrt hatten? Wie zuvorkommend in den Beweisen ihrer gütigen Gesinnungen gegen uns, wie eifrig ihrer angebornen Gastfreyheit, als einer angenehmen Pflicht, Genüge zu leisten? Wie wurden wir nicht gebeten, im kühlen Schatten ihrer Hütten auszuruhen? Wie thätig suchten sie nicht unsre ermüdeten Glieder, (nach dortiger Landessitte, durch gelindes Reiben) wiederum zu stärken? Wie wetteiferten sie, uns ein wohlbereitetes Mahl von Früchten vorzusetzen, wie gerne trugen sie nicht unsre Bürde von Lebensmitteln und unsre Sammlungen von Naturprodukten? Wie rasch und munter trugen sie uns selbst, auf ihren starken Schultern, durch Bäche und Ströme, damit wir trocknen Fußes hindurch kamen? Wie schnell und unverdrossen holten sie nicht die Aenten oder anderes Geflügel, welches wir geschossen hatten, herbey? Welche Lustbarkeiten, mit Tänzen und Gesängen, wurden nicht unsertwegen angestellt? Welche ansehnliche Geschenke an Zeugen und Lebensmitteln erhielten wir nicht? Welche, gesittete Höflichkeit sogar, bezeugte uns nicht so mancher unter ihnen? Dies sind Züge des Wohlwollens und der Herzensgüte, die einen unauslöschlichen Eindruck machen müssen. Wer nur anfängt sich von Beschädigung seines Nebenmenschen zu enthalten, den führte das erste dunkle Gefühl eines Naturrechts auf diesen großen Grundsatz; höher aber ist bereits der gestiegen, der, aus sittlichen Beweggründen, neben sich her so viele Glückliche als möglich, zu machen wünscht. Die Aeusserung dieses moralischen Gefühls kann bey verschiedenen Völkern sehr verschieden seyn, indem das eine öfters Handlungen als unsittlich verwirft, die bey einem andern in hohem Werthe stehen. Allein, auch über dieselbe Handlung können, zu verschiedenen Zeiten, in einem und demselben Volke ganz zuwiderlaufende Urtheile gefällt werden, je nachdem es diesen oder jenen Fortgang in der Kultur und Aufklärung gehabt hat. Denn Völker reifen wie einzelne Menschen und erhalten, mit jeder Stufe ihres Alters, festere Grundsätze und feinern moralischen Sinn. In dem Maaße, in welchem die Vorurtheile ausgerottet werden, und die nachtheilige Übermacht der Leidenschaften abnimmt, in eben dem Maaße handelt, sowohl der einzelne Mensch als der Staat, nach Recht und Billigkeit, und folgt dem Gewissen, dieser vom Schöpfer ihm eingepflanzten Stimme, die ihn laue seine Pflicht erinnert.

Alle menschliche Handlungen fliessen demnach, mehr oder minder, aus einer oder aus beyden dieser Quellen: aus wohlwollender Ueberzeugung, oder aus leidenschaftlichem Eigennutz. Die guten Insulaner, von denen wir hier handeln, machen keine Ausnahme von dieser Regel. Je nachdem das Vorurtheil, der Nationalcharakter, und zufällige Umstände sie misleiten, gewinnt in ihren Handlungen zuweilen eine eigennützige Leidenschaft die Oberhand. Jedoch, selbst ihre kleinen Diebstähle, wenn die Begierde nach einem Stücke Eisen sie dazu verleitet hatte, zeugten vom Daseyn eines sittlichen Gefühls, indem das Bewustseyn, uns beleidigt zu haben, sie zur Flucht antrieb; obwohl dieses Gefühl, im Augenblick der Versuchung, nicht lebhaft genug gewesen war, ihre unrechte Begierde zu dämpfen. Dagegen gab es auch Leute unter ihnen von besserer Denkungsart, und strengeren Sitten, die uns gegen verdächtige Personen warnten. Unter den Vornehmen, und unter der geringsten Klasse von Einwohnern waren die Beyspiele von Eigennutz und Immoralität aller Art, weit häufiger als unter dem Mittelstände. Eines Tages besuchte der König O-Tu nebst seiner Schwester Taurai den Capitain Cook, der sie in sein Schlafzimmer führte, woselbst ein großer Vorrath von Eisenwaaren zur Hand lag, der, zum Einkauf der Lebensmittel für das Schiff bestimmt war. Der Capitain und ich waren mit ihnen allein in der Cajüte; da aber jener, von dem wachthabenden Officier, wegen eines Vorfalls der keinen Aufschub litt, auf das Verdeck gerufen ward; so bat er mich bey den königlichen Herrschaften zu bleiben. Die Abwesenheit des Capitains, und die großen Haufen eisenner Werkzeuge, erregten bey Taurai den Gedanken diese Gelegenheit zu nutzen, um etwas zu entwenden; sie gab daher ihrem Bruder einen Wink mich zu unterhalten. Er rief mich sogleich ans Fenster, um mir zu zeigen, was in einigen Kähnen neben dem Schiffe vorgieng. Ich argwöhnte indessen ihre beyderseitige Absicht, und folgte ihm zwar an das Fenster, jedoch ohne Taurai aus dem Auge zu verlieren, die sich nicht sobald unbemerkt glaubte, als sie schon ein paar eiserne Nägel von zehn Zoll ergriffen, und unter ihr Kleid versteck hatte. Indem kam der Capitain zurück, und ich erzählte ihm den Vorfall, wovon wir uns gleichwol nichts merken ließen, damit der Tauschhandel, der so eben den besten Fortgang hatte, durch kein Misverständnis gestört werden möchte. Indessen sahe ich aus diesem Vorfall was der Anblick solcher Schätze von Eisen für eine gewaltige Versuchung für sie gewesen seyn müsse; weil O-Tu und seine Schwester, denen es nur ein Wort gekostet hätte, um zwey und mehrere Nägel geschenkt zu bekommen, gleichwol der Idee sie zu stehlen, als einem plötzlich entstandenen unwiderstehlichen Triebe folgten, und nicht nur das innere Gefühl der Niederträchtigkeit dieser Handlung, sondern auch die Furcht vor der Schande, ertappt zu werden, darüber aus den Augen setzen konnten. Daß der König selbst sich bis zum Hehler einer so unwürdigen That herablassen konnte, geschah ganz offenbar seiner Schwester zu Gefallen, und ist eben deshalb schon verzeihlicher. Er war sonst ein billiger Mann, der zwar Anfangs befürchtete, daß wir unsre Gewalt misbrauchen dürften, ausserdem aber in allen Stücken, Güte und eifriges Bestreben zeigte sein Volk wohlhabend, mächtig und glücklich zu machen. Noch edelmüthiger und uneigennütziger schien mir der Charakter des Towha zu seyn, der sich aller Wahrscheinlichkeit zufolge, unter jedem Himmelsstriche und in jedem andern Volk eben so vortheilhaft als bey seinen Landsleuten ausgezeichnet haben würde. Ohne wegen des einzigen Vergehens, dessen Taurai sich schuldig gemacht, allzu nachtheilig von ihr zu urtheilen, so erweckte es doch wenigstens kein günstiges Vorurtheil für sie; und wenn die Beschuldigung Grund hatte, die uns sehr oft zu Ohren kam, daß sie eine Art von Messaline wäre, die sich bis zu Leuten vom niedrigsten Volke (Tautaus) herabzulassen pflege, so erscheint sie eben nicht im vortheilhaftesten Lichte. Zu diesem Beyspiele der Immoralität unter den Großen, gehört noch der bereits erwähnte Vorfall, da Potatau und sein Weib Waini-au, nachdem sie alle Schweine die sie entübrigen konnten, nebst einem kostbaren Helm, verschiedenen Brustschildern und einem ganzen Trauerhabite, für rothe Federn vertauscht hatten, endlich, aus übertriebener Gierigkeit nach diesem Schmucke, noch unter sich eins wurden, daß das Weib sich Hrn. Cook anbieten sollte; zu welchem Ende sie denn auch, als ein bereitwilliges Opfer, vor ihm erschien: tunica velata recincta. Ich muß gestehen, daß dieser Zug in dem sonst edlen Charakter des Potatau mir die schwärmerische Freude verdarb, die Taheitier als das einzige liebenswürdige Völkchen ansehen zu dürfen, dessen Unschuld und ursprüngliche Einfalt, zur Ehre der Menschheit noch ganz untadelhaft geblieben wären.

Indessen fanden wir doch, in manchen Familien, nicht nur Begriffe von Keuschheit, sondern auch würkliche Ausübung dieser Tugend. Ich habe oft mit Entzücken gesehen, daß die glänzendsten Anerbietungen unserer raschen Jünglinge, von einem schönen taheitischen Weibe, mit einer höflichen Bescheidenheit ausgeschlagen wurden, deren sich die Beste unsrer Landsmänninnen nicht zu schämen gehabt hätte; bald hieß es Tirra - tane, ich bin verheirathet; bald begleitete ein Lächeln das einfache: Eipa (Nein). Nur muß man sich hier ein Volk denken, wo alle Familien, Erwachsene und Kinder, unter einem Dache wohnen, wo die Häuser nicht in mehrere Zimmer abgetheilt sind, folglich mehrere Handlungen nicht verheelt werden können, bey denen man in Europa schwerlich Zeugen zulassen würde. Selbst Kinder mußten daher frühzeitig Begriffe von Dingen bekommen, die manches europäische Frauenzimmer vielleicht nie erfährt; und aus eben dem Grunde hält man auf jenen Inseln die Liebe, mit allen ihren Folgen, nicht für unehrbar. Dort macht der Zotenreisser keinen Eindruck; er erzürnt so wenig, als er gefallen oder gar entzücken kann. Allenfalls bestraft ein lehrreicher Blick seine Unkunde des reineren Genußes tugendhafter Liebe.

Der bessere Mann ist also, auch unter diesen Völkern, der Stimme der Menschheit und der Billigkeit gehorsam, die ihn den Unterschied zwischen Recht und Unrecht lehrt, und Begriffe von Sittlichkeit und Tugend in ihm hervorruft. Im Allgemeinen aber hängt das Betragen eines Volks, aus welchem man sich einen Begriff von dessen Sitten machen kann, noch von dem eigenthümlichen Charakter desselben ab. Einige Völker haben solche starke, hervorstechende Züge, die mit dem Charakter andrer Nationen so wesentlich contrastiren, daß man sie ohne Schwierigkeit darstellen kann. Was ist leichter als ein Bild spartanischer Sitten zu entwerfen, nachdem die kriegerische Verfassung und die Gesetze die Lykurg seinen Landsleuten gab, ihren Charakter so auszeichnend gebildet hatten? Aber, den Orchomenier vom Megalopolitaner, den Mantinäer vom Tegeäer zu unterscheiden, dies war ungleich schwerer, weil die Abweichungen so gering, und für Ungeübte fast unmerklich waren. Im Ganzen genommen, sind die charakteristischen Züge der Südländischen Völker von den unsrigen gar sehr verschieden, mithin leicht nachzuzeichnen; mit allen übrigen Völkern hingegen, die so eben aus der Barbarey empor kommen, sind sie schon näher verwandt. Ohne demnach von den Bewohnern einer jeden Insel besonders zu sprechen, wozu übrigens unser kurzer Aufenthalt nicht Stoff genug darbot, werde ich im folgenden ihre Sitten nur mit einigen Strichen anzudeuten suchen. Von ihrer äusseren Bildung, die von der unsrigen so merklich verschieden ist, handeln die vorhergehenden Abschnitte so ausführlich, daß ich es für unnöthig erachte, die nämlichen Sachen hier zu wiederholen.

Die Kleidung, welche den Menschen so auffallend charakterisirt, ist in den Südländern bey weitem nicht gleichförmig. Dem Feuerländer gebricht es nicht nur an Kleidungsstücken, welche die Schamhaftigkeit fodert, sondern auch an denen, die das Bedürfnis heischt. Auf den westlichern Inseln, des stillen Meeres wo, vermöge des sanfteren Himmelsstrichs, die Kleidung als Bedürfnis betrachtet, wegfällt, verhüllt man blos diejenigen Theile, die, vermöge einer allgemeinen Uebereinstimmung, bey allen Völkern verdeckt zu werden pflegenIn der englischen Ausgabe von Cooks neuester Reisebeschreibung hat man daher ganz unrichtig der Figur des Mallikolesen eine Draperie gegeben, die ihr gar nicht zukommt.. Nur scheint die Erfindung deren sich die Männer hiezu bedienen, eben nicht die glücklichste zu seyn. Jedoch, an unsern alten Rüstungen, imgleichen an den Kleidertrachten des 15ten und 16ten Jahrhunderts, vermißt man ja, in diesem Punkt, die Delikatesse eben so sehr. Ob bey jener seltsamen Bedeckung wirkliche Begriffe von Anständigkeit und Schamhaftigkeit zum Grunde liegen, oder ob es bloße Vorsorge ist, sich vor Verletzung an Dornen, Aesten, oder gegen Insekten zu schützen? entscheide ich nicht. Ist das erstere, so gehen diese Begriffe doch nur daß reifere Alter an, denn bey eben diesen Völkern laufen die Knaben ganz nackend umher, und alle Mädgen unter acht Jahren, haben keine andre Bedeckung als eine Schnur um den Leib, an welche vorn und hinten ein kleiner Strohwisch befestigt ist. Merkwürdig ist es hiebey, daß man, bey so gänzlicher Entbehrung der Kleidung, demohngeachtet auf Schmuck und Zierrathen bedacht ist. Der Feuerländer beschmieret sich das Gesicht mit röthlicher Ockererde; der Tannese legt abwechselnde Streifen schwarzer und weißer Schminke auf, welche in schräger Richtung über das Gesicht laufen, und aus seinem Haar dreht er unzählig viel Zöpfe, die nicht dicker als eine Rabenfeder, und mit Fäden von der Rinde einer Art Glockenwinde (Convolvulus) umwickelt find. Dieser Kopfputz hatte ein sehr seltsames Ansehen. Fast durchgehends durchbohren diese Völker die Ohren, um Ringe von Schildkrötenschale darin tragen zu können. In Neukaledonien und der Osterinsel erweitert man dieses Loch in den Ohren so sehr, daß vier bis fünf Finger bequem durchgesteckt werden konnten und die Läppchen beynah bis auf die Schultern herabhiengen. Man dehnte diese ungeheuren Oefnungen vermittelst aufgerollter Blätter des Zuckerrohrs, oder zerrte sie mit ungeheuren Ringen, deren wir zuweilen achtzehen gezählt haben, gewaltsam auseinander. Die Einwohner der freundschaftlichen Inseln durchbohren das Ohr mit zwey Löchern, durch welche sie, in horizontaler Richtung, ein Stück Bambusrohr, oder einen Cylinder von Schildkrötenschale, oder von Muschelschalen stecken. Auf Malllkolo und Tanna durchbohren verschiedene Männer den Nasenknorpel (Septum) und füllen die Oefnung mit einem hindurchgesteckten cylindrischen Steine aus. Die Männer giengen mit entblößtem Haupte, die Weiber hingegen wickelten entweder ein Blatt von der Aronswurz oder Drachenwurz (Arum esculentum, Dracontium pertusum) oder sie banden eine Schnur, oder eine Binde um den Kopf. In Neukaledonien trugen viele Mannspersonen hohe, walzenförmige schwarze Mützen, die aus gespaltenem Bambusrohr und Kokosfasern geflochten waren, und ihnen ein kriegerisches Ansehen gaben. Der Gebrauch, den Körper mit feinen Stichen zu punktiren, und in die Stiche Kohlenstaub oder Ruß einzureiben, ist mehreren Völkern im Südmeere gemein.

In eben dem sanften Klima zwischen den Wendekreisen, haben die mehr gesitteten Taheitier eine bequeme und zugleich zierliche Kleidung gewählt. Der untere Theil des Leibes bis an die Waden, wird in ein oder mehrere Stücke ihres, aus Maulbeerrinde verfertigten, Zeuges gewickelt; und den obern Theil bedeckt ein andres Stück, welches in der Mitte, der Länge nach, einen Einschnitt hat, wodurch man den Kopf steckt. Hiemit sind die Schultern, der Oberarm, Rücken und Brust bedeckt. Bisweilen hängt das Oberkleid ganz frey, bisweilen wird ein langer Streif Tuch, gleich einer Schärpe, drüber gewickelt. Die Bewohner der freundschaftlichen Inseln haben blos dieses letztere beybehalten, und das Oberkleid, welches von seiner Oefnung in der Mitte, auf Taheitisch, Tiputa heißt, ganz weggelassen. Auf der Osterinsel und in den Marquesas wird das nämliche Zeug verfertigt; allein die ganze Kleidung wird blos bey Feyerlichkeiten gebraucht, wenn ihre Vorgesetzten, und die Weiber geputzt erscheinen; das übrige Volk gürtet nur ein ganz kurzes Tuch um die Lenden. Unter allen Bewohnern der Südländer sind die Einwohner der Societätsinseln die reinlichsten. Bey den Vornehmern wird diese Liebe zur Reinlichkeit ziemlich weit getrieben. Sie baden sich Morgens und Abends, entweder in einem Bache, oder im Seewasser, letztern Falls waschen sie sich jedesmahl noch in frischem Wasser ab, um alle Salztheilchen abzuspülen. Auch waschen sie ihre Hände vor und nach dem Essen. Kämme von allerley Art waren ihnen sehr willkommen, um sich vom Ungeziefer zu befreyen, wozu sie sich vordem unter einander behülflich waren. Sie salben ihr Haar auch mit Kokosöl, theils in der Absicht der Vermehrung dieser Thiere Schranken zu setzen, theils wegen des Wohlgeruchs der diesem Oehle zuvor mitgetheilt wird. In allen niedrigen Eilanden, imgleichen in den freundschaftlichen Inseln, wo es an frischem Wasser gebricht, reinigen sich die Einwohner nicht so sorgfällig, und vielleicht entstehen aus dieser Ursache die häufigen Hautkrankheiten und der Aussatz, die wir an ihnen bemerkten. Die Insulaner der neuen Hebriden und die Neukaledonier sind wiederum etwas reinlicher, indem das frische Wasser dort nicht selten ist; wir wurden auch gewahr, daß sie sich Mühe gaben das Ungeziefer zu vertilgen.

Auf den freundschaftlichen Inseln schneiden sich die Männer den Bart, vermittelst zwoer scharfen Muschelschalen, kurz ab. Wenigstens erinnere ich mich nicht, auf allen diesen Inseln einen einzigen mit langem Barte gesehen zu habenHerr Hodges, der Maler, der die Reise mitmachte, hat daher gegen das costume sehr verstoßen, indem er bey der Landung auf der Insel Middelburg, lauter langbärtige Männer ner gezeichnet, und mehrere Figuren von Haupt zu Füssen lange, fast griechische, Gewänder gekleidet hat, ohnerachtet die dortigen Einwohner, vom Gürtel aufwärts, nackend gehen. Um eine so schöne Composicion ist es schade, daß sie nicht Wahrheit genug hat, da bey Vorstellungen dieser Art, die eine Reisebeschreibung erläutern sollen, die Wahrheit Hauptsache ist, und keinen eingebildeten Idealen aufgeopfert werden darf. Omne tulit punctum qui miscuir otile dulci. Diese Zeichnung ist für Capitain Cooks englischer Reisebeschreibung in Kupfer gestochen.. Das Haar ist bey den Einwohnern der Südländer durchgehends schwarz, und fällt in schönen natürlichen Locken von dem Scheitel herab; es wird aber mehrentheils kurz geschnitten. Etliche Männer von Bolabola waren die einzigen die langes Haar trugen.

Unter den äußerlichen charakteristischen Verschiedenheiten der Völker im Südmeere, ist die Sprache nicht die unbemerklichste, oder uninteressanteste. Ohne mich hier auf etwas weitläuftiges und vollständiges einzulassen, wozu bey so vielen verschiedenen Mundarten, eine vollkommene Kenntniß gehören würde, kann ich gleichwol nicht umhin, einige algemeine Bemerkungen vorzutragen.

Am besten erlernten wir diejenige Sprache welche auf den Societätsinseln gesprochen wird, indem nicht nur unser Aufenthalt daselbst länger als in andern Inseln dauerte, sondern weil auch die Sammlungen von Wörtern, welche auf den vorigen Reisen gemacht worden waren, nebst dem Vortheil des längern und vertraulichern Umganges mit dem Insulaner Maheine, der acht Monate lang unser Gefährte war, uns dieses Studium vorzüglich erleichterten. Alle andre Mundarten konnten wir nur auf eine sehr unvollkommene Art verstehen. Indeß spricht man auf Ostereiland, auf den Marquesas, den niedrigen, den Societäts- und freundschaftlichen Inseln, wie auch in Neuseeland, einerley Sprache mit sehr unbedeutenden Abweichungen. Dagegen sind die Sprachen in den neuen Hebriden, in Neukaledonien und in Neuholland gänzlich von einander, und von jener allgemeinen Sprache, verschieden. Nach angestellter Vergleichung zwischen den Vocabularien in Schoutens und Le Maires Reisebeschreibung, und den Wörtern die wir auf den freundschaftlichen Inseln gesammlet hatten,«rgiebt sich, daß man auf letztern, so wie auf den mehr Nordwärts gelegenen Hofnungs- Verräther-, und Kokos- Eilanden völlig einerley Mundart spricht. Könnte ein einziges Wort, in einem Reisebeschreiber aufbehalten, hier etwas gelten, so würde ich dieselbe Sprache auch auf TschikayanaG.Dalrymples Collection of Voyages, I. p. 159. seinem vier Tagereisen von Taumako entlegenen Eilande vermutheu, denn Quiros berichtet, daß dort die Hunde Ti-Kuri hießen, die man auf den freundschaftlichen Inseln te-Ghurri nennt. Auf den neuen Karolinen Inseln sogar, heißt der klagende Gesang, der ein Zeitvertreib der Weiber ist: Tongher-ifaifil; und eben das würde der Neuseeländer oder der Einwohner der freundschaftlichen Inseln mit Tanghi-fefeine ausdrucken; Laute, die sich nicht so unähnllch sind, daß man es nicht wagen dürfte, auf eine Verwandschaft der Sprache zu schließenDes Broffes, Hist. des Navig. aux Terres australes. Vol.II, p.482! eben so scheint auch die Sprache von Tschikayana mit der Tagalischen aus der Insel Lüzon, (einer von den Philippinen) verschwistert zu seyn, denn in der letztern heißt Daquilla oder taquila, gros; und mit eben diesem Beyworte nannten die Tschikayauer die größern Muscheln (vermuthlich Chama Gigas) um sie von den gewöhnlichen1 S. P. juan de Noceda, y el P. Pedro de S. Lucar, Vocabulario de la Ligua Tegala. Manila 1754 fol. Darymle's Collect. i. 149. kleinern zu unterscheiden. Die Sprache der Tagalas, welche mit der Malayischen, wie sich aus der Vergleichung leicht ergiebt, unstreitig verwandt ist, mußte folglich auch verschiedene Worte mit der taheitischen gemein haben; und in sofern bestätigt diese Uebereinstimmung, meine vorhin geäußerten Ideen über die Wanderungen der Malayischen Abkömmlinge.

Die Sprache von Taheiti und den Societätsinseln, hat keinen zischenden Laut, und folglich werden auch, aus Mangel der Uebung, ihre Sprachwerkzeuge unfähig irgend einen solchen Laut hervorzubringen. Jedes Wort, ja jedwede Sylbe des Taheitischen, endigt sich auf einen Selbstlauter, und aus diesem Grunde mußten die Einwohner, so oft sie einen europäischen Namen nachsprechen wollten, der auf einen Consonanten ausgieng, allemal noch einen Vokal anhängen. Diese Menge der Vokalen, giebt der Sprache Wohlklang und einen sanften Character. Für den Zischlaut, so wie für jeden andern Consonanten der ihrem Ohr nicht weich genug tönte, substituirten sie einen, der in der Aussprache leichter war: für Solander sagten sie Tolano; für Banks, ta-Bane, für Cook, Tute, und für Georg, Teori. Bey solcher Menge von Vocalen mußten Diphtongen und verschiedene Accente angebracht werden, um die Töne zu vervielfältigen, und um diese kleinen oft kaum merklichen Unterschiede zu fassen, mußte das Ohr angestrengt mithin das Gehör sehr fein werden; denn oft giebt ein gar geringer Unterschied der Aussprache einen sehr wesentlichen des Sinnes: wie z.B. äi essen; eäi beywohnen; Eiya, Fische, aiya stehlen oder plündern; oiyo eine Meerschwalbe (Sterna flolida); Ewài Wasser; àwai der Fuß; Ahaù ein Kleid, oder Zeug; àhu, ein unreiner Wind; Eu die Brüste; Uri der Hund, Yuri ein Nagel, E-Ure, die Ruthe.

Die Sprache, wie sie in Taheiti gesprochen wird, ist harmonisch und männlich; in Huaheine aber hatten viele Einwohner die Gewohnheit, alles in einem singenden Tone zu sprechen, und auf den freundschaftlichen Inseln war eben dieser Ton noch gewöhnlicher, hauptsächlich bey Personen des andern Geschlechts. Die taheitische Sprache ist nicht ohne alle Kultur, sondern setzt bereits einen Ansang von Aufklärung voraus. Nicht nur Gestirne, einzelne Sterne, Bäume und Kräuter, sondern auch jedes Insekt, jeder Wurm, jede Art Muscheln, Fische und Vögel, die ihre Insel hervorbringt, hat einen eignen Namen; nicht blos die äussern Theile des menschlichen Körpers, sondern auch die inneren, die ohne anatomische Oefnung nicht bekannt werden konnten, werden mit besondern Namen bezeichnet. Den Zwischenraum von etlichen Tagen berechnen sie, wie die alten Britten und andre Nordische Völker, nicht nach der Anzahl der darin enthaltenen Tage, sondern der Nächte. Blos an das Sinnliche gewöhnt, können sie abgezogenen Begriffe keine eigne Ausdrücke widmen; so nennen sie die Gedanken Parau-no-te Obu, d.i. Worte aus dem BauchObu heißt allerdings der Bauch, allein wahrscheinlich hat das Wort auch eine allgemeinere Bedeutung, und soll überhaupt soviel heißen, als das Inwendige. G. F.; ein Geitziger heißt Tahata- Pipirri oder Piripiri, wobey sie die Begriffe von Zusammenziehung, Enge, und Verkleibung, welche das Pirri ausdruckt, allegorisch anwenden. Ein freygebiger Mann heißt Tahata-uhworoa, wörtlich, der Mann von Gaben. Einigen Reichthum der Sprache verrathen folgende Beyspiele: der Kopf des Menschen heißt Upo, der Kopf eines vierfüßigen Thiers oder eines Fisches beißt Omi; und der eines Vogels Poaarahau. Der Schwanz des Hundes heißt Airo, eines Vogels Hòbe, eines Fisches Iterre. Die letztere Benennung ist merkwürdig, weil sie den Gebrauch ausdruckt, wozu der Schwanz der Fische dient; denn Ehoe-Watirra bedeutet das Ruder eines Kanots, und zu eben diesem Behuf braucht der Fisch seinen Schwanz. Personen männlichen Geschlechts heißen Tane, weiblichen Waheine; männliche Thiere aber, Fische, Vögel, u. s. f. heißen Ouni, und weibliche òhwa.

Europäer, die an mannigfaltige abwechselnde Geschäfte sowohl als an Vergnügungen aller Art gewöhnt sind, würden das einfache Leben der Insulaner in den Südländern ein höchst ermüdendes und ungenießbares Einerley nennen. Sie stehen mit der Sonne auf, und dieselben Stücke Zeuges, die ihnen des Nachts zur Decke dienen, wickeln sie bey Tage um den Leib. Ihr erster Gang ist in den Fluß, oder ins Meer, um sich zu baden. Hierauf folgt das Geschäft des Tages; entweder gehen sie, wenn es Ebbezeit ist, auf die Riefe um zu fischen, oder in den Maulbeerpflanzungen zu graben, und sie mit Muschelsand zu düngen; oder Brodfrucht zu pflücken, und den sauren Teig daraus zum Vorrath auf jene Jahrszeit, wenn keine Früchte auf den Bäumen sind, zu bereiten. Bald steigt einer die Berge hinan, um in den höhergelegenen Thälern, eine last von großen Pisangs oder Plantanen (horfe-plantanes) zu sammeln; bald hölt er einen Baum zum Kahne aus, oder näht verschiedene Planken desselben mit Schnüren aus Kokosfasern zusammen. Ein andermal pflanzt er Pisangschossen, und umringt einen jeden mit Pflöcken, damit weder die Thiere, noch die Kinder etwas daran verletzen mögen. Er verfertigt Fischangeln, und Fischleinen, die letzteren aus Graßfasern; er dreht Stricke von verschiedener Art und Dicke, aus Kokosfasern und andern Materialien; er macht sich eine Lanze, eine Keule, einen Brustschild, eine Schaufel für den Kahn, ein Ruder, oder sonst ein Werkzeug, das entweder im Kriege oder im Frieden gebraucht wird. Gegen Mittag, nimmt er mit gewaschenen Händen sein einfaches Mahl zu sich, welches entweder aus Brodfrucht, oder aus dem sauergegohrnen Teige derselben besteht, der in kleinen Laibern auf erhizten Steinen gebacken wird. Sein Bruder, oder vielleicht sein Sohn, ist sein Tischgenosse, indes die Frau, mit der übrigen weiblichen Familie in einer andern Ecke der Hütte ihren Antheil verzehrt, oder so lange wartet, bis die Mannspersonen ihre Mahlzeit geendigt haben. Der gewöhnliche Trank ist frisches Wasser; zuweilen auch Seewasser. Zum Beschluß der Mahlzeit werden wiederum die Hände gewaschen; und wenns alsdenn mit der angefangenen Beschäftigung keine große Eile hat, so bleibt der Mann in seiner Hütte; oder, je nachdem er sichs Vormittage hat sauer werden lassen, erholt er sich auch wohl durch eine kleine Mittagsruhe. Erst am kühlern Abende setzt er mit neuen Kräften seine Arbeit, bis gegen Sonnenuntergang, fort; alsdenn aber folgt wieder eine kleinere Mahlzeit und das letzte Waschen, worauf er sich, in Ermanglung eines weicheren Bettes, auf einer Matte hingestreckt, und, mit seinen Kleidern zugedeckt, der Ruhe überläßt; es sey denn daß er etwa für besser gethan fände, mit Fackeln auf die Riefe hinaus zu gehn und Fische zu fangen.

Grausamkeit gegen Fremde bemerkt man bey den Völkern nur in dem Maaße, als sie roh und ungesittet sind. Bey den Einwohnern der Inseln im Südmeere zwischen den Wendekreisen zeugte ihr ganzes Betragen von Freundschaft und Menschenliebe. Sie empfingen uns bey dem ersten Anblick unsrer Schiffe auf die beste, herzlichste Art, und würden, meines Erachtens, den Angrif auf Capitain Wallis nie gewagt haben, wofern nicht eine Beleidigung, die vielleicht wider Wissen und Willen der unsrigen vorgefallen seyn mochte, Gelegenheit gegeben und sie zur Rache gereizt hätte. Wer kann wissen, ob sie nicht von den Engländern, die freylich ihre Sprache damals noch nicht verstanden, Genugthuung gefordert, und, erst nachdem sie eine Fehlbitte gethan, sich selbst Recht zu verschaffen gesucht haben? Auf andern von uns besuchten Inseln, wo man von der Würkung des Schießgewehrs so wenig Begriffe als ehedem auf O-Taheiti hatte, begegnete uns demohngeachtet jedermann sehr freundschaftlich; und was noch mehr ist, nachdem die Engländer auf den Marquesasinseln einen Menschen erschossen, auf Ostereiland einen verwundet, auf Tongatabu einen mit dem Boothaken in den Leib gehakt, auf Namoka und Mallikolo auch einen verwundet, und auf Tanna wieder einen ums Leben gebracht hatten, blieben die Einwohner gleichwol unsre guten Freunde, da es ihnen doch ein leichtes gewesen wäre, wäre, unsere einzelne Partheien abzuschneiden, und nach dem Recht der Wiedervergeltung zu behandeln.

Wir hatten nicht Gelegenheit die Art, wie sie einen Verbrecher bestrafen, mit anzusehen, doch erzählten sie uns, daß Diebe entweder gehenkt, oder, vermittelst eines an die Füße gebundenen Steins, ersäuft würden. In keinem Falle findet man bey ihnen Spuren von wilder Grausamkeit. Im Kriege ist, nach dem ersten Angriff, alles vorüber. Wahrscheinlicherweise machen sie in ihren Schlachten keine Gefangene; oder, wenn sie ja jemand gefangen nehmen, behandeln sie ihn nicht auf eine harte, oder unmenschliche Art; sie machen ihn nicht einmal, im orientalischen Sinne, zum Sklaven, geschweige daß sie ihn zu schweren Arbeiten anhalten sollten, wie es die europäischen Völker mit so vielen Tausenden von Negersklaven gemacht haben, die nach den Kolonien eingeschift worden sind. – Ein einziges Beyspiel von Grausamkeit, welches ihnen zur Last gelegt werden könnte, ist die Verheerung der Provinz O-Parre, nach der letzten Schlacht die, zwischen den Einwohnern der beyden Halbinseln, auf der Landenge vorfiel. Unsere Bekannten unter den Insulanern versicherten, daß damals die Einwohner der kleinern Halbinsel, oder Tiarrabu, alle Häuser und Kanots in O-Parre verbrannt, und alle Schweine aus der dortigen Gegend weggeführt hättenDie Verheerung her Provinz Paparra, durch eben diese Einwohner der kleinen Halbinsel, zu der Zeit als O-Ammo (der O Burea Gemahl) abgesetzt ward, muß noch weit fürchterlicher gewesen seyn, denn O-Aheatua der König von Tiarrabu soll die meisten Kokosbäume und andre Pflanzungen haben vernichten lassen, so daß aus dieser Provinz, die ehemals der Garten von Taheiti war, jetzt die ärmste Gegend der Insel geworden ist.
G. F.
. Allein, die Grausamkeiten der europäischen Truppen, die, so gleichgültig gegen ihren Nebenmenschen und so erpicht auf Beute, plündern, sengen und brennen, wo es nur angeht, sind Beweises genug, daß unser Welttheil hierin keinen Vorzug vor jenem hat. Die Einwohner von Borabora hatten vor unserer Ankunft die Inseln O-Raietea und O-Taha erobert und ans den Ländereyen einiger Einwohner, die aus gedachten Inseln entflohen waren, halten sich verschiedene Erihs und Krieger von der siegreichen Parthey niedergelassen; dies ausgenommen war alles im vorigen Stande geblieben. Den Königen der unterjochten Inseln hatte man nicht nur ieben und Freyheit, sondern auch einen Bezirk geschenkt, und ihnen alle Ehrenbezeugungen ihres vormaligen Standes gelassen. Die höchste Gewalt abgerechnet, hatten sie also wenig verloren. Giebt es wohl in Europa Beyspiele einer solchen Mäßigung? Gegen Fremde waren sie allerdings weniger gewissenhaft; denn, so strenge der Diebstahl unter ihnen geahndet wird, und so gut sie wußten daß sie Unrecht thäten, pflegten sie uns doch ohne Bedenken alles zu entwenden, was ihnen unter die Hände fiel. Indessen kann die Macht der Versuchung sie gewissermassen entschuldigen; denn für Kinder der Natur, wie sie sind, mußte der Reiz der Neuheit unserer Waaren unwiderstehlich seyn, und leicht alle Bedenklichkeiten überwinden. Gesetzt aber sie hätten sich besinnen können, so mußte ja für sie der Gedanke: – es sind nur Fremde; was haben sie hier in unserm Lande zu schaffen? sie haben ja des Dings so Viel! – im Augenblick der stärksten Versuchung mehr als hinreichend seyn, ihnen den Diebstahl gegen uns zu erlauben. Daß sie bey aller ihrer Gastfreyheit dennoch gegen Fremde zurückhaltender als gegen Einheimische sind, wird man ihnen hoffentlich nicht verdenken; auch haben sie diese Sitte mit allen Inselbewohnern gemein, bey denen die Kultur noch nicht den höchsten Gipfel erreicht hatSo hießen auch die Britten ehedem inhospirales Britanni. – Uebrigens ist der Vorzug den jede Nation ihren eignen Landsleuten vor andern giebt, nichtsweniger als Vor urtheil; er ist Gesetz der Natur. Allein die Aufklärung reißt Dornsträuche und Weinstöcke, Vorurtheile und Gefühle zugleich aus, und dann weicht die liebe Mutter Natur – den Franzosen. G. F. Unter dem Pöbel giebt es, auch in den Südländern, ungezogene Leute, die sich Grobheiten u. d. gl. erlauben. Ich habe bereits vorhin erwähnt, daß sie sich zuweilen mit den Fäusten schlagen, oder bey den Haaren raufen, sie bedienen sich auch noch ausserdem verschiedener Schimpfwörter, wie z. B. Tauna, Weheine- hwa-aturi, Aiya, Tahata-taiwa, Due-duai, Tahata-pipirri, u. v. m.

Unter die Folgen des Ueberflusses an Lebensmitteln und andern Dingen die das Leben versüssen, zählt man bey allen Völkern mit Recht eine Vermehrung der sinnlichen Begierden, deren Reiz immer stärker wird, und zuletzt über alle Schranken des Wohlstandes hinaus geht, wenn nicht zeitig Maaßregeln getroffen werden, ihm Einhalt zu thun. Der Reichthum der Societätsinseln, und vorzüglich der Insel Taheiti, welche von den benachbarten Insulanern durchgängig für die reichste anerkannt wird, hat natürlicher Weise auf ähnliche Art gewürkt. Anfangs, da man noch in jedem Erih einen Helden, oder einen ganz vorzüglich tapfern Kriegsmann verehrte, war vermuthlich ihre Anzahl noch gering. Allein, in einer so fruchtbaren Insel, wo diese oberste Klasse von Menschen das Vorrecht nichts zu thun, und sich vom Fette des Landes zu mästen, genoß, mußte in kurzer Zeit ihre Anzahl dergestalt anwachsen, daß der klügere Theil der Nation, die Regenten der Provinzen, und endlich der ganze Staat, ihre Menge der gemeinen Sicherheit für gefährlich hielten; eine Besorgniß, die vielleicht dadurch gerechtfertigt ward, daß dieser große Schwarm wohlgenährter Faullenzer schon wirkliche Unruhen zu erregen anfieng. Ihr Uebergewicht mochte um so viel furchtbarer seyn, je mehr man sich scheute bey dem Volke die Ehrfurcht für seine Oberhäupter zu vermindern, und doch befürchten mußte, gegen Leute, die auf ihre Leibeskräfte trotzten, ohne Gewalt nichts ausrichten zu können. Sie waren aber auch in einer andern Hinsicht der Wohlfahrt des Staates nachtheilig. Auf allen jenen Inseln, erzeigt man dem verheiratheten Frauenzimmer große Achtung, und gestattet ihnen einen gewissen Einfluß sowohl in öffentliche als in häusliche Angelegenheiten; ja, sobald der Erbe einer Familie gebohren ist, verliert gewissermassen der Vater selbst von seinem eigenen Ansehen. Bewegungsgründe genug für junge begüterte Männer von Range, den Ehestand zu hassen, und, statt dessen, die heftigen Naturtriebe, denen die wirksamere Sonne einen neuen Stachel lieh, auf eine leichtere und ungezwungnere Art zu befriedigen, und ein Geschlecht, welches von demselben Feuer brannte, zu verführen. Es gieng freylich auch hier mit dem Sittenverderb nur allmälig, nur von Stufe zu Stufe; in den früheren Zeiten konnten dergleichen Beyspiele von Ausschweifungen nicht anders als selten seyn. Indessen war das Uebel immer groß genug, um ein Gegenstand allgemeiner Berathschlagung zu werden. Waren Kinder die Folgen jenes Umganges zwischen unverheiratheten Personen, so war es nicht immer möglich den rechten Vater zu bestimmen, den sie beerben sollten, wenn gleich so viel ausgemacht blieb, daß sie von Erihs gebohren, selbst aus diesen Titel Anspruch hätten, und folglich eine Klasse von Menschen vergrößerten, die ohnehin schon viel zu zahlreich, zu mächtig und zu unruhig war. Die Provinzial-Erihs, und die verständigsten Männer im Volke, die, bey allen diesen bedenklichen Umständen, doch nicht in Abrede seyn konnten, daß eben diese Klasse ihrer Mitbürger als die tapfersten Krieger, nicht zugleich die wahren Beschützer des Staats wären, mußten endlich desto leichter auf den Gedanken gerathen, sie gleichsam in einen Orden zu vereinigen, worin ihnen, als den Vertheidigern des Vaterlandes, zwar die größten Vorrechte, und die größten Ehrenbezeugungen zugestanden, hingegen die Ehe, und aller vertraute Umgang mit dem Frauenzimmer untersagt werden sollten, damit eines Theils die häuslichen Freuden ihr Herz nicht ganz gewinnen, andern Theils aber auch durch wollüstige Ausschweifungen weder ihr kriegerisches Feuer gedämpft, noch der Körper entnervt werden mögte. Eine solche Gesellschaft, welche Errioy genannt wird, besteht in der That noch jetzt in jenen Inseln; doch ist sie von ihrer ursprünglichen Einrichtung etwas abgewichen. Es giebt dort keine Art des Vorrechts, worauf man sich mehr zu gute thut, als auf das Vorrecht eines ErrioyG. Forsters Reise, 2ter Band, S.. Sie sind durchgehends Krieger. Sobald ein fremder Errioy, aus einer andern Gegend oder Insel, sich sehen läßt, wird er, vom ersten Errioy der ihm begegnet, auf das freundschaftlichste empfangen; sie wechseln Kleider und andre Geschenke, und der Fremde wird mit unbegränzter Gastfreyheit bewirthet. Zu festgesetzten Jahrszeiten reisen die Errioys von einer Insel zur andern; bey diesen Gelegenheiten bringen sie den Tag mit Schmausen zu, wobey ein Ueberfluß der herrlichsten Speisen verpraßt wird, und die ganze Nacht hindurch ergötzen sie sich theils mit Musik und Tänzen, welche im höchsten Grade wollüstig seyn sollen, theils in den Armen einiger unzüchtigen Dirnen. Wir sahen an einem Tage mehr als siebenzig Kähne von Huaheine nach Raietea hinüberschiffen, worin an sieben hundert Personen beyderley Geschlechts, auf ein solches Fest reisten. Als wir bald hernach die Insel Raietea selbst besuchten, hatten sie bereits die östliche Küste, wo sie zuerst gelandet waren, verlassen, und befanden sich nunmehr auf der Westseite, wo jedes Haus gepropft voll Menschen lag, und überall eine Menge Speisen von den Weibern zubereitet ward; unter andern wurden bey diesen Feyerlichkeiten Fische, Hüner, Schweine und Hunde verzehrt. Des Nachts konnten wir vom Schiffe aus sehen, daß ihre Wohnungen erleuchtet waren, und sehr oft hörten wir auch die Trommeln, welche bey ihren dramatischen Tänzen gebraucht werden. In einigen Tagen wollten sich diese Errioys nach O-Taha verfügen, und von da erst nach Borabora hinüberschiffen, ehe sie an die Rückkehr dächten. Solchergestalt müssen über diesen Lustbarkeiten mehrere Wochen verstreichen. – Ihr ausschweifender Umgang mit dem andern Geschlecht mußte aber bisweilen die Folge nach sich ziehen, daß ihnen, wider die Absicht des Verbots, Kinder gebohren wurden, zumal seitdem einige Errioys so sehr ausgeartet sind, daß sie sich eine ordentliche Beyschläferin halten, ohngefähr wie die Mohamedaner eine Frau auf eine Zeitlang heirathenChardin, Voyages, Vol.2. p.261.263. de Pedit. in 12.1711. Amsterdam.. Die weise Absicht, der allzu starken Vermehrung der obersten Klasse Einhalt zu thun, würde folglich ohne ein zweytes Gesetz vereitelt worden seyn, vermöge dessen die etwanigen Kinder der Erioys, gleich nach der Geburt, ums Leben gebracht werden müssen. Boba der oberste Erih von O-Taha, war ein Errioy, und seine Maitresse Teinamai, die bey unserm zweyten Besuch auf jenen Inseln, schwanger von ihm war, erzählte uns selbst, daß ihr Kind im Augenblicke der Geburt erstickt werden müsse. Gewohnheit und Gesetze haben dieser unmenschlichen Handlung ihre Sanktion ertheilt. Völker, denen die Ausübung einer höhern Tugend, wie das Christenthum sie lehrt, ganz unbekannt ist, haben nur gar zu oft eine sittliche oder auch bürgerliche Tugend der Sicherheit des Staats, oder eingebildeten Uebeln, oder noch schlimmer, der Erhaltung eines kriegerischen Geistes, aufgeopfert. So schickten die Spartaner ihre Jünglinge aus, um Heloten zu ermorden, oder ihre Nachbaren zu bestehlen. Traurig ist es, daß dergleichen gräßliche Auftritte die Folgen des Ueberflußes und der Wollust, unter einem Volke sind, welches sonst so menschenfreundlich und gutmüthig ist.

Der Ueberfluß an Lebensmitteln hat in jenen Inseln noch eine andre nachtheilige Würkung auf die oberste Klasse, oder die Erihs, gehabt; ich meyne ihre bereits erwähnte Gefräßigkeit. Die Quantität von allerley Speisen, welche diese wohlgenährten Faullenzer verschlingen können, ist beynah unglaublich. Vermuthlich sind auch die verschiedenen Zubereitungen der Naturprodukte, nebst einigen Tunken, welche dort üblich sind, blos in der Absicht erfunden worden, um ihren Gaumen zu kitzeln, und die Eßlust noch mehr zu schärfen. Für eben diese Klasse von Menschen giebt es auch ein berauschendes Getränk, welches aus dem Saft und Aufguß einer Pfefferwurzel bereitet wird. So unterscheiden sie sich auch in ihrer Kleidung, haben eine ansehnliche Garderobe die an Eigenschaften und Farben der Zeuge verschieden ist; ja, sie wechseln oft damit um. Das feinste, weisseste und weichste Zeug ist die gewöhnliche Kleidung der vornehmsten Personen; und die Frauenzimmer dieser Klasse tragen ein Unterkleid von dünnen dunkelbraunem Zeuge, welches ganz mit wohlriechendem Kokosöl parfümiert ist. Auch kommt es den Vornehmeren allein zu, roth und gelb gefärbte Tücher zu tragen.

Die Trägheit der Vornehmen geht bisweilen sehr weit; denn, zu geschweigen, daß ihre Tautaus ihnen fast immer aufwarten, ihre Speisen zubereiten, ihnen Wasser holen, u. d. gl. so lassen sie sich auch bisweilen von ihnen füttern, oder das Essen in den Mund stopfen. Den ganzen Tag bringen sie mit Nichtsthun zu; denn abgerechnet daß sie sich zuweilen baden, liegen sie die meiste Zeit auf einer Matte hingestreckt, und den Kopf statt eines Kissens auf einen kleinen hölzernen Schemel gelehnt. Ihre ganze Arbeit besteht in Besuchen, die sie etwa bey ihren Freunden oder Verwandten ablegen, und in allerley Anschlägen ihre sinnlichen Begierden zu befriedgen. In dieser letzteren Absicht schwärmen sie auf ihrer Insel herum, und wissen fast auf eben die Art als die Einwohner gesitteter Länder, die Unschuld der schönen Jugend zu berücken. Hievon ist folgendes ein sehr auffallendes Beyspiel. Im Jahr 1774, als wir von O-Taheiti nach Huaheine und Raietea segelten, hatte sich ein Mädchen, welches auf der letzteren Insel zu Hause gehörte, mit uns in Taheiti eingeschift. So wie wir uns ihrer Insel näherten, äusserte sie einige Besorgniß, daß ihre Aeltern sie derb für ihre Unart züchtigen würden, indem sie ihnen vor anderthalb Jahren mit einem jungen ErrioyS. oben. entlaufen wäre. Dieser hatte sie in der Folge verlassen, so daß sie auf der Insel Taheiti, wo sie sich bey der Mutter des Erib Tutahah aufhielt, mit Verfertigung des Zeuges aus Maulbeerrinde, und durch den Umgang mit jungen Mannspersonen ernähren mußte. In der letztern Absicht war sie auch an Bord des Schifs gekommen, doch, nachdem sie sich mit ihren Aeltern ausgesöhnt hatte, begleitete sie die Errioys die nach O-Taha reiseten, und kam nach einigen Tagen wieder auf ihre Insel zurück.

Eine unschuldigere Sitte, welche unter diesen Insulanern ziemlich allgemein ist, ist das Reiben der ermüdeten Glieder, wenn man viel gegangen ist, oder irgend eine anstrengende Arbeit verrichtet hat. Theils verhindert dieses Reiben eine zu schleunige Erkältung, theils wird dadurch das Gleichgewicht zwischen den Muskeln, von denen einige immer mehr als andre angestrengt werden, wieder hergestellt, und der sonst ans jener Ungleichheit entstehende Krampf ebenfalls verhindert. Der ganze Körper gewinnt neue Stärke, und wird durch diese Operation so sehr erquickt, daß es meine Erwartung übertrafDie Chineser halten sehr viel auf eben diese Operation. S. Osbecks Reisen. (engl. Ausg. 1. 231.) Bekanntlich ist dieses Reiben auch in den Bädern der Morgenländer üblich, wo es so weit getrieben wird, daß der Operirte den Empfindungen die es erregt, beynah unterliegen muß. Ein Umstand, den mir Herr Lockyer, der Zahlmeister des Ostindischen Schiffs Ceres erzählte. S. G. Forsters Reise I. 353.. Wenn wir auf unsern botanischen Excursionen, nachdem wir einen beträchtlichen Weg zurückgelegt hatten, uns niedersetzten um auszuruhen, und einige Erfrischungen zu uns zu nehmen, so vergassen die Einwohner (der Societätsinseln und die von Taheiti) niemals unsere müden Aerme und Füsse zu reiben und sanft zu drücken, so wie sie, bey ähnlichen Gelegenheiten, sich unter einander eben diesen Dienst leisteten.

Ich darf diesen Abschnitt nicht schliessen, ohne von der Achtung zu sprechen, die man bey diesen verschiedenen Völkern dem andern Geschlechte bezeugt; denn der Werth den die Männer auf ihre Weiber setzen, hat auf ihre Kultur und Moralität großen Einfluß. Es ist allgemein wahr, daß, je tiefer ein Volk in Barbarey und Wildheit versunken ist, desto übler behandelt es das weibliche Geschlecht. Im Feuerlande müssen die Weiber die Miesmuscheln und Schnecken, als ihre vorzüglichste Nahrung, von den Felsen lesen. In Neuseeland müssen sie die Wurzeln der eßbaren Farrenkräuter (Pteris efculenta, und Polypodium medullare,) einsammlen, Essen kochen, den Flachs bereiten und Kleider daraus verfertigen, die Netze zum Fischen stricken, mit einem Worte, unaufhörlich arbeiten, indeß ihre gebieterischen Männer ihre Zeit meist mit Nichtsthun hinbringen. Doch dies sind ihre kleinsten Beschwerden; denn sie vertreten nicht nur die Stelle der Sklaven, sondern dürfen nicht einmal ihre unbändigen und muthwilligen Knaben in Gegenwart des Vaters züchtigen, wenn sie auch mit Steinen nach den Müttern werfen, oder sich gar unterstehen, dieselben zu schlagen. Sie sind, in den Augen des Wilden, blos zur Befriedigung seiner thierischen Triebe da; daher werden sie auch nicht besser als Lastthiere gehalten, und dürfen keinen eigenen Willen haben; ein unleugbarer Beweiß, von dem natürlichen Hange den schwächern zu unterdrücken, der bey Menschen, die bis zur Wildheit ausgeartet sind, die stärkste Triebfeder der Handlungen ist

Et Venus in sylvis jungebat corpora amantum,
Conciliabat enim vel murua quemque cupido,
Vel violenta viri vis atque impensa libido. LUCRET. 1.5.

Auf den Inseln Tanna, Mallikolo und Neukaledonien, ist das Schicksal der Weiber nicht viel leidlicher. Zwar haben wir nicht bemerkt, daß sie von ihren eigenen Kindern gemißhandelt wurden; allein Lastthiere blieben sie immer, denen das Schwerste und Mühsamste von allen häuslichen Arbeiten anheim fällt. Indessen lenkt die Vorsehung auch diese traurige Lage des andern Geschlechts, da wo sie statt findet, vielleicht zum Besten der ungesitteten Völker; vielleicht verursacht der Druck worin sie leben, daß die Entwicklung der Fähigkeiten, und Verstandskräfte bey ihnen zuerst anfängt. Ihre Nerven sind feiner und reizbarer, folglich macht alles um sie her einen lebhafteren und schnelleren Eindruck auf sie; die Eigenschaften und Verhältniße der Dinge begreifen sie am ersten, prägen sie ihrem Gedächtniße besser ein, und lernen daher leichter die Werke der Natur nachzuahmen, und auf ihre Bedürfnisse anzuwenden. Hiezu kommt noch, daß sie von Jugend auf dem Willen der Männer gehorsam seyn müssen, folglich den kühnen Schwung der Leidenschaften zu mäßigen gelernt haben; bey ihnen ist stilles Nachdenken, Sanftmuth und Bestreben zu gefallen, oder wenigstens nur leidliche Begegnung zu erhalten, an die Stelle brausender Hitze gekommen; und müssen diese nicht mit der Zeit den rauhen Wilden selbst erweichen, und ihn von einer Generation zur andern für die Morgenröthe der Kultur bereiten?

Barbarische Völker betrachten die Weiber als ihr Eigenthum; und dies gieng in Neuseeland so weit, daß Väter oder nahe Verwandte die Gunstbezeigungen ihrer Frauenzimmer an unsere Matrosen verhandelten. Wenn das schuldlose Opfer vom Vater in die finstern Gemächer des Schiffs geschleppt, und dort aller Thränen ungeachtet, der viehischen Begierde des Liebhabens übergeben ward, dann pflegten wir uns zu fragen, wer von beyden der ärgere Wilde sey? Die Unwissenheit alles dessen was Gesetz, ja was Gefühl heißt, entschuldigt am ersten die tyrannische Herrschaft des Barbaren über sein Weib. Wenn er ihr den Umgang mit andern Männern verbietet, und die Übertretung dieses Verbots mit grausamer Strenge bestraft, so ist nicht ein Begrif von Liebe und Zärtlichkeit, von Schamhaftigkeit oder Feinheit, – nein, blos der Begrif des Eigenthumsrechts ist schuld daran; denn aus eben dem Grunde liefert er selbst das Weib dem Fremden, so bald er ein Equivalent das ihm ansteht für jede Umarmung bekommen kann.

Auf O-Taheiti, den Societäts und freundschaftlichen Inseln, ungleichen auf den Marquesas, herrscht zwischen beyden Geschlechtern weit mehr billige Gleichheit und aus diesem einzigen Umstande erhellet schon, wie weit es diese Insulaner jenen Wilden und Barbaren in der Cultur zuvor gethan haben. Die Bildung der taheitischen Schönen, ihr holdes Lächeln, ihr sanfter und feuriger Blick, vereint mit aufgeweckter Laune, lebhaftter Einbildungskraft, mit ungewöhnlich reizbarem Gefühl, Sanftmuth und Gefälligkeit, mit Einfalt und Offenherzigkeit, dies alles macht schon Eindruck auf der Männer Herz, und sichert dem Frauenzimmer einigen Einfluß in öffentliche und häußliche Geschäfte. Wir fanden auch die Weiber in O-Taheiti allgemein geschätzt; sie kommen in alle Gesellschaften, und sprechen mit jedermann ohne Einschränkung; solchergestalt werden beyde Geschlechter an sanftere Sitten gewöhnt, und das Bestreben zu gefallen verfehlt selten seines Zwecks. Gesänge, Tänze, Scherz und laute Freude fesseln vollends den Jüngling, und so entstehen Bündnisse, die nur der Tod aufheben kann

– – – fuit haec sapientia quondam – – – – – – – concubitu prohibere vago, dare jura maritis.
HOR. in ART. POET.

Bey den großen Schritten zur Vervollkommung welche diese zuletzt angeführten Insulaner bereits gethan haben, ist es merkwürdig daß noch ein Zug übrig geblieben ist, der von einer ehemaligen schlechteren Behandlung des andern Geschlechts zu zeugen scheint. Alle jene Völker, die das weibliche Geschlecht zur Arbeit verdammen, zwingen auch ihre Weiber von ihren Herren abgesondert zu essenLabat sahe einen Neger allein speisen, und erst nachdem er satt war, seinem Weibe und Kindern erlauben sich ebenfalls zu sättigen. Valentyn bemerkte ebenfalls, daß die Weiber in Amboyna ihren Männern währender Mahlzeit aufwarten, und hernach allein essen. Die Wilden in Guiana lassen ihre Welber auch nicht mit essen, und bey den Karalben dürfen sie nicht einmal in Gegenwert ihrer Männer essen. Labat, voy. en Amerique. . Eben dieser Gebrauch ist auch bey den Tahetiern, und den Einwohnern der benachbarten Inseln, allgemein eingeführt, ohne daß man einen andern Grund als das Herkommen, dafür anzugeben wußte.

Unter den Völkern der Südländer ist die Monogamie, so weit wir bemerken konnten, allgemein üblich. Es gab zwar Beyspiele unter den Vornehmen, daß einer einen Liebesroman mit einem von den vielen Mädchen spielte, die allzeit bereit waren solche Anbeter zu befriedigen: allein, daß ein verheirathetes Frauenzimmer die Ehe gebrochen hätte, habe ich nie gehört. Es möchte manchem auffallen, daß, da die Vielweiberey, theils in heissen Ländern, theils unter Barbaren die ihre Weiber als eine Waare ansehen, im Schwange geht, – daß sage ich, die Polygamie, demohngeachtet, weder in den Societätsinseln, wo das Klima so heiß, der Luxus bereits so hochgestiegen, und die Einwohner zugleich so wollüstig sind, noch in Neuseeland, und den westlicher gelegenen Inseln, wo man die Weiber weniger schätzt, üblich ist. Allein diese Ausnahme gründet sich theils auf die sanfteren Sitten des weiblichen Geschlechts in diesen Inseln, theils auch auf das gleiche Verhältniß welches dort zwischen der Anzahl von Personen von beiden Geschlechtern statt findet, und endlich auf die geringe Schwürigkeit sich von einer Frau scheiden, und eine andere heirathen zu können. Von dergleichen Ehescheidungen wurden uns mehrere Beyspiele bekannt. O-Ammo, der Gemahl der berühmten O-Purea (Oberea) hatte, da wir Taheiti besuchten, eine andere Gemahlin; und die Geschichte sagt, daß es der O-Purea ebenfalls nicht an Leuten gefehlt habe, die den Ehemann bey ihr spielten. Potatau hatte Wainiau geheirathet, und seine erste Frau Polatehera von sich gelassen, die nunmehr mit einem Erih, Namens Maheine, aus Raietea, lebte.

Um aber auf die Monogamie zurück zu kommen, so muß ich gestehen, daß das gewöhnliche Argument für dieselbe, nämlich die Behauptung, daß von Kindern männlichen und weiblichen Geschlechts eine fast gleiche Anzahl geboren werden, meines Erachtens bey weitem noch nicht erwiesen ist; ich meyne, daß jenes übereinstimmende Verhältniß nicht in allen Ländern und Himmelsstrichen statt findet. Vielmehr scheint es ausgemacht, daß, z. B. in Afrika, das Klima, die Nahrung und das uralte Herkommen der Vielweiberey, durch die Länge der Zeit eine beträchtliche Ungleichheit zwischen der Zahl der Manns- und Frauenspersonen zuwege gebracht habe; dergestalt, daß jetzt gegen einen Knaben wahrscheinlich etliche Mädgen geboren werden. Bey Thieren hat man schon die Anmerkung gemacht, und wahr befunden, daß das Junge, mit dem stärksten und hitzigsten der beiden Aeltern, einerley Geschlechts ist, daß z. B. ein hitziger Hengst, in seinen besten Jahren und in voller Kraft, mehr männliche als Stut-Füllen zeugt, im Gegentheil aber, daß die Stut-Füllen zahlreicher fallen, wenn der Hengst nicht so hitzig als die Stuten, und durch öfteres Bescheelen erschöpft ist. Wendet man diese Beobachtung auf den jetzigen Zustand von Afrika an, so findet man offenbar, daß die Männer, durch die daselbst übliche Vielweiberey, im äußersten Grade entnervt seyn müssen; die Weiber hingegen, denen ein Theil der ehelichen Pflicht entzogen wird, desto feuriger bleiben, mithin nothwendigerweise mehr Mädchen als Knaben geboren werden müssen. Dieses Raisonnement ist durch Thatsachen aufs vollkommenste bestätigt; indem alle Reisende einstimmig bekennen, daß die Polygamie oder Vielweiberey bey allen afrikanischen Völkern durchgehends üblich istOldendorp (in den Nachrichten der Mährischen Mission auf den Caraibischen Inseln, St. Thomas, St. Croir und St. Johannes, Barby 1777 8. S. 293 des ersten Theils) sagt: die Polygamie ist bey allen Stämmen der afrikanischen Neger eingeführt; nur die von Kongo, welche getauft und im Christenthum unterrichtet sind, begnügen sich mit einem Weibe. Lord Kaimes aber (in seinen Sketches of the history of man I. 197) behauptet, daß die Vielweiberey unter den christlichen Einwohnern von Kongo eben so wie bey den heidnischen im Schwange geht. An ein einziges Weib gebunden seyn, hält der eifrigste Christ daselbst für etwas höchst unvernünftiges; und ehe er sich so einschränken liesse, würde er lieber dem Christenthum entsagen.; und kein einziger Schriftsteller merkt an, daß es auch Männer gebe, die deswegen ganz leer ausgiengen; vielmehr heißt es, daß ein jeder Mann eine oder mehrere Frauen hatBosmans Beschreibung der Küste von Guinea S. 180. 181., wo er noch ausdrücklich bemerkt, daß die Anzahl der Frauenspersonen die der verheiratheten Weiber weit übersteigt.. Wenn ein Volk bey dem die Polygamie im Schwange ist, an einweibige Nationen gränzt, so bleibt der Fall möglich, daß die überzähligen Weiber, die jenes Volk braucht, theils mit List, theils mit Gewalt, oder durch den Handel, von den Nachbaren geholt werden können; allein, dieser Ausweg findet in Afrika nicht statt, denn dort ist die Vielweiberey bey allen Völkern durchgehends eingeführt, mithin muß ohnfehlbar eine größere Anzahl von Mädgen als von Knaben gebohren werden.

Unter den Colonisten am Cap der guten Hofnung, die nur eine Frau heirathen, bemerkte ich gleichwohl, daß die Zahl der Kinder weiblichen Geschlechts, sowohl in der Stadt als auf dem Lande, bey weitem die stärkste war. Klima und Nahrung können vielleicht etwas dazu beytragen; allein die Hauptursach ist wohl in den Ausschweifungen der Jünglinge zu suchen. So viele Sklavinnen aus Madagaskar, Bengalen, Java, den Moluckischen Inseln, und von der Küste von Papua, geben Veranlassung zu einem frühzeitigen, unordentlichen Umgange, der die Männer, noch vor der Ehe, erschöpft. Kein Wunder also wenn die Töchter der Colonie, unter dem milden Einfluß des Klima, bey der gesunden reichlichen Nahrung, und der Ruhe von allen anstrengenden Beschäftigungen, deren sie genießen, ein stärkeres Temperament behalten und deshalb in der Ehe wieder Töchter gebären. – Auch in Schweden will man in den späteren Jahren unsers Jahrhunderts mehr weibliche als männliche Geburten gezählt haben. – Im Königreiche BantamLord Kaimes Sketches of the history of. Man.I 179., sollen gar zehn Mädgen gegen einen Jungen geboren werden. Alles bisher angeführte beweiset wenigstens, daß man billig mehr Beobachtungen über diesen wichtigen Gegenstand anstellen müßte. In unserm Welttheil ist jenes Verhältniß ganz anders, denn die genauesten europäischen Sterbelisten beweisen, daß die Anzahl der männl. und weibl. Geburten, sich im Ganzen beynahe gleich ist, ja daß auf hundert weibliche, hundert und fünf männliche Geburten gezählt werden müssen. In Asien ist eine solche Berechnung noch nicht angestellt worden. Vielleicht hat in der That die üble Gewohnheit mehrere Weiber zu nehmen, nach einem langen Zwischenraum von Jahrhunderten, die Ordnung der Natur in jenen heißen Ländern umgekehrt, indem die Männer immer mehr und mehr an Kraft verloren haben. So wäre also die Monogamie für einen Welttheil, und für einen andern die Polygynie nothwendig geworden.

In Ostereiland herrscht, aller Wahrscheinlichkeit nach, die Vielmännerey (Polyandrie). In den ältesten Zeiten, hat man von den medischen Weibern behauptet, daß sie mehrere Männer zu gleicher Zeit gehabt hätten, und daß eine, die nur fünf Ehemänner hatte, noch übel weggekommen wäreStrabo Geogr. L. XI. p. m. 362.. Unter den alten Britten hielten zehn bis zwölf Männer zusammen nur eine FrauCaesar de bello Gall. Lib. V.. An der Küste von Malabar haben die Damen von Stande die Freyheit so viel Männer, als sie immer wollen, zu heirathenDellon's Voyage part.I CHAP. XXXII.. Im Königreiche Tibet, vereinigen sich, den neuesten Nachrichten zufolgeIn den Philos. Transact., mehrere Männer, besonders aber Brüder oder Verwandte, um gemeinschaftlich eine Frau zu unterhalten; sie schützen dabei vor, daß es in ihrem Lande an Frauenspersonen fehle. So seltsam und wiedernatürlich diese Gewohnheit seyn mag, so gewiß existirt sie doch, und hat vermuthlich mehrere Localursachen zum Grunde. Die Zahl der Weiber muß in den an Schina, Indien und die Bukarey angränzenden ländern abnehmen, denn sie werden dort in großer Anzahl entführt, weggestohlen, oder verhandelt. Zuletzt bleibt den Männern nichts übrig, als sich zur Polyandrie zu bequemen. Die Osterinsel hatte, da sie 1722 von Roggewein zuerst entdeckt ward, viele tausend EinwohnerDalrymple's Collection of Voyages. Vol. II. p.91. et 112. Im Jahr 1770 fanden die Spanier dort ohngefähr 3000 SeelenDalrymple's Letter to D. Hawkesworth. London. 410. 1773 pag.34, wir hingegen, im Jahr 1774, kaum 900Capt. Cook's Voyage towards the Southpole and round the World Vol.I.p. 289, sagt: »die Einwohner dieser Insel scheinen sich auf nicht mehr als sechs bis siebenhundert Seelen zu belaufen, und über zwey Drittheile von denen, die wir zu Gesicht bekamen, waren männlichen Geschlechts.« Die Disproportion zwischen beyden Geschlechtern war gewiß weit beträchtlicher. Capt. Cook war damals kränklich und schwach, und begleitete daher die Parthey, welche die ganze Insel durchwanderte nicht selbst. Ich bin überzeugt, daß sie in ihren Häusern keine Weiber versteckt hatten, und eben so überzeugt, daß ich nicht über fünfzig Weiber in allem gesehen habe. Da diese Insulaner nichts weniger als eifersüchtig sind, so ist es schlechthin unwahrscheinlich, daß sie ihren Weibern etwa verboten haben sollten, während unserer Anwesenheit zum Vorschein zu kommen.. Diese allmälige Verminderung der Einwohner ist auffallend; noch auffallender aber war es, daß wir unter diesen 900 in allem nicht mehr als 50 Weibspersonen sahen; folglich die Zahl der Weiber gegen die Männer auf dieser Insel sich wie 17 zu 1 verhielt. Dieses seltsame Verhältniß, muß, meines Erachtens, erst kurz vor unserer Ankunft entstanden seyn, weil sonst in kurzer Zeit beide Geschlechter durch den Tod wieder ins Gleichgewicht würden gebracht worden seyn. Die Insel hat auch in der That die unleugbarsten Spuren aufzuweisen, daß unterirrdische Feuer und Erdbeben ehemals heftige Veränderungen auf derselben angerichtet haben müssen, und eben dadurch mag denn die Menge der sonst zahlreichern Einwohner vermindert worden seyn. Was mich zu dieser Vermuthung noch mehr berechtigt, ist, daß Capitain Davis, im Jahr 1687, nicht fern von dieser Insel, zur See ein heftiges Erdbeben verspürte. Auch in O-Taheiti sind Erderschütterungen wenigstens bekannt, und man nimmt sogar eine eigne Gottheit, Nahmens Mauvi an, welche die Aufsicht und Verwaltung darüber haben soll. Wie es aber zugegangen, daß durch ein Erdbeben auf der Osterinsel das weibliche Geschlecht so besonders vermindert worden sey, das läßt sich leicht aus der jetzigen Bauart der Einwohner erklären, die sehr oft ihre Wohnungen unter der Erde anlegen, und selbige blos mit losen, über einander gelegten Steinen unterstützen. Ereignete sich nun ein heftiges Erdbeben zu einer Zeit am Tage, da viele Männer ihrer Geschäfte wegen im Freyen waren, so wurden, durch den plötzlichen Einsturz ihrer armseligen Hölen, nur die Weiber verschüttet, und die wenigen, die etwa damals auf dem Felde waren, allein gerettet, um Mütter einer künftigen unglücklichen Nachkommenschaft zu werden. Es ist wahrscheinlich, daß diese wenigen Weiber jetzt viele Männer hatten; daher trugen sie auch an Bord unsers Schiffs kein Bedenken, ihre Gunstbezeugungen mehreren Liebhabern nacheinander zu gestatten. Wofern dieser zügellose Umgang mit allerley Männern die Fortpflanzung nicht gänzlich aufhebt, so mögte man hier gerade das Gegentheil, von dem was in Afrika geschieht, zu gewarten haben, und die Zahl der männlichen Geburten dürfte die der weiblichen weit übersteigen. Allein, man weiß es bereits aus dem Beyspiel der unglücklichen Geschöpfe, die sich in unsern Gegenden der sittenlosen Menge überlassen, daß die Absicht der Natur dadurch vereitelt wird.

Die südländischen Völker leben also, bis auf die Einwohner von Ostereiland, in der Monogamie, ohnerachtet sie von indianischen Stämmen entsprossen sind, bey denen fast durchgehends die Vielweiberey eingeführt ist. Ein sicherer Beweis, daß die, der Natur und den Wegen der Vorsehung gemäße Monogamie, unter jenen Insulanern nicht durch besondere Weisheit oder durch ein tugendhaftes Gefühl bey ihnen eingeführt worden ist; sondern, daß die ersten Ankömmlinge wahrscheinlich aus einer gleichen Zahl von Männern und Weibern bestanden, die sich in eben diesem Verhältnis vermehrten, welches letztere auch, auf einer kleinen Insel, ohne Gewaltthätigkeiten nicht auszuarten pflegt. Wer, bey so bewandten Umständen dieses Verhältniß überschreiten, und mehrere Weiber heirathen wollte, der würde die Rechte anderer Männer dadurch beeinträchtigen und ein solches Vergehen wider den Staat könnte, auf einer kleinen Insel, nicht lange ungeahndet bleiben.

Vor der Ehe, sind die jungen Mädchen in O-Taheiti und den nahgelegenen Inseln, eben nicht sehr gewissenhaft im Umgang mit ihren Liebhabern. In andern Ländern wäre die geringste Zweydeutigkeit dieser Art hinreichend, sie auf immer aller Aussicht zu berauben; dort hingegen denkt man anders. Ist ein Kind die Folge, so wird aus einem Liebeshandel eine ordentliche Ehe; wo nicht, so fällt doch auf das Mädgen kein Vorwurf, sondern sie ist, nach wie vor, eine annehmliche PartieDie Ausschweifungen dieser Art sind doch wahrscheinlich nicht so allgemein, wie man aus dem obigen vielleicht vermuthen dürfte. Wenn man die niedrigste Classe der Tautaus ausnimmt, die vielleicht dergleichen Gunstbezeugungen ihren Vornehmen nicht versagen dürfen, und allenfalls unter diesen noch die Mädgen abrechnet, die sich zu der wollüstigen Erriuysgesellschaft schlagen, so möchte bey den übrigen, ohne Bewilligung der Eltern, der Umgang zwischen jungen Leuten nicht so leicht statt finden. Daß sich Personen von Stande, (wie wir sie nennen würden,) mit unsern Reisegefährten auf einen vertrauten Umgang eingelassen hätten, ist, alte Weiber abgerechnet, ohne Beyspiel.
– – – – – Iam proterva
Fronte petet Lalage maritum dilecta.
Horat.
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Nach vollzogener Heirath aber halten eben diese Personen, mit unbestechlicher Treue und Keuschheit, auf ihre Pflicht.

Zum Beschluß dieses Abschnittes muß ich noch eines hieher gehörigen seltsamen Umstandes erwähnen. Als wir uns zum zweitenmale in Raietea aufhielten, besuchte uns Boba, der oberste Erih von O-Toha, fast täglich. Einst, als er an Bord unseres Schiffes war, und seine Schwestern in einem Kahne ebenfalls auf das Schiff zu steuern sahe, zeigte er mir die jüngste, und verlangte, ich möchte, wenn sie aufs Verdeck käme, zu ihr sagen: Weheine-puwa, dies that ich, ohne zu wissen, was die Folge seyn könnte; sogleich hob die ältere Schwester der jüngeren die Kleider auf, und zeigte, daß sie - mannbar wäre. Nachdem sie diese Ceremonie zwey bis dreymal wiederholt hatte, wollte sie es nicht noch einmal thun. Ich erkundigte mich hierauf genauer nach der Bedeutung dieser Handlung, konnte aber nur soviel erfahren, daß es auf diesen Inseln eine Art von Unehre sey, noch nicht mannbar zu seyn, (oder wenn man es ist, nicht dafür gehalten zu werden). Sobald nun die Zeichen der Mannbarkeit vorhanden sind, müssen sich alle Mädgen zu einer äusserst schmerzhaften Operation bequemen, und breite, bogenförmige Streifen auf den Lenden einpunktiren oder tattauiren lassen. Diese schwarze Streifen werden als Ehrenzeichen angesehen; vielleicht weil es ein Vorzug ist, zur Fortpflanzung, tüchtig zu seyn. Wirft man daher einem Mädchen vor, daß sie diese Zeichen noch nicht besitze, so leidet es ihre Ehre nicht, den Spötter bey seiner irrigen Meynung zu lassen. Er muß durch den Augenschein überführt werden. Den Ursprung dieser seltsamen Gebräuche konnte ich nicht ergründen: begnügte mich also, vor der Hand, die Sache selbst wenigstens aufzuzeichnenBey den Thraziern pflegte man über die Keuschheit der Jungfern eben nicht sehr zu wachen, vielmehr stand es ihnen frey, ihre Umarmungen zu gestatten, wem sie wollten. Dagegen bewachten sie ihre Weiber mit desto größerer Strenge, den diese hatten sie von ihren Eltern theuer erkauft. Punktirt seyn, war bey ihnen ein Zeichen des Adels, und nur der niedrige Pöbel war unpunctirt.
HERODOT. Lib. V. c. 6.
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