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Gusow jetzt

Alles in Gusow, oder doch alles Beste, was es hat, erinnert an den alten Derfflinger: Schloß, Park, Kirche.

Das Schloß, architektonisch weder schön noch eigentümlich, besteht aus einem corps de logis und zwei langen, rechtwinklig vorspringenden Flügeln, die nun einen Schloßhof bilden. Ein breiter Graben umgibt den Bau nach allen vier Seiten hin, der, mit Hülfe dieser Wassereinfassung, wie auf einer künstlichen Insel liegt. Zwei Brücken führen hinüber. Die Hinterfront gewährt einen Blick in die weiten Anlagen des Parks.

Das Innere, soviel ich in Erfahrung bringen konnte, bietet nichts, was in die Derfflinger-Zeit zurückreichte, vielleicht mit Ausnahme zweier in der Vorhalle postierten Falkonetts. Ein Portrait des Feldmarschalls ist neueren Datums und aus der kunstgeübten Hand eines Mitgliedes der Schönburgschen Familie hervorgegangen. Es ist ein Derfflinger zu Pferde, als Pendant zu einem Friedrich von Derfflingerschen Reiterbilde, das sich noch aus alter Zeit her im Schlosse vorfand. Derfflinger-Portraits befinden sich im Potsdamer Stadtschloß, im Feldmarschallssaal des Kadettenhauses und im Besitz Seiner Kaiserlich-Königlichen Hoheit des Kronprinzen. Ein viertes (ebenfalls ein Derfflinger zu Pferde) befand sich in der Spandauer Straße, im »Pötterschen Hause«, Ecke der Parochialstraße. Graf Lippe, dem ich diese Notiz entnehme, spricht die Vermutung aus, daß es aus dem Stadtschlosse des Feldmarschalls Freiherrn von Sparr, der in der genannten Straße ein jetzt zum Hauptpostamt gehöriges Haus besaß, hierher gelangt sein könne. Neben diesen Ölbildern kommen ein im Kupferstichcabinet befindlicher Stich und eine vom kurfürstlichen Medailleur Höhn herrührende, schon erwähnte Medaille in Betracht. Sie wird in der Königlichen Medaillensammlung aufbewahrt und wurde vom Historienmaler Professor Kretschmer für sein bekanntes Ölgemälde »Landung des Großen Kurfürsten auf Rügen« benutzt. Der weiße Dragonerrock Derfflingers befindet sich im Königlichen Zeughause.

Der Park ist ungewöhnlich groß und neben den schönsten Baumpartien auch reich an jenen gepflegten Rasenplätzen, die die Engländer »Lawn« nennen. Der alte Derfflinger, dem Gusow, wie so vieles andere, auch diesen Park verdankt, war besonders darauf aus, südliche Bäume, Zedern und Zypressen, großzuziehen. Die Zedern, wohl zwanzig an der Zahl, bilden eine Parkpartie für sich, die den Namen »Libanon« führt. Die Hauptzierde aber ist eine mehr denn sechzig Fuß hohe Zypresse, von der es heißt, daß sie der schönste derartige Baum in den Marken sei, ein Prachtstück, das König Friedrich Wilhelm IV. vergeblich bemüht war für Sanssouci zu erwerben. Nach meiner botanischen Kenntnis ist es übrigens keine Zypresse, sondern ein Taxodium.

Die Kirche geht in ihren Anfängen weit zurück, Derfflinger aber erweiterte und renovierte sie, und zwar von 1666 bis 1670, nach dem Tode seiner zweiten Frau, »seiner seligen, hochadligen, herzliebsten Barbara Rosine von Beeren«, wie wir einer hinter dem Altar befindlichen Inschrift entnehmen können. Diese Inschrift lautet:

»Der Fürstlichen Durchlaucht von Brandenburg Geheimer Kriegsrat, Statthalter in Pommern, Generalfeldmarschall, Obergouverneur über alle Dero Festungen und Oberster zu Roß und Fuß, ich, George Freiherr von Derfflinger, Herr auf Gusow, Platkow usw., als Patronus dieser Kirche, habe dem lieben Gott zu Ehren Anno 1666 angefangen, nach dem Tode meiner seligen hochadligen Ehehälfte Barbara Rosina von Beeren, diese Kirche, welche vor diesem sehr klein, unsauber und unordentlich war, aus meinen eigenen Mitteln zwanzig Schuh ins Best So find ich in dem Derfflinger-Aufsatze Graf Lippes, der seinerseits eine beglaubigte Kopie Pastor Baltzers in Gusow benutzte. Weshalb ich mir auch keine Änderung erlaubt habe. Täuscht mich indessen mein Gedächtnis nicht, so muß es heißen: zwanzig Schuh ins Licht zu verlängern.. Ein Gebäude hat soundso viel Fuß »im Lichten«, im Gegensatz zu dem Gebäudebrutto, wo die Dicke der Mauer mitgerechnet wird. zu verlängern, und ein Begräbnisgewölbe, neuen Altar, Kanzel, Chöre, Fenster, Türen, Leichenhalle und Stühle, alles neu verfertigen lassen, und ist solcher Kirchenbau mit der Malerei vollends Anno 1670 geendigt worden. Pfarrer ist zu dieser Zeit Salomon Sannovius, aus Münchberg bürtig. Gott erhalte diese Kirche und behüte sie vor Krieg und Feuersbrunst, und gebe, daß sein heiliges Wort darin lauter und unverfälscht gepredigt und die heiligen Sakramente nach Christi Einsetzung administrieret werden bis zum lieben Jüngsten Tag.«

Rechts und links vom Altar befinden sich Kirchenstühle mit den Wappen folgender Familien: von Schapelow, von Berfelde, von Rilicher, von Promnitzer, von Stosch, von Haubitz, von Loeben, von Hacke, von Redern, von Schulenburg, von Roebel, von Wenkstern. An andrer Stelle die Kriegs- und Gedenktafeln.

Von eigentlichen Sehenswürdigkeiten innerhalb der Kirche verbleiben noch das Grabmonument und das Grabgewölbe.

Das Grabmonument – ein trophäenartig aufgebautes Epitaphium – wurde durch Friedrich von Derfflinger dem Andenken seines Vaters errichtet. Es hebt sich von einer gemalten Wappendecke ab und muß ehedem sehr prächtig gewesen sein. Den Mittelpunkt bildet ein Steinsarkophag, in dessen flacher Vertiefung der Derfflingersche Feldmarschallsstab liegt. Er ist, wurmstichig, in zwei Teile zerfallen; an beiden Teilen der Sammet abgerissen und nur die vergoldeten Nägel noch sichtbar, die früher den Sammet hielten. Über dem Sarkophag erhebt sich die schon erwähnte Derfflinger-Büste: ausdrucksvolles Gesicht; ziemlich mager; die einzelnen Teile, mit Ausnahme der prononcierten Nase, eher klein als groß. Dazu langes, lockiges Haar und kleiner Schnurr- und Kinnbart. Einiges, das hierin von Paulis auf Seite 197 gegebener Schilderung abweicht, ist auf den Unterschied der Jahre zurückzuführen. Über der Büste ein schwebender Engel, dessen rechte Hand leider abgebrochen ist. Unter dem Sarkophage die Grabschrift, die neben Namen, Titel, Würden und Besitzungen zugleich auch Zeit und Ort seiner Geburt und seines Todes gibt. – Dies ist das eigentliche Epitaphium. Zu seiner weiteren Dekoration dienen zwei Standarten, die, divergierend gestellt, nach rechts und links hin über den Sarkophag hinausragen. Beide sind von gleicher Beschaffenheit: die blauseidenen Fahnentücher mit Fransen und Quasten geschmückt. Ihr Emblem besteht in einem nach außen gerichteten Arm, der ein Schwert führt, und darunter eine Flamme. Am oberen und rechtsseitigen Rande liest man in großen lateinischen Buchstaben: »Agere aut pati fortiora.« Nach allem ist anzunehmen, daß es Dragonerstandarten waren, vielleicht von Derfflingers eigenem Regiment. Über ihre brandenburgische Zugehörigkeit lassen die metallenen Fahnenspitzen keinen Zweifel. Die eine zeigt in zierlich durchbrochener Arbeit einen einköpfigen Adler mit der kurfürstlichen Krone, die andre die Chiffre F. III. (Friedrich III.) und darüber die gleiche Krone.

Das Grabgewölbe Derfflingers befindet sich unter dem Altar. Eine Falltür führt hinab, aber sie pflegt sich keinem Besucher mehr zu öffnen. Diese Maßregel wurde nötig infolge von Unbilden, denen die irdischen Überreste des alten Helden durch viele Jahre hin ausgesetzt waren. Er lag, so hört ich, ein volles Jahrhundert lang in seiner Gruft, ohne daß sich Freund oder Feind um ihn gekümmert hätte. Erst als vor vierzig oder fünfzig Jahren der Sinn für das Heimische lebendig zu werden begann, kamen Reisende von nah und fern, die den alten Derfflinger sehen wollten. Ja, mit der Zeit wurd es Mode, neben dem schönen Gusower Park auch die Gruft des alten Feldmarschalls zu besuchen. Eine Mischung von Frivolität und Kuriositätenkrämerei fing an ihr Spiel zu treiben, und eh ein Dutzend Jahre um war, lag der alte Feldmarschall, wie von Kroaten geplündert, in seinem halb erbrochenen Sarge, nur noch mit zwei großen Reiterstiefeln angetan, die man ihm wohl oder übel gelassen hatte. Dagegen mußte schließlich Remedur geschafft und der Sarg vor profaner Neugier oder Schlimmerem geborgen werden. So wurde denn der Tote samt der zerbrochenen Sargkiste, darin er lag, in einen schweren Eichensarg gesetzt und der Deckel ein für allemal geschlossen. (Nach Aussagen solcher übrigens, die bei dieser Umbettung ihn sahen, wäre seine frühere Kleidung: einfaches Wams und schwarze Hosen, noch sehr wohl erkennbar gewesen.)

Mit Worten Paulis aber, des ersten Derfflingerschen Biographen, nehmen wir Abschied von unsrem Helden: »Er erreichte das höchste Alter in höchsten Ehren. Das Alter allein hat keinen Anspruch auf unsere Ehrerbietung, aber wo wir Weisheit und den Sieg der Vernunft über Leidenschaft und Vorurteil mit ihm gepaart finden, da wird es uns ehrwürdig und liebenswert. Alles dies verband Derfflinger mit einer ungeheuchelten Gottesfurcht. Er unterhielt dieselbe durch Johann Arnds ›Wahres Christentum‹, das er sich fleißig vorlesen ließ. Unschuld und fromme Sitte bereiteten ihn sein Leben lang auf jenen Augenblick des Todes vor, der ein Schrecken der Gottlosen, aber die Zuversicht und der Frieden der Frommen ist.«


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