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6. Glaube und Liebe

 

»Der stärkste Einwand gegen die Existenz eines absoluten Gottes, der die Welt fortdauernd beeinflusst, liegt in der Existenz des Priesters«.

Weimaranus.

 

Religion – im eigentlichen, nicht im Sinne des Kirchenglaubens – ist von Liebe nicht zu trennen: das religiöse Gefühl und das Gefühl der Liebe sind letzten Grundes gleichen Ursprungs. Wie wenig die Papstkirche mit der Religion zu tun hat, wie sehr sie der Gesinnung Hohn spricht, die in den Evangelien niedergelegt und in dem Christus verkörpert ist, den sie als ein Wesen von Fleisch und Bein betrachtet und als ihren Gründer erklärt und dessen Bild sie in allen ihren Tempeln aufhängt und auf all ihre Altäre stellt, beweist die Entscheidung des Tridentiner Konzils:

»Wenn jemand behauptet, dass der kein Christ sei, welcher Glauben ohne Liebe hat, so sei er verflucht.« Sess. VI. de justif. can. 28.

Das kommt, da die Kirche doch an die historische Existenz Christi glaubt, oder diesen Glauben wenigstens predigt, einer Verfluchung des Heilands gleich. Richtig an diesem Satz und darum besonders hervorzuheben ist, dass kirchlicher Glaube und Liebe sich nicht gegenseitig bedingen, – ja sie heben sich sogar auf. Hören wir Feuerbach:

»Im Glauben liegt ein böses Prinzip.« Das Wesen des Christentums, S. 347.

»Wesentlich verurteilt, verdammt der Glaube.« (347)

»Der Glaube ist wesentlich intolerant – wesentlich, weil mit dem Glauben immer notwendig der Wahn verbunden ist, dass seine Sache die Sache Gottes sei, seine Ehre die Ehre Gottes.« (350)

»Der Glaube hebt die naturgemässen Bande der Menschheit auf: er setzt an die Stelle der allgemeinen, natürlichen Einheit eine partikuläre.« (348)

»Der Glaube ist das Gegenteil der Liebe. Die Liebe erkennt auch in der Sünde noch die Tugend, im Irrtum die Wahrheit. Nur seit der Zeit, wo an die Stelle der Macht des Glaubens die Macht der naturwahren Einheit der Menschheit, die Macht der Vernunft, der Humanität getreten, erblickt man auch im Polytheismus, im Götzendienst überhaupt Wahrheit oder sucht man wenigstens durch menschliche, natürliche Gründe zu erklären, was der in sich selbst befangene Glaube nur aus dem Teufel ableitet. Darum ist die Liebe nur identisch mit der Vernunft, aber nicht mit dem Glauben; denn wie die Vernunft, so ist die Liebe freier, universeller, der Glaube aber engherziger beschränkter Natur. Nur wo Vernunft, da herrscht allgemeine Liebe; die Vernunft ist selbst nichts andres als die universale Liebe. Der Glaube hat die Hölle erfunden, nicht die Liebe, nicht die Vernunft. Der Liebe ist die Hölle ein Greuel, der Vernunft ein Unsinn.« (353)

»Der Glaube geht notwendig in Hass, der Hass in Verfolgung über, wo die Macht des Glaubens keinen Widerstand findet, sich nicht bricht an einer dem Glauben fremden Macht, an der Macht der Liebe, der Humanität, des Rechtsgefühls. Der Glaube für sich selbst erhebt sich notwendig über die Gesetze der natürlichen Moral.« (356)

»Die Liebe des Glaubens ist nur eine rhetorische Figur, eine poetische Fiktion des Glaubens – der Glaube in Ekstase. Kommt der Glaube wieder zu sich, so ist auch die Liebe dahin.« (362)

» Nicht dem christlichen Glauben, nicht der christlichen, d. h. der durch den Glauben beschränkten Liebe, nein! dem Zweifel an dem christlichen Glauben, dem Sieg der religiösen Skepsis, den Freigeistern, den Häretikern verdanken wir die Toleranz der Glaubensfreiheit.« (435)

Auf einen besonders eindrucksvollen Beweis dafür, dass Glaube und Hass sehr nahe Verwandte sind, weist Nietzsche in seiner Genealogie der Moral hin: »Dante hat sich«, sagt er, »wie mich dünkt, gröblich vergriffen, als er, mit einer schreckeneinflössenden Ingenuität, jene Inschrift über das Tor zu seiner Hölle setzte, »auch mich schuf die ewige Liebe«: – über dem Tore des christlichen Paradieses und seiner »ewigen Seligkeit« würde jedenfalls mit besserem Rechte die Inschrift stehen dürfen »auch mich schuf der ewige Hass« – gesetzt, dass eine Wahrheit über dem Tor zu einer Lüge stehen dürfte! Denn was ist die Seligkeit jenes Paradieses? ... Wir würden es vielleicht schon erraten; aber besser ist es, dass es uns eine in solchen Dingen nicht zu unterschätzende Autorität ausdrücklich bezeugt, Thomas von Aquino, der grosse Lehrer und Heilige. » Doktor angelicus«, den »engelhaften Lehrer«, nennt ihn die Kirche. » Beati in regno coelesti«, sagt er sanft wie ein Lamm, » videbunt poenas damnatorum, ut beatitudo illis magis complaceat«. »Die Seligen im Himmelreich werden die Strafen der Verdammten schauen, damit die Seligkeit ihnen grössere Freude bereite«. Nietzsche, Werke, 1. Abtlg. Bd. 7, Abschn. 15 (S. 332). Noch viel stärker ist das darauf folgende lange Zitat aus Tertullian. Vergl. auch Eugen Schmitt: Die Kulturbedingungen der christlichen Dogmen und unsere Zeit, S. 174, der für Thomas den Titel doktor diabolicus empfiehlt.

Dass Liebe und Kirche nichts miteinander gemein haben, zeigt – um noch ein Beispiel aus vielen zu wählen – in neuester Zeit der als bayerischer Einheits-Katechismus in Aussicht genommene Volksvergiftungsapparat des Jesuiten P. Linden, in dem es beim Sakrament der Ehe heisst: »Wie die gemischten Ehen, so sind natürlich (!!) auch die gemischten Bekanntschaften streng verboten. Eine solche anzuknüpfen, ist in den meisten Fällen Todsünde.« Derselbe Passus findet sich auch in anderen Hetzelaboraten aus geistlicher Feder.

Zu erinnern wäre ferner an die Friedhofsfehden, von denen wir in den letzten Jahren soviel hören mussten. Der Jesuitengeneral P. Wernz, ein Deutscher (freilich nur von Geburt) schreibt in seinem Jus decretalium III. 466, Rom 1898-1901: »Mit gutem Recht und weiser Überlegung hält also die Kirche die Nichtkatholiken von ihren Friedhöfen fern. Nur aus einer gewissen passiven Toleranz widerstrebt sie nicht, dass in Privatmausoleen adliger katholischer Familien auch nichtkatholische Blutsverwandte oder Verschwägerte beigesetzt werden, wenn dies nicht ohne Ärgernis zu erregen vermieden werden kann. Die alten kirchenrechtlichen Bestimmungen über das Ausgraben der Leichen von Ketzern, Ungläubigen, Exkommunizierten, durch deren Beerdigung die Kirchhöfe entweiht werden, sind vor der Neuweihung des Kirchhofes nicht auszuführen, wenn die Ketzerleichen nicht hinreichend sicher von den Leichen der Katholiken unterschieden werden können«. (Hoensbroech: Moderner Staat und römische Kirche, S. 172 f., auch in »Das Freie Wort«, 6. Jahrg. Nr. 13, S. 503). – Mit Recht hat man den Papst von der Haager Friedenskonferenz ausgeschlossen: das Haupt der fanatischsten Unfriedensgesellschaft hat dort schlechterdings nichts zu suchen.

Die Kirche ist der Hass, Rom der Hass als Weltmacht.

Der Hass ist Roms eines Gesicht, das andre ist der Aberglaube, Vergl. Hoensbroech: Das Papsttum, I. Teil, S. 66-115, (Papsttum und Aberglaube) Volksausgabe. der Zwillingsbruder des Glaubens. Rom ist die Welthauptstadt des Aberglaubens. Es trat darin nur das Erbe des Altertums an, hat es verwaltet und damit gewuchert. Es war die antike Metropole der Superstition und ist auch die moderne, und darum ist es auch nur logisch, wenn die auf dem Mons Vaticanus residierenden Hüter und Mehrer dieses Aberglaubens an dem Titel Pontifex Maximus festhalten. Unaustilgbar, wie es scheint, haftet der Aberglaube an der Stätte der Urbs, wo der Uebermut grössenwahnsinniger Hoherpriester eine geistige Zwingburg für die ganze bewohnte »Welt« zu schaffen gedachte, und wird heute schärfer denn je von einer Armee bewacht, die von seinen Erträgnissen lebt und die Macht geniesst, die er verleiht.

In dieser geistigen Falschmünzerzentrale, wo die eigentliche Bedeutung der vom Christentum übernommenen Mythen und Symbole verzerrt, verschleiert, vergröbert, unterschlagen, wo diese sublimen Gedichte des unbewusst und halbbewusst schaffenden Menschengeistes immer heilloser missverstanden wurden, wo man Pegasus die feinen Hufe mit Eisen beschlug, die einem Percheron alle Ehre machen würden, in Rom, sage ich, arbeitet man nur für die grobfaserigen, die kranken und die verkrüppelten Gehirne, für die (dank der Kirche im geistigen Halbschlaf hindämmernde) Masse unter Ausnützung der Masseninstinkte, der Massensuggestibilität, arbeitet man an der Hintanhaltung der Entwicklung der gesunden natürlichen Kräfte im Menschen, an der Verdüsterung seiner Seele, namentlich seines Verstandes. – Wer den aktenmässigen Beweis für die Berechtigung dieser Invektive haben will, der lese das Werk des Grafen Hoensbroech: »Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit,« Teil I und II, lese die Werke von Karl von Hase, Alphons Victor Müller, Wahrmund, Panizza, Corvin usw., deren Titel sich im Anhang zusammengestellt finden.

»Zweifellos,« schreibt der Jesuitengeneral P. Wernz, in seinem Jus decretalium, »betrachtet die katholische Kirche alle Religionsgemeinschaften und alle christlichen Sekten als ganz und gar illegitim und jeder Daseinsberechtigung bar.« (I. 13 f.) Herr Wernz gibt hier nur die allgemeine römisch-kirchliche, durch die Autorität vieler Päpste gestützte Ansicht wieder. Pius IX. äusserte sich in einer Allokution vom 22. Juni 1868 über das 1867 erlassene österreichische Staatsgrundgesetz folgendermassen: »Durch ein ungeheuerliches Gesetz hat die österreichische Regierung Glaubens- und Gewissensfreiheit und Parität für alle religiösen Bekenntnisse eingeführt: ... dies abscheuliche Gesetz verwerfen und verurteilen wir kraft unserer apostolischen Vollmacht«. Als 8 Jahre später Toleranz und Parität für Nichtkatholiken in Spanien eingeführt werden sollten, richtete derselbe Papst am 4. März 1876 ein Breve an den Erzbischof von Toledo, worin es heisst: »Noch einmal protestieren wir dagegen, dass die Toleranz der nichtkatholischen Kulte Gesetzeskraft erlange«. – Bekannt sind die Schimpfereien, die Leo XIII. in seiner berüchtigten Canisius-Enzyklika gegen den Protestantismus hervorgeiferte. Würdig reiht sich ihr der von Pius X. selbst herausgegebene römische Katechismus an. – Aber wo es einen Vorteil zu erschleichen gilt, versteht es Rom, diese Anschauungen zu verleugnen und dreist zu lügen. So richtete der Kardinal Vannutelli vor dem Eucharistischen Kongress in London (1908) ein ellenlanges Schreiben an die »Times«, in dem er erklärte: »Die Besucher des Kongresses kommen zu einem Zweck, der ausschliesslich (!) religiös ist – nämlich mit aller Einfachheit (?) ihren Glauben an die Eucharistie zu bekräftigen, sich der Zeit erinnernd, wo dieser Glaube in England allgemein war, aber ohne jede Idee eines Streites oder Argumentes mit den Protestanten, in denen sie ihre Brüder in Jesus Christus sehen«. (!!!) »Im übrigen«, setzen die Münchner Neuesten Nachrichten (10. Sept. 1908, Nr. 423) hinzu, »verherrlicht der diplomatische Legat die englische Toleranz mit so warmen Worten, dass man wirklich glauben könnte, Duldsamkeit gegen Andersgläubige sei Roms erste Regel«. Das ist so Kirchenart und bei der illegitimsten Kirche, die es gibt, erst recht nicht verwunderlich. Im Grunde denkt jede dies von den andern, spricht es nur nicht so freimütig und machtbewusst aus. Jede hält sich im Grunde wie die römische für »alleinseligmachend«. Es ist dies durchaus verständlich, – preist doch auch jeder Kurpfuscher seine Kunst, jeder Geheimmittelfabrikant seine Ware als die allein heilbringende an. Man hält eben zu seinem Werke und sucht die anderen durch alle möglichen Mittel, vor allem durch Diskreditierung der Konkurrenz, von seiner Güte zu überzeugen. Und bei denen, die die Sandsäcke nicht sehen, aus denen so verschwenderisch in die Runde gestreut wird, gelingt es auch. Wo kein Schaden dadurch angerichtet wird, braucht man sich nicht darüber aufzuregen, wo der Erfolg aber eine Zerstörung der geistigen Volksgesundheit ist, heisst es schonungslos einschreiten und den wahren Hintergrund dieser Machenschaften aufdecken, heisst es sich mit aller Kraft und Leidenschaft gegen die römische und jede andere Kakistokratie auflehnen.


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