Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Der Widerspruch in den Sakramenten

Wie das objektive Wesen der Religion, das Wesen Gottes – so löst sich auch, aus leicht begreiflichen Gründen, das subjektive Wesen derselben in lauter Widersprüche auf.

Die subjektiven Wesensmomente der Religion sind einerseits Glaube und Liebe, andrerseits, inwiefern sie sich in einem Kultus äußerlich darstellt, die Sakramente der Taufe und des Abendmahls. Das Sakrament des Glaubens ist die Taufe, das Sakrament der Liebe das Abendmahl. Strenggenommen gibt es nur zwei Sakramente, wie zwei subjektive Wesensmomente der Religion: Glaube und Liebe; denn die Hoffnung ist nur der Glaube in bezug auf die Zukunft; sie wird daher mit demselben logischen Unrecht, als der heilige Geist, zu einem besondern Wesen gemacht.

Die Einheit der Sakramente mit dem entwickelten eigentümlichen Wesen der Religion stellt sich nun, abgesehen von andern Beziehungen, sogleich dadurch heraus, daß die Basis derselben natürliche Dinge oder Stoffe sind, welchen aber eine ihrer Natur widersprechende Bedeutung und Wirkung eingeräumt wird. So ist das Subjekt oder die Materie der Taufe das Wasser, gemeines, natürliches Wasser, gleichwie überhaupt die Materie der Religion unser eignes natürliches Wesen ist. Aber wie unser eignes Wesen die Religion uns entfremdet und entwendet, so ist auch das Wasser der Taufe zugleich wieder ein ganz anderes Wasser, als das gemeine; denn es hat keine physische, sondern hyperphysische Kraft und Bedeutung: es ist das Lavacrum regenerationis, reinigt den Menschen vom Schmutze der Erbsünde, treibt den angebornen Teufel aus, versöhnt mit Gott. Es ist also ein natürliches Wasser eigentlich nur zum Schein, in Wahrheit übernatürliches. Mit andern Worten: das Taufwasser hat übernatürliche Wirkungen – was aber übernatürlich wirkt, ist selbst übernatürlichen Wesens – nur in der Vorstellung, in der Einbildung.

Aber dennoch soll zugleich wieder der Taufstoff natürliches Wasser sein. Die Taufe hat keine Gültigkeit und Wirksamkeit, wenn sie nicht mit Wasser vollbracht wird. Die natürliche Qualität hat also doch auch für sich selbst Wert und Bedeutung, weil nur mit dem Wasser, nicht mit einem andern Stoffe sich die übernatürliche Wirkung der Taufe auf übernatürliche Weise verbindet. Gott könnte an sich vermöge seiner Allmacht die nämliche Wirkung an jedes beliebige Ding knüpfen. Aber er tut es nicht; er akkommodiert sich der natürlichen Qualität; er wählt einen seiner Wirkung entsprechenden, ähnlichen Stoff. Ganz wird also das Natürliche nicht zurückgesetzt; es bleibt vielmehr immer noch eine gewisse Analogie, ein Schein von Natürlichkeit übrig. Der Wein repräsentiert das Blut, das Brot das Fleisch- »Das Sakrament hat Ähnlichkeit mit dem Gegenstande, dessen Zeichen es ist.« (Petrus Lomb., lib. IV. dist. 1. c. 1.) Auch das Wunder richtet sich nach Ähnlichkeiten; es verwandelt Wasser in Wein oder Blut, eine Art in eine andre, unter Beibehaltung des unbestimmten Gattungsbegriffs der Flüssigkeit. So also auch hier. Das Wasser ist die reinste, klarste sichtbare Flüssigkeit: vermöge dieser seiner Naturbeschaffenheit das Bild von dem fleckenlosen Wesen des göttlichen Geistes. Kurz, das Wasser hat zugleich für sich selbst, als Wasser, Bedeutung; es wird ob seiner natürlichen Qualität geheiligt, zum Organ oder Mittel des heiligen Geistes erkoren. Insofern liegt der Taufe ein schöner, tiefer Natursinn zugrunde. Indes dieser schöne Sinn geht sogleich wieder verloren, indem das Wasser eine über sein Wesen hinausgehende Wirkung hat – eine Wirkung, die es nur durch die übernatürliche Kraft des heiligen Geistes, nicht durch sich selbst hat. Die natürliche Qualität wird insofern wieder gleichgültig: wer aus Wein Wasser macht, kann willkürlich mit jedem Stoffe die Wirkungen des Taufwassers verbinden.

Die Taufe kann daher nicht ohne den Begriff des Wunders gefaßt werden. Die Taufe ist selbst ein Wunder. Dieselbe Kraft, welche die Wunder gewirkt, und durch sie als tatsächliche Beweise der Gottheit Christi die Juden und Heiden in Christen umgewandelt, dieselbe Kraft hat die Taufe eingesetzt und wirkt in ihr. Mit Wundern hat das Christentum angefangen, mit Wundern setzt es sich fort. Will man die Wunderkraft der Taufe leugnen, so muß man auch die Wunder überhaupt leugnen. Das wunderwirkende Taufwasser hat seine natürliche Quelle in dem Wasser, welches an der Hochzeit zu Kana in Wein verwandelt wurde.

Der Glaube, der durch Wunder bewirkt wird, hängt nicht ab von mir, von meiner Selbsttätigkeit, von der Freiheit der Überzeugungs- und Urteilskraft. Ein Wunder, das vor meinen Augen geschieht, muß ich glauben, wenn ich nicht absolut verstockt bin. Das Wunder nötigt mir auf den Glauben an die Gottheit des Wundertäters. In Beziehung auf den Wundertäter ist allerdings der Glaube (die Zuversicht zu Gottes Beistand) die Ursache, die causa efficiens des Wunders (s. z. B. Matth. 17, 20, Apostelgesch. 6, 8). Aber in Beziehung auf den Zuschauer des Wunders – und davon handelt es sich hier – ist das Wunder die causa efficiens des Glaubens. Allerdings setzt es in gewissen Fällen Glauben voraus, nämlich da, wo es als Belohnung erscheint, außerdem aber nicht sowohl wirklichen Glauben, als vielmehr nur gläubigen Sinn, Disposition, Bereitwilligkeit, Hingebung im Gegensatz zu dem unglaublich verstockten und böswilligen Sinn der Pharisäer. Das Wunder soll ja beweisen, daß der Wundertäter wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Erst der auf das Wunder gestützte Glaube ist bewiesener, begründeter, objektiver Glaube. Der Glaube, den das Wunder voraussetzt, ist nur der Glaube an einen Messias, einen Christus überhaupt, aber den Glauben, daß dieser Mensch hier der Christus ist – diesen Glauben – und dieser ist die Hauptsache – bewirkt erst das Wunder. Übrigens ist auch die Voraussetzung selbst dieses unbestimmten Glaubens keineswegs notwendig. Unzählige wurden erst durch die Wunder gläubig; das Wunder war also die Ursache ihres Glaubens. Wenn daher die Wunder dem Christentum nicht widersprechen – und wie sollten sie ihm widersprechen? –, so widerspricht demselben auch nicht die wunderbare Wirkung der Taufe. Im Gegenteil, es ist notwendig, der Taufe eine supranaturalistische Bedeutung zu geben, wenn man ihr eine christliche Bedeutung geben will. Paulus wurde durch eine plötzliche wunderbare Erscheinung, wie er noch voll des Christenhasses war, bekehrt. Das Christentum kam gewaltsam über ihn. Man kann sich nicht mit der Ausflucht helfen, daß bei einem andern diese Erscheinung nicht denselben Erfolg würde gehabt haben, daß also die Wirkung derselben doch dem Paulus selbst zugerechnet werden müsse. Denn wären andre derselben Erscheinung gewürdigt worden, so würden sie sicherlich ebenso christlich geworden sein als Paulus. Allmächtig ist ja die göttliche Gnade. Die Ungläubigkeit und Unbekehrlichkeit der Pharisäer ist kein Gegengrund; denn eben ihnen entzog sich die Gnade. Der Messias mußte notwendig, einem göttlichen Dekret zufolge, verraten, mißhandelt, gekreuzigt werden. Also mußten Individuen sein, die ihn mißhandelten, die ihn kreuzigten; also mußte schon im voraus die göttliche Gnade diesen Individuen sich entzogen haben. Freilich wird sie sich ihnen nicht ganz und gar entzogen haben, aber nur, um ihre Schuld zu vergrößern, keineswegs mit dem ernstlichen Willen, sie zu bekehren. Wie wäre es möglich gewesen, dem Willen Gottes, vorausgesetzt natürlich, daß es wirklich sein Wille, nicht bloße Velleität war, zu widerstehn? Paulus selbst stellt seine Bekehrung und Umwandlung als ein, von seiner Seite völlig verdienstloses Werk der göttlichen Gnade hin. »Hie siehet man ein Wunderwerk über alle Wunder, so Christus getan hat, daß er seinen höchsten Feind so gnädiglich bekehret.« Luther (T. XVI. p. 560). Ganz richtig. Der göttlichen Gnade nicht widerstehen, d. h. die göttliche Gnade aufnehmen, auf sich wirken lassen – das ist ja selbst schon etwas Gutes, folglich eine Wirkung der Gnade des heiligen Geistes. Nichts ist verkehrter, als das Wunder mit der Lehr- und Denkfreiheit, die Gnade mit der Willensfreiheit vermitteln zu wollen. Die Religion scheidet das Wesen des Menschen vom Menschen. Die Tätigkeit, die Gnade Gottes ist die entäußerte Selbsttätigkeit des Menschen, der vergegenständlichte freie Wille. Es macht daher dem Verstande und Wahrheitssinne Luthers große Ehre, daß er, so insbesondre in seiner Schrift gegen Erasmus, der göttlichen Gnade gegenüber den freien Willen des Menschen unbedingt negierte. »Der Name freier Wille«, sagt ganz richtig Luther vom Standpunkte der Religion aus, »ist ein göttlicher Titel und Name, den niemand führen soll noch mag, denn allein die hohe göttliche Majestät.« (T. XIX. p. 28.)

Es ist die größte Inkonsequenz, wenn man die Erfahrung, daß die Menschen durch die heilige Taufe nicht geheiligt, nicht umgewandelt werden, als ein Argument gegen den Glauben an eine wunderbare Wirkung der Taufe anführt, wie dies von rationalistisch-orthodoxen Theologen geschehen ist; Freilich trotzte auch schon den ältern unbedingt gläubigen Theologen die Erfahrung das Geständnis ab, daß die Wirkungen der Taufe wenigstens in diesem Leben sehr beschränkt seien. Baptismus non aufert omnes poenalitates hujus vitae. (Mezger. Theol. schol. T. IV. p. 251. S. auch Petrus Lomb. lib. IV. dist. 4. c. 4, lib. II. dist. 32. c. 1.) denn auch die Wunder, auch die objektive Kraft des Gebetes, überhaupt alle übernatürlichen Wahrheiten der Religion widersprechen der Erfahrung. Wer sich auf die Erfahrung beruft, der verzichte auf den Glauben. Wo die Erfahrung eine Instanz ist, da ist der religiöse Glaube und Sinn bereits verschwunden. Die objektive Kraft des Gebets leugnet der Ungläubige nur deswegen, weil sie der Erfahrung widerspricht; der Atheist geht noch weiter, er leugnet selbst die Existenz Gottes, weil er sie in der Erfahrung nicht findet. Die innere Erfahrung ist ihm kein Anstoß; denn was du in dir selbst erfährst von einem andern Wesen, das beweist nur, daß etwas in dir ist, was nicht du selbst bist, was unabhängig von deinem persönlichen Willen und Bewußtsein auf dich wirkt, ohne daß du weißt, was dieses geheimnisvolle Etwas ist. Aber der Glaube ist stärker, als die Erfahrung. Die wider ihn sprechenden Fälle stören den Glauben nicht in seinem Glauben; er ist selig in sich; er hat nur Augen für sich, allem andern außer ihm verschlossen.

Allerdings fordert die Religion auch auf dem Standpunkt ihres mystischen Materialismus immer zugleich das Moment der Subjektivität, der Geistigkeit, so auch bei den Sakramenten, aber hierin eben offenbart sich ihr Widerspruch mit sich selbst. Und dieser Widerspruch tritt besonders grell in dem Sakrament des Abendmahls hervor; denn die Taufe kommt ja auch schon den Kindern zugute, ob man gleich auch selbst bei ihr, als Bedingung ihrer Wirksamkeit, das Moment der Geistigkeit geltend gemacht, aber sonderbarerweise in den Glauben anderer, in den Glauben der Eltern oder deren Stellvertreter oder der Kirche überhaupt verlegt hat. Selbst in der absurden Fiktion der Lutheraner, daß »die Kinder in der Taufe selbst gläuben«, reduziert sich das Moment der Subjektivität wieder auf den Glauben anderer, indem den Glauben der Kinder »Gott würket durch das Fürbitten und Herzubringen der Paten im Glauben der christlichen Kirchen.« Luther (T. XIII. p. 360, 361). »Also hilft der fremde Glaube, daß ich auch einen eignen Glauben kriege.« Derselbe (T. XIV. p. 347 a).

Der Gegenstand des Sakraments des Abendmahls ist nämlich der Leib Christi – ein wirklicher Leib; aber es fehlen ihm die notwendigen Prädikate der Wirklichkeit. Wir haben hier wieder nur in einem sinnfälligen Beispiel, was wir überhaupt im Wesen der Religion fanden. Das Objekt oder Subjekt in der religiösen Syntaxe ist immer ein wirkliches menschliches oder natürliches Subjekt oder Prädikat; aber die nähere Bestimmung, das wesentliche Prädikat dieses Prädikats wird verneint. Das Subjekt ist ein sinnliches, das Prädikat aber ein nicht sinnliches, d. h. diesem Subjekt widersprechendes. Einen wirklichen Leib unterscheide ich von einem eingebildeten Leibe nur dadurch, daß jener leibliche Wirkungen, unwillkürliche Wirkungen auf mich macht. Wenn also das Brot der wirkliche Leib Gottes wäre, so müßte der Genuß desselben unmittelbar, unwillkürlich heilige Wirkungen in mir hervorbringen; ich brauchte keine besondern Vorbereitungen zu treffen, keine heilige Gesinnung mitzubringen. Wenn ich einen Apfel esse, so bringt mir der Apfel von selbst den Geschmack des Apfels bei. Ich brauche nichts weiter als höchstens einen unverdorbnen Magen, um den Apfel als Apfel zu empfinden. Die Katholiken fordern von Seiten des Körpers Nüchternheit als Bedingung des Genusses des Abendmahls. Dies ist genug. Mit meinen Lippen ergreife ich den Leib, mit meinen Zähnen zermalme ich ihn, mit meiner Speiseröhre bringe ich ihn in den Magen; ich assimiliere mir ihn nicht geistig, sondern leiblich. »Dies, sagt Luther, ist in Summa unsre Meinung, daß wahrhaftig in und mit dem Brote der Leib Christi geessen wird, also, daß alles, was das Brot würket und leidet, der Leib Christi leide und würke, daß er ausgeteilt, geessen und mit den Zähnen zerbissen werde propter unionem sacramentalem.« (Planks Geschichte der Entst. des protest. Lehrbeg., VIII. B., S. 369.) Anderwärts leugnet freilich wieder Luther, daß der Leib Christi, ob er gleich leiblich genossen wird, mit den Zähnen »zerbissen und zerrissen und mit dem Bauch verdauet werde wie ein Stück Rindfleisch.« (T. XIX. p. 429.) Kein Wunder, denn was genossen wird, ist ein Gegenstand ohne Gegenständlichkeit, ein Leib ohne Leiblichkeit, ein Fleisch ohne Fleischlichkeit, ein » Geistfleisch ist's« wie Luther (ebend.) sagt, d. h. ein imaginäres Fleisch. – Bemerkt werde noch: Auch die Protestanten genießen das Abendmahl nüchtern, aber dies ist bei ihnen nur Brauch, nicht Gesetz. (S. Luther T. XVIII. p. 200, 201.). Warum sollen also seine Wirkungen nicht körperlich sein? Warum soll dieser Leib, der leiblichen, aber zugleich himmlischen, übernatürlichen Wesens ist, nicht auch körperliche und doch zugleich heilige, übernatürliche Wirkungen in mir hervorbringen? Wenn meine Gesinnung, mein Glaube erst den Leib zu einem mich heiligenden Leib macht, das trockne Brot in pneumatisch animalische Substanz verwandelt, wozu brauche ich noch ein äußerliches Ding? Ich selbst bringe ja die Wirkung des Leibes auf mich, also die Wirklichkeit desselben hervor; ich werde von mir selbst affiziert. Wo ist die objektive Kraft und Wahrheit? Wer unwürdig das Abendmahl genießt, der hat nichts weiter als den physischen Genuß von Brot und Wein. Wer nichts mitbringt, nimmt nichts mit fort. Der wesentliche Unterschied dieses Brotes von gemeinem natürlichen beruht daher nur auf dem Unterschiede der Gesinnung beim Tische des Herrn von der Gesinnung bei irgendeinem andern Tische. »Welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber das Gericht, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herrn«. 1. Korinther 11, 29 Diese Gesinnung hängt aber selbst wieder nur ab von der Bedeutung, die ich diesem Brote gebe. Hat es für mich die Bedeutung, daß es nicht Brot, sondern der Leib Christi selbst ist, so hat es auch nicht die Wirkung von gemeinem Brote. In der Bedeutung liegt die Wirkung. Ich esse nicht, um mich zu sättigen; ich verzehre deswegen nur ein geringes Quantum. So wird also schon hinsichtlich der Quantität, die bei jedem andern materiellen Genusse eine wesentliche Rolle spielt, die Bedeutung gemeinen Brotes äußerlich beseitigt.

Aber diese Bedeutung existiert nur in der Phantasie; den Sinnen nach bleibt der Wein Wein, das Brot Brot. Die Scholastiker halfen sich darum mit der köstlichen Distinktion von Substanz und Akzidenzen. Alle Akzidenzen, welche die Natur von Wein und Brot ausmachen, sind noch da; nur das, was diese Akzidenzen ausmachen, die Substanz, das Wesen fehlt, ist verwandelt in Fleisch und Blut. Aber alle Eigenschaften zusammen, diese Einheit ist die Substanz selbst. Was ist Wein und Brot, wenn ich ihnen die Eigenschaften nehme, die sie zu dem machen, was sie sind? Nichts. Fleisch und Blut haben daher keine objektive Existenz; sonst müßten sie ja auch den ungläubigen Sinnen Gegenstand sein. Im Gegenteil: die allein gültigen Zeugen einer objektiven Existenz – der Geschmack, der Geruch, das Gefühl, das Auge reden einstimmig nur der Wirklichkeit von Wein und Brot das Wort. Wein und Brot sind in der Wirklichkeit natürliche, in der Einbildung aber göttliche Substanzen.

Der Glaube ist die Macht der Einbildungskraft, welche das Wirkliche zum Unwirklichen, das Unwirkliche zum Wirklichen macht – der direkte Widerspruch mit der Wahrheit der Sinne, der Wahrheit der Vernunft. Der Glaube verneint, was die Vernunft bejaht, und bejaht, was sie verneint. »Wir sehen die Gestalt des Weins und Brotes, aber glauben nicht an das Dasein der Substanz des Brotes und Weines. Wir glauben dagegen, daß die Substanz des Leibes und Blutes Christi da ist, und doch sehen wir nicht seine Gestalt.« Divus Bernardus (Ed. Basil. 1552, p. 189-191). Das Geheimnis des Abendmahls ist das Geheimnis des Glaubens Auch noch in anderer, hier nicht entwickelter, aber anmerkungsweise zu erwähnender Beziehung, nämlich folgender. In der Religion, im Glauben ist der Mensch sich als das Objekt, d.i. der Zweck Gottes, Gegenstand. Der Mensch bezweckt sich selbst in und durch Gott. Gott ist das Mittel der menschlichen Existenz und Seligkeit. Diese religiöse Wahrheit, gesetzt als Gegenstand des Kultus, als sinnliches Objekt ist das Abendmahl. Im Abendmahl ißt, verzehrt der Mensch Gott – den Schöpfer des Himmels und der Erde – als eine leibliche Speise, erklärt er durch die Tat des »mündlichen Essens und Trinkens« Gott für ein bloßes Lebensmittel des Menschen. Hier ist der Mensch als der Gott Gottes gesetzt – das Abendmahl daher der höchste Selbstgenuß der menschlichen Subjektivität. Auch der Protestant verwandelt hier, zwar nicht mit dem Worte, aber der Wahrheit nach, Gott in ein äußerliches Ding, indem er ihn sich als ein Objekt des sinnlichen Genusses unterwirft. – daher der Genuß desselben der höchste, entzückendste, wonnetrunkenste Moment des gläubigen Gemüts. Die Vernichtung der ungemütlichen Wahrheit, der Wahrheit der Wirklichkeit, der gegenständlichen Welt und Vernunft – eine Vernichtung, welche das Wesen des Glaubens ausmacht – erreicht im Abendmahl ihren höchsten Gipfel, weil hier der Glaube ein unmittelbar gegenwärtiges, evidentes, unbezweifelbares Objekt vernichtet, behauptend: es ist nicht, was es laut des Zeugnisses der Vernunft und Sinne ist, behauptend: es ist nur Schein, daß es Brot, in Wahrheit ist es Fleisch. Der Satz der Scholastiker: es ist den Akzidenzen nach Brot, der Substanz nach Fleisch, ist nämlich nur der abstrakte, erklärende Gedankenausdruck von dem, was der Glaube annimmt und aussagt, und hat daher keinen andern Sinn als: dem Sinnenschein oder der gemeinen Anschauung nach ist es Brot, der Wahrheit nach aber Fleisch. Wo daher einmal die Einbildungskraft des Glaubens eine solche Gewalt über die Sinne und Vernunft sich angemaßt hat, daß sie die evidenteste Sinnenwahrheit leugnet, da ist es auch kein Wunder, wenn sich die Gläubigen selbst bis zu dem Grade exaltieren konnten, daß sie wirklich statt Wein Blut fließen sahen. Solche Beispiele hat der Katholizismus aufzuweisen. Es gehört wenig dazu, außer sich, sinnlich wahrzunehmen, was man im Glauben, in der Einbildung als wirklich annimmt.

Solange der Glaube an das Mysterium des Abendmahls als eine heilige, ja die heiligste, höchste Wahrheit die Menschheit beherrschte, so lange war auch das herrschende Prinzip der Menschheit die Einbildungskraft. Alle Unterscheidungsmerkmale zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, Unvernunft und Vernunft waren verschwunden – alles, was man sich nur immer einbilden konnte, galt für reale Möglichkeit. Die Religion heiligte jeden Widerspruch mit der Vernunft, mit der Natur der Dinge. Spottet nicht über die albernen Fragen der Scholastiker! Sie waren notwendige Konsequenzen des Glaubens. Was nur Gemütssache ist, sollte Vernunftsache sein, was dem Verstande widerspricht, sollte ihm nicht widersprechen. Das war der Grundwiderspruch der Scholastik, woraus sich alle andern Widersprüche von selbst ergaben.

Und es ist von keiner besondern Erheblichkeit, ob ich die protestantische oder katholische Abendmahlslehre glaube. Der Unterschied ist nur der, daß sich im Protestantismus erst auf der Zunge im Aktus des Genusses »Wende nicht ein, daß Christus diese Worte: dies ist mein Leib, gesprochen habe, ehe seine Schüler aßen, und also das Brot schon vor dem Genuß(ante usum) der Leib Christi gewesen sei.« Buddeus(L.c.lib. V.c.I. § 13, § 17). Siehe dagegen das Concil. Trident. Sessio 13. c.3, c.8. can.4. Fleisch und Blut auf eine völlig wunderbare Weise mit Brot und Wein verbinden; im Katholizismus aber schon vor dem Genuß durch die Macht des Priesters, der jedoch hier nur im Namen des Allmächtigen handelt, Brot und Wein wirklich in Fleisch und Blut verwandelt werden. Der Protestant weicht nur klugerweise einer bestimmten Erklärung aus; er gibt sich nur keine sinnfällige Blöße, wie die fromme unkritische Einfalt des Katholizismus, dessen Gott, als ein äußerliches Ding, selbst von einer Maus aufgezehrt werden kann; er beherbergt seinen Gott bei sich, da, wo er ihm nicht mehr entrissen werden kann, und sichert ihn dadurch ebenso vor der Macht des Zufalls, als des Spottes; verzehrt aber dessenungeachtet ebensogut, wie der Katholik, im Brote und Weine wirkliches Fleisch und Blut. Wie wenig unterschieden sich namentlich anfänglich die Protestanten von den Katholiken in der Abendmahlslehre! So enstund zu Anspach ein Streit über die Frage: »ob der Leib Christi auch in den Magen komme, wie andre Speisen verdaut werde und also auch durch den natürlichen Gang wieder ausgeworfen werde?« Apologie Melanchthons. Strobel. Nürnb. 1783, p. 127.

Aber obgleich die Einbildungskraft des Glaubens die gegenständliche Existenz zu einem bloßen Scheine, die gemütliche, eingebildete Existenz zur Wahrheit und Wirklichkeit macht; so ist doch an sich oder der Wahrheit nach das wirklich Gegenständliche nur der natürliche Stoff. Selbst die Hostie in der Büchse des katholischen Priesters ist an sich nur im Glauben göttlicher Leib, dies äußerliche Ding, in das er das göttliche Wesen verwandelt, nur ein Glaubensding; denn der Leib ist ja auch hier nicht als Leib sichtbar, fühlbar, schmeckbar. Das heißt: das Brot ist nur der Bedeutung nach Fleisch. Zwar hat für den Glauben diese Bedeutung den Sinn des wirklichen Seins – wie denn überhaupt in der Ekstase der Inbrunst das Bedeutende zum Bedeuteten selbst wird –, es soll nicht Fleisch bedeuten, sondern sein. Aber dieses Sein ist ja eben kein fleischliches; es ist selbst nur geglaubtes, vorgestelltes, eingebildetes Sein, d. h., es hat selbst nur den Wert, die Qualität einer Bedeutung. »Nu aber die Schwärmer glauben, es sei eitel Brot und Wein da, so ist's gewißlich also, wie sie glauben, so haben sie es und essen also eitel Brot und Wein.« Luther (T. XIX. p. 432). D. h., fortgesetzt: glaubst du, stellst du dir vor, bildest dir ein, daß das Brot nicht Brot, sondern der Leib ist, so ist es auch nicht Brot; glaubst du es nicht, so ist es auch nicht. Was es für dich ist, das ist es. Ein Ding, das für mich eine besondere Bedeutung hat, ist ein andres in meiner Vorstellung, als in der Wirklichkeit. Das Bedeutende ist nicht selbst das, was damit bedeutet wird. Was es ist, fällt in den Sinn; was es bedeutet, nur in meine Gesinnung, Vorstellung, Phantasie, ist nur für mich, nicht für den andern, nicht objektiv da. So auch hier. Wenn darum Zwingli gesagt, das Abendmahl habe nur subjektive Bedeutung, so hat er an sich dasselbe gesagt, was die andern; nur zerstörte er die Illusion der religiösen Einbildungskraft; denn das Ist im Abendmahl ist selbst nur eine Einbildung, aber mit der Einbildung, daß es keine Einbildung ist. Zwingli hat nur einfach, nackt, prosaisch, rationalistisch, darum beleidigend ausgesprochen, was die andern mystisch, indirekt aussagten, indem sie eingestanden, Selbst auch die Katholiken. »Die Wirkung dieses Sakraments, wenn es würdig genossen wird, ist die Vereinigung des Menschen mit Christus.« Concil. Florent. de S. Euchar. daß nur von der würdigen Gesinnung oder vom Glauben die Wirkung des Abendmahls abhängt, d. h. daß nur für den Brot und Wein das Fleisch und Blut des Herrn, der Herr selbst sind, für welchen sie die übernatürliche Bedeutung des göttlichen Leibes haben, denn nur davon hängt die würdige Gesinnung, der religiöse Affekt ab. »Ist der Leib im Brot und wird mit Glauben leiblich gegessen, so stärket er die Seele, damit (dadurch), daß sie gläubt, es sei Christi Leib, das der Mund isset.« Luther (T. XIX. p. 433; s. auch p. 205). »Denn was wir gläuben zu empfahen, das empfahen wir auch in Wahrheit.« Ders. (T. XVII. p. 557).

Wenn nun aber das Abendmahl nichts wirkt, folglich nichts ist – denn nur was wirkt, ist – ohne die Gesinnung, ohne den Glauben, so liegt in diesem allein die Bedeutung desselben; die ganze Begebenheit geht im Gemüte vor sich. Wirkt auch die Vorstellung, daß ich hier den wirklichen Leib des Heilands empfange, auf das religiöse Gemüt, so stammt doch selbst wieder diese Vorstellung aus dem Gemüte; sie bewirkt nur fromme Gesinnungen, wenn und weil sie selbst schon eine fromme Vorstellung ist. So wird also auch hier das religiöse Subjekt von sich selbst als wie von einem andern Wesen vermittelst der Vorstellung eines eingebildeten Objekts affiziert, bestimmt. Ich könnte daher recht gut auch ohne Vermittlung von Wein und Brot, ohne alle kirchliche Zeremonie in mir selbst, in der Einbildung die Handlung des Abendmahls vollbringen. Es gibt unzählige fromme Gedichte, deren einziger Stoff das Blut Christi ist. Hier haben wir daher eine echt poetische Abendmahlsfeier. In der lebhaften Vorstellung des leidenden, blutenden Heilands vereinigt sich das Gemüt mit ihm; hier trinkt die fromme Seele in poetischer Begeisterung das reine, mit keinem widersprechenden sinnlichen Stoff vermischte Blut; hier ist zwischen der Vorstellung des Blutes und dem Blute selbst kein störender Gegenstand vorhanden.

Aber obgleich das Abendmahl, überhaupt das Sakrament gar nichts ist ohne die Gesinnung, ohne den Glauben, so stellt doch die Religion das Sakrament zugleich als etwas für sich selbst Wirkliches, Äußerliches, vom menschlichen Wesen Unterschiedenes dar, so daß im religiösen Bewußtsein die wahre Sache: der Glaube, die Gesinnung nur zu einer Nebensache, zu einer Bedingung, die vermeintliche, die eingebildete Sache aber zur Hauptsache wird. Und die notwendigen, unvermeidlichen Folgen und Wirkungen dieses religiösen Materialismus, dieser Unterordnung des Menschlichen unter das vermeintliche Göttliche, des Subjektiven unter das vermeintliche Objektive, der Wahrheit unter die Einbildung, der Moralität unter die Religion – die notwendigen Folgen sind Aberglaube und Immoralität – Aberglaube, weil mit einem Dinge eine Wirkung verknüpft wird, die nicht in der Natur desselben liegt, weil ein Ding nicht sein soll, was es der Wahrheit nach ist, weil eine bloße Einbildung für Wirklichkeit gilt; Immoralität, weil sich notwendig im Gemüte die Heiligkeit der Handlung als solcher von der Moralität absondert, der Genuß des Sakraments, auch unabhängig von der Gesinnung, zu einem heiligen und heilbringenden Akt wird. So gestaltet sich wenigstens die Sache in der Praxis, die nichts von der Sophistik der Theologie weiß. Wodurch sich überhaupt die Religion in Widerspruch mit der Vernunft setzt, dadurch setzt sie sich auch immer in Widerspruch mit dem sittlichen Sinne. Nur mit dem Wahrheitssinn ist auch der Sinn für das Gute gegeben. Verstandesschlechtigkeit ist immer auch Herzensschlechtigkeit. Wer seinen Verstand betrügt und belügt, der hat auch kein wahrhaftiges, kein ehrliches Herz; Sophistik verdirbt den ganzen Menschen. Aber Sophistik ist die Abendmahlslehre. Mit der Wahrheit der Gesinnung wird die Unwahrheit der leibhaften Gegenwart Gottes und hinwiederum mit der Wahrheit der gegenständlichen Existenz die Unwahrheit und Unnotwendigkeit der Gesinnung ausgesprochen.


 << zurück weiter >>