Heinrich Federer
Der Fürchtemacher
Heinrich Federer

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3.

Im Sommer darauf saß der Landeshauptmann Amstalden ein bißchen antrunken auf der Sörenalp und ließ die wilde Berglerkilbi wie einen Föhn um seine langen Haare blasen. Ganz nahe ragten die Giswylerstöcke in den reinen Himmel. Links lief das Wasser zum herrischen Luzern, rechts ins freie Obwalden. Hier oben, fast in den Wolken, die keiner Obrigkeit gehorchen, kamen die Grenzgenossen gerne zum ungebundenen Alpfest zusammen. In rotweißen Hosen waren die von Giswyl und Lungern da, alles Obwaldner mit langen Köpfen, langen Bärten, langen Armen und einem noch viel längeren Durst. Der Bürgler nur war ein rundliches Männchen. Sein rotes Apfelgesicht leuchtete im Getriebe der Sennen und Gäste allgegenwärtig wie die Sonne. Aber wenn er am sonnigsten lächelte, dachte er die schwärzesten Sachen.

Alles war so schön geraten in diesem achtundsiebziger Jahr, als hätte das Burgunderblut die Schweizererde bis zu den Gletschern hinauf gedüngt. Die Maikäse schwitzten von Fett, das Alpheu duftete wie Weihrauch, die Butterballen waren dottergelb, in den Tälern reifte ein Wald von Obst, und das Vieh gab Milch oder warf Junge in nie gekannter Üppigkeit; ein Paradies, wenn nur der Haß gegen Luzern nicht aus jedem Apfelbaum gezüngelt hätte. Aber die Obwaldner wollten hassen. Bauern wollen die Herren hassen. Gegen Brief und Eid hatte die Stadt mit andern, sogar fremden Städten einen Herrenbund gegen die eigenen Brüder geschlossen, die ihm doch einst zur Freiheit verholfen hatten. Den Obwaldnern konnte Luzern ja freilich wenig anhaben. Sie waren eine Republik so gut und eigen wie Luzern, aber gottlob Hirtenrepublik, während sich an der Reuß ein Junkernest gebildet hatte, wo unter einigen volkstümlichen Formen ganz wenige die vielen regierten und besonders die Bauern im Entlebuch als Luzerner zweiten und dritten Grades mehr und mehr zum Schemel ihrer hochherrlichen Stiefel herunterdrückten.

Die Obwaldner wollten hassen, und am meisten Heinrich Bürgler. Hatte dieser ehrgeizige Bauernsohn doch erfahren müssen, wie schwer es sogar im freien Obwalden war, neben den reichen und alten Landesfamilien emporzukommen und sich zu ihnen in die obersten Heimatstühle zu schwingen. Aber dieses kleine, arme, geringe Bürschchen kniff die Lippen energisch zusammen, lächelte, schabte und scharrte, lernte nachts nach dem Melken und Dreschen noch mit verschwollenen Fingern schreiben und staffierte dem Kaplan von Bürgeln für etwas Latein das lotterige Häuslein wohnlich aus. Dann nahm er die reiche Infangerin zur Frau, die am ersten Kind, der Regine, starb, ward nochmals Witwer und nochmals reich, redete gern und gut und schlau, machte seine Witze, trug immer Zwilch, half den Kleinen und Untern und lief so nach und nach durch die niedern Ämter in die Kantonsregierung und ward endlich trotz einigen widerstrebenden Herrenbauern, vor allem dem nobeln Landammann Heintzli, so recht von Volkes Gnaden Landammann und Tagherr des Standes Obwalden, ein rüstiger Fünfundvierziger, mit kahlem Scheitel und anhebendem Schmerbäuchlein, gesund, voll gutem Appetit und Lust zu hundert Händeln, dem dann und wann nur die Gicht etwas zu schaffen machte.

Er amtierte famos und tat, als habe er die vielen Bengel völlig vergessen, womit ihm die Einflußreichen im Ländchen den Aufstieg so sauer als möglich gemacht hatten. Man litt und duzte sich ja nun. Aber insgeheim werkte er nun an einem Bengel herum, der nicht bloß in dieses oder jenes hochmögende Bein, sondern in die ganze eidgenössische Aristokratie fahren und allen Geburts- und Erbstolz knicken sollte. Dieser Bengel war das Entlebuch. Wenn eine Stadt wie Luzern sich mit einer beliebigen andern Stadt verbrüdern darf, dann kann auch eine Bauernschaft wie das Entlebuch sich mit einer andern Bauernschaft verschwistern, dann können das Berner Oberland, das Emmental, die Ämter und Vogteien an den Flüssen bis zum Rhein hinunter als echtes, rechtes Bauernblut mit den Älplern der Urschweiz zu einem Leib zusammenwachsen, und was bleibt den Junkern der Stadt noch übrig als ihre kahlen Mauern und ihre leeren Titel?

Groß und schlau war das gedacht und hatte dazu für den Erfinder seine gute Speckseite. Minder klug war, daß Bürgler seine gefährliche Lust und Geschmeidigkeit für die bunteste Treiberei nicht mäßigen konnte und seine Kraft so, statt allein in jene große politische Hauptstraße zu richten, auf hundert sich gar oft kreuzenden Nebenwegen verzettelte. Indessen sorgten die Ereignisse, ja, mit Vergunst gesagt, jeder Kuhfladen im Gras, daß er sein eigentliches Ziel nicht aus dem Auge verlor. Denn als er zur Beeidigung in die erste Tagsatzung trat, fragte ihn der luzernische Kollege Hasfurter, ob er denn auch den Kuhdreck von den Stiefeln geputzt habe. »Bewahre«, hieb dieser zurück, »Ihr habt ihn ja noch nicht einmal von der Schnauze gewischt!« Von da an hießen die zwei im Volkswitz die Kuhdreckler, freilich mit verschiedener Betonung.

Die Obwaldner wollten, die Entlebucher mußten hassen. Einst hatten sie auf freier Hufe gelebt wie ihre Nachbarn. Aber die graue Spinne an der Reuß spann sie nach und nach ganz in ihr Netz und sog ihnen das Mark und Blut der Freiheit aus. Und nur durch einen Berg getrennt, wohnten Hirten wie sie in voller Freiheit. Daß sie doch mit den Obwaldnern sich vereinigen könnten! Dann wäre ihnen auf immer geholfen. Sie wüchsen um so viel im Bild der Eidgenossenschaft, als Luzern darin abnähme. Und sie wären bei ihresgleichen. Warum doch darf man nicht rebellieren, wenn man der Kleinere, aber sehr wohl, wenn man der Stärkere ist? Warum wird man hier bekränzt und dort geköpft?

So schrie Peter Amstalden auf Sörenalp, und immer mußte Bürgler ihm mit seiner fetten, sachten Hand in den Strubel fahren und sagen: »Trink Milch, Vetter, trink Milch . . . dieser Italiener ist zu stark für dich.«

»Blut will ich trinken.«

»Er hat einen Rausch«, entschuldigte Bürgler lächelnd.

»Von der Burgunderbeute liegt noch alles in der Stadt«, wütete jener unaufhaltsam. »Keinen Schleck davon merken wir. Vom Faß voll französischen Dukaten, vom Wein, von Seiden, Waffen und Schmuckzeug nicht einen Nadelspitz groß werden wir in Schüpfheim sehen. Aber wenn der Schwab oder Lombard kommt, dürfet ihr, liebe Freunde, wieder hübsch eure Knochen herhalten. Weil sie so hart sind! Da halten sie alles aus. Aber gerade, weil sie so hart sind, sollten sie eines nicht aushalten: das Knien und Katzenbuckeln, gerade das nicht.«

»So ein verflixter Piemonterwein«, schimpfte Bürgler lustig in die Horcher, »er fährt einem ins Gehirn wie ein Blitz, und dann redet man so einen Kabis, Verdauliches und Unverdauliches durcheinander. . . . He, Ihr. Eichelhannes, jodelt uns was vor, etwas so Altes, Güldenes, was man vor Zeiten sang, als Obwaldnerisch und Entlebucherisch noch eins war!« . . . Er blickte in eine nahe, helle Wolke am Grat ganz versunken, als koste er die Melodie schon voraus.

Der Eichelhannes begann leis und scheu. In die Pausen hinein tobte es weiter unter Amstaldens schwarzen Schnauzzipfeln hervor: »Und zu allem sollen wir noch auf städtische Ware den Kriegsschilling zahlen . . . das Salz auf einmal teurer haben. . . . Aufschlag am Weizen ums harte Drittel . . . und für jedes Stück Vieh Standgeld schwitzen, auch wenn es nur Luzern passiert. Und was sagt ihr vom neuen Zoll auf die Felle? . . . Nächstens kommen die Herren und zählen uns noch die Flöhe zur Steuer ab . . . aber sie selbst sind die blutigsten. . . .«

Der Entlebuchergrimm schwoll unter der Rede wie geschwungene Nidel hoch. Man hieb gewaltig in den Käse, verschüttete reichlich Wein und tanzte auf den Loden im Gras die alten, langsamen Reigen mehr aus Zorn als aus Fröhlichkeit dreimal zu schnell. Nicht rasch genug konnte der Eichelhannes dazu fiedeln. Da stürzte ein Unbekannter daher, es hieß, er komme aus Kostniz, riß die Geige an sich, zappelte wie ein Tausendfüßler darüber, und nun glitzerte und brannte der Tanz wie Feuerwerk in die wilde Kumpanei.

Nur Heini Bürgler bewahrte kaltes Blut, schob sich sachte von Tisch zu Tisch und spendete überall seine doppeldeutigen Sprüche mit jener fetten, lieben Stimme, die wie Öl zu besänftigen schien, aber eher wie Öl die Gluten fachte. Er wußte zu gut, daß die Mitregierenden von Obwalden nichts zur Trennung tun dürfen und mögen. Sie sind gar gewiegte, gesetzessaubere Politiker. Aber wenn das Entlebuch sich einmal fertig macht und in seiner fröhlichen, frechen Gesamtheit mit allen Lanzen und Seelen ins Obwaldnerische wie der kleinere in den größeren Bach stößt, einen Bach von gleichem Wasser und Ziel, dann steht eine Tatsache da, die größer ist als jedes Gesetz. Tinte ist ein starker Saft, aber Blut ist noch viel stärker und löscht alle Tintengerechtigkeit im Hui aus.

Wie viele Räusche sind an jenem Julitag getrunken worden!

Amstalden und der wilde Geiger geleiteten Bürgler bis zum Sattel hinauf, von wo man den Sarnersee wie ein großes, seliges Kind in der Tiefe seiner Obstmatten liegen und kaum atmen sah. Ein paar Sachsler rasteten dort auf dem Heimweg, unter ihnen Klaus Rohrer, der Mattli-Ratsherr, ein ehrwürdiger Mann, dessen Schritte und Worte gleich langsam und groß waren. Mit Bruder Klaus war er nahe verwandt und hatte auch viel von seinem Geiste. Mit wenig Mitteln kam er stets ans Ziel!»Du, Heini«, sagte er und köpfte einen faulen Pilz mit dem Holzschuh, »weißt kein Rätsel?«

»Gewiß weiß ich eines: Was wächst am schnellsten?«

»Die Dummheit.«

»Die Dummheit der Bauern? . . . Ich meinte der Hochmut der Herren. Aber du hast recht, unsere Dummheit läuft ihm wie ein braver Hund noch ein gutes Stück voraus.«

»So sagst du«, lehnte der Mattler ab. »Aber nun weiß ich ein anderes: Was wächst am langsamsten?«

»Etwa unsere Langstieler?« scherzte Bürgler.

Klaus verneinte.

»Oder so ein Ahorn wie der da unten?

»Viel langsamer!«

»Dann im Morgenland die tausendjährige Zeder?«

»Nicht witzig ratest du heut. Das Langsamste ist die Freiheit. Nichts braucht so viel Zeit. Man hat daran zu wachsen bis zum Sarg und ist noch nicht fertig geworden. Und du, Heini, meinst, sie wachse den Entlebuchern über Nacht wie ein Pilz. Aber was wie ein Pilz kommt, geht auch wie ein Pilz. Das denket! . . . Du dort, schweig mit deiner Geige!«

»Geig zu, geig zu«, befahl Amstalden. »Nein, lieber Klausi, die Freiheit ist keine Schnecke. Sie kommt wie der Blitz. Fassen muß man sie, wenn die Gnade heiß ist, sonst fällt man gleich ins alte Dunkel zurück. . . . Geig zu, geig zu, das ist deine brave Musik. . . . Aber meine Geige liegt dort unten, das Entlebuch«, fabelte er wild weiter, und das Haar sträubte sich ihm vor Sturm und Stolz. »Es schläft und schläft weiß Gott wie lange schon. Aber ich will der Geigenbogen sein, strichauf, strichab, schnell und schneller, bis sie aufschreit und lacht und tanzt und alles umwirft und alles frei macht. . . .« Seiner Sinne nicht mehr mächtig, packte er den Geiger am Rock und jagte mit ihm ohne Ade und Gruß zur Alpe hinunter.

Wie viele Räusche sind an diesem Jakobitag getrunken worden! Und in jedem Rausche spukte jener famose Spiritus, der im Ranft vorm Jahr so arg koboldet hatte. Er sprühte aus der Fiedel und musizierte aus jedem Glas: Trinket, lebet, rebelliert! Der Wein ist rot, das Blut ist rot, die Freiheit ist rot, alles Schöne ist rot! Trinket, trinket!

Am folgenden katzenjämmerlichen Morgen strichen dem Peter nur noch ein paar Nebelfetzen von dem, was er gestern schwadroniert hatte, durch den Kopf: Wallfahrt der Entlebucher zu Bruder Klaus, daß er ihre Spieße gegen die Stadt segne . . . Überfall Luzerns bei Nacht . . . Brand und Mord . . . Sitzen hoch über die Herren . . . ein Entlebuch, das sich selbst regiert. . . . Fast mußte er jetzt lachen: Zuwenig haben und zuviel wollen, wie reimt sich das? Er nahm sich vor, täglich einen Schoppen Wein weniger und gar kein Kirschwasser mehr zu trinken. Aber Sternenwirt sein, lustiger Witwer, mit vier trinkfesten Buben und einer übermäßigen Leber . . . und nicht trinken!

*           *
*

Bald darauf ging es ans Ernten. Durchs ganze Entlebuch blitzten die Sensen und rauschte das zweite Gras in den geschwindesten und schönsten Tod.

Nach den letzten Räuschen Amstaldens verschwollen sich die alten Brustnarben wieder und brannten und spannten so heftig, daß Peter zur Mahd nicht ausgreifen konnte, wie er begehrte. Er schämte sich darob vor den rauhen Buben und dem Gesinde, aß den Znüni nur ungern mit und übergab seinem Ältesten, Kaspar, für heut und morgen die Aufsicht. Dann zog er sich sonntäglich an und fuhr nach Luzern, wo ihn Fendrich Fankhauser, der Entlebucher Vogt, und Beat Zöllig, ein Viehhändler aus Hitzkirch, wegen eines Gütertausches erwarteten. »Heut hau' ich den zweien übers Ohr«, gelobte er, »im Märzen taten sie's.«

Aus allen Matten am Weg lachte ihm eine wortlose, aber heldenhafte Ernte entgegen und rauchte das herrliche Gras wie ein Opfer gen Himmel. Die Zipfelmützen wehten, die Gabeln wirbelten die Mahd hoch in der Sonne, die Schüsseln klingelten unter den Bäumen, aber die Menschen schwiegen vor Eifer und ließen nur selten einmal ein wildes, herrenloses Juhui entfahren. Peter Amstalden fuhr immer langsamer, so wohl tat ihm das Bild. Er schüttelte den Kopf, kraute sich im Strubel, pfiff durch die Zähne und wiederholte sich: »Was wissen und wollen die eigentlich mehr? Haben sie nicht genug? Wer kann ihnen noch dazugeben? Mehr als genug, sagte der weise Bruder, ist weniger als genug, ist des Teufels. . . . Juhui«, antwortete er einem Knecht, der unter den Birnbaum zur Mehlsuppe lief, » . . . eigentlich kann ich unsern Bürgler nicht verstehen, so einen Dickling, der in Schmalz und Freiheit bratet und doch immer von Sklaverei flüstert. Ja, gar dieses Flüstern! Schreien soll man, laut von der Leber schreien das Gute und das Böse!«

An der Luzerner Kapellbrücke, der gedeckten und mit Tafeln geschmückten, wartete schon Beat Zöllig im Halbdunkel des Abends und winkte. Aber diesmal war er ein Menschenhändler. Er zog den Amstalden freundlich die dunkeln Bretter hinein bis zur Ecke, wo der Gang umbiegt und vom Dach der Bischof Leodegar grüßt, dem die Schergen des Frankenkönigs die Augen ausstechen. »Geblendt mer sechent worden«, stand darunter. Hier umfaßten ihn jählings vier derbe Arme von hinten, eine Mütze fiel ihm übers Gesicht, Handschellen kloben sich in die Gelenke, und es riß und zerrte an ihm vorwärts bis zum Pförtlein des Wasserturms, der an die Brücke gebaut mitten im tiefen, grünen Reußwasser wie ein herzloser Unhold steht. Da stieß man Peter eine feuchte Treppe hinunter. Alles ging atemlos flink, und als der sonst so rasche Mann sich endlich die Augen wischen und zu einer Frage anstrengen wollte, gab es nichts als Finsternis und das Murren der Reuß ums dicke Gemäuer. Er schloß, er öffnete die Lider, aber sah immer nur den heiligen Bischof Leodegar, den die Henker blenden, und die gotischen Schnörkel: »Geblendt mer sechent worden . . .« Dumpf, wild, verstört glotzte er das an, aber verstand nichts. Da gelang ihm endlich ein ungeheurer Schrei. Er schnellte in die Höhe, um all den Spuk zu brechen. Himmel und Hölle, die Füße staken im Pflock, die Hände in Mauerringen. Gefangen, verloren. . . . Jetzt ward auch Peter Amstalden sehend.

Das ist nicht wahr, noch eben stand ich in der Sonne! . . . In grauenhafter Angst stemmte er sich empor, zuckte zusammen, krümmte sich wie ein Reptil, biß in die Kette, heulte, weinte und plumpste klirrend auf die Platten zurück. Gewaltig wie ein Riese focht er so eine Stunde lang. Es tönte, als ringe nicht einer, sondern ein ganzes Land, das gesamte Entlebuch. Voll Schweiß und Blut und Tränen sank er zuletzt in seinem Winkel mit der Nacht und dem Elend in einen schwarzen Haufen zusammen.

Die am Rhyn saßen gerade am Nachtessen, als der Bote den gelungenen Fang und die solide Haft des Empörers meldete. Philipp Eduard hatte seine Braut gegenüber, das bleiche, wunderfeine und ganz verhexte Röseli von Sonnenberg. Er schleckte den Rest der Bratensoße vom silbernen Löffel und fragte bübisch: »Aber die Hand, Vater, hat man sie auch in die oberen Ringe gehängt, weißt, wo sich der Kindsmörder Barthel so elend strecken mußte? Der lange Peter hat ja zu Murten geprahlt, wie weit er damit über Luzern langen wollte. Hab' er's jetzt!«

»Schweig, Laffe«, herrschte ihn der alte Patrizier an, »Gerechtigkeit soll sein, nicht mehr, nicht minder!«

Röseli erschauerte vor den schwarzen Blicken, die der hochgeborne Zierbengel auf diesen Bescheid unnütz in den Boden verschoß. »Sei doch ein wenig milder«, wollte es bitten, »nur ein Zuckerlöffelchen voll süßer, dann bist du noch einmal so herrlich!«

»Frau Mutter«, bettelte indes der Junge artig, »hat es noch von der Soße zu diesen Klößen? Das schmeckt besessen gut. . . . Beinahe wie Entlebucher Blutwürste.«

Schwaps saß ihm eine Maulschelle im Puppengesicht. Die Mutter, eine tapfere und kurzangebundene Pfyffer, rauschte barsch aus ihrer Seide empor und rief dem Küchenjungen: »Ruedi, zünd dem Phili die Kerzen an, er geht sogleich zu Bett!«

Da fing das Bräutchen an zu weinen. Denn es fühlte klarer als je, daß es seinen Philipp nur noch mehr liebe, je härter er sei und je mehr er ihm zu leiden und zu weinen geben werde.


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