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Siebentes Kapitel.

Ein wirkungsloser Feldzug. Fridolin bekommt zwei Füchse als Mieter, von ihnen wird ihm das Leben gerettet.

 

Wenn der Vater Ditzen an diesen Herbst zurück dachte und an den mit so großen Erklärungen begonnenen Krieg, so mußte er sich eingestehen, daß der Feldzug ein völliger Mißerfolg gewesen war. Ein Mißerfolg? Einen Mißerfolg kann man überwinden, ein Mißerfolg kann sogar zum Ansporn werden, die eigenen Anstrengungen zu erhöhen – aber nichts von alledem! Der ganze Krieg war im Sande verlaufen, wochenlang hatte man den Dachs Fridolin ganz vergessen, und erst als der Winter kam, dachte erst recht keiner mehr an ihn, nicht einmal die Mücke.

Natürlich wurde doch die geplante Expedition zum Dachsbau gemacht, obwohl oder vielleicht gerade weil die Mücke als Kriegsteilnehmerin ausgeschieden war, und obwohl die Befürchtung bestand, daß der Dachs durch Mückchens Spaziergang »vergrämt«, das heißt, daß er geflohen war, daß er seinen Wanderstab weiter gesetzt hatte.

Aber es erwies sich, daß die Teddy wohl viel guten Eifer, aber keinerlei Grabtalente besaß: immer wieder buddelte sie sich fest. Sie wirbelte im Anfang Sand und Steine auf, daß sie mit den Staubwolken fast die Sonne verfinsterte. Dann verschwand sie in der Röhre, und wenige Minuten später setzten diese schraubenförmig windenden Bewegungen ihres Hinterleibes ein: die Teddy strebte nicht mehr nach dem Dachse, sondern nach der lieben Luft!

Nach einigen Minuten Ruhe von neuem ermuntert, begann sie mit frischem Eifer und endete mit demselben Mißerfolg. Schließlich konnte kein Listen und Locken sie mehr zu der Röhre hinkriegen; die Teddy, erhitzt und völlig verdreckt, begab sich an den See und nahm ein längeres, erfrischendes Bad. Kein Pfeifen und Rufen des Herrn konnte sie den Fluten entlocken.

So begaben sich die beiden Männer, Vater und Uli, auf die Suche nach den Notröhren, die laut Brehm vorhanden sein mußten. Es muß hier gestanden werden, daß zwischen den beiden Kriegsteilnehmern weder Einigkeit noch freundliche Stimmung herrschte. Der Vater hatte nämlich die vom Sohne verfertigten Knüppel mit unverkennbarem Hohne zurückgewiesen und hatte sich spöttisch erkundigt, ob es nicht vielleicht doch zweckmäßiger wäre, gleich Telegraphenmasten oder einen mittleren Eichenbaum mitzunehmen? Der Sohn war dabei geblieben, daß zu einem kräftigen Schlag auch ein kräftiger Knüppel gehörte. Wortlos hatte der Vater eine abgebrochene Bohnenstange, der Sohn aber trotzig den selbstgefertigten Knüppel ergriffen, und so waren sie, von Waffen starrend, aber wortlos in den Krieg gezogen.

Diese Mißstimmung konnte den kriegerischen Aktionen nicht nützlich sein. Mit Unlust wurde die Nachsuche nach den Notröhren durchgeführt, und so entgingen sie alle drei den Spähern, sowohl die zwischen Steinen und Kraut versteckte am Seeufer, wie die im Holundergebüsch verborgene auf der Mitte des Hanges, wie die im Reisig mündende, oben an der Seekante.

»Ach, geben wir doch diesen Quatsch auf!« sprach der Vater und brach damit endlich das zwischen beiden seit einer halben Stunde herrschende Schweigen.

»Die Teddy ist eben zu gar nichts zu gebrauchen«, stimmte der Sohn zu.

»Da hast du wahrhaftig recht«, sagte der Vater fast freudig und erging sich nun auf dem ganzen Heimweg in bitteren Bemerkungen über diesen von den Frauen im Hause völlig verdorbenen Hund, der keinen Appell habe, kein Ehrgefühl, nicht ordentlich an der Leine gehe, nicht zum Wachhund tauge, sondern mit jedem Landstreicher sofort Freundschaft schließe, der immer noch trotz aller Ermahnungen und Schläge die Gänse jage und so weiter und so fort, bis sie wieder zu Hause waren.

Die Teddy lief vergnügt schwänzelnd nebenher, stolz ein Steinchen im Maule tragend. Da der Sohn dem Vater in allen Punkten zustimmte, war die Mißstimmung zwischen den beiden völlig behoben. Am Mißlingen der Expedition trug allein die Teddy schuld, und im übrigen war der Dachsbau wahrscheinlich gar kein Dachs-, sondern ein Otterbau, das bewiese schon das Fehlen der Notröhren. Damit war dieser Teil der kriegerischen Unternehmungen für den Herbst und Winter endgültig abgeschlossen.

Blieb noch das Fallenstellen – als ein Mann von Grundsätzen und Ordnung führte der Vater sein Programm also durch. Die Falle wurde von ihm aus dem Bodenversteck geholt und im Beisein von Uli und Mücke in einem Zaunloch aufgestellt. Die Anwesenheit von Zuschauern machte den Vater bei diesem ersten Aufstellen natürlich nervös. Das Tellereisen war zwar reichlich verdreckt und verrostet, aber es hatte noch sehr kräftige Federn, was der Vater beim Spannen erfuhr. Er machte mehrere Versuche, aber es wollte ihm gar nicht gelingen, das Eisen auf Fang zu stellen. Die beiden halbkreisförmigen Stahlbügel mit ihren eisernen, rostigen Zähnen sahen sehr bösartig aus.

»Verflixter Mist!« fluchte der Vater halblaut und machte seinen fünften Versuch. Und er setzte bitter hinzu, auf die Gefahr, in der er ständig schwebte, hinweisend: »Wer da mit seinen Knochen dazwischen gerät, hat auch nichts zu lachen!«

Der Sohn erkundigte sich: »Glaubst du, daß so ein Eisen glatt abschlägt, Papa?«

»Kaum!« sagte der Vater und machte den sechsten Versuch. »Aber die Knochen sind hin, darauf kannst du Gift nehmen, Uli!«

Die Mücke dachte an ihren putzigen, friedlichen Fridolin, sie dachte, was so ein Fridolin wohl anfinge mit zerbrochenen Knochen, ohne alle Pflege ... Wenn man mit einem Stock auf den Teller der Falle stieße, würde sie zuklappen und kein Dachs in ihr gefangen werden, überlegte sie. Dann warf sie einen Blick auf das wütende Gesicht des Vaters und beschloß, von dieser Hilfsaktion erst einmal abzusehen.

»Ich hab mal gelesen«, fing Uli wieder an, »daß man so eine Falle nicht mit bloßen Händen anfassen soll, die Tiere wittern das.«

»Ich soll wohl für Mückes Fridolin auch noch Glacéhandschuhe anziehen?« fragte der Vater, aber nicht mehr böse, denn die Falle war jetzt endlich gespannt. »Nein, danke schön! Im übrigen stinkt das Ding so nach Rattendreck und Rost, daß der Dachs mein bißchen Anfassen bestimmt nicht riecht.«

Damit wurde die Falle in das Zaunloch geschoben und am Drahtzaun verankert. »So!« sprach der Vater. »Nun soll der Dachs nur kommen!« Er überlegte. »Leider muß ich das Ding jeden Morgen wieder wegholen und jeden Abend neu aufstellen, sonst läuft noch der Achim oder sonst wer rein. Wieder eine neue Beschäftigung für mich!«

Beim Abendessen wurde also allen feierlich eröffnet, daß von jetzt an die Nacht über eine Dachsfalle im Garten stünde: sehe jeder, wo er bleibe. Im übrigen werde dem Burschen wohl in aller Kürze sein diebisches Handwerk gelegt sein – trotz aller Mücken!

Es traf sich nun aber so, daß der Bursche in den nächsten drei Tagen weder bei Tage noch in der Dunkelheit seinen Bau verließ. Nein, Fridolin war über die neuerliche Störung seiner Ruhe und die Beschädigung seiner Schlupfröhre so verstimmt, daß er Hunger Hunger sein ließ und den Bau überhaupt nicht mehr verließ. Er war völlig mit der Welt zerfallen. Wenn man ihm selbst in diesem abgelegenen Winkel keine Ruhe ließ, nein, so kam es ihm auch nicht darauf an, dann wollte er gerne verhungern, und die Welt mochte sehen, wie sie ohne ihn auskam! Eine hübsche Welt würde das sein, ganz ohne Dachs!

So kam es, daß sowohl die weichherzige Mücke wie der blutdürstige Vater bei ihren morgendlichen Kontrollgängen die Falle stets unberührt fanden. Auch waren neue Zaunlöcher nicht festzustellen, und der jetzt stark reifende Mais blieb unberührt.

»Aha!« erklärte der Vater triumphierend im Kreise seiner Familie. »Der Schurke hat bemerkt, daß wir ihm den Krieg erklärt haben und verschont uns mit seinen Mausereien! Sein Glück – meine Falle würde sonst aus seinen Beinen Mus machen, und am Sonntag gäbe es bei uns Dachsbraten!«

»Kluger Fridolin!« dachte die Mücke bei sich. »Das ist schön von dir, daß du aufpaßt und nicht in das olle, eklige Dachseisen gehst! Wir können sehr gut ohne Dachsbraten auskommen!«

Bei sich erwog sie einen neuerlichen Spaziergang zum Bau, um den kleinen Freund wieder einmal in der Sonne braten zu sehen. Aber einerseits waren ihr die Spaziergänge zum Dachsbau wohl eigentlich vom Vater verboten, zum anderen hatte sie jetzt im Herbst der Mutter so viel beim Einmachen zu helfen, daß sie wirklich keine Zeit zum Spazierengehen hatte. Sie hob sich das also erst einmal für später auf.

In der vierten Nacht wurde bei Fridolin der Hunger stärker als seine Verachtung der verkehrten Welt: er nahm seine Freßgänge wieder auf. Er war aber noch viel vorsichtiger und ganz scheu geworden, er beschränkte seine Suche ganz auf den Baumwerder. Auch dort fand er genug, seinen Hunger zu stillen, wenn er sich freilich dabei auch viel mehr mit Suchen anstrengen mußte, und natürlich fand er dabei nie etwas so Delikates wie Süßwachs und junge Mohrrüben.

Später, als alles bei seinem Bau ruhig blieb und der alte Friede wieder eingekehrt schien, nahm er seine alten Wege zu Ditzens Gemüsegarten und in das Maisfeld wieder auf. Er ging aber nicht mehr regelmäßig dorthin, sondern höchstens jede dritte oder vierte Nacht. Die mit solcher Ausdauer für ihn aufgestellte Falle witterte er natürlich sofort, er schauderte bei ihrem infernalischen Gestank und grub sich schnell ein neues Loch unter den Zaun.

Natürlich merkte das der Vater Ditzen, und unermüdlich stellte er die Falle in die neu gegrabenen Löcher, während er die alten wieder schließen ließ. Er ging sogar so weit, die Falle mit Mais zu beködern. Mit derselben Geduld, mit der Fridolin sich neue Zugänge schaffte, stellte der Vater das Eisen neu. Er hätte es ja nun begreifen müssen, daß der Dachs das Eisen stets witterte und ihm weit auswich, aber der Vater Ditzen hoffte eben (wie so manchmal in seinem Leben) auf ein Wunder. Er meinte, der Dachs würde einmal eine unvorsichtige Stunde haben. Oder er würde sich mit der Zeit an Aussehen und Geruch der Falle gewöhnen ...

Es geschah aber nichts dergleichen, sondern beide fuhren mit der gleichen Hartnäckigkeit in ihrer Beschäftigung fort: der Dachs im Graben, der Vater im Fallenstellen. Das hatte den einzigen Vorteil, daß der Vater das Fallenstellen vorzüglich erlernte, es gelang ihm nun stets auf den ersten Anhieb.

Im übrigen brachte es der vorrückende Herbst mit sich, daß der Vater gleichgültiger über den Dachs und den von ihm angerichteten Schaden dachte. Der Garten entleerte sich rasch von den Gemüsen, und der Mais wurde auf dem Acker abgeerntet und zum Nachtrocknen auf die Scheune gehängt, wo er dem Dachs unerreichbar blieb. Schließlich kam der Tag, da der Garten dem Geflügel als Auslauf freigegeben wurde. Nun blieben auch alle Hoftore offen: es wuchs draußen nichts mehr, an dem Schaden gestiftet werden konnte.

Der Vater nahm das Tellereisen und brachte es wieder auf den Boden. »Im nächsten Jahre machen wir es anders und besser«, sagte er, als er die Falle in den Winkel legte. Der erste Feldzug gegen Fridolin war vorüber. –

Der Dachs hatte einen schweren Herbst. Auf den dürren Sandäckern fand er nur dürftige Nahrung, die fette Bucheckernmast des Hullerbusches fehlte ihm sehr. Er mußte nachts lange suchen, bis er nur seinen Hunger gestillt hatte – zum Speck auf den Rippen und zum Mästen eines fetten Bäuchleins reichte es nicht. In seiner Vorratskammer sah es leer aus, nur wenige Rüben hatte er heimtragen können; plötzlich waren alle Gärten und Felder abgeerntet, es gab nichts auf Vorrat zu holen.

Dann brausten die nassen Herbststürme über die kahlen Äcker, Regen fiel, Schnee fiel – der See lärmte mit unwilligem Geräusch gegen seine Ufer, das dürr gewordene Schilf raschelte. Es ging eilig auf den Winter zu ...

»Das wird ein Winter werden!« dachte Fridolin oft. »Ich ahne es nicht, wie ich durch ihn kommen soll! So mager bin ich sonst kaum im Frühling gewesen. Wovon soll ich denn während meines Winterschlafes zehren? Kein Auge werde ich in diesem Winter zutun! Ach, wäre ich doch nur im Hullerbusch geblieben –!«

Zum ersten Male wieder sehnte er sich in den heimatlichen Wald zurück. Hätte er nur den Weg gewußt, er hätte ihn sofort unter seine Füße genommen. Aber er scheute das Dorf, er haßte die Zweibeine und ihre Hunde mehr denn je. Er haßte diese verkehrte Welt. Ach, wenn er sie eingerichtet hätte – das wäre ein Leben für einen rechtschaffenen Dachs geworden! Aber so – immer nur Hunger und Kummer –!

Dabei gelang dem Fridolin noch kurz vor Einbruch der strengen Winterkälte ein wahrer Glücksfund: er entdeckte bei Ditzens am Zaun hinter dem Komposthaufen eine Mohrrübenmiete. Er brach in sie ein, er fraß sich in ihr satt, er trug heim, soviel er nur konnte. Es war etwas einförmige Kost, vor allem ganz fett- und fleischfrei, aber dies war keine Zeit, wählerisch zu sein.

Der Frost kam früh in diesem Jahre, schon mitten im Dezember, und er hielt lange an. Schon frühe legte sich Fridolin zum Dauerschlafe nieder, aber er hatte es richtig vorausgesehen: er schlief schlecht. Jeden zweiten, dritten Tag wurde er wach; dann plagte ihn der Hunger in seinem zusehends dünner werdenden Bauche, und er ging in die Vorratskammer und fraß Möhren, mehr, als er durfte. Er würde mit seinen Rüben nicht bis über die Hälfte des Winters reichen – und was dann? Eine schlimme Welt, eine grundverkehrte!

Manchmal steckte er auch seine Nase rasch aus dem Bau, aber er zog sie immer gleich wieder, vor Frost zitternd, zurück. Was war da draußen auch zu sehen –? Tief verschneites Land; und keine Wellen liefen mehr auf den Strand des Sees, der in festem Eis lag. Einfach abscheulich, einfach trostlos, jedenfalls nichts für einen redlichen, anständigen Dachs. Nicht einmal Wasser gab es mehr zu saufen – mit Schnee-Lecken mußte er notdürftig seinen Durst stillen.

Und doch brachte dieser von Eis bedeckte See dem Fridolin Gäste, die, so abscheulich sie auch waren, ihm doch das Leben retten sollten, denn sonst wäre er in diesem schweren Winter ohne Rettung verhungert. Fridolin lag wieder einmal in seinem vor Hunger dünn werdenden Schlaf, als ihn ein Geräusch aufstörte – ein Geräusch in seinem innersten Heiligtum, am Eingang seiner Wohnhöhle.

Der Dachs fuhr auf und starrte in zwei Paar grüne, böse leuchtende Augen, die ihn frech anstarrten. Zugleich machte sich ein widerlicher, Fridolin nur zu gut bekannter Gestank bemerkbar. Füchse waren in seinen Bau eingedrungen, diese widerlichsten Tiere, die es auf der ganzen Welt gab, hatten seinen Schlaf benutzt, bis an die Tür seiner Wohnhöhle vorzudringen! Und diesmal war es nicht ein jämmerliches, halbverhungertes, unerfahrenes Füchslein, wie es der Isolein gewesen, sondern es waren zwei stattliche, völlig ausgewachsene Füchse, ein Fuchs mit seiner Füchsin, Isoleus und Isolina, die bei ihm eingedrungen waren!

Diese beiden Füchse kamen von weit her, nämlich aus dem Uckermärkischen, wo sie vor Jägern und Hunden zu Beginn des Winters aus dem heimischen Bau geflohen waren. Schon seit Tagen waren sie wohnungslos durch die Felder und Wälder gestrichen, überall stehlend und räubernd, in Kaninchenlöchern und Tannendickungen Unterschlupf suchend, und am nächsten Tage weiterziehend, stets auf der Suche nach einer neuen, günstigen Wohnung und einem reichen Jagdgebiet.

Über das Eis des Carwitzer Sees waren sie aus der Umgebung in das Mecklenburgische Land eingewandert, und herumstöbernd waren sie auf den einsamen Baumwerder geraten. Als sie hier noch den trefflich angelegten Dachsbau entdeckten, glaubten Isoleus und Isolina am Ziele ihrer Wanderung zu sein. Mit dem Dachs würden sie leicht fertig werden, sie wollten ihn nicht geradezu ermorden; aber ein im Winterschlaf befangener Dachs ist kein gefährlicher Gegner. Sie würden ihn immer mehr in die Ecke drängen, sie würden ihn mit ihrem Geruch ärgern – schließlich würde er doch vor ihnen weichen, er würde seine Wohnhöhle aufgeben. Was dann mit dem Dachs draußen in der Winterkälte wurde, das kümmerte die beiden wenig. Die Hauptsache war, daß sie eine gute Winterhöhle hatten, und Fridolins Bau gefiel ihnen, wie schon gesagt, vortrefflich.

So war der Plan von Isoleus und Isolina gewesen. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, daß Fridolin keinen regelrechten Winterschlaf abhielt, sondern daß er durch Hunger und Schlaflosigkeit im höchsten Grade gereizt war. Außerdem hatte er noch etwa einen halben Zentner Mohrrüben zu bewachen – er glaubte natürlich, die Füchse wollten ihm den fortnehmen, daß die Füchse keine Rübenfresser sind, das wußte er nicht.

So kam es, daß Fridolin, kaum hatte er die beiden Eindringlinge entdeckt, mit wütendem Fauchen nach der Nase von Isolina schnappte. Die Füchsin zog sie gerade noch rechtzeitig zurück, nur eine leichte, wenig blutende Schramme blieb als Mal dieses mutigen Angriffs zurück.

»Nur Ruhe! Bloß keine Überstürzung, Isolina!« sprach der Fuchs auf füchsisch zu seiner Frau. »Dieser kleine Dummkopf wird rasch genug wieder in seinen Schlaf verfallen. Dann schieben wir ihn da hinten in das Loch, das seine Vorratskammer zu sein scheint, und er mag sehen, wie er dort zurechtkommt.«

»Du hast vollkommen recht, Isoleus«, stimmte ihm seine Frau zu, die sich bis dahin eifrig die Nase geleckt hatte. »Ich bin auch stets dafür, jedem Streit aus dem Wege zu gehen. Vorläufig genügt nach den schweren Tagen, die hinter uns liegen, diese Röhre vollständig meinen Ansprüchen. Sie ist angenehm warm und ganz zugfrei. Ich schlage dir vor, Isoleus, wir schlafen uns erst einmal gründlich aus; hier wird uns niemand stören. Unterdes wird der kleine Nasenschnapper auch wieder eingeschlafen sein, und wir werden mit ihm tun, wie du gesagt hast. Angenehme Ruhe, Isoleus!«

»Dir gleichfalls, Isolina«, antwortete der Fuchs, und damit schliefen die beiden, die wirklich sehr ermattet waren, auch schon ein.

Der Dachs Fridolin hatte jedes Wort vernommen, da er aber Füchsisch nicht konnte, hatte ihm das wenig geholfen. Aber aus ihrem Einschlafen schloß er ganz richtig, daß sie gewillt waren, erst einmal hierzubleiben, und das verschlimmerte seine an sich schon gereizte Stimmung beträchtlich. Der Geruch, den diese beiden abscheulichen Tiere ausströmten, machte ihn fast ohnmächtig, aber seine Höhle war gut ventiliert, und so war er entschlossen, auszuhalten. Nicht noch einmal wollte er füchsischer Unverschämtheit weichen.

Wo sollte er jetzt auch hin, im tiefen Winter, ohne Nahrung und Obdach? Er hatte ja manchen Blick auf die verschneite und vereiste Welt draußen geworfen – wenn er hier nicht aushalten wollte, so mußte er es schon tun, falls er nicht sterben wollte. Und an Sterben dachte Fridolin nicht, jeder Dachs glaubt, daß er unsterblich ist, und daß die Welt mit seinem Tode aufhören würde, zu sein.

Nachdem sich Fridolin davon überzeugt hatte, daß die Füchse wirklich fest eingeschlafen waren, schlich er sich in seine Vorratskammer und fraß eilig und leise ein paar Möhren, um wenigstens erst einmal seinen grimmigsten Hunger zu beschwichtigen. Dann nahm er wieder seinen Wachtposten am Eingang zur Wohnhöhle auf. Die eben eingenommene Nahrung machte es, daß ihm sofort die Augen zufielen, aber er schlief nur leicht, schon der widerliche Gestank hätte ihn am festen Schlaf gehindert.

Er wurde von einem Flüstern wach. Er lag da, ein kleiner Ballen aus Fleisch, Knochen und Haar, aber voller Entschlossenheit, sein Heim um jeden Preis zu verteidigen, lieber sein Leben als seine Wohnhöhle zu lassen.

Die Füchsin flüsterte zum Fuchs: »Ich sehe ihn. Er liegt zusammengerollt auf der Seite und schläft. Schleiche dich leise an ihn heran, Isoleus, und schiebe ihn mit der Vorderpfote in die Vorratskammer.«

Der Fuchs tat, wie ihm seine Gattin geraten hatte, aber ein grimmiger Biß in seine Pfote belehrte ihn, daß der Feind auf seinem Posten war, und aufheulend zog er sich wieder zurück. »Was du auch alles redest!« sagte er ärgerlich zu seiner Frau. »Er schläft gar nicht, der Lump! Er hat mich schön in die Pfote gebissen! Der hat Zähne, auf die kann auch ein Fuchs sich was einbilden, der elende Froschfresser, der! Lecke mir die Pfote ein wenig, Isolina!«

Der Dachs lag immer weiter auf der Lauer, für jeden neuen Angriff gerüstet, aber er hörte nichts als das Lecken der Zunge. Ein wenig später sprachen die Füchse miteinander, und kurz darauf zogen sie sich ganz zurück. Fridolin hörte sie die Röhre hinaufschleichen; er wartete nur kurze Zeit, dann fuhr er ihnen nach und spähte aus dem Schlupfloch.

Ein eisiger Wind fegte über das ausgefrorene Land, er machte den Dachs zittern und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er sah aber noch die beiden Füchse, wie sie an der Schilfkante entlang auf das Dorf zuschnürten.

»Denen habe ich es aber besorgt!« dachte er und kehrte zufrieden in seinen Bau zurück. Notdürftig reinigte er die beschmutzte Röhre, dann fraß er sich in seiner Vorratskammer gründlich satt und legte sich zum festen Schlaf nieder. Er war davon überzeugt, die Füchse für immer ausgetrieben zu haben. Doch hinderte ihn der nie in ihm schlafende Argwohn, sich wie gewohnt an der Rückseite seiner Wohnhöhle niederzulegen. Direkt an den Ausgang packte er sich, die Schnauze gegen die Schlupfröhre gerichtet, obwohl ihm hier ein kühler Luftzug um die Nase wehte. Fridolin nieste ein paarmal, gähnte, und schon war er fest eingeschlafen.

Isoleus und Isolina strebten unterdes eilig dem Dorfe zu. Füchse sind gewaltige Futterverbraucher, und sie hungern nur sehr ungern. Als der Fuchs den Dachs »Froschfresser« geschimpft hatte, hatte er eigentlich die eigene Familie mitbeschimpft, denn auch die Füchse fressen gerne Frösche und Mäuslein. Aber über solche Nahrung, die übrigens auch im Winter gar nicht oder nur schwer zu haben war, dünkten diese beiden roten Räuber sich weit erhaben. In den Tagen, die sie nun heimatlos durch das Land streiften, waren sie rechte Diebe und Mörder geworden. Schon in so manchen Geflügelstall waren sie eingebrochen, und den Unterschied im Geschmack zwischen einer Gans, einer Ente und einem Huhn kannten sie ganz genau. Sie meinten, es müsse mit solcher Fleischkost immer weitergehen, und so waren sie auch jetzt entschlossen, ihren sehr kräftigen Hunger aus den Geflügelbeständen des Dorfes Carwitz zu stillen.

Im allgemeinen hielt bei solchen Diebesgängen der Mann Isoleus die Spitze, und seine Gemahlin Isolina blieb mehr zurück. Obwohl die beiden nämlich eine gute Ehe miteinander führten, konnte Isolina doch nie ganz den listigen, ja heimtückischen Fuchsencharakter verleugnen: sie meinte, ihr bei weitem nicht so kluger Mann solle ruhig immer vorangehen und damit die größere Gefahr tragen.

Heute aber lief Isolina ihrem Manne immer drei oder vier Gänge voraus, und oft drehte sie sich nach ihm um, ihn mit kurzem Bellen zu rascherem Laufe auffordernd. Dann bellte Isoleus mißmutig zurück: der Dachsbiß in der Pfote machte ihm viel Beschwerden, und das längste Stück des Weges mußte er auf drei Beinen zurücklegen. In der Nähe des Dorfes angekommen, schlug Isolina leise ihrem Manne vor, heute einmal getrennt zu jagen. Sie sah nämlich voraus, daß ihr Mann, behindert wie er durch den Biß war, keine große Hilfe bei der Jagd sein würde und wollte sich lieber allein ihren Braten sichern.

Sie fing ihn auch ganz mühelos: an der Seekante bei Ditzens Haus suchten sich die Hühner weit verstreut ein wenig Futter in dem ausgewaschenen Grün unter den blattlosen Haselbüschen. Hinter dem Mäuerchen zu Schönfelds Garten verborgen, sah Isolina eine Weile dem Gescharre und Geputte zu. Dann fuhr sie rasch dazwischen, und schon hatte sie die fetteste von der Gesellschaft in den Fängen. Ein rascher Biß brachte die aufgeregt Spektakelnde zum Schweigen, und schon strebte Isolina wieder dem Dachsenbau zu.

Indessen hatte der dreibeinige Fuchs ein noch größeres Glück entwickelt. Auf der anderen Seite des Sees am Rohr entlang schleichend sah er einige Enten, die sich in einem für das Wasserholen in das See-Eis geschlagenen Loch tummelten. Er wartete geduldig, bis die Enten wieder schwerfällig auf die Eiskante geklettert waren, dann fuhr er zwischen sie, und einen Augenblick später war auch er schon wieder auf dem Heimwege, einen fetten Erpel im Fang. Der Weg war zwar etwas mühselig auf drei Beinen, mit der schweren Last im Maule, aber dieser Braten lohnte jede Mühe.

Im Dorfe aber war von den beiden Diebstählen nichts gemerkt worden, obwohl Kinder genug draußen spielten. Ihr Diebesfach verstanden die beiden Räuber ausgezeichnet, das mußte man ihnen schon lassen.

Während Isoleus sich noch mit seiner Beute heimwärts abschleppte, war die viel beweglichere Füchsin bereits wieder vor dem Dachsenbau angelangt. Sie legte die Henne vor dem Einschlupf nieder und lauschte behutsam in die Röhre. Ihre scharfen Ohren hörten aus der Tiefe ein leise brummendes Geräusch: den Schlafatem Fridolins. Leise auf allen vieren schleichend näherte sich die Füchsin dem Dachs; jetzt war sie ihm so nahe, daß sie ihn mit der Schnauze berühren konnte, und nun hielt sie inne, um noch einmal die Lage zu überprüfen. Nach dem gemeinen Biß in ihre Nase und ihres Gatten Bein war sie fest entschlossen, diesen kleinen, frechen Dachs nicht mehr zu schonen, sondern mit einem Biß zu erledigen.

Isolina war aber auch vorsichtig genug, sich zu sagen, daß dieser Biß sofort erbarmungslos sitzen mußte. Zu irgendeinem Gegenbiß durfte der Dachs keine Zeit mehr haben. Sie hatte ja an ihres Mannes Pfote gesehen, wie scharf ein Dachs zubeißen kann, und sie hatte nicht die geringste Lust auf ähnliche Wunden. Darum stand sie jetzt bewegungslos nahe beim Dachs und überprüfte die Lage.

Für menschliche Augen wäre es in einer solchen Wohnhöhle fast zwei Meter unter der Erde stockfinster gewesen, aber für die leuchtenden Augen der Füchsin – und auch für Dachsaugen – herrschte eine angenehme Dämmerung, die in der Nähe einiges erkennen ließ. So machte Isolina aus, daß der Dachs auf dem Bauche lag und mit dem Kopf zwischen den Vorderpfoten fest schlief. Er hatte den Kopf fatalerweise so in das Eingangsloch geschoben, daß die Füchsin mit ihrem Gebiß nur ihn und im besten Falle den Nacken erreichen konnte. Das waren keine guten Ziele, viel lieber wäre ihr die Kehle gewesen, da hätte sie mit einem Biß den Gegner erledigt. An Kopf und Nacken konnte sie ihm wohl schwere Wunden beibringen, einen schweren Kampf würde das wohl geben, aber den wollte sie gerade vermeiden.

Überlegend stand Isolina da, dann kam sie auf eine Kriegslist, die einer Füchsin so recht würdig war. Sie drehte sich ein wenig um und kitzelte den Dachs mit der äußersten Spitze ihrer buschigen Rute unter der Nase; einmal, zweimal, zum dritten Male. Dann wartete sie bewegungslos auf die Wirkung ihrer List.

Wirklich trat diese Wirkung fast sofort ein. Fridolin zog sich zusammen und nieste einmal, zweimal, zum dritten Male kräftig. In dem leichteren Schlafe, in den er durch dieses Niesen geraten war, empfand er die Kühle am Eingang der Wohnhöhle unangenehm. Er wälzte sich mehr in ihr Inneres zurück und kam dadurch auf die Seite zu liegen. Sofort sah die Füchsin ihre Gelegenheit: die ungeschützte Kehle lag bloß, sie öffnete weit das Maul zum tödlichen Biß ...

In einer größeren Gefahr hatte Fridolin noch nie in seinem Leben geschwebt, sein Dasein schien nur noch nach Sekunden zu zählen ...

Da polterte es gewaltig in der Schlupfröhre, und eine tote Ente sauste herab und traf die Füchsin im Rücken. Sie machte einen erschrockenen Satz, der gut gezielte Biß ging fehl, die Zähne Isolinas trafen nur auf die Kinnbacken Fridolins. Dieser, vom Niesen schon schwächer schlafend, tat ohne nachzudenken einen Biß und faßte gerade die Nase der Füchsin, die sie mit lautem Aufheulen eiligst zurückzog. Sofort fuhr der nun ganz erwachte Dachs ins Eingangsloch der Schlafhöhle und fauchte wütend nach der Feindin, die aber nicht mehr die geringste Lust hatte, den Kampf fortzusetzen.

Zum zweiten Male in vierundzwanzig Stunden war die Füchsin an der Nase verletzt worden, diesmal aber kräftig. Sich das reichlich fließende Blut ins Maul leckend, zog sie sich weiter in die Schlupfröhre zurück, die so unglücklich hinabgesauste Ente vor des Dachsen Schlafzimmer liegenlassend.

Man kann es sich vielleicht denken, mit welchem Zorn in der Brust Isolina den jetzt mit ihrer Henne im Maule herabkriechenden Gatten empfing. Der war natürlich aus allen Himmeln gefallen: nie hatte er gedacht, daß sein kleiner Scherz solch eine Wirkung haben könnte. Nach Art vieler Ehemänner hatte er nämlich seine Frau mit der fetten Ente überraschen wollen, und die Überraschung schien ihm am wirkungsvollsten, wenn er die Ente durch die steile Schlupfröhre hinabfeuerte.

»Aber, Isolina«, sagte er, ganz beleidigt durch ihre wütenden Vorwürfe. »Wie konnte ich auch denken, daß du gerade wieder mit dem Dachs anbinden wolltest, eigentlich wollten wir ihm doch nichts tun. So etwas muß einem doch vorher gesagt werden!«

»Du bist und bleibst ein ausgemachter Trottel!« antwortete Isolina wütend. »O Gott, meine Nase – wenn es nur nicht gerade meine Nase wäre! Nie wieder werde ich richtig riechen können! Was für Schmerzen ich habe! Wie das sticht und beißt!«

»Ich habe mich wegen meiner Pfote lange nicht so angestellt wie du dich mit deiner Nase!« sagte Isoleus, der durch die Bezeichnung »Trottel« tief beleidigt war.

»Eine Nase ist keine Pfote, und eine Pfote ist keine Nase«, antwortete Isolina, und so ging der Streit zwischen den beiden Eheleuten noch stundenlang weiter. Nachdem er sich aber endlich beruhigt hatte, erteilte Isolina ihrem Manne in strengem Tone den Befehl, die Ente zurückzuholen. Vorsichtig kroch der Fuchs an sie heran, aber ein zorniges Fauchen des Dachses bewies ihm, daß der Hauswirt noch nicht wieder eingeschlafen und immer noch böse mit seinen Zwangsmietern war. »Er will mich nicht an die Ente heranlassen, Isolina!« rief er seiner Frau zu.

»Schnappe sie dir doch schnell, oder bist du zu feige dazu?« rief die Füchsin zurück.

Gehorsam schnappte der Fuchs zu, zog sich aber wieder sofort zurück, denn das Gebiß des Dachses war drohend ganz nahe vor ihm erschienen, und der Dachs war im Vorteil, weil er am ganzen Leibe geschützt in der Höhle steckte. Fridolin lag nicht das geringste an der Ente, noch nie war der Gedanke an einen solchen Braten in seinem Kopfe aufgetaucht. Er wäre auch viel zu ungeschickt gewesen, sich solch einen Vogel zu fangen. Aber er wollte nun einmal die Füchse nicht wieder in die Nähe seiner Wohnhöhle lassen; Hunger und Zorn hatten aus dem friedfertigen Fridolin einen wahren Kampfteufel gemacht.

Wieder gab es einen neuen Streit zwischen den Eheleuten; aber der änderte nichts daran, daß ihnen die Ente unerreichbar blieb. So mußten sie sich mit der Henne begnügen, von der die Füchsin als Fängerin und noch dazu als Schwerkranke den Hauptanteil beanspruchte. Beide wurden sie nicht satt, aber für heute war es zu spät, noch einmal ins Dorf zu gehen. Schon war es draußen dunkel geworden, und alles Geflügel schlief in seinen Ställen. Sie mußten sich hungrig schlafen legen, und das taten sie auch. Fridolin schlief auch ein, aber wieder nur leicht.

Am nächsten Tage machten sich die Füchse schon zeitig auf einen neuen Raubzug, und Fridolin blieb das Amt, die Schlupfröhren von den Unsauberkeiten der Gäste zu reinigen. Auch die Hühnerknochen trug er aus dem Bau. Füchse nun sind liederliche Tiere, auch wenn sie viel Hunger haben, sie schlingen doch nur. So kam es, daß im Gange außer Knochen Fleischfetzen herumlagen. Fridolin, der diese Abfälle im Maule aus dem Bau trug, spürte den Geschmack des Fleisches auf der Zunge, und er dünkte ihm nicht unangenehm, sondern wie Mäusefleisch, nur gröber. Er schmeckte, und schließlich fraß er, was er fand – zu lange war er der Fleischnahrung entwöhnt gewesen.

Zum Schluß blieb nur noch die Ente aus dem Bau zu schaffen. Fridolins Schnauze kam mit der Bißwunde in Berührung, die Fleischfetzen vom Huhn waren nur kärgliche, ihm noch mehr Hunger bereitende Happen gewesen: Fridolin machte sich an das Vertilgen der Ente. Die Federn bereiteten dem ungewohnten Fresser viel Beschwerden, aber ganz gleich: er drang, wenn auch mühevoll, bis zum Fleisch vor und stillte seinen Hunger. Noch hatte er nicht die Hälfte der Ente vertilgt, so war er satt. Er legte sich in seine Höhle, die Schnauze im Eingang und schlief ein.

Fridolin brauchte keine Angst mehr vor den Füchsen zu haben. Sie hatten jede Absicht auf ihn aufgegeben, sie hatten an ihren Wunden genug zu leiden und wurden durch sie auch erheblich in ihrer Jagd gestört. So begnügten sich Isoleus und Isolina mit der Einschlupfröhre, dem Dachs verblieb die Wohnhöhle. Regelmäßig, wenn seine bösen Mieter auf der Jagd waren, reinigte er die Röhre und nährte sich dabei von den Resten, die von den Füchsen an den Knochen gelassen wurden. Da die Jagd für die Räuber meist günstig ausfiel, kam Fridolin dabei gut auf seine Kosten, wenn er auch nie wieder das Glück hatte, eine ganze Ente zu bekommen.

Viel Beschwer indessen mußte freilich der Dachs durch die Füchse erleiden. Er mußte sich an ihren Gestank gewöhnen, ihren Unrat beseitigen, auf den Winterschlaf verzichten. Er wurde darüber immer griesgrämiger und böser, doch waren es diese bösen Füchse, die ihm das Leben retteten; ohne sie wäre Fridolin verhungert.

Unterdes kam das Land allmählich immer mehr in Aufruhr. Nicht nur in Carwitz, nein, auch in Conow, in Thomsdorf, auf dem Hullerbusch, beim Gute Rosenhof, ja, sogar in Fürstenhagen und Biesterfelde verminderte sich ständig das Geflügel. Hier fehlten Legehennen, dort die beste Zuchtgans, Puten verschwanden spurlos, Enten wurden vom Erdboden ausgetilgt, ja, sogar in Karnickelställen wurde frecher Raub verübt.

Bald war die Art der Räuber bekannt. Kinder hatten sie gesehen, Eisfischer, Waldarbeiter. Als ein großer Fuchs, der meist nur auf drei Beinen lief, und als eine Füchsin mit merkwürdig geschwollener Schnauze wurden sie beschrieben. Hilferufe wurden an den Jagdaufseher Friesicke gesandt, der meist in der Stadt lebte. Er kam mit einem Schießgewehr und einem Jagdhund.

Zuerst mußte Isoleus daran glauben. Der Hund faßte den viel zu Langsamen und würgte ihn ab, ehe noch der Jäger hatte einen Schuß abgeben können. Die listige Isolina wurde bei der Heimkehr, eine fette Gans schleppend, erschossen; sie hatte ihren Gatten nur um zehn Tage überlebt.

Als die Füchse über eine Woche lang nicht mehr im Dachsenbau eingekehrt waren, legte sich Fridolin nieder zu einem verspäteten Winterschlaf. Schon wehten draußen die weicheren Winde des Februar, in der Vorratskammer lagen Möhren noch genug, um den Dachs bis zum wärmeren Wetter zu erhalten. Er haßte die Füchse mehr denn je, und doch waren sie es, deren Raub sein Leben erhalten hatte.


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