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Viertes Kapitel
Gareis in der Schlinge

1

Am 4. Oktober regnet es. Es ist ein richtiger Herbsttag. Der Wind zerrt an den Bäumen, durch alle Straßen jagt er abgegriffenes, feuchtes Laub, der Regen schlägt gegen die Scheiben. Gareis steht am Fenster, hat die Hände auf dem Rücken und sieht hinaus.

Er zieht die Unterlippe zwischen die Zähne und kaut darauf herum.

Sein Vorzimmer ist voller Leute, aber er mag keinen kommen lassen. Was wollen sie alle? Einen Auftrag, eine Zuwendung, einen Posten, eine Wohnung.

Dreihundertvierundsechzig Tage müht er sich, aus der Art, wie er auf unzählige Privatwünsche eingeht, einen Kurs zurecht zu steuern, der das Schiff vorwärts bringt, der Stadt zugute kommt.

Heute mag er nicht.

Er wartet auf ein Telefongespräch aus Berlin. Er wartet auf den Pinkus. Er wartet auf Stein.

Das Telefongespräch kommt nicht. Pinkus kommt nicht. Stein läßt warten.

Da verhandeln sie nun schon den vierten Tag in der Turnhalle und hämmern auf der Polizei herum. Das geht von morgens bis abends. Alles hat die Polizei verbockt. Die armen edlen Bauern, die armen edlen Städter, die alte böse Polizei ...

Was soll das? Hat es einen Sinn? Kommt etwas dabei heraus?

Es hätte einen Sinn, wenn sie die Polizei abschaffen wollten, wenn sie beweisen wollten, Polizei ist schädlich, überflüssig. Dann hätte es einen Sinn. Aber so?

Gareis steht vor seinem Schreibtisch. »Gesuch der Witwe Holm um zehn Zentner Briketts.«

Die froren also.

»Bitte des Invaliden Mengs an das Städtische Wohlfahrtsamt um Zuwendung von zwei Zentnern Kartoffeln.«

Die hungerten also.

Die wollten eine Gaslaterne. Das Anschlagwesen war zu verpachten. Geld für den Weiterbau des Krankenhauses zu beschaffen. Konzession für eine Autobuslinie nach Stolpe. Post- oder Bahnaufträge für die vor der Pleite stehende Fabrik von Meckerle (dreihundertfünfzig Arbeiter).

Es gab etwas zu tun, etwas zu beschaffen. Die Stadt wollte versorgt sein.

Und die saßen zusammen, dreihundert Menschen, täglich neun bis zehn Stunden in der Turnhalle, und droschen leeres Stroh. Die wälzten so lange die Zunge im Maul, bis etwas da war, das keine Arbeit in zehn Jahren aus der Welt schaffen konnte.

Der Bürgermeister drückt auf die Klingel, einmal, zweimal, dreimal.

Piekbusch erscheint.

»Sagen Sie einmal, Piekbusch, was haben Sie eigentlich die letzten Tage? Sie wirken so verquollen?«

»Verquollen, Herr Bürgermeister?«

»Wie ein Fenster, das man nicht aufkriegt. – Gibt es hier Flöhe?«

»Flöhe?«

»Die man Ihnen ins Ohr setzt.«

»Mir doch nicht, Herr Bürgermeister!«

Gareis sieht seinen Sekretär lange an.

Aber der hält den Blick aus.

»Also hier gibt es keine Flöhe«, sagt Gareis unmutig. »Wo ist Stein?«

»Der ist wohl noch im Gerichtssaal.«

»Rufen Sie an da. Er soll kommen. Sofort.«

»Jawohl, Herr Bürgermeister.«

»Halt! – Wo bleibt mein Telefongespräch mit Berlin?«

»Ich habe es schon zweimal angemahnt.«

»Wo es bleibt, frage ich?«

Der Sekretär bewegt die Schultern.

»Halt! Was laufen Sie denn ewig weg, Piekbusch? – Warum kommt Pinkus nicht?«

Der Sekretär zögert.

»Na? Reden Sie doch.«

»Pinkus ist im Gerichtssaal.«

»Warum kommt er nicht, wenn ich ihn bestelle?«

»Pinkus läßt sagen, er hat keine Zeit.«

Es kommt trotzig heraus und diesmal weicht der Sekretär dem Blick des Bürgermeisters aus.

Der pfeift. Langgezogen.

»Siehmalsieh! Hat keine Zeit, der Pinkeles.«

Ganz rasch: »Warten Sie, bleiben Sie da stehen, Piekbusch. Sie bleiben da stehen. Rühren sich nicht!«

Der Bürgermeister geht an den Apparat, immer die Augen auf seinen Sekretär geheftet.

Hebt ab: »Zentrale dort? – Hier Bürgermeister Gareis – geben Sie mir das Fernamt.«

Piekbusch sagt: »Herr Bürgermeister ...«

»Halten Sie die Schnauze! Sie bleiben stehen. Euch Brüder werde ich ...

Fernamt dort? Bitte, die Aufsicht! Ja, die Aufsicht. Hier ist Bürgermeister Gareis. Ach, entschuldigen Sie, Fräulein, mein Sekretär hat vor netto einer halben Stunde, es können auch vierzig Minuten gewesen sein, ein dringendes Gespräch nach Berlin angemeldet, Preußisches Ministerium des Innern. – Warum kommt das Gespräch nicht? Ja, ich warte, bitte sehen Sie nach ...«

Drohend in die Ecke: »Stille biste, Piekbusch. Ich werf Ihnen das Telefonbuch an den Schädel, wenn Sie mucksen!«

»Herr Bürgermeister, ich ...«

»Stille ...!«

»Ja, Fräulein? Kein Gespräch angemeldet? Das ist ausgeschlossen! Das muß ein Irrtum von Ihnen sein. – Kein Irrtum? Einen Augenblick, Piekbusch, ist es kein Irrtum?«

»Herr Bürgermeister, ich darf doch ...«

»Idiot! – Also, Fräulein, der Irrtum liegt auf unserer Seite. Mein Sekretär hat das verbockt, bitte, geben Sie es mir. Jawohl, Preußisches Ministerium des Innern. Und, Fräulein, Blitzgespräch. Jawohl, Blitzgespräch. Für mich, Bürgermeister Gareis, persönlich. Danke.«

Er legt den Hörer auf. Reckt sich.

Langsam und massig geht er gegen den Türwinkel, drohender Elefant, gegen den bleichen Piekbusch, der dort im Winkel steht.

»Herr Bürgermeister«, beginnt der, seltsam geläufig, vor Angst beredt: »Sie werden mich nicht schlagen, Sie werden mich nicht bedrohen, Herr Bürgermeister. Sie wissen selbst, was Parteidisziplin ist. Ich durfte nicht. Es war mir befohlen.«

»Ihnen befohlen! Wer hat es Ihnen befohlen?«

»Sie wissen, daß ich Ihnen schon mehr gesagt habe, als ich darf. Wenn Sie weg sind, ich kriege nicht so leicht eine Stellung wieder, ich will nicht abgebaut werden.«

»Wenn ich weg bin – ist es schon soweit? Sie irren sich. Piekbusch, ihr alle irrt euch. Aber sagen Sie mir eins, Piekbusch ...« Der Bürgermeister grübelt. »Der verschwundene Geheimbefehl, war das auch Anordnung der Partei?«

Er sieht scharf in das Gesicht seines Sekretärs.

»Nein, Herr Bürgermeister, so wahr ich lebe! Der ist weg. Davon weiß meine Seele nichts. Ich will auf der Stelle hinfallen, Herr Bürgermeister ...«

Das Telefon klingelt.

Der Bürgermeister sagt sanft: »Gehen Sie, Piekbusch, und besorgen Sie mir sofort den Stein her. Und diesmal tun Sie es wirklich. Oder ich schlage Ihnen alle Knochen im Leibe entzwei.«

Das Telefon läutet Sturm. Der Bürgermeister hebt den Hörer ab. Piekbusch verschwindet.

2

Durch die Nebentür von Gareis' Zimmer schiebt sich die schmächtige Gestalt von Assessor Stein.

Gareis kommt ihm lächelnd entgegen: »Nun, Steinlein? Doch hergetraut, trotz aller Verbote?«

»Verbote?«

»Tun Sie nicht so, Assessor. Ich weiß Bescheid. Ich weiß alles. Und Sie kuschen nicht vor der Partei?«

»Was heißt das?«

»Wissen Sie wirklich nichts? Hat man Sie draußen gelassen? Sind Sie ein aussichtsloser Fall? – Es scheint wirklich so. Die Partei hat nämlich so eine Art Verbot erlassen gegen mich, Zensur verhängt, wie Sie wollen. Man darf nicht mehr mit mir umgehen.«

»Nicht doch! Bürgermeister, das ist nicht möglich ...«

»Alles ist möglich, wenn man erfolglos ist. – Aber ich bin noch nicht erfolglos. – Sie waren – dort?«

»Ja.«

»Ist Assessor Meier wieder da?«

»Seit heute früh sitzt er wieder auf seinem Stühlchen.«

»Und –«

»Nichts. Er wollte nicht raus mit der Sprache. Er wüßte selber nichts. Der Entscheid der Regierung sei im verschlossenen Brief dem Vorsitzenden übergeben.«

»Das ist Stolpe! Das ist Temborius! Geheimniskrämerei bis zur letzten Minute. Nun, ich kann Ihnen sagen, was in dem verschlossenen Umschlag steht ...«

»Ja?«

»Aussagegenehmigung verweigert!«

»Wirklich, Bürgermeister? Ich wäre ja so glücklich!«

»Ich bin glücklich. Wenn es eine Falle war mit dem verschwundenen Geheimbefehl, so ist sie zugeschnappt, ehe ich drin war. Die haben jetzt lange Nasen.«

»Ist es auch sicher?«

»Ich habe eben mit Berlin gesprochen. Der Minister war noch nicht im Amt. Aber Regierungsrat Schuster sagte mir, es sei entschieden: bis hierher und nicht weiter. Man ist unzufrieden mit der Entwicklung des Prozesses. Man wünscht in Berlin kein Herumhacken auf der Polizei. Man wünscht Bereinigung des Bauernfalles. Der Geheimbefehl bleibt geheim.«

»Schuster ist doch ein Freund von Temborius?«

»Eben! Ich habe ja immer gesagt, daß Temborius nicht will. Es wird nicht ausgesagt!«

»Gott sei Dank! Was hätten Sie nur gemacht –?«

»Ach was«, sagt der Bürgermeister und strahlt, »irgendeinen Ausweg hätte ich ja immer gefunden, aber so ist es besser.«

»So ist es besser. Aber dann verstehe ich nicht, daß die Partei ...«

»Die tippen doch falsch. Die unterliegen alle der Atmosphäre im Gerichtssaal. Blutrausch der Polizei. Die Polizei hatte ihre Säbel geschliffen. Der Bluthund Frerksen. – Das erträgt kein Parteiherz.«

»Übrigens Frerksen, er ist heute wieder aufgetreten.«

»Frerksen interessiert mich nicht mehr.«

»Er erbat sich das Wort zu einer Erklärung. Er trat auf, mit etwa siebzehn Verordnungen in der Hand. Er rechtfertigte die Beschlagnahme der Fahne, den Angriff auf den Zug. Erstens: Polizeiverordnung von Anno X: Das Tragen unbewehrter Sensen durch die Stadt ist verboten. Zweitens: Bei Demonstrationszügen dürfen keine Stöcke getragen werden. Drittens: Die Führer haben die Demonstration nicht ordnungsgemäß angemeldet. Viertens: Der Zug benützte unerlaubterweise mehr als die Hälfte der Fahrbahn. Fünftens bis siebzehntens: derselbe Kohl.«

»War die Wirkung groß?«

»Ja, gewiß, für Streiter. Der fragte ihn: ›Waren Ihnen, Herr Oberinspektor, im Moment der Fahnenbeschlagnahme alle diese Verordnungen erinnerlich?‹

Und Frerksen: ›Nicht dem Wortlaut nach.‹

Und Streiter: ›Aber dem Sinne nach?‹

›Ja, die meisten. Ungefähr.‹

Und Streiter: ›Bei diesem phänomenalen Gedächtnis wundert es mich, daß Sie, Herr Polizeioberinspektor, die wichtige Bestimmung vergessen hatten, nach der Demonstrationszüge unter allen Umständen durch die Polizei zu schützen sind.‹

Frerksen war platt.«

»Das kann ich mir denken. Haben Sie eine Vermutung, wessen Puppe er eigentlich jetzt ist?«

Der Assessor sinnt. Er spitzt die Lippen, fängt an zu pfeifen. Bricht ab. Dann: »Das ist dumm. Dieses Lied hat zwei Verse, einen vom Unterland, einen vom Oberland.«

Er sieht seinen Chef abwartend an.

»Sie meinen?« sagt der überrascht.

»Nun ja, das Oberland muß sich auch einmal wieder rühren. Aber ...«

Das Telefon klingelt. Er nimmt ab, hört.

»Also, Assessor, ich werde zur Vernehmung entboten. Sie kommen doch mit?«

Und als sie auf der Straße sind: »Es wäre doch ein verdammt murksiges Gefühl, wenn ich jetzt nicht wüßte, warum und wieso. Werde ich fein meine Aussage zu Ende führen, einigen Leuten auf die Zehen treten, und dann pflanze ich mich in den Gerichtssaal ans Tischchen zwischen Meier und Röstel und höre mir die Sache mit an. Und wenn es noch einen Monat dauert, mein Hirn muß immer neue Beweise haben, daß die Menschen wirklich so doof sind.«

»Gott sei Dank, daß Sie mit Berlin telefoniert haben.«

»Hier kann ich wirklich sagen: Gott sei Dank!«

3

An der Tür des Gerichtssaals trennt sich Gareis von Stein. Stein schlüpft in den Zuhörerraum, während Gareis noch warten muß: es wird grade ein anderer Zeuge vernommen. Stein hört ein wenig gelangweilt zu. Es ist doch immer dieselbe Geschichte, daß die es nicht müde werden!

Dann erklärt der Vorsitzende:

»Wir werden nun erst die Vernehmung vom Herrn Bürgermeister Gareis abschließen«, und alles wendet aufmerksam den Kopf gegen die Tür.

Man hört den Gerichtsdiener draußen rufen, nun geht die Tür auf und Gareis tritt ein. Einen Augenblick bleibt er auf der Schwelle halten und überschaut den Saal.

Da steht er. Er ist der Bürgermeister Gareis, Polizeiherr von Altholm, Dezernent auch für Wohlfahrtswesen, Wohnungswesen, Verkehr und die Städtischen Anstalten. Ein großer Mann. Nun schreitet er langsam und würdevoll gegen den Richtertisch vor, er macht halt an ihm, direkt vor dem Vorsitzenden und neigt ein wenig den Kopf. Der Gruß eines Potentaten, verbindlich, höflich, doch schon der Gruß sagt: zufrieden bin ich nicht mit eurer Art, Prozeß zu führen.

Das Publikum (nebst Stein) sieht ihn von hinten. Einen ungeheuren schwarzen Rücken mit einem wohlgeformten massigen Schädel darüber. Sein linkes Profil gehört den Angeklagten, der Verteidigung und dem Regierungstisch, sein rechtes der Staatsanwaltschaft und der Presse.

Der Vorsitzende dankt höflich mit Haupt und Hand für den Gruß. Dann sagt er ein paar verbindliche Worte: »Wir haben bedauert, Herr Bürgermeister, Sie so lange von den Verhandlungen haben fernhalten zu müssen, denen Sie als Polizeiherr sicher gern beigewohnt hätten. Aber der Entscheid aus Stolpe über den Umfang Ihrer Aussageerlaubnis ist erst heute morgen eingetroffen. Heute morgen um zehn Uhr. Ich habe Sie sofort benachrichtigen lassen.«

Gareis neigt den Kopf und wartet in untadeliger Ruhe.

»Sie sind, Herr Bürgermeister, bereits bei Ihrer ersten Vernehmung vereidigt worden. Dieser Eid gilt auch für Ihre heutigen Aussagen.

Der Zweifel, wie weit Ihre Aussageerlaubnis durch die Regierung reichte, erhob sich anläßlich einiger Fragen, die Ihnen von der Verteidigung vorgelegt wurden. Ihnen war am Vormittag des Demonstrationstages ein Geheimbefehl des Regierungspräsidenten überbracht worden, der nur dann zu öffnen war, wenn Sie von der Schupo Gebrauch machten.

Sie haben die Schupo eingesetzt, den Geheimbefehl geöffnet –«

»– Öffnen lassen.«

»Haben ihn öffnen lassen.«

Pause, lächelnd: »Was enthielt nun dieser Geheimbefehl?«

Gareis sagt langsam: »Wie, bitte?!«

»Ja. Hier ist die Entscheidung der Regierung. Ihnen wird volle Aussageerlaubnis erteilt. Für jede an Sie gerichtete Frage. Einschließlich des Geheimbefehls. Ja.«

Zum erstenmal sieht Stein seinen Herrn und Meister die Fassung verlieren. Der Bürgermeister steht da, er sieht hierhin, dorthin, tritt von einem Bein aufs andere. Schließlich sagt er mit einer seltsam verwirrten, leisen Stimme: »Ich verstehe das nicht. Die Regierung hat ... Nein, hier muß ein Irrtum vorliegen ... Ich bitte doch ...«

Auf die Gesichter, die sich ihm alle entgegenheben, legt sich ein gespannter, verkniffener, ungeduldiger Zug. Der Verteidiger, der zurückgelehnt in seinem Stuhl dasaß, ist aufgestanden, kommt Schritt um Schritt lautlos näher. Die beiden Staatsanwälte neigen die Köpfe zueinander, flüstern. Im Zuhörerraum ist es vollkommen still.

»Ich bitte doch ...« sagt der Vorsitzende und reicht dem Bürgermeister ein Blatt.

»Wenn Sie selbst lesen wollen ... die Entscheidung der Regierung ...«

Gareis greift hastig danach, er liest das Blatt sehr langsam und sehr lange. Er läßt es sinken.

Mit etwas festerer Stimme sagt er: »Ich vermutete es. Hier muß ein Irrtum vorliegen. Ich habe erst heute früh den Bescheid des Ministers erhalten, daß ich nicht aussagen darf. Ich weiß wirklich nicht ...«

Der Vorsitzende: »Sie haben den klaren schriftlichen Bescheid erhalten, Herr Bürgermeister ...?«

Der Landgerichtsdirektor sieht gegen den Tisch der Regierung hin, an dem sich widerwillig und zögernd Assessor Meier erhebt, langsam naht ...

Unterdes sagt der Verteidiger direkt neben dem Zeugen: »Ich bitte doch den Gerichtshof, die Bedenken des Herrn Zeugen abzulehnen. Wir haben einen klaren unzweideutigen Entscheid der Regierung in Stolpe. Die Regierung in Stolpe ist die vorgesetzte Behörde des Zeugen. Der Entscheid ist verbindlich.«

Der Vorsitzende sagt: »Vielleicht kann uns Herr Assessor Meier, der die Aussageerlaubnis aus Stolpe mitbrachte, etwas über ihre Genesis sagen?«

Die Verteidigung widerspricht: »Die Erlaubnis genügt strafprozessual vollkommen ...«

»Aber wenn Herr Assessor uns orientieren kann ...«

Und der Assessor: »Ich weiß nicht, wer Herrn Bürgermeister Gareis den erwähnten Bescheid des Ministers mitgeteilt hat. Ich darf sagen, daß die Aussageerlaubnis nicht ohne ausführliche Rücksprache mit dem Herrn Minister erteilt wurde.

Der Herr Minister wünscht ungehinderte freie Aussage.«

Alles tritt etwas zurück, Gareis steht wieder allein.

Der Vorsitzende sagt: »Wer hat Ihnen denn den Entscheid mitgeteilt, Herr Bürgermeister? Können Sie uns das vielleicht sagen?«

Der Bürgermeister murmelt: »Es war ein telefonischer Bescheid.«

»Im Auftrage des Ministers?«

»Nein, nicht direkt.«

Der Vorsitzende: »Ja, Herr Bürgermeister, ich sehe da keinen Weg. Der Entscheid der Regierung ist so unzweideutig, daß ich Sie bitten muß, Ihre Bedenken zurückzustellen und auszusagen.«

Der Bürgermeister steht in qualvoller Unruhe da. Ein paarmal sieht er zur Tür. Der Verteidiger sagt ironisch: »Herr Bürgermeister Gareis macht uns außerordentlich gespannt auf diesen Geheimbefehl. Ein so ungewöhnliches Zögern ...«

Und Gareis, plötzlich wütend: »Wenn einer, so weiß vielleicht Herr Justizrat Streiter die Gründe meines ungewöhnlichen Zögerns.«

Und der Verteidiger: »Sollen diese Worte mir unterstellen, daß ich den Geheimbefehl kannte, so weise ich sie in aller Schärfe zurück.«

Der Vorsitzende sagt: »Ich bitte Sie, meine Herren! – Herr Bürgermeister, wollen Sie jetzt so freundlich sein, in Ihrer Aussage fortzufahren. Sie ließen den Geheimbefehl öffnen –?«

»Ja«, sagt der Bürgermeister gedankenverloren. »Ja.«

Er steht allein. Die andern sind von ihm zurückgetreten. Das Licht, das durch die Fenster sickert, ist grau; grau verliert sich die Zuhörerschar in der Tiefe der Halle.

Die große Gestalt des Zeugen, eben noch unruhig, strafft sich. »Ja«, sagt Gareis noch einmal.

Er dreht sich um gegen die Zuhörer, er sucht ein Gesicht. Sein Blick begegnet dem Steins, die beiden sehen sich an. Der Bürgermeister hebt die Hand.

Dann wendet er sich zu dem Vorsitzenden. Seine Stimme ist klar, seine Sprache ungehemmt, als er sagt: »Ich war in meiner Wohnung, mit Vorbereitungen für meine Urlaubsreise beschäftigt. Da wurde ich angerufen. Ein Mann, der mich als Genosse anredete, sagte mir, daß es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Bauern und Polizei gekommen sei. Die Bauern gingen mit Pistolen vor. Ich rief zuerst die Rathauswache an ...«

»Einen Augenblick, bitte«, sagt der Vorsitzende. »Wer rief Sie an?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe sofort versucht zu ermitteln, wer der Anrufende gewesen ist. Von der Post wurde mir gesagt, ein Arbeiter in blauer Bluse habe angerufen. Dieser Arbeiter hat sich nicht ermitteln lassen.«

»Auf diesem Weg erhielten Sie die erste Nachricht von den Zusammenstößen?«

»Jawohl.«

»Übertriebene Nachrichten, wie es scheint?«

»Stark übertriebene.«

»Sie faßten daraufhin Ihre Entschlüsse?«

»Nicht nur daraufhin. Die Rathauswache bestätigte mir, daß Zusammenstöße stattgefunden hatten.«

»Und Sie haben keine Vermutung, wer der Anrufer war?«

»Nein.«

»Was taten Sie nun?«

»Nachdem mir ein Beamter der Wache bestätigt hatte, daß es zu blutigen Zusammenstößen gekommen war, rief ich auf meinem Amtszimmer an und sagte meinem Sekretär, er solle das Auto zu meiner Wohnung senden. Vorher schon hatte ich dem Amt gesagt, es solle mich sofort nach diesem Telefongespräch mit dem Offizier der Schupo in Grünhof verbinden. Als mein Sekretär die Autobestellung erledigt hatte, gab ich ihm die Anweisung, den Geheimbefehl der Regierung, der in meinem Schreibtisch lag, zu öffnen und mir vorzulesen. Der Sekretär öffnete den Brief. Doch wurde das Gespräch, noch ehe er ein Wort vorgelesen hatte, versehentlich unterbrochen, und ich mit der Schupo in Grünhof verbunden. Ich gab dem Offizier, Herrn Oberleutnant Wrede, den Befehl, seine Leute sofort in die Nähe der Auktionshalle zu bringen, mit dem Einsatz aber zu warten, bis ich selbst käme.«

»Sie haben also, wenn ich Sie recht verstanden habe, die Schupo eingesetzt, bevor Sie den Geheimbefehl kannten?«

»Jawohl.«

»Und was taten Sie nun? Riefen Sie wieder Ihren Sekretär an?«

»Nein. Das Auto wartete unten, ich glaubte an große Kämpfe, ich fuhr direkt zur Bahnhofswache, um Polizeioberinspektor Frerksen zu befragen.«

»Wann haben Sie also in den Geheimbefehl Einsicht genommen?«

Der Bürgermeister sagt: » Ich habe ihn nie zu sehen bekommen

»Wie?!«

Durch den ganzen Saal läuft ein Geräusch der Überraschung.

»Ich habe niemals den Geheimbefehl zu Gesicht bekommen.«

»Herr Bürgermeister!«

»Nie. Keine Zeile. Kein Wort.«

»Herr Bürgermeister, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie hier unter Ihrem Eid aussagen.«

Der Bürgermeister sagt kurz: »Kein Mensch weiß das besser als ich.«

Der Vorsitzende sammelt sich, er schwingt seine Glocke, dämpft die tausend Geräusche, die immer vordringlicher laut werden.

»Aber Sie haben den Geheimbefehl inhaltlich kennengelernt?«

Gareis sagte: »Ich habe heute noch nicht die geringste Ahnung, was in ihm steht.«

Der Lärm läßt sich nicht mehr dämpfen. Fast alle stehen. Die Pressevertreter haben das Schreiben vergessen, Staatsanwälte und Verteidiger stehen neben dem Zeugen. Assessor Meier am Regierungstisch nimmt ununterbrochen sein Glas ab, reibt es, setzt es wieder auf. Seine Hände zittern.

Der Vorsitzende ruft: »Ich ersuche um vollkommene Ruhe. Oder ich lasse den Saal auf der Stelle räumen. Gerichtsdiener, Schupo, das Publikum hat zu sitzen. Meine Herren von der Presse, dort steht Ihr Tisch ...«

Es wird einigermaßen Ruhe.

Der Vorsitzende: »Herr Bürgermeister, ich ersuche Sie, uns Ihre Angaben zu erläutern. Sie sind so überraschend ...« Die höfliche Stimme klingt übellaunig, streitsüchtig. »Vielleicht nennen Sie uns auch gleich Zeugen ...«

Der Bürgermeister ist vollkommen ruhig geworden: »Ich fuhr zur Bahnhofswache, hörte die Berichte des Polizeimeisters, des Oberinspektors. Dann zur Viehhalle. Es war ein ziemliches Durcheinander. An den Geheimbefehl dachte ich überhaupt nicht mehr. Auch Oberleutnant Wrede erinnerte mich nicht wieder an ihn.

An diesem Tage kam ich nicht mehr auf mein Amtszimmer. Auch in den nächsten Tagen war so unendlich viel zu tun, daß ich nicht wieder an ihn dachte. Als er mir einfiel, war er verschwunden. Ich habe wochenlang nach ihm suchen lassen, er blieb verschwunden. Mein Sekretär Piekbusch versichert, daß er ihn in das Fach zurückgelegt hat. Aus diesem Fach ist er verschwunden. Er kann in andere Akten geraten sein, er kann auch so – verschwunden sein. Ich habe meinen Sekretär mehrmals befragt, er hat zwar den Befehl gelesen, kann sich aber mit keinem Gedanken an seinen Inhalt erinnern. – Das ist alles.«

Stille. Langes unbefriedigtes Schweigen.

»Herr Bürgermeister«, beginnt der Landgerichtsdirektor langsam und vorsichtig. »Sie werden verstehen, wenn Ihre heutigen Aussagen auf ein tiefes – nun, sagen wir, auf eine tiefe Überraschung stoßen. Ich muß an Sie die Frage richten, warum Sie das, was Sie uns heute erzählt haben, nicht vor zwei Tagen sagten. Warum das Verstecken hinter der Aussageerlaubnis?«

»Kein Mensch«, sagt der Bürgermeister langsam, »gesteht gerne Fehler, Versäumnisse. Ich glaubte ehrlich, daß die Regierung die Veröffentlichung des Geheimbefehls nicht wünschte. Dieser Glaube konnte mich vor dem öffentlichen Geständnis eines Fehlers bewahren.«

»Sie haben«, sagt der Vorsitzende, »auf Kosten des Gerichts, auf Kosten unserer aller Zeit va banque gespielt.«

Der Bürgermeister schweigt.

»Sie haben«, sagt der Vorsitzende, »noch vorgestern morgen einen Pressevertreter, der von Aussageverweigerung geschrieben hatte, heftig angegriffen. Sie hatten die Aussage verweigert. Ja, mehr als das.«

Der Bürgermeister schweigt.

»Sie haben«, fährt der Vorsitzende fort, »fälschlich den Eindruck erweckt, als sei der Geheimbefehl besonders wichtig, enthalte besondere Anordnungen gegen die Bauern.«

»Diese Möglichkeit besteht auch heute noch.«

Der Vorsitzende sagt scharf: »Das ist eine Vermutung von Ihnen, Herr Bürgermeister. Wir wünschen keine Vermutungen von Ihnen zu hören, sondern Tatsachen. Zu den von Ihnen beschworenen Eidespflichten gehört die, nichts zu verschweigen, nichts hinzuzusetzen. Der Gerichtshof wird prüfen müssen, ob diese Eidespflicht nicht von Ihnen verletzt wurde.«

Der Bürgermeister bewegt leise den Kopf.

»Ich möchte im Augenblick von einer weiteren Vernehmung absehen. Ich bitte Sie, sich zur Verfügung des Gerichtes zu halten.«

»Ich bin jederzeit in meinem Amtszimmer erreichbar.«

»Das genügt.«

Der Bürgermeister will gehen, als Justizrat Streiter sagt: »Ich bitte noch um ein Wort, Herr Landgerichtsdirektor. – Der Zeuge hat vorhin angedeutet, ich kennte vielleicht die Gründe seines ungewöhnlichen Zögerns, die ihn abhielten, über den Geheimbefehl auszusagen. Ich bitte, den Zeugen zu befragen, was er mit diesen Worten gemeint hat.«

Der Vorsitzende: »Bitte, äußern Sie sich, Herr Bürgermeister ...«

Und Gareis: »Wenn ich Derartiges gesagt habe, was mir nicht erinnerlich ist, so bitte ich es mit meiner Erregung zu entschuldigen. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Es war reine Abwehr.«

Und der Verteidiger mit aller Schärfe: »Ich bitte, doch den Zeugen auf das völlig Unzulässige solcher Insinuationen hinzuweisen. Ich muß mir Strafantrag gegen den Zeugen vorbehalten.«

Gareis senkt den Kopf.

Der Oberstaatsanwalt erhebt sich: »Auch wir behalten uns Strafanträge gegen den Zeugen vor.«

Stille. Der Blick von Gareis sucht Stein, aber, da er ihn findet, hat der Freund das Auge gesenkt, sieht ihn nicht an.

»Sie sind vorläufig entlassen, Zeuge«, sagt der Vorsitzende.

4

Bürgermeister Gareis tritt hinaus in den Vorraum der Turnhalle.

Hier stehen Zeugen herum, zwei Schupos, der Garderobier. Alle starren ihn an. Dann hilft ihm der Garderobier mit einer ängstlichen Beflissenheit in den Mantel.

»So werden mich die nun ewig anglotzen hier in Altholm. Verlegen beflissen.«

Aber schon auf der Straße korrigiert er sich: »Nur in den ersten Tagen. Dann werden sie frech. Wo ein Aas ist, sammeln sich die Raben.«

Er geht gegen den Burstah zu.

»Dem Tredup muß ähnlich zumute gewesen sein, als ich ihn ankotzte. Armes Luder. Man vergißt in der Macht, wie einem Machtlosen zumute ist, wenn auf ihm herumgetreten wird. Armes Luder.«

Der Bürgermeister beschleunigt seinen Schritt. Der Wind jagt Regen in sein Gesicht. Er drückt den Hut fester in die Stirn, aber als er in den Burstah einbiegt, geht er nicht dem Rathaus zu, sondern fort von seinem Amtszimmer, nach der andern Seite, gegen den Bahnhof hinauf.

Er kommt an einem Zigarrenladen vorbei, dreht um, und tritt rasch ein: »Fünf Brasil zu zwanzig. Ja, die da. Ein richtiger Kotzbalken.«

»Kotzbalken, vorzüglich, Herr Bürgermeister.« Der Kaufmann dienert und lacht.

»Wirst morgen nicht mehr dienern, Freundchen«, denkt der Bürgermeister. Und laut: »Ein Adreßbuch, bitte!«

Er schlägt eine Adresse nach und geht weiter. Bei der Stolper Straße biegt er ein, folgt ihr. Vor Nummer 72 macht er halt. Mustert das Haus. Der Gemüsehändler in seinem Laden gibt mürrisch Bescheid, daß Tredups hinten auf den Hof raus wohnen. Er sucht sich den Weg, klopft an die Tür.

Eine Stimme ruft: »Herein.«

Es ist ein Armeleutezimmer, in das er tritt, das einzige Zimmer, das diese Leute haben. Gareis übersieht es mit einem Blick. Hier steht alles: das Spielzeug der Kinder, das Geschirr, die Waschwanne, die Nähmaschine, vierzehn Bücher, ein Fahrrad, ein Sack mit Kartoffeln, Betten.

Auf einem Bett hat die Frau halb gelegen, die jetzt aufgestanden ist und schweigend den Besucher von der andern Zimmertür her mustert.

Selbst dem Bürgermeister fällt es auf, wie sehr sich diese Frau, die er vor ein paar Monaten einmal sah, veränderte: strähnig fällt das Haar in ein bleiches, faltiges Gesicht. Die Mundpartie ist so stark geworden, die Zähne scheinen unter den dünnen blutleeren Lippen angeschwollen zu sein.

»Sie sehen blaß aus, Frau Tredup«, ruft er. »Was fehlt Ihnen?«

Die Frau sieht ihn an.

»Ja«, sagt der Bürgermeister, »ich hätte gerne einmal Ihren Mann gesprochen.

Ich hätte ihm etwas zu sagen.«

Die Frau antwortet nicht.

Der Bürgermeister wartet geduldig. Dann fragt er: »Ihr Mann ist nicht da?«

Aber die Frau antwortet noch immer nicht. Sie starrt ihn bloß an, unverwandt, ohne Blinzeln.

»Sie sind«, sagt der Bürgermeister, »natürlich böse auf mich, Frau Tredup. Ihr Mann wird Ihnen erzählt haben – darum bin ich hier. Wir sind nicht immer Herr unserer Nerven. Ich war ungerecht, ich komme, es Ihnen zu sagen.«

Die Frau sieht ihn wartend an.

»Was ich etwa tun kann, ihm zu helfen, soll geschehen. Ich habe gehört, er hat seinen Posten verloren. Das tut mir leid. Ich will gerne ...«

Aber die Frau sagt nichts.

Der Bürgermeister ist halb entmutigt. »Sie sollten mir eine Möglichkeit geben, mit Ihrem Mann zu sprechen. Wenn Sie mir nicht verzeihen wollen, ist es Ihre Sache. Aber vielleicht will Ihr Mann ...«

Die Frau kommt langsam durch die ganze Breite des Zimmers auf ihn zu. Sie geht leise, auf Zehen, als dürfe sie etwas, das schläft, nicht stören. Vor dem Bürgermeister, der sie aufmerksam ansieht, bleibt sie stehen und flüstert: »Ich warte ...«

Der Bürgermeister fürchtet sich nicht, aber er fühlt sich ungemütlich. Er fragt: »Ja?«

»Er ist noch immer nicht gekommen«, sagt die Frau.

»Er ist fort?« fragt, wie angesteckt, ebenso leise der Bürgermeister.

»Ich warte seit dem Abend.«

»Und er ist nicht wiedergekommen?«

»Nein. Und er kommt nicht wieder.«

Der Bürgermeister sieht die Frau prüfend an: »Wie lange haben Sie nicht geschlafen, Frau Tredup?« fragt er. Und als sie nicht antwortet, nimmt er sie beim Arm und führt sie gegen das Bett.

Sie folgt ihm willenlos, ihr Gesicht verzieht sich wie das eines Kindes, das weinen will. Er hebt sie hoch und legt sie auf das Bett. Er legt eine Decke über sie.

»Schlafen Sie jetzt, Frau Tredup«, sagt Gareis. »Er kommt wieder.«

Sie bewegt noch die Lippen, will widersprechen, und schon schläft sie.

Der Bürgermeister sieht eine Weile auf sie nieder, dann geht er auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.

5

Gareis tritt wieder auf die Straße. Der Besuch hat ihn nicht fröhlicher gemacht: »Tredup verschwunden – nun ja, also wegen solcher Sachen verschwinden Leute.

Er wird ja wiederkommen«, sagt er sich.

»Er kommt nicht wieder«, sagt die tonlose Stimme der Frau.

Der Bürgermeister ist in Gedanken verloren die Stolper Straße weitergegangen, aus der Stadt hinaus. Er kommt über die Bahn fort. Zur Rechten liegen nun die großen häßlichen verqualmten Hallen des Eisenbahnausbesserungswerkes, zur Linken die ebenso häßlichen Arbeiterhäuser der Reichsbahn. Dann kommen Felder, verwahrloste, regentriefende Felder.

Und nun scheint die Stadt wieder anzufangen, es ist aber nicht mehr Altholm, sondern Grünhof.

»Mendels Gasthof zur Schießstätte. Zwei Salonkegelbahnen. Großer Schießstand.«

»Hier wartete die Schupo. Na ja. Na also. Ich könnte auch einmal an etwas anderes denken.«

Vor ihm liegt eine Autobushaltestelle. Grade ist ein Autobus angekommen, der nach der Stadt zu fährt. Sechs, sieben Leute haben ihn erwartet, darunter eine Uniform. Aber sie steigen nicht ein, im Gegenteil, ein paar Leute steigen aus.

Geschimpfe beginnt.

Gareis geht schneller.

Die Leute sind in einem hitzigen Wortwechsel, die Uniform, jetzt im Wagen antwortet barsch und grob. Der Bürgermeister erkennt seinen Polizeimeister Kallene.

Grade will der Wagen losfahren, beladen mit den Flüchen der Zurückbleibenden, als Gareis auftaucht und dem Chauffeur Halt winkt.

»Was ist hier los?«

Einen Augenblick Stille.

Dann schreien zehn Stimmen auf einmal: »Das ist eine Gemeinheit, Herr Bürgermeister!«

»Ich lasse mich nicht raussetzen.«

»Ich habe mein Fahrgeld bezahlt.«

»Sich selber reinsetzen, das könnte ihm so passen.«

»Das sind die Herren von der Polizei. Wir haben natürlich keine Rechte.«

»Ruhe«, sagt der Bürgermeister. »Was ist los, Polizeimeister?«

»Der Wagen ist für zwanzig Fahrgäste zugelassen. Ich revidierte und stellte dreiundzwanzig fest. Da habe ich pflichtgemäß drei entfernt und den Chauffeur aufgeschrieben.«

»Und setzt sich selber rein!«

»Der wiegt ja nichts. Die von der Polizei verhungern ja alle.«

»Redet keinen Quatsch. Polizeimeister, raus mit Ihnen aus dem Wagen! Wir sprechen uns noch. Euch andern kann ich nicht helfen. Zwanzig ist Vorschrift und Vorschriften sind dazu da, daß sie nicht vor meinen Augen übertreten werden.«

»Ist schon recht, Bürgermeister«, sagt ein Arbeiter. »Mich hat nur der Blaue gewütet, daß er sich da dick reingesetzt hat und uns schmeißt er raus.«

»Los, Chauffeur«, sagt Gareis und geht weiter.

Der Zwischenfall hat ihm gut getan. »Es gibt immer zu tun auf der Welt«, denkt er. »Ganz erledigt bin ich noch nicht. Verschwinden? Ah bah, wo es soviel Arbeit gibt! Ich denke ja gar nicht daran. Ich habe eines auf den Deckel gekriegt. Kräftig. Das bleibt nicht aus.

Aber ich war auch leichtsinnig. Habe es verdient. Das nächste Mal passe ich mehr auf.

Armer Tredup, es war nie viel los mit dir. Immer die Hinterwege, die Gassen vor den Straßen. Du wärst auch über jedes andere Bein gefallen statt über meins. Arme Frau.«

Es regnet ganz hübsch, auch der Wind wird außerhalb Grünhofs nicht schwächer. Aber jetzt sind ganz manierliche Felder rechts und links, schon hübsch zurechtgemacht mit oder für Wintersaat. Manche Bauern pflügen trotz des Regens. Gareis schreitet kräftig aus.

6

Im Gerichtssaal hat die Verteidigung unterdes den Antrag gestellt, vor allen Dingen einmal den Inhalt des Geheimbefehls klarzustellen.

»Wir legen Wert darauf, weil wir diesen Geheimbefehl für ein Glied in der Kette der Sondermaßnahmen von Regierung gegen Bauernschaft ansehen. Wir wissen bereits, daß nach Ansicht der Regierung die Bauernschaft besonders gefährlich war, und daß der Oberinspektor Frerksen zum mindesten besonders scharfes Vorgehen für einen Wunsch der Regierung hielt. Die Ladung von Herrn Regierungspräsidenten Temborius behalten wir uns vor.«

Assessor Meier starrt entsetzt.

»Vorläufig beantragen wir, den hier anwesenden Vertreter der Regierung zu dem Geheimbefehl zu hören.«

Aber Meier geht gar nicht erst bis an den Richtertisch. Meier wehrt aus der Ferne ab: »Ich bin nicht befugt auszusagen. Ich besitze keine Aussageerlaubnis meiner Regierung. Außerdem habe ich nicht die geringste Ahnung von dem, was in dem Geheimbefehl gestanden hat.«

Der Vorsitzende meint: »Legen Sie wirklich Wert darauf, Herr Justizrat? Da der Geheimbefehl doch anscheinend gar nicht gelesen worden ist.«

»Wir legen den größten Wert darauf. Er ist wichtig für die Einstellung der Regierung. Außerdem kann er der Schupo bekannt gewesen sein und würde dann eventuell das rücksichtslose Vorgehen in der Viehhalle erklären. Wir beantragen die Ladung von Herrn Oberleutnant Wrede.«

Die Ladung wird beschlossen. Ein anwesender Schupooffizier macht darauf aufmerksam, daß Herr Wrede sich in Altholm befindet, vielleicht im Zuhörerraum.

Im Zuhörerraum erhebt sich Polizeioberleutnant Wrede.

Er tritt an den Richtertisch.

Der Vorsitzende sagt lächelnd: »Herr Oberleutnant, Sie sind der heutigen Verhandlung gefolgt?«

Der Oberleutnant verbeugt sich.

»Sie wissen also, daß der Inhalt dieses Geheimbefehls sich uns zu entziehen scheint, sobald wir ihn zu halten meinen. Darf ich Sie vor der Vereidigung fragen, ob Ihnen der Inhalt des Geheimbefehls bekannt ist?«

»Jawohl, Herr Landgerichtsdirektor.«

»Ich vereidige Sie dann. – Bitte sehr, Herr Oberstaatsanwalt –«

»Ich möchte an den Zeugen doch die Frage richten, ob er ohne Aussageerlaubnis seiner Vorgesetzten aussagen zu dürfen glaubt.«

Eine Welle von Ungeduld geht durch den Saal. Der Vorsitzende faltet ergebungsvoll die Hände.

Der Oberleutnant schnarrt: »Habe keinerlei Bedenken.«

Der Oberstaatsanwalt beharrt: »Ihre Verantwortung, Herr Oberleutnant ...«

Der Oberleutnant unterbricht mit Entschiedenheit: »Keinerlei Bedenken!«

Der Vorsitzende atmet auf: »Die religiöse Formel oder ...?«

»Religiös, bitte.«

Der Eid wird geschworen.

»Also bitte, Herr Oberleutnant, nun erzählen Sie uns, was Sie von diesem Geheimbefehl wissen.«

»Geheimbefehl – ist ein Wort. Militärische Ausdrucksweise. Besagt nur, daß der Befehl allein für den internen Verkehr innerhalb der Polizei bestimmt ist.

Der Wortlaut ist mir natürlich nicht mehr erinnerlich. Der Sinn ging dahin, daß die zwei Hundertschaften dem Kommando von Herrn Gareis unterstellt wurden, daß angegeben war, wie und wo weitere Hilfskräfte für ihn erreichbar waren, und daß der Verwendungszweck gewissermaßen abgegrenzt war.«

»Das interessiert uns am meisten.«

»Ja, es hieß wohl so, daß die Schupo nur eingesetzt werden durfte, falls die städtische Polizei nicht ausreichte. Daß sie bei ernstlichen Kämpfen, vor allem vor dem Gebrauch der Schußwaffe, unbedingt vorher das Kommando zu verständigen habe.«

»Und weiter?«

»Weiter? Sonst nichts. Glaube, weiter war nichts.«

Der Verteidiger erhebt sich. »Eine Frage sei an den Zeugen gestattet. – Herr Oberleutnant, ist Ihnen vielleicht erinnerlich, daß in dem Befehl der Wunsch ausgedrückt war, wörtlich oder dem Sinne nach, daß die Schupo besonders scharf gegen die Bauern vorgehen sollte?«

Der Oberleutnant ist ganz Verachtung: »I wo! Kein Bein!«

»Ich bitte den Zeugen doch, mir präzis zu antworten.«

»Nee, stand nicht drin.«

»Sie erinnern sich bestimmt?«

»Irrtum ausgeschlossen.«

»Von wem mag wohl der Befehl ausgestellt sein?«

»Kann ich nicht bestimmt sagen. Nehme aber an: Oberst Senkpiel.«

»In Stolpe?«

»Natürlich in Stolpe.«

»Der Zeuge wird entschuldigen, daß ich das nicht wußte. – Jedenfalls behält sich die Verteidigung die Ladung von Herrn Oberst Senkpiel vor.«

»Und jetzt«, sagte der Vorsitzende mit freundlicher Bestimmtheit, »wollen wir diesen Geheimbefehl erst einmal ruhen lassen. – Ich danke Ihnen, Herr Oberleutnant.«

7

Es ist schon dunkel, es ist nach acht Uhr abends, als Gareis noch einmal auf sein Amtszimmer vorgeht.

Wohl hat er daran gedacht, daß er sich zur Verfügung des Gerichts zu halten hatte, aber er hat denen eins geschissen. Ein auf dem Land, in Regen und Wind durchlaufener Tag hat seine Kampflust von neuem wieder angefacht, seine Wurstigkeit ist wieder da.

»Ich habe Pech gehabt, nun, es wird auch wieder Massel geben.«

Als er am Nachmittag in einen Dorfgasthof kam (bei Dülmen), sich dort etwas zu essen bestellte, als er sah, wie sie ihn beglotzten, wie sie mit blöden Ausreden kamen, es sei nichts da, keine Eier, kein Schinken, keine Kartoffeln, da hat er mit dem Gebrüll eines Stiers auf den Tisch geschlagen, den Wirt in einen Winkel hinter der Theke geschreckt, die Alte in die Küche gejagt.

Er bekam ein Bauernfrühstück von sagenhaften Ausmaßen.

Geld nahmen sie nicht, aber es war eine Büchse da, für die Rettungsgesellschaft Schiffbrüchiger, in die warf er seinen Obolus – er taxierte sich einschließlich Bier auf zwei Mark ein –, und der Wirt sah eigentlich so aus, als ob er den Schiffbrüchigen das Bauernfrühstück nicht gönnen würde.

Als er dann aus dem Gasthof kam, war er gut annonciert, für ein Bauerndorf an einem Regentag im Oktober war die Dorfstraße merkwürdig belebt. Er hielt kräftig Ausschau nach einem bekannten Bauernkopf, aber in Dülmen glückte das noch nicht. So ging er durch sie durch, wo die Gruppen am dicksten standen, er sagte vernehmlich »Dag ok«, er sah sie kräftig an, er hustete oder räusperte sich schallend.

Drei Dörfer weiter – oder war es das vierte? – sah er dann einen Bauern, den er kannte. Den Namen wußte er nicht, aber er erinnerte sich noch gut des Falles, durch den er den Mann kennengelernt hatte.

Eine Sau mit einem Wurf Ferkeln war auf der Ausstellung in Altholm prämiiert, und der Preis waren zweihundert Zentner Kalkmergel gewesen, von einer Fabrik gestiftet. Dann hatte aber die Fabrik mit der Lieferung Schwierigkeiten gemacht und Gareis hatte geklagt. Es war auch Termin gewesen, zu dem wohl Stein gegangen war, jedenfalls wußte der Bürgermeister nichts Rechtes über den Ausgang.

Nun schaukelt er auf den Bauern zu, der da mit drei andern steht.

»Na, Vadder, der Kalkmergel glücklich eingetrudelt?«

»Andere Woche«, sagt der Bauer. »Eine Schande ist es, wie lange das gedauert hat.«

»So machen es die Fabrikanten mit uns«, sagt der Bürgermeister. »Aber wir sind doch klüger gewesen, wir haben sie doch reingelegt.«

»Das soll wohl sein, daß Sie klüger sind. Wir Bauern sind allemal die Dummen.«

»Wieso? Taugt der Mergel nichts?«

»Dem Mergel fehlt nichts, aber ihr Altholmschen ...«

»Mein Lieber«, sagt der Bürgermeister, »ihr lest doch Zeitungen –?«

»Wenn mal Zeit ist ...«

»Jetzt ist Zeit. Also ihr lest die Bauernschaft. Ihr lest den Prozeß jetzt. Was deucht euch das denn so?«

»Ja, Herr Bürgermeister, auf uns geht es runter, wir müssen ja wieder brummen. Und Ihr Frerksen, der den Mist gemacht hat, geht frei aus.«

»Christan! Mensch, oder wie du heißt ...«

»Bruhn«, sagt der Bauer.

»Also, Bruhn, du hast doch schon mal Mist gemacht auf deinem Acker. Zu naß gepflügt oder zu früh gemäht?«

»Hab ich, Bürgermeister.«

»Und hast deine Ohrfeige weggekriegt. Alles in Klüten oder der Roggen ausgewachsen. Was?«

»Mehr als oft, Bürgermeister.«

»Und dein Nachbar da, wie heißt er? Harms? Also Harms hat auch schon mal Mist gemacht ...«

»Das soll wohl angehen.«

»Und der hat trotzdem seinen feinen garen Acker gekriegt und den Roggen trockener rein als du?«

Harms protestiert: »Nee, Bürgermeister, das ist nun ...«

Aber die andern: »Recht hat er. Du kannst Ostern zu Pfingsten feiern: wenn wir Weihnachten haben, bist du auch soweit.«

»Seht ihr«, sagt der Bürgermeister. »Manchmal hat man Glück und manchmal hat man keins. Der Frerksen, der hat diesmal naß gepflügt und es geht ihm doch glänzend, und ihr habt alles getan, wie es sich gehört, und sitzt im Schiet.«

Die Bauern betrachten ihn geruhsam, ihren Elefanten.

»Und weil ihr nun mal an den lieben Gott glaubt – ihr sagt's wenigstens euerm Pastor, wenn ich euch auch für olle Heiden halte –, weil ihr aber nun mal den lieben Gott habt, so müßt ihr euch damit trösten, daß der es dem Frerksen und dem ganzen Altholmschen Babylon schon besorgen wird, wenn nicht anders, dann beim Jüngsten Gericht. Aber das versteh ich nicht, daß ihr zur Strafe für die Sünden von uns Bonzen auch noch die Eier und die Butter billiger verkaufen sollt.«

»Bürgermeister«, sagt ein großer, finster aussehender Bauer. »Ich glaub keinen Augenblick, daß Sie für uns sind. Sie sind ein Schweinehund wie alle Roten. Aber Sie sind ein Schweinehund, mit dem man eine Sache bereden kann. Wenn es Ihnen wert ist, dann kommen Sie mal einen Abend zum Grog und wir bereden den Kram.«

»Tu ich. Mach ich«, sagt der Bürgermeister.

»Aber bringen Sie keine andern mit. Kommen Sie allein. Wenn«, sagt der Bauer und grinst, »Sie keine Angst vor uns haben.«

»Schrecklich«, sagt der Bürgermeister und schüttelt all sein Fett.

»Ich sage weiter in den Dörfern Bescheid. Sie können ja 'ne Tour machen und wir können bereden, was wir in der Sache verlieren und was Sie in der Sache verlieren.«

»Junge, Junge«, sagt der Bürgermeister, »Sie haben aber Mut. Erlaubt denn das Ihr Reimers?«

»Ich bin der Gemeindevorsteher Menken«, sagt der Bauer, »und ich weiß schon, wieviel Zentner ich auf den Boden tragen kann und was mir zu schwer ist. Der Reimers ist viel zu lange drin, der weiß nicht mehr, was hier draußen gespielt wird, wie die Herren auf der Bauernschaft üppig geworden sind. Wir reden mit Ihnen, Bürgermeister, und wenn wir zu was Ja sagen, dann ist es Ja.«

»Jungens«, sagt der Bürgermeister und schaukelt vor Wonne den Bauch in der Hose, »nun kommt mit und trinkt im Krug einen Grog mit mir. Das ist hier ein betrübtes Stehen im Regen und ich bin zufrieden, daß ich endlich wieder nach all dem Zank ein vernünftiges Bauernwort gehört habe.«

»Also trinken wir einen.«

Es wurden aber mehrere. Und als er dann durch die Dunkelheit nach Haus zurückstampfte, dachte der Bürgermeister: »Ich zurücktreten? Ich meinen Posten aufgeben? Mit Zähnen und Krallen halte ich mich dran.

Andere haben viel mehr Mist gemacht. Manzow, Niederdahl, Frerksen, alle. Ich werd's aushalten, drei Wochen werden sie sich die Mäuler zerreißen und dann haben sie's über, dann wird losgearbeitet, und zu Weihnachten haben wir keinen Boykott mehr.«

8

Der Bürgermeister macht also nach acht die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf.

Natürlich ist alles dunkel, um diese Stunde ist kein Mensch im Rathaus.

Aber er will sehen, was die Post gebracht hat. Vielleicht liegt auch ein Zettel von Piekbusch auf dem Schreibtisch, daß ihn das Gericht gewünscht hat. Dann wird er zum Vorsitzenden gehen, heute abend noch, in die Wohnung von Fabrikbesitzer Thilse, und wird sich entschuldigen.

Auf der großen Eichenplatte des Schreibtisches liegt einsam und verlassen ein Brief. Ein Brief.

Während Gareis den Brief auffetzt, beginnen seine Nerven zu kribbeln. Er hat gestanden, nun setzt er sich.

Ein amtliches Schreiben:

»Stolpe, den 15. Juli. An den Herrn Polizeiverwalter der Stadt Altholm, Herrn Bürgermeister Gareis. Persönlich. Geheimbefehl. Mit dem morgigen Tage, morgens 9 Uhr, werden Ihnen zwei Hundertschaften der hiesigen staatlichen Polizei unter dem Kommando von Herrn Oberleutnant Wrede unterstellt mit der Maßgabe ...«

– – –

»Der Geheimbefehl! Der verschwundene Geheimbefehl.«

Bürgermeister Gareis liest nicht weiter. Er schmettert den Brief auf den Tisch, stürzt an die Tür, brüllt wie ein Wilder in das Dunkel des Vorzimmers, auf den Gang: »Piekbusch! Piekbusch!«

Dann besinnt er sich.

Er stampft schwer gegen den Schreibtisch zurück, fällt keuchend in seinen Sessel.

»Der Geheimbefehl ...«

Heute ausgesagt, in die Tinte gerast bis über die Ohren. Da liegt es nun, das wichtige Dokument.

Gareis versucht eine Zigarre in Brand zu stecken, aber seine Hände zittern, die Streichhölzer knicken, das Dings kohlt.

Mit mahlenden Kiefern kaut er auf der Zigarre herum, greift mit der bebenden Hand von neuem nach dem Befehl, liest ihn.

Geheimbefehl – es ist zum Lachen. Was für ein phantasievoller Idiot ist er gewesen, nicht gleich zu erraten, daß dies nichts war wie Verwaltungskram, Wichtigtuerei eines blöden Militärbürokratismus.

»... und werden Sie mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß nach Möglichkeit vor etwaigem Gebrauch der Schußwaffen das hiesige Kommando unbedingt in Kenntnis zu setzen ist ...«

»So siehst du aus! Nach Möglichkeit unbedingt in Kenntnis zu setzen ist ... Und ich habe an hohe Politik geglaubt! Ich habe an Sondermaßnahmen geglaubt!! Ich habe nicht daran gedacht, daß die schon Sondermaßnahmen treffen, aber sie sicher mir nicht schriftlich geben.«

Nach einer Pause, wutknirschend:

»Und wie ein Affe habe ich vor denen gestanden und habe ihnen meine Doofheit vorgeplärrt! Klein gemacht habe ich mich. Weinerlich haben sie mich gesehen. Verlegen bin ich gewesen wie 'ne Jungfer, der einer in den Busen glotzt – o Gareis, Gareis, Gareis, ich bin zum Speien!«

Er steht wieder auf, er rennt im Zimmer hin und her, er beglotzt wütend die Wände. Dann jagt ihn der Hunger nach einem Menschen, dem er alles über sich sagen kann, wieder auf den Gang, er reißt die Tür zu Assessor Steins Zimmer auf, brüllt: »Stein! Assessor! Mensch!«

Ruhe. Stille.

Er wendet sich zurück. Und sieht auf den Gang stehend, wie es im Treppenhaus hell wird, Stimmen werden laut.

Mit einem Satz ist er in seinem Zimmer, durch einen Türspalt späht er.

Drei Gestalten nahen.

Er schließt die Tür vorsichtig. Ist mit ein paar Schritten in seinem Schreibtischsessel. Stopft den Geheimbefehl mit Umschlag in die Tasche. Hat den Riesenbleistift in der Hand, weißes Papier vor sich. Drei, vier Bücher aufgeschlagen um sich gruppiert.

Als die klopfen, sagt er ruhig: »Herein.«

Sogar die Zigarre brennt jetzt.

9

Die drei, die eintreten, sind alte liebe Genossen von ihm: Der Stadtverordnete Geier, der Parteisekretär Nothmann und am Ende das große Tier der Provinz aus Stettin, der Reichstagsabgeordnete Koffka.

Sie treten sehr sachte herein und die Blicke, die sie auf ihn werfen, sind nicht so siegesbewußt, wie sie sein müßten.

»Nett, daß ihr kommt«, sagt anerkennend Gareis. »Wollt ein altes Arbeitstier vom Schreibtisch lotsen. Mir ist's recht. Also trinken wir ein Bier im Tucher.«

Er sieht, wie sie schaudern bei dem Gedanken, öffentlich mit ihm heute im Lokal sitzen zu müssen, und grinst.

»Nee, Genosse Gareis«, sagt der Abgeordnete Koffka, »nach Bier ist uns nicht zumute und nach Sitzen mit dir im Lokal ist uns auch nicht zumute. Aber eine Zigarre darfst du uns immerhin anbieten.«

Der Bürgermeister tut es und sagt beiläufig: »Blühend siehst du aus, Koffka. Die Schwatzbude in Berlin bekommt dir.«

»Du, Genosse Gareis«, sagt der Abgeordnete grämlich, »sorgst schon dafür, daß das bißchen Gesundheit wieder vor die Hunde geht. Ich habe heute früh in eurer hübschen Turnhalle gesessen, ich habe dich da gesehen vor den Richtern, eine nette Figur hast du gemacht, Gareis!«

»Findest du?« sagt der Bürgermeister gleichmütig. »Du hast natürlich nie einen Brief verschusselt, Koffka, und dich dann hingestellt und getan, als wär er längst beantwortet.«

»Es handelt sich nicht um mich, und was ich getan und was ich nicht getan habe«, sagt verärgert der Koffka. »Es handelt sich darum, was du gemacht hast. Und einen schönen Mist hast du gemacht, Gareis, das kann man wohl sagen, und eine nette Schmach bist du für die Partei.«

»Ich«, sagt der Bürgermeister und betrachtet nachdenklich den Brand der Zigarre, »bin der Ansicht, daß dies mein Amtszimmer ist. Und daß ich jeden, der mir hier dämlich kommt, eigenhändig achtkantig aus der Tür schmeiße.«

»Das kannst du, Gareis«, sagt der andere nicht weniger ruhig.

»Dazu bist du körperlich und seelisch völlig in der Lage. Es fragt sich nur, ob damit die Sache weitergedeiht. Immerhin bist du heute ziemlich dicht an einem fahrlässigen Falscheid vorbeigeschlittert – oder wie man das juristisch nennt –, und es kommt schließlich auf uns drei hier an, ob aus dem Vorbeischlittern nicht eine Anzeige wegen Meineides wird, wenn wir da den Zipfel vom Geheimbefehl aus deiner Tasche kommen sehen.«

Gareis hat sich sehr in der Gewalt, aber doch nicht so sehr, daß er jetzt wütend nach der Jackettasche greift. Er stopft den Zipfel zurück, besinnt sich, reißt den Brief vor und legt ihn auf den Tisch. Er sieht die drei herausfordernd an.

»Du kannst«, sagt Koffka, »natürlich auf den Tisch hauen, du kannst uns mit den Köpfen aneinanderschlagen, aber du kannst uns nicht alle drei totschlagen. Ich will nicht einmal behaupten, daß dann morgen eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einpassieren würde. Aber du müßtest dem Gericht doch eine verdammt komische und unglaubhafte Geschichte erzählen, wenn du morgen wieder über den Geheimbefehl vernommen würdest, und jetzt plötzlich kennst du ihn.

Ich denke mir so, die Geduld würde dann bei allen reißen. Staatsanwälte glauben nicht gerne an Märchen und deine Geschichte klänge doch wie ein richtiges Märchen.«

»Was wollt ihr also?« fragt der Bürgermeister finster.

»Daß du abtrittst, Genosse Gareis, daß du völlig und lautlos abtrittst, daß du heute noch in unserer Gegenwart dein Abschiedsgesuch an den Magistrat unterschreibst. Das wollen wir, Genosse Gareis.«

»Ich trete nicht ab, ihr könnt mich anzeigen, meinethalben, aber ich trete nicht ab. Ich gehe nicht weg aus Altholm! So nicht.«

»Wie denn? Mit Handschellen?«

Der Bürgermeister lacht wütend: »Ihr denkt, ihr seid Schlauköpfe. Ihr denkt, ihr habt mich. Aber ich habe Zeugen für das, was ich gesagt habe. Piekbusch kann gehört werden, Stein kann gehört werden. Mir kann keiner was.«

»Ich glaube nicht, daß Piekbusch grade ein guter Zeuge für dich sein wird.«

Der Bürgermeister braust auf: »Ich kenne Piekbusch seit Jahren. Piekbusch ist treu.«

Die drei lachen, sie lachen jeder für sich, jeder auf seine Art, es klingt nicht sehr gut.

»Wir wollen weiter nicht darüber reden«, sagt Koffka. »Wir wollen uns überhaupt nicht streiten. Sei vernünftig, Gareis, überlege dir fünf Minuten deine Lage ruhig, und sage dann, daß wir recht haben. Wir lassen dann auch mit uns reden.«

Der Bürgermeister sieht die drei an. Es liegt etwas Hoffnungsloses in seinem Blick. Dann steht er auf und beginnt hin und her zu wandern.

Die sitzen und rauchen.

Plötzlich bleibt der Bürgermeister stehen: »Koffka«, sagt er, »oller Genosse, hör zu. Ich habe Mist gemacht. Ich habe immer gedacht, es ginge gut aus. Es ist schiefgegangen. Aber tausend Sachen gehen schief aus, darum kann man nicht jeden in die Wüste schicken.

Ihr kriegt keinen wieder her wie mich. Denke nach, was ich in den sechs Jahren für die Stadt und für die Partei geleistet habe. Was war Altholm, als ich kam? Ein Saustall. Heute, frage in der ganzen Provinz, laß dir sagen, wieviel Leute aus dem Reich gereist kommen, weil Altholm sozial mustergültig ist.

Denk an unser Altersheim mit dem großen Gutsbetrieb und der Schule zur Umstellung erwerbsloser Industriearbeiter auf die Landwirtschaft. Denk an unser Säuglingsheim. An das Kinderheim. An das Ledigenheim. An das Lehrlingsheim. Denke daran, daß es in der Stadt Altholm keine Fürsorgeerziehung mehr gibt, daß wir jetzt die Kinder behalten und Menschen aus ihnen machen.

Denk an die Badeanstalt, an das Stadion, an die neue Feuerwache. Und denke daran, daß wegen all dieser Dinge die Schulden der Stadt nicht so sehr viel größer geworden sind, daß ich das Geld, Mark für Mark, Hunderttausende, zusammengeschnorrt habe.

Wer kann das noch? Das fällt alles zusammen, wenn ihr mich absägt. Dann kosten plötzlich all die Anstalten wieder Geld, dann werden sie zugemacht, verkleinert, ich weiß das doch. Dann kommen die Kinder wieder in die Anstalten der Provinz oder zu versoffenen Vätern, schludrigen Müttern, in Pflegestellen, die nur den eigenen Beutel pflegen. Kannst du das verantworten, Koffka?«

»Wenn man dich so reden hört, Genosse Gareis, weiß man wieder, warum man dich so lange gehalten hat und deine Wippchen mit angesehen. Aber es hilft nichts, Gareis, es ist alle. Es geht nicht mehr.

Die kommunalen Wahlen stehen vor der Tür. Bleibst du hier, verliert die Partei mindestens fünfzig Prozent ihrer Stimmen.«

»Mehr. Siebzig«, grunzt Geier.

»Auch möglich. Du hast ja keine Ahnung, Gareis, wie unbeliebt du bei den Genossen bist. Du bist groß und stark, du knöpfst dir einen einzelnen vor und redest ihm ein Loch in den Bauch. Und weil der Ja zu dir sagt, denkst du, er meint wirklich Ja.

Dann gehen sie von dir weg und hinter deinem Rücken schreien sie dreimal Nein, zehnmal Nein und nennen dich Mussolini.

Das geht, solange du erfolgreich bist. Aber es versagt in der Sekunde, wo sie dich mal schwach sehen. Hast du die Zeitungen von heute gelesen?«

»Nein. Noch nicht. Interessiert mich auch nicht.«

»Es ist ja eigentlich ganz überflüssig, daß wir heute gekommen sind. Du bist tot. Du hast dich selber abgekehlt. Wir wollen nur, daß du ohne Krach gehst. Also sei vernünftig, schreib um deine Entlassung.«

»Ich will dir was sagen, Koffka«, sagt der Bürgermeister, »du siehst jetzt schwarz. Dir ist mies. Kann ich verstehen, mir war auch mies heute früh. Dann bin ich über Land gegangen, spazieren, mich auslaufen. Und da bin ich mit den Bauern ins Gespräch gekommen.

Die reden mit mir, Koffka. Ich bin heute der einzige Mann, der die Stadt aus dem Boykott retten kann. Die haben mir Verhandlungen direkt angeboten. Was soll aus Altholm werden, wenn der Boykott über den Winter geht?

Gib mir noch ein halbes Jahr. Dann will ich dir zeigen, was ich geschafft habe. Dann setzen wir uns wieder zusammen, und wenn du dann noch willst, daß ich gehe, dann hau ich ab ohne ein Wort.«

»Seht ihr«, sagt der Abgeordnete und nickt den andern zu, »da habt ihr den ganzen Gareis. Eben im Gerichtssaal hat ihm der Vertreter der Bauern eins aufs Dach gegeben, hat ihn reingeritten, und da geht er fröhlich hin und knüpft Verhandlungen an mit denselben Bauern.

So solo. Ganz für sich. Die Partei fragen, das hat der Gareis doch nicht nötig.

Ich sage dir aber, die Bauern gehen uns einen Dreck an. Das ist uns piepe, ob die einen Boykott haben. Was geht das die Arbeiter an! Haben Arbeiter Läden, in denen die Bauern nichts mehr kaufen? Du besorgst die Geschäfte von den Bürgerlichen, von den Bauern, nächstens wirst du Nachtmärsche für den Stahlhelm organisieren und Hakenkreuzumzüge für Hitler, und dann wunderst du dich, wenn die Partei unzufrieden mit dir ist!«

»Du bist ein Arschloch«, sagt Gareis grob, aber nicht unzufrieden.

»Selbst in deinem Parteischädel hat es wohl schon gedämmert, daß, wenn es den Bürgern dreckig geht, auch die Arbeiter nichts zu lachen haben.«

»Wie wäre es, Gareis, wenn wir jetzt Schluß machten? Es hat alles keinen Sinn. Du schreibst dein Abschiedsgesuch. Entlassung aus den städtischen Diensten. Sofort.«

»Nein«, sagt Gareis fest.

Koffka strafft sich: »Dann veröffentlichen morgen früh sämtliche Parteiblätter deinen Ausschluß aus der Partei.

Dann sorgen wir dafür, daß die Sache mit dem Geheimbefehl weiterverfolgt wird.

Dann wird die Fraktion der SPD im Stadtparlament deine Entlassung aus städtischen Diensten beantragen.

Dann wird von der Regierung ein Disziplinarverfahren gegen dich eingeleitet.

Dann bist du völlig erledigt.

Dann kriegst du überhaupt keine Arbeit im Leben wieder, die sich lohnt.«

Die vielen harten Dann klingen wie ebensoviel harte Hammerschläge, die sein Werk zerschlagen, in Gareis' Ohren.

Er steht auf und ruft verzweifelt: »Aber so bleibt mir auch keine Arbeit! Ich bin ja nutzlos! Was soll ich dann noch?«

»Ich habe den Auftrag«, sagt der Reichstagsabgeordnete Koffka, »dir sofort nach der Unterzeichnung deines Abschiedsgesuches deine Berufung zum Bürgermeister von Breda zu überreichen.«

»Was ist denn das?« sagt der Bürgermeister mißtrauisch. »Breda? Nie gehört.«

»Breda ist eine Stadt an der Ruhr. Einundzwanzigtausend Einwohner. Nur Hütten- und Zechenarbeiter. Arbeit. Arbeit. Arbeit. Nichts ist bisher geschehen.«

»Und wer ist der erste Bürgermeister?« fragt Gareis.

»Du fällst die Treppe hinauf. Du bist der erste und der zweite und der dritte. Alles. Das Stadtparlament ist SPD und KPD und ein paar Zentrum, die keine Rolle spielen. Arbeiten kannst du da.«

Der Bürgermeister sieht beunruhigt aus: »Zeig den Wisch mal her.«

»Wenn du unterschrieben hast.«

Gareis geht auf und ab. Dann seufzt er schwer, setzt sich an den Schreibtisch und schreibt los. Er löscht sorgfältig ab und reicht den Brief an Koffka weiter.

»Schreib noch einen Umschlag, Gareis. Ich besorg dann morgen den Brief selbst, damit du es nicht vergißt.«

»So. Und nun gib die Berufung.«

»Hier. Morgen oder übermorgen bringen es die Parteiblätter. Wir stehen natürlich alle hinter dir. In den nächsten Tagen bekommst du auch einen Fackelzug von der Partei. Zum Abschied. Es wird alles seine Ordnung haben.«

»Na ja schön«, sagt der Bürgermeister. »Aber jetzt wär ich euch doch sehr verbunden, wenn ihr euch drücken wolltet. Für heute abend hab ich euch lange genug gesehen.«

»Guten Abend, Genosse«, sagen sie.

»Ach scheiß«, sagt er.

10

Als sie gegangen sind, bleibt Gareis reglos in seinem Stuhl sitzen. Er denkt nach, er sieht die Stadt vor sich, in die er sechs Jahre Arbeit steckte. Die Häuser kommen, die er hat erbauen lassen. Er sieht den Schlafsaal vor sich im Säuglingsheim mit den sechzig Kindern, die dort liegen in ihren Strampelsäcken, mit den Gesichtern, die so merkwürdig menschenähnlich sind und so erschütternd fremd.

Er erinnert sich, wie einmal ein Arzt zu ihm sagte: »Eigentlich alles unproduktive Arbeit, Bürgermeister. Das minderwertigste vom minderwertigen Material. Kinder von Trinkern, luetische Kinder, Krüppel, schwachsinnige Kinder. In Sparta hätte man sie alle totgeschlagen.«

Es fällt ihm ein, wie er monatelang nicht über die Worte hat fortkommen können: »Eigentlich alles unproduktive Arbeit, Bürgermeister.«

Er denkt an die fünfhundert Gesichter in dieser Stadt, die er angetrieben hat zu dieser und zu anderer Arbeit, die er aufgejagt hat aus ihren Sofawinkeln, von ihren Schlummerkissen.

Er weiß, wenn er hier fortgeht, er wird nie wieder so arbeiten können. Wo er auch anfängt, sein Jugendwerk hat er hinter sich, seine Illusionen hat er hinter sich, der Elan ist vorbei. Er ist kein junger Mann mehr, er ist ein Mann dann wie alle.

Die Tür hat geknarrt, er hebt den Kopf und blinzelt müde.

Der Jünger steht dort, Assessor Stein. Schwarz, mager, nervös.

»Ich wollte Ihnen noch gute Nacht sagen, Bürgermeister.«

Gareis grübelt trübe. Was will der? Gute Nacht sagen? Warum will er gute Nacht sagen?

Und er erinnert sich, daß dieser Stein im Gerichtssaal den Blick gesenkt hielt, seinem Blick auswich.

Zugleich fällt ihm ein, daß der Genosse Koffka nicht diesen Namen genannt hat, als er von unzuverlässigen Zeugen sprach.

Er sieht rasch auf die Schuhe des andern: sie sind vom Lehm beschmutzt.

»Waren Sie auch über Land, Assessor?« fragt er langsam.

»Ja. Ich bin Ihnen nachgelaufen. Aber Sie waren schon weg.«

Der Bürgermeister tritt nah an seinen späten Besuch. Mit der Hand biegt er den Kopf des andern zurück, daß die Augen in vollem Licht liegen.

»Gehen Sie mit mir, Stein, wenn ich hier fortgehe?«

»Sie gehen nicht fort!«

»Gehen Sie mit?«

»Immer.«

»Gute Nacht, Stein«, sagt der Bürgermeister. »Gute Nacht, Assessor.«


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