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Von Hella

 

1.

Mit dem Magnolienzweig in der Hand schreitet Hella die Treppe hinab im nebligen Garten zur Morgenzeit.

Und sie pfeift ihren Hunden. Die kommen, zwei Windhunde, langhaarig, spitznasig, Sprösslinge der sarmatischen Steppe.

Hella schlägt sie mit der Peitsche, dass sie winseln und heulen und sie boshaft und rachsüchtig ansehen mit lauernden Augen.

Dann wirft sie die Peitsche weg, streichelt ihre Hunde. – Sie schreitet durch das feuchte Gras zwischen den weissen Hunden. Malvenfarben ist ihr weites Schleppgewand. Aber rot ist das Haar, das sie hochaufgesteckt trägt in phrygischem Knoten.

Langsam schreitet sie zwischen ihren Hunden. Herabgesunken sind die beringten Hände, in losen Fingern halten sie den duftigen Zweig.

Die Magnolien ...

Und Hella öffnet den Mund. Ihre Stimme ist eintönig, klanglos – – doch tremoliert sie, – steigt herauf – – – und fällt – – –

Sie singt:

»Herrin, höre mich, meine strenge Herrin.
Du Göttin der Keuschheit und des Todes,
Du höchste Gebieterin meines Leibes.
Höre mich, strenge Herrin, erhöre mich.
– – Ich rufe dich, Herrin, höre deine Sklavin.

Bei der Weide rufe ich dich, bei dem Stricke, daran der sechzehnjährige Knabe so lustig baumelte. – Bei der Pistole, die ich ihm selber gab, dem liebestrunkenen Grafen, bei der Kugel, die er so brav sich mitten durchs Herz schoss.

Bei dem Gitter, dahinter der Jüngling schmachtet, der für mich die Brillanten stahl. – Bei dem Narrenhaus, das die zwei Brüder beherbergt, deren flackernden Wahnsinn ich entzündet, ich, mit meiner Augen Brand.

Bei all dem Elend rufe ich dich, dem unsagbaren Wehe, bei alle dem, was dir gelang, durch mich, deine Priesterin.

Zweikampf und Mord, Meineid, Diebstahl. Selbstmord und Raub, Krankheit, Wahnsinn und Tod.

Bei meiner letzten herrlichen Tat rufe ich dich, o Herrin, bei dem Fieberwahn des blonden, kindischen Jünglings, der auf den Wink meiner Augen seine Mutter erschlug, mir ihr zuckend Herz brachte, zum Frasse für meine Hunde.

Bei alle, alledem schreie ich nun zu dir, o Herrin, meine Göttin:

Gib mir diesen Mann!

O höre mich, meine strenge Göttin.

Elastisch ist sein Schritt und leichthin sein Gruss. Kein Pferd ist ihm zu wild und kein Strom zu breit. Kein Fels, ihm zu steil. – Der Schnellste ist er bei der Fuchsjagd, der Erste im Segelboot.

Denn er kann – – und will.

Und er ist klug. – O, wie ich ihn hasse!

Herrin, du Göttin des Todes, gib mir diesen Mann!

Schön und gross ist sein Leib, schön und gross seine Seele. – Er tanzte mit mir. Und so, so habe ich noch nie getanzt, ich, deine Priesterin, deine Schülerin.

Er ist ein Herrscher.

– – Verlass mich nicht, meine Göttin.

Sieh, ohnmächtig ringe ich mit ihm nun Tage und Wochen. Alles, alles wob ich hinein in die Maschen meiner Netze, alle die heimlichen Künste, die du mich lehrtest. – – Und er, – er lachte.

Küsste meine Hände und lachte.

Gib mir diesen Mann, o meine Herrin. Ich flehe dich an, meine Göttin, bei allem, was ich für dich tat. Bei all dem Ekel, den ich fühlte, wenn der Männer widriger Hauch meine Wange traf. Bei all dem erniedrigenden Spiel, das ich trieb, bis sie endlich tanzten, diese Affen, diese Drahtpuppen. Bei all der Fäulnis, die meine Seele frass, bei all der bitteren Kälte, die mein Herz erstarren liess. – Bei der grossen, heiligen Rache, für die ich kämpfe, bei den Fusstritten, die in Jahrtausenden der Mann dem Weibe versetzte –

O, Göttin der Verwesung, gib mir diesen Mann.

Ich denke der langen Jahre, die ich dir diene. Ich denke des Tages, da ich hinauslief in den Park, ein zwölfjährig Kind, – hier, hierhin! Als da drinnen der Vater die Mutter schlug, peitschte, so, so, über Gesicht und Nacken. – Meine schöne, schöne Mutter! – Hierhin lief ich durch das Gras, und hier hörte ich zum ersten Male tief, tief im Herzen deine Stimme, o Göttin. – Und hier kniete ich, hier schwor ich dir, o Herrin.

Kind war noch mein Leib, aber meine Seele begriff die masslose Schmach, die ewige, unaufhörliche Schande des Mannes gegen das Weib.

Und mein Herz schrie und schwor meine Rache. Dass ich rächen wollte, Tag und Nacht, mit jedem Hauch meines Atems, jedem Pulsschlag meines Blutes. Rächen in grausamem Kampfe das arme, geknechtete Weib! – Und meine Mutter –

Aber was ist meine ganze, grosse Rache, was ist mein Tun und Schaffen, was ist mein Leben – wenn ich ihn nicht zu meinen Füssen sehe?

Zwergen schnitt ich die Köpfe ab, Krüppel marterte ich, Idioten und Feiglinge. – Mein Tun war unnütz, zwecklos und vergebens – – –

Doch jetzt, o Herrin, jetzt fand meine suchende Rache nach langen Jahren endlich ihr Ziel.

Denn er, er ist ein Mann.

Und darum fleht meine Seele: O, meine Göttin, stärke mich in dem Kampfe. In dem blutigen, letzten, grausamen Kampfe.

Gib du Glanz meinen Augen und Fülle meinen Brüsten.

Lass du mein Haar voller erscheinen und meine Haut weisser erglänzen.

Meine Nägel rosiger schimmern.

Lass meinen Geist im Fluge Gedanken erfassen, Bilder und Märchen ersinnen in bunten Farben, so wie er es liebt. Lass meine Hand Zaubertöne erklingen aus den Saiten der Harfe, lass meine Stimme sein Hirn einlullen, einschläfern in schmeichelhaften Klängen.

Stärke mich zum Kampfe, Herrin, meine Göttin; führe mich zum Siege:

Gib mir diesen Mann!

– – O, wie will ich dir opfern, du hohe Göttin, wenn er in Liebeswahnsinn sich windet zu meinen Füssen. Wenn er röchelt und stöhnt, heult und wehklagt in wütenden Seelenqualen. Wie will ich mich weiden an den Krämpfen seines Hirnes, an dem Rasen seiner Sinne. Die Augen sollen ihm aus den Höhlen treten und die Galle sich ihm ins Blut ergiessen aus wahnwitziger Eifersucht. Die Nägel soll er sich abreissen und die Lippen sich blutig beissen in ungestilltem Liebesdurst.

Ich will seine Lippen küssen, wie nie ein Weib eines Mannes Lippen küsste; in seiner Brust will ich einen Brand anfachen, sein Todesfeuer; ein Opferfeuer für dich, meine Göttin. – Und in meinen Küssen, mitten in meinen glutheissen Umarmungen will ich ihn wegstossen, wie ein unreines Tier, wie einen eklen Wurm, den mein Schuh zu berühren sich scheut.

Sein Leib soll in Jammer zerfallen, verfaulen soll seine Seele! – – –

O meine Göttin, gib mir diesen Mann!«

So sprach Hella mit Lilith, ihrer Göttin. –

 

2.

Die Göttin erhörte Hella. – –

Eines Abends sah sie ihn zu ihren Füssen, unter dem Magnolienbaum. Er kniete vor ihr und sein Mund stammelte, röchelte trunkene Liebesworte. Dann griff sie in sein braunes Haar, zog den Kopf zu sich hin und küsste seinen Mund.

Sie küsste ihn, wie nie ein Weib einen Mann geküsst hatte, und zündete einen lodernden Feuerbrand an in seiner Brust.

So wie sie es gewollt in ihrer Rache. – –

Dann küsste er sie wieder. Und seiner Seele sengende Flammen nahmen jauchzend Besitz von ihrer Seele.

– – Da vergass sie ihre Rache und ihre Schwüre und Lilith, ihre Göttin.

 

Nach einem Jahre schon peitschte er sie, über Schultern und Nacken, so wie ihr Vater ihre Mutter gepeitscht hatte. –


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