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Anselm Feuerbach
Ein Heldengedicht

siehe Bildunterschrift

Anselm Feuerbach
Der Maler
1829–1880

Nach einer Photographie ums Jahr 1865, die Frau Generaloberarzt Dr. Feuerbach in München gütigst zur Verfügung gestellt hat.

 

Die Jugend

Terzinen

Gotische Türme, Speyers Kaiserdom
Und Freiburgs Münster, ernst aus rotem Stein,
Mit Ansbachs Giebelhäusern, nicht dein Rom,

Sie schließen deine Knabenjahre ein.
Malt man dazu noch die Melancholie,
Die, wie durch Gitterwerk der Abendschein,

Von deines Vaters tiefer Hysterie
Auf deine Kindheit fiel, und eignes Leid
Mit frühem Typhus, Ängsten und Manie,

So steht der Hintergrund der Jugendzeit,
Die du verträumt, der Mutter bald beraubt.
Ein Werk nur hat als Kind dich schon geweiht,

Des Vaters Schrift. Sie wogte durch sein Haupt,
Als du zur Erde kamst, und galt Apoll
Und seinem Standbild, mythenreich umlaubt

Im Vatikan, das schon begeistrungsvoll
Dereinst von Goethe angebetet ward.
Du nahmst noch Anteil an dem Schönheitszoll,

Den dein Erzeuger nach Gelehrtenart
Im Buch dem Gotte bot. Und so genährt
Vom Geist der Klassik gingst du auf die Fahrt,

Der Sprößling eines Hauses, das geehrt
Im deutschen Süden seinen Namen trug,
Heißblütig und vom Ehrgeiz aufgezehrt.

Du machtest deine Zeit zu deinem Fluch.
Das Schicksal würfelte dich blind hinaus
Zu Menschen, deren Herz dir feindlich schlug,

Die nicht in deinem Altertum zu Haus
Sich um die Ideale kaum gemüht.
So hielt Enttäuschung ihren wilden Schmaus

In deiner Brust, die für den Ruhm geglüht,
Wie einst der Geier, der Prometheus fraß.
Du warst wie er aus wildem Stamm erblüht

Und blicktest starr in diese laue Welt,
Seit dein Bewußtsein deine Lage maß.
Es ward in dir durch einen Schrei erhellt,

Den Kaspar Hauser schrie. Er sank ins Gras,
Als du mit deiner Schwester sanft gespielt
Am Wall der alten Stadt, und starb entstellt

Von einem Dolchstich auf sein Herz gezielt
Und schied aus diesem Dasein rätselhaft
Wie er erschien, weil nichts den Fremdling hielt.

Vor deinen Augen hin, starb rätselhaft
Wie er erschien, irr in die Zeit gestellt.

So standst auch du mit deiner Leidenschaft,
Findling und Grieche in Germaniens Haft.

Auf der Akademie in Düsseldorf

Hexameter

Nobel, der König Schadow, von allen »der Alte« benamset,
Rief zu einem Konzil die hohen Herrn Professores,
Die das Malen verlernt und nun ihre Schüler es lehrten.
Hasenclever erschien da wie Lütke, der Kranich still lächelnd,
Selber ein Genrebild. Und hinter ihm kam gleich gesprungen
Mücke, gleich Henning, dem Hahn. Die Proportion und dazu noch
Als das wichtigste war die Anatomie sein Spezialfach.
»Hä! Hä!« spöttelt er gleich: »Wen gilt es denn heut zu verdammen?«
Isegrim Schirmer stieg auch laut hustend die Treppen
Zum Konferenzsaal empor, die Finger noch schwarz von der Kohle,
Mit der er seine Klasse beim Landschaftzeichnen verbessert.
»Kohle ist A und O. Aus Kohle sind wir gebildet
Und zu Kohle werden wir neu!« So pflegt er zu kohlen.
Mintrop schloß sich ihm an, wie das Hündchen Wackerlos, artig
Ging er als Bäuerlein stets mit seinen berühmten Kollegen.
Bendemann folgte, der Fromme, wie Lampe, der Hase, bedächtig
Ein Vaterunser murmelnd und biblische Stoffe im Herzen.
Alldort sah man auch Lessing. Wie Braun, der Bär, trat er brummend,
Weil man ihn wieder gestört bei einem Bild der Hussiten,
In die Aula hinein, in Träumen noch fern an der Moldau.
Hinter ihm ward als letzter noch Sohn gesichtet, wie Hinze
Kam er, der Kater, geschlichen, ein Dämchen hatt' ihm gesessen,
Und er hatte sich fast in ihren Augen verfangen.
Als nun alle versammelt ums Bild Friedrich Wilhelms des Vierten
Hockten und nur der Düssel eintöniges Glucksen gehört ward,
Das durch die Kellergewölbe der Akademie sich ergossen,
Da erhob sich der König, der fromme Schadow, und faltet
Erst zu einem Gebet des Malens unkundige Hände,
Alsdann sprach er mit Hüsteln die höchst melancholischen Worte:
»Bätte zur Prüfung nunmehr der Schülerproben zu schreiten!
Feuerbach heißt der Erste. Vorname: Anselm. Aus Freiburg.«
»Kenn ich bereits«, brummte Lessing mit bärenhaftem Behagen,
»Nicht talentlos fürwahr. Doch würd ich dem Jünglinge raten,
Noch das Gymnasium erst daheim mit Fleiß zu beenden,
Daß er Geschichte lerne, den wertvollsten Stoff für uns Maler!«
Damit schwieg er, sich setzend. Doch Nobel maß nun die andern
Schweigend mit seinen Blicken. Sie dachten sämtlich an andres.
»Hä! Was meinst du, Peter?« So wandte sich barsch er und zürnend
Hasenclever nun zu, seinem Schwiegersohne, der grade
Eine Karikatur von dem Alten schnell heimlich gezeichnet.
Aufgeschreckt sprach der gleich, die Proben flüchtig beschauend,
»Nun, begabt ist der schon genügend, um Pinsel zu waschen!«
»Hä! Hä!« machte da Mücke und krähte vor Freude dem Hahn gleich,
Doch dann fügt' er hinzu, erschrocken vom Auge des Königs:
»Anfänger ist er noch ganz. Es hapert an Proportionen,
Gleichfalls an Anatomie. Doch darin kann ich ihn belehren.«
Jetzt mischt sich Schirmer hinein, die Stirne taudick gerunzelt,
Sprach er, der Isegrim: »Fünf Jahre mindestens braucht er,
Um mit dem Kohlenstift die kleinste Landschaft zu packen.
Kohle ist A und O!« Drob gähnte gewaltig zusammen
Das Kollegium dort. Geschickt begann zu miauen
Nun Karl Sohn. Er strich sich wie Hinze, der Kater, sein Bärtchen,
Meinte, die Sepiazeichnung, die Feuerbachs Mutter gesendet,
Zeige ein wenig Talent, indessen man könne nie wissen.
»Was meint Mintrop dazu?« unterbrach ihn jetzt Schadow, der König.
Dieser errötete tief und stotterte: »Ganz meine Ansicht!«
Bendemann aber, der Hase, begann vorsichtig zu fragen:
»Feuerbach? 's klingt gefährlich. Mit Kaulbach hatten wir Unglück.
Drum vestigia terrent! So heißt es schon in der Fabel.«
Mintrop, das arme Hündchen Wackerlos, bellte ganz leise
Schüchtern dazwischen: »Auch dies verdient ein reiflich Erwägen.«
Nun erhob sich der König, der alte Schadow, gewaltig:
»Demnach,« verkündet er laut: »Der Bengel soll spornstreichs erscheinen.«
Also ward es beschlossen. Es nickten die Herrn Professores,
Widerspruch wagten sie nicht, als wohlbestallte Beamte.
Und der Jüngling kam an und lernte bei diesem und jenem
Mit dämonischem Eifer, wusch Sommers und Winters die Pinsel,
Bis seine Hände krebsrot. Mehr trug er kaum für sich von dannen,
Außer Nobels, des Schadows, höchst eigne letzte Vermahnung,
Als er die Akademie nach fast drei Jahren verlassen:
»Jeh Er nach Frankreich, mein Sohn! Hier wird im Leben nischt aus ihm!«

Couture

Ritornell

Die Sitte will es, daß der Lehrer
Dem Schüler stets ein Zeugnis schreibt,
Es lastet auf ihm wie ein Briefbeschwerer.

Drum wärs nicht schlecht in manchen Fällen,
Wenn es wie folgt, den Schüler treibt,
Dem Lehrer auch ein Zeugnis auszustellen:

»Couture! Ein Künstler, auch Franzose,
Er machte mir zum Malen Mut,
Wies mich aus spitzem Pinseln ins Pastose.

Zum Großen hat er mich entzündet.
Seit je bekam der Kunst es gut,
Wenn Gallien mit Germanien sich verbündet.«

Hafis vor der Schenke

In Paris 1852

Laßt berauscht mich sein und sterben
Mit dem Becher in der Hand!
Mit der andern für die Erben
Mal ich Verse an die Wand.

Lagert euch zu meinen Füßen,
Lauscht auf meinen trunknen Mund!
Hafis mag die Welt versüßen,
In der Kunst wird sie gesund.

Seht den Herbst in meinen Augen!
Gelb und kränklich lodert er.
Sich mit Sonne voll zu saugen
Ist der Sterblichen Begehr.

Wie das Abendrot entzündet
Auf den Niederungen hängt,
Hab ich alternd euch verkündet,
Was uns liebevoll beengt.

Fühlt die Seligkeit im Schwinden!
Mit dem Atem ists bezahlt!
Wir sind ewig im Empfinden,
Und die Welt ist nur gemalt.

Die Mutter: Henriette Feuerbach

Ghasel

Oft sagt ein Sarg erst leise dir: Sie liebte dich.
So klingt die herbste Weise hier: Sie liebte dich.
Was du erlitten und erkämpft auf Erden,
Du warst stets eine Waise ihr: Sie liebte dich,
Sie stritt für deinen Wunsch, berühmt zu werden,
Und lebte nur zum Preise dir: Sie liebte dich.
Sie blieb daheim, indes du in der Ferne,
Du warst die ew'ge Reise ihr: Sie liebte dich.
Sie hing an dir allein und deinem Sterne,
Ward Deutschland auch zum Eise dir: Sie liebte dich.
Wie ein Planet der Sonne, die ihm leuchtet,
So folgte sie im Kreise dir: Sie liebte dich.
Du warst die Träne, die ihr Auge feuchtet,
So klingt die herbste Weise hier: Sie liebte dich.

Erinnerung an Tivoli

(Ricordo di Tivoli): Ottave rime

Hört ihr nicht die wilden Wasser rauschen?
Wer dich jemals sah, vergißt dich nie,
Muß im Schlaf oft deinem Atem lauschen,
Immergrünes Tal von Tivoli.
Möchte mit dem braunen Felsen tauschen,
Der sie stets behorcht, die Melodie,
Wenn zur Tiefe tosend deine Wellen
Wie der Amazonen Pfeile schnellen.

Laßt uns abseits sitzen wie die Kleinen,
Ferne vom Titanensturz der Flut,
Unter schwärzlich grünen Lorbeerhainen,
Wo bei Paolo Francesca ruht!
Gibt es unter Menschen ein Vereinen,
Stillt der Schatten hier das heiße Blut,
Mußt du Roms erhaben ernsten Frauen
In die unbewegten Augen schauen.

Die Geliebte wird zur Göttin werden.
Wie einst Raffael die Bäckerin
Schuf zur Himmelskönigin der Erden,
Gibst du, Meister, Schmerz und Edelsinn
Dem Modell und krönst sie mit Gebärden
Schöner als die höchste Kaiserin,
Schenkst ihr Perlen, Gemmen und Opale,
Und ihr Putto wird zum Ideale.

Schmuckbehangen scheinen uns die Tage,
Die man Deutschland fern in Rom verlebt,
Wenn der Götter- und der Menschensage
Sich dem selig Sinnenden verwebt.
Durch des Kolosseums hohe Klage
Fraunbegleitet Dante licht entschwebt,
Wie Medea auf der Flucht verloren
Leiden wir, daß wir hier nicht geboren.

Stürzen uns wie du an Nannas Brüsten
In die Zeit, die nie gewesen ist!
Träumen uns an spiegelklare Küsten,
Wo ein Heute sich wie Schaum vergißt!
Schweige jedes sinnliche Gelüsten,
Glücklich bist du nur, wo du nicht bist.
Wer an Platos Gastmahl teilgenommen,
Weiß, nur liebend wirst du dir entkommen.

Hört ihr nicht die wilden Wasser tönen?
Gibt es schon auf Erden Harmonie?
Kannst du uns mit unserm Stern versöhnen,
Immergrünes Tal von Tivoli?
Ruhe findest du allein im Schönen,
Und der beste Trost bleibt Poesie.
Spielt ein Kinderlied, uns aufzuhellen!
Und die Tränen stürzen mit den Wellen.

Nanna

Poetische Legende

»Nur eine Schustersfrau!« so höhnt das Leben,
War jenes Weib, das er am meisten malte,
Der er an Hals und Händen Schmuck gegeben,
Wie er von keiner Fürstin bunter strahlte.
In Glanz und Adel wußt' er sie zu heben
Und mit Cäsarenhochmut zu begaben
Im Blick der Augen, lässig, doch erhaben.
»Nur eine Schustersfrau!« so höhnt das Leben.

Wer möchte nicht dies rohe Dasein steigern!
Wer keinen Traum sich auf den Sockel stellen!
Und würde sich die Gegenwart uns weigern,
Als Zukunft müßte sich ihr Rand erhellen.
Die Hoffnung mißt die Zeit mit goldnen Zeigern
Und läßt sich ihren Glauben nicht vergällen.
Selbstsicherheit macht jeden Busen schwellen.
Wer möchte nicht dies rohe Dasein steigern!

Wir finden unser Glück an jeder Straße,
Wie er zuerst sie sah vor einem Laden
In ihrer Züge reinem Ebenmaße,
Den Säugling an der Brust, ihr nicht zum Schaden.
Sie sah ihn an zu keinem Liebesspaße
Stumm unter ihren schweren Augenlidern,
Er mußte bis ins Herz den Blick erwidern.
Wir finden unser Glück an jeder Straße.

Die Menschen lieben sich in ihren Kleidern,
Sie sondern sie vor sich wie vor den Tieren:
Ein weiter Mantel, affig allen Neidern,
Muß noch den reich verschnürten Rock umzieren.
So fuhr er stolz mit ihr – ein Hoch den Schneidern! –
Zum Corso. Ganz Trastevere soll staunen:
»Die Schusterin in Seide«, hört man raunen.
Die Menschen lieben sich in ihren Kleidern.

Ein Weib in ihrer Reife zu umarmen
Ist süßer als an Mädchenmund zu nippen;
An ihrem vollen Busen zu erwarmen,
Ein Kuß von ihren viel erfahrnen Lippen,
Die sich der Lust des Mannes gern erbarmen,
Läßt junge Liebe kindisch leer erscheinen
Und reizt zu immer längerem Vereinen
Ein Weib in ihrer Reife zu umarmen.

Wer liebt, wird die Geliebte stets verklären.
Ihr hoher Hals, der Knoten ihrer Haare,
Der dunklen, und ihr Duft nach Wein und Ähren,
Die Hände und der Wuchs, der wunderbare,
Dies alles rührt wohl im Besitz zu Zähren
Und treibt uns sie zum Danke zu beschenken,
Und wär' es nur mit Gaben, die wir denken.
Wer liebt, wird die Geliebte stets verklären.

Was läßt sich nicht aus einem Antlitz machen:
Der Scheitel streng und grad zerteilt die Locken,
Sie schmiegen sich wie Wellen um den Nachen,
Herb um die Schläfen und die Ohrberlocken.
Die Nase steil, die Brauen, die nie lachen,
Sie geben schwarz den Augen ihren Stempel,
Der Mund schweigt ernst wie Rom und seine Tempel.
Was läßt sich nicht aus einem Antlitz machen!

Der Künstler senkt sich ganz in seine Werke,
Dies ist das Grab, die Seele zu verschlingen.
Sie zeigt sich kaum dem flücht'gen Augenmerke,
Stumm muß er seinem Dämon sie verdingen.
Was zeugend er berührt in seiner Stärke,
Das wird von seinem Geist ein Zeichen tragen,
Und was er schuf, muß seine Bildung sagen.
Der Künstler senkt sich ganz in seine Werke.

Ein jeder schafft sich selber seinen Adel.
Das kann der rohe Pöbel nie verstehen.
Zum Schmuck erhebt sich eine schlichte Nadel,
Wenn wir sie schön in schweren Locken sehen.
Ist eine Frau als Körper ohne Tadel,
So läßt sie leicht zur Göttin sich gestalten,
Das Niedere wird nur im Niedern walten.
Ein jeder schafft sich selber seinen Adel.

Es gilt oft vor dem Tod sich schon zu trennen
Von dem, was wir am feurigsten umschlossen,
Gilt Briefe, Bänder, Schleier zu verbrennen,
Ein Spitzentuch, drin ihre Tränen flossen.
Im Scheiden lernt die Liebe sich erkennen,
Ganz süß, ganz herb schwimmt's erst im Grund der Becher.
Entfalte noch ein letztes Mal den Fächer!
Es gilt oft vor dem Tod sich schon zu trennen.

siehe Bildunterschrift

Nanna
Die Grömische eliebte Anselms des Malers

Nach dem Ölgemälde von 1861. Museum der bildenden Künste Stuttgart.

 

Nichts kann uns dauernd in die Tiefe zwingen
Als nur der Tod, dem wir uns opfern müssen.
Will sich, was wir einst liebten, von uns schwingen,
Wir fesseln's nicht mit Gaben noch mit Küssen.
Es heißt allein sich bis ans Ende bringen,
Wenn Freund und Frau wie Falsche von uns scheiden.
Tot lieber als um Ungetreue leiden!
Nichts kann uns dauernd in die Tiefe zwingen.

»Nur eine Schustersfrau!« so höhnt das Leben,
War jenes Weib, das er so oft besungen.
Im Schmelz der Farben ließ er sie entschweben,
Die er als Liebchen und Modell gedungen,
Die ihren Mann verließ, sich ihm zu geben,
Daß er ihr Bild vorm Fraß der Zeit bewahre,
Hell wie den Leib des Herrn auf dem Altare.
»Nur eine Schustersfrau!« so höhnt das Leben.

Café Greco

Romanze

Wo ist jene alte Kneipe
An der hohen Span'schen Treppe
Bei der Barke von Bernini,
Sagt, wo ist sie wohl geblieben?

In der engen finstern Gasse,
Die »Condotti« heißt seit jeher,
Lag sie, die berühmte Schenke,
Stets bevorzugt vom »Tedesco«.

Zwar man sieht noch ihre Wände,
Sieht die Stühle, Tische, Flaschen
Und die Gäste nebst den Kellnern,
Doch sie scheint wie abgestorben.

Gleich Gespenstern weilt das Neue
Hier in diesen schmalen Räumen,
Die gebräunt vom Rauch der Pfeifen
Schlecht in unsre Tage passen.

Nur auf ein paar dunklen Stichen,
Die an den Tapeten hängen,
Lebt das biedre »Griechencafé«
Sein barockes Dasein weiter.

Hier floß ehedem zusammen,
Was die ew'ge Stadt an Künstlern,
Malern, Meißlern, Dichtern, Schwätzern
Gastlich mütterlich beherbergt.

Winckelmann hat hier gesessen
Und mit Mengs sich schon betrunken.
Und der romvernarrte Goethe
Lächelt noch aus jenem Spiegel

In das eifrige Gerede,
Das Angelika und Tischbein,
Unterstützt vom trocknen Hackert,
Über Perspektive führen.

Thorwaldsen, der Dänengrieche,
Schwärmte gern hier mit Canova
Und mit Carstens, seinem Meister,
Von den ewig jungen Alten.

Und man ging von hier allnächtlich
Zur Fontana, der von Trevi,
Warf den Soldo in das Becken
Und schwor, niemals heimzukehren.

Ach, wer nennt die Namen aller
Derer, die dann später kamen,
Als die blaue Blume blühte
Und Romantik die Parole!

Dort saß stets der Bayernkronprinz,
Ob er gleich nur stottern konnte,
Eifrig doch geneigt zum Reden
Mit Cornelius oder andern

Von der frommen Malergilde,
Die sich »Nazarener« nannten,
Betend gern bei ihrem Pinseln
Wie Herr Schnorr von Carolsfelde.

Neue Zeiten, neue Meister!
Graf von Schack schickt seine Boten,
Ihm die Alten zu kopieren,
Möglichst ähnlich, möglichst billig.

Lenbach naht noch jung und farbig,
Böcklin auch, trinkfest, der Schweizer,
Den Berlin WW elegisch
Auf dem »i« Böck lin skandieret.

Wer ist jener sonderbare
Kerl? Er gleicht mehr einem Schneider.
»Von Marées!« mahnt ihn der Kellner.
»›Teurer‹ Hans!« foppt ihn sein Fiedler.

Und man hört ihn gern dozieren,
Sieht ihn plagen sich und quälen.
Denn er nimmt es mit dem Malen
Schwieriger als mit dem Hungern.

Hildebrand wird dort gesichtet,
Freilich still noch bei den Jüngsten,
Die mit Stauffer-Bern und Klinger
Sacht sich erst zu Worte melden.

Wie ein Fürst thront er dazwischen,
Anselm Feuerbach der Letzte,
Schön geputzt in Samtpekesche,
Hört er ruhig, wie sie streiten.

Denn er ist vom Stamm der Schweiger.
Denn er kann sich schwer erklären.
Denn er mag sich nicht enthüllen.
Denn er redet nur in Farben.

Café Greco, Künstlerbude!
Wo ward je mehr fachgesimpelt?
Zög' man ab dir die Tapeten,
Würden sie noch diskutieren:

Von dem Marmor und der Körnung,
Cipollin und Brocatello,
Von dem Bronzeguß der Römer,
Von der Lag'rung und Legierung,

Von Gouache und Untermalung,
Von den Schatten, Farbenwerten,
Aquarell und Aquatinta,
Tempera, Terpentin und Tusche.

Hätten deine matten Spiegel
Doch die Künstler festgehalten,
Die in ihren hellen Hosen,
Nanking, Foulard und Alpaka,

Und in ihren hohen Hüten,
Breitgekrempt, recht tief im Nacken,
Und in buntgestickten Hemden
Stundenlang sich hier besprachen!

Aber alles zog vorüber
Wie die Westen, die einst Mode,
Schottisch waren sie gewürfelt,
Mit zwei Reih'n Perlmutterknöpfen.

Fort sind jene schönen Trachten,
Drin die Künstler sich vermummten.
Nur ihr Werk, das sie gehäutet,
Spricht noch heut von ihrem Leben,

Zeugt noch heut laut oder leise
Von dem Mann, der es geschaffen,
Teils verblassend, teils noch wachsend,
Atmet es den Schöpfer wieder.

Ständig schwankt es noch im Urteil,
Muß sich immer neu behaupten,
Und kann täglich noch verlieren
Wie ein Ding aus Blut und Knochen.

In der Leinwand lebt der Meister
Weiter in die neuen Zeiten,
Bis die Farben einst verhallen.
Bilder sind des Malers Taten.

Iphigenie

Sonett

So sieht die Sehnsucht aus. Die Augen schweifen
Zu einem Land, das fern im Blauen liegt.
Von deinen Träumen unruhvoll gewiegt
Steigt es zuweilen nah. Du willst es greifen,

Doch schon fühlst du erneut die Kette schleifen,
Die sich an deine müden Füße schmiegt.
Und wie ein Vogel deiner Hand entfliegt,
Zerrinnt dein Reich zu einem Wolkenstreifen.

Das Edle lebt in dieser Welt verbannt,
Am Heimweh krankt es nach dem Immerschönen,
Starr hört es von Barbaren sich verhöhnen,
Und von dem Schrei des Tages abgewandt

Hüllt es sich stumm in seinen Mantel ein,
Und seine heiße Seele wird zu Stein.

Rätsel

Cancion

Die zwei ersten Silben deuten
Auf die Glut in diesem Mann,
Der die bunte Welt besann,
Und es klingt wie Sturmesläuten;

Doch die letzte von den dreien
Silben, die sein Name faßt,
Gießt wie Wasser, ihm verhaßt,
Kälte zu den heißen zweien.

Und als Echo hört man läuten
Trüb ein »Ach« bei diesem Mann,
Den die Zeit umsonst besann,
Weil das Große schwer zu deuten.

Makart

Madrigal

Drei Säle sind für mich reserviert
Und meinen leeren Flitter,
Mit Lorbeern werd ich stets garniert,
Wiens allerletzter Ritter.

Ich mach in Abundantia
Und male nach Bestellung,
»Für bar« ist die Usancia,
Sonst bitt ich um Empfölung.

Braucht Ledas ihr, Kleopatras,
Dianas oder Nixen,
So sagt es nur, ich tu zum Spaß
Gleich drei hinunterwichsen.

Das Nackte ist mein Steckenpferd,
Ich bin mir selbst am nächsten.
Was sagt ihr: »Feuerbach?« Nichts wert!
Hängt ihn, hoch, höher, am höchsten!

Daß man den Kerl nur nicht mehr sieht!
Er kann mir zwar nichts schaden.
Er malt zu kalt. Doch wenn es zieht,
So kauft man nicht im Laden.

Sein Wahlspruch lautet: »Ewig jung!«
Der meine: »Stets bei Kasse!«
Werft mich als Toten nur zum Dung,
Wenn ich zeitlebens prasse!

siehe Bildunterschrift

Das Konzert
Gemälde von Anselm Feuerbach

Ölgemälde von Anselm Feuerbach aus dem Jahre 1878. Nationalgalerie Berlin.

Das Konzert
Sein letztes Werk

Sestine

Die tiefste aller Künste, die Musik
Ergreift als Luft und Geist sich schwer im Bild
Und widerstrebt dem Dasein auf der Erde.
Sie stirbt, wenn sie erklingt, den schönsten Tod,
In Wohllaut löst sich ihre zarte Form
Und hinterläßt den Schmerz nur um ihr Ende.

Denn nie empfindet man sein wehes Ende
So süß und bitter wie in der Musik,
Sie klärt uns dieses Dasein wie den Tod,
Und sie befreit uns von der kurzen Form,
Die wir erscheinen müssen wie ein Bild,
Das flüchtig wird und schwindet wie die Erde.

Im Kreise dreht sich unser Stern, die Erde,
Wie alle Himmelskörper, bis zum Tod,
Der ändert nicht das Wesen, nur die Form,
Denn Leben hat nicht Anfang und nicht Ende,
Das ganze Weltall, heißt es, tönt Musik.
O wer begreift dies wundervolle Bild!

Betrachtet euch der Frauen edles Bild,
Wenn es befreit vom rohen Staub der Erde
Zum lichten Himmel aufwallt wie Musik!
Dann seht ihr eine Liebe ohne Ende
Und fürchtet nicht den Weg durch euren Tod,
Er bildet euch zu einer andern Form.

Vor der Geburt besteht schon eure Form,
Sie wächst nun für die Zeit nach eurem Ende,
Wie unter eines Malers Hand ein Bild.
Und füllt sich eure Seele mit Musik,
So kehrt ihr schön verwandelt heim zur Erde,
Wie neu geboren grüßt euch dann der Tod.

Des Lebens höchstes Rätsel ist der Tod,
Er schließt den schwarzen Rahmen um das Bild
Und löst in gleicher Weise jede Form,
Wie sie ihr Dasein hatte auf der Erde.
Doch fragst du: »Ist dies wirklich denn das Ende?«
So gibt dir niemand Antwort, nur Musik.

Was ist Musik? Der Überschwang der Erde.
Form bindet sie. Ihr Leben ist ihr Tod.
So gibt sie stets ein Bild von unsrem Ende.

Das Begräbnis

1880
Canzone

Nun setzt die düstre Bahre,
Des armen Malers Reste,
Still auf den schwarzen Nachen,
Daß er ihn heimwärts fahre
Zum letzten Erdenfeste,
Das wir aus unsern Toten machen.
Venedigs Löwendrachen
Begrüßen ihn bei seinem Scheiden
Wie einen Fürsten, der gestorben,
Der an der Gegenwart verdorben
Gleich der Lagunenstadt nach tiefem Leiden.
Die Fahnen flattern leise
Vom Markusplatz zu seiner Geisterreise.

Im Schlaf ist er verschieden
Von dieser finstern Erde,
»Es geht mir schlimm und schlimmer«.
So fand man ihn in Frieden
Mit bitterer Gebärde
In einem kalten Herbergzimmer.
Die Stirn mit bleichem Schimmer
War auf das blaue Meer gerichtet,
Das schon zu Tizians schönern Tagen
An diese tote Stadt geschlagen,
Ob endlich nicht sein eigner Ruhm sich sichtet.
Da brachen seine Augen,
Zu matt, sich weiter Hoffnung einzusaugen.

Was hat er hinterlassen?
Nur Bilder, schlecht bezahlte,
Schulden und Muttertränen.
Sein Volk wollt' er umfassen,
Der immer schuf und malte,
Und Anerkennung war sein Sehnen.
Vergebens Wunsch und Wähnen!
Er mußte stets ums Brot sich sorgen,
Verachtend leere äußre Ehre
Und Frondienst in der Staatsgaleere,
Litt er die Schmach, sich bettelnd durchzuborgen.
Ans Kreuz schlug ihn das Leben.
Nun mag er zur Unsterblichkeit sich heben.

Laßt Trauermärsche tönen
Auf seinem Zug zum Norden!
Schon glänzen Alpenspitzen.
Den Toten zu versöhnen,
Der heimatfremd geworden,
Drängt Deutschland sich, ihn zu besitzen.
Man sieht vorüberblitzen
Des Veronese Heimatstätte.
Trient, Toblino von der Seite,
Sie winken ihm aus goldner Weite,
Und nun der Dolomiten Zackenkette.
Hier ist vor manchen Jahren
Der Tote froh ins Reich der Kunst gefahren.

Nun bettet ihn in Nürnbergs Leichenanger
Zu Dürer, zu Veit Stoß und andern Meistern!
Der Künstler starb. Jetzt dürft ihr euch begeistern.


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