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Ein Gedankenkranz aus den Werken und Briefen Ludwig Feuerbachs
gewunden von Otto Juliussburger in Berlin

Feuerbach an Konrad Beyer

Laßt den andern glauben, was er will, aber fordert dafür auch von ihm, daß er dich nicht glauben läßt, was er glaubt. Diese Forderung ist gerecht und billig, aber ungerecht und verwerflich, verwerflicher noch als die Intoleranz des Gläubigen ist die Intoleranz des Aufgeklärten, welcher von den andern ohne Unterschied verlangt, daß sie zwar nicht so glauben, aber so denken, so frei und gescheit sein sollen wie er selbst. Man muß auch gegen die Unfreiheit und Dummheit tolerant sein. –

Aus den vorläufigen Thesen zur Reform der Philosophie. 1842

Das Geheimnis der Theologie ist die Anthropologie, das Geheimnis aber der spekulativen Philosophie die Theologie. –

Der »absolute Geist« ist der »abgeschiedene Geist« der Theologie, welcher in der Hegelschen Philosophie noch als Gespenst umgeht. –

Nur der schmerzliche Reiz der Erinnerung an das, was nicht mehr ist, ist der erste Künstler, der erste Idealist im Menschen. Aber der Glaube an das Jenseits macht jeden Schmerz zum Scheine, zur Unwahrheit.

Der Übergang vom Idealen zum Realen hat seinen Platz nur in der praktischen Philosophie. Die Dinge und Wesen so zu denken, so zu erkennen, wie sie sind, – dies ist das höchste Gesetz, die höchste Aufgabe der Philosophie.

Raum und Zeit sind die Existenzformen alles Wesens. Nur die Existenz in Raum und Zeit ist Existenz, – Raum und Zeit sind die Offenbarungsformen des wirklichen Unendlichen. – Wo keine Grenze, keine Zeit, keine Not, da ist auch keine Qualität, keine Energie, kein Spiritus, kein Feuer, keine Liebe. Nur das notleidende Wesen ist das notwendige Wesen. Nur das schmerzensreiche Wesen ist göttliches Wesen. –

Der wahre, der mit dem Leben, dem Menschen identische Philosoph muß gallo-germanischen Geblüts sein. Das Herz – das weibliche Prinzip, der Sinn für das Endliche, der Satz des Materialismus – ist französisch gesinnt. Der Kopf – das männliche Prinzip, der Satz des Idealismus – deutsch. –

Schaut die Natur an, schaut den Menschen an! Hier habt ihr die Mysterien der Philosophie vor euern Augen. – Die neue, die allein positive Philosophie ist der denkende Mensch selbst – der Mensch, der ist und sich weiß als das selbstbewußte Wesen der Natur, als das Wesen der Geschichte, als das Wesen der Staaten, als das Wesen der Religion – der Mensch, der ist und sich weiß als die wirkliche, nicht imaginäre absolute Identität aller Gegensätze und Widersprüche.

Was der Mensch auch immer nennt und ausspricht, – immer spricht er sein eigenes Wesen aus. –-

Die Philosophie muß sich wieder mit der Naturwissenschaft, die Naturwissenschaft mit der Philosophie verbinden.

Was ein Wesen in seiner Gestalt, Bewegung und Lebensart deinen Sinnen offenbart, das allein ist seine Seele und sein Wesen. –

Leben heißt leben, Empfinden Empfindungen äußern.

Gehört zum griechischen Geist nicht auch der griechische Leib? – Hat die Jungfrau nicht ganz andere Gefühle, Wünsche und Gedanken als das Kind, bei dem die Geschlechtsdifferenz noch nicht Fleisch und Blut geworden ist?

Wollt ihr die Menschen bessern, so macht sie glücklich, wollt ihr sie aber glücklich machen, so geht an die Quellen alles Glücks, aller Freuden – an die Sinne. –-

Alle Menschen sind gut in der Freude, böse in der Traurigkeit. –

Die Erinnerung ist der sicherste Führer aus dem Reich des Lebens in das Schattenreich des Geistes. In der Erinnerung ist das Sinnenwesen Gedankenwesen.

Wir tragen durch den Verstand keinen Sinn erst in die Natur hinein; wir übersehen und interpretieren nur das Buch der Natur. –-

Alles sagen die Sinne, aber um ihre Aussagen zu verstehen, muß man sie verbinden. Die Evangelien der Sinne im Zusammenhang lesen, heißt: Denken.

Aus den Fragmenten zur Charakteristik von Feuerbachs philosophischem Curriculum vitae. 1822 –1844

Was mein Prinzip ist? Ego und Alter ego, »Egoismus« und »Kommunismus«, denn beide sind so unzertrennlich als Kopf und Herz. Ohne Egoismus hast du keinen Kopf, und ohne Kommunismus kein Herz.

Die Philosophie zur Sache der Menschheit zu machen, das war mein erstes Bestreben. Aber wer einmal diesen Weg einschlägt, kommt notwendig zuletzt dahin, den Menschen zur Sache der Philosophie zu machen und die Philosophie selbst aufzuheben, denn sie wird nur dadurch Sache der Menschheit, daß sie eben aufhört, Philosophie zu sein.

Keine Religion! – ist meine Religion; keine Philosophie! – meine Philosophie. Was ich bin? fragst du mich? Warte, bis ich nicht mehr bin.

Jede Zeit liest nur sich selbst in der Bibel.

Welche Gesinnung, welche Religion ist die Religion der Liebe? Die, wo der Mensch in der Liebe zum Menschen sein Gemüt befriedigt, das Rätsel seines Lebens gelöst, den Endzweck seines Daseins erreicht findet, in der Liebe also findet, was der Christ außer der Liebe im Glauben sucht.

»Zur Moralphilosophie« (Nachlaß)

Was lebt, liebt, wenn auch nur sich, sein Leben, will leben, weil es lebt, sein, weil es ist, aber wohlgemerkt! nur wohl, gesund, glücklich sein; denn nur Glücklichsein ist Sein im Sinne eines lebenden, empfindenden, wollenden Wesens, ist gewolltes, geliebtes Sein. –

Wille ist Glückseligkeitswille.

Der Glückseligkeitstrieb ist der Ur- und Grundtrieb alles dessen, was lebt und liebt, was ist und sein will, was atmet und nicht mit absoluter Indifferenz Kohlensäure und Stickstoff statt Sauerstoff, tödliche Luft statt belebender in sich aufnimmt. –

Ich will, heißt, ich will nicht leiden, ich will glücklich sein. –

Als wenn nicht auch Arbeit zur Glückseligkeit des Menschen gehörte! –

Aber wenn Essen und Trinken das allerfröhlichste und allerleichteste Werk, so ist dagegen Hungern und Dürsten das allertraurigste und allerschwerste Werk oder Ding von der Welt, Freiheit vom Hunger daher die allerniedrigste, aber auch allererste und allernötigste Freiheit, das erste Grundrecht des Volkes, des Menschen. –

Welche Karikatur zeichne ich mir und andern hin, wenn ich nur von dem fröhlichen Haupt, das auf einem vollen Bauche steht, nicht zugleich von dem traurigen, Grausen erregenden Haupt, das auf einem leeren Magen steht, das Bild des Glückseligkeitstriebes abzeichne. –

Nur was schlechterdings sich nicht mit dem Leben verträgt, schlechterdings mit ihm im Widerspruch steht, steht auch mit dem Glückseligkeitstriebe in solchem Widerspruch. –

Wehe der Engherzigkeit und Kurzsichtigkeit, die nur in dem plumpen deutschen Hopsasa oder Juchhe, oder gar in dem brutalen Hurrageschrei, nicht auch in dem Mahnruf und Klageton indischer Wehmut und Schwermut die Stimme des Glückseligkeitstriebes vernimmt.

Weil in jammervollen Zuständen der menschlichen Gesellschaft, wo die Natur zur Unnatur und die Unnatur zur Natur wird, das Dasein von Kindern und ihre Erhaltung mit dem eigenen Selbsterhaltungstriebe der Eltern in Widerspruch stehen, gilt dies auch von normalen, natur- und verunftgemäßen Zuständen?

Was die Zeit mit sich bringt zu unserem Schrecken und Leidwesen, das versenkt sie auch wieder zu unserem Troste und Heile in ihren Wellen. Für den Menschen gibt es keine Glückseligkeit ohne Vernunft und Moral. –

Wo das zum Leben Notwendige fehlt, da fehlt auch die sittliche Notwendigkeit. Die Grundlage des Lebens ist auch die Grundlage der Moral. Wo du vor Hunger, vor Elend keinen Stoff im Leibe hast, da hast du auch in deinem Kopfe, deinem Sinne und Herzen keinen Grund und Stoff zur Moral. Die notwendigen Lebensmittel sind auch die notwendigen Tugendmittel. –

Wo außer dem Ich kein Du, kein anderer Mensch ist, ist auch von Moral keine Rede, nur der gesellschaftliche Mensch ist Mensch.

Ich bin Ich nur durch dich und mit dir.

Gut ist nur, wer Anderen gut ist.

Die Moral kennt keine eigene Glückseligkeit ohne fremde Glückseligkeit, kennt und will kein isoliertes, von dem Glück der Andern abgesondertes und unabhängiges, oder gar mit Wissen und Wollen auf ihr Unglück gegründetes Glück, kennt nur eine gesellige, gemeinschaftliche Glückseligkeit. – Tätige Teilnahme an Anderer Glück und Unglück, glücklich sein mit den Glücklichen und unglücklich mit den Unglücklichen – aber nur, um womöglich, wie sich übrigens von selbst versteht, dem Übel abzuhelfen – das allein ist Moral. –

Nur aus der Erfahrung meines eigenen Glückseligkeitstriebes weiß ich, was gut oder böse ist, was Leben oder Tod, was Liebe oder Haß ist und wirkt, reiche ich daher dem Hungernden nicht statt Brotes einen Stein, dem Dürstenden nicht statt Trinkwasser Scheidewasser.

Das Gewissen hängt aufs innigste mit dem Mitleid zusammen und beruht auf der Empfindung oder Überzeugung von der Wahrheit des Satzes; »Was du nicht wünschest, das dir die Anderen tun, das tue ihnen nicht.« Ja es ist selbst nichts anderes als das Mitleid, aber mit dem Stachel des Bewußtseins, der Urheber des Leids zu sein. – Wer keinen Glückseligkeitstrieb hat, weiß und fühlt nicht, was Unglück ist, hat also kein Mitleid mit Unglücklichen; und wer kein verdoppeltes, verschärftes, gesteigertes Mitleid empfindet, wenn er sich bewußt ist, den Anderen unglücklich gemacht zu haben, der hat kein Gewissen. –

So sehr ist das Bild des Andern in mein Selbstbewußtsein, mein Selbstbild eingewoben, daß selbst der Ausdruck des Allereigensten und Allerinnerlichsten, das Gewissen ein Ausdruck des Sozialismus, der Gemeinschaftlichkeit ist; daß ich selbst in den geheimsten, verborgensten Winkel meines Hauses, meines Ich mich nicht zurückziehen und verstecken kann, ohne zugleich ein Zeugnis von dem Dasein des Andern außer mir abzugeben. –

Wie das Gewissen – gedacht in der Beziehung des Menschen auf Andere – nichts andres ist als das Wehe- und Rachegeschrei des Andern gegen mich, so ist das Gewissen gedacht in der Beziehung des Menschen auf sich selbst, nichts anderes als das Rache- und Wehegeschrei eines verletzten oder unterdrückten Triebes gegen seinen Unterdrücker.

Der Materialismus ist für mich die Grundlage des Gebäudes des menschlichen Wesens und Wissens, aber er ist für mich nicht, was er für den Physiologen, den Naturforscher im engeren Sinne, z. B. Moleschott ist, und zwar notwendig von ihrem Standpunkte und Berufe aus ist, das Gebäude selbst. – Der Unterschied zwischen Seele und Leib ist nur der, daß die Seele sich selbst, der Leib einem Andern sichtbar und greifbar ist.

Über Spiritualismus und Materialismus (1863-66)

Der Wille ist, wie der Mensch überhaupt – was ist denn der Wille als der wollende Mensch? – an Raum und Zeit gebunden. –

Erst wenn die Zeit zu etwas kommt, kommt auch die Kraft und der Wille dazu. Mein Recht ist mein gesetzlich anerkannter Glückseligkeitstrieb, meine Pflicht ist der mich zu seiner Anerkennung bestimmende Glückseligkeitstrieb des Anderen. Ich will, sagt mein eigner, du sollst, der Glückseligkeitstrieb des Andern, sei's nun in Person oder im Namen und Auftrag derselben.

Die Moral kann nur aus der Verbindung von Ich und Du abgeleitet und erklärt werden. – Es ist kein anderes Kennzeichen für Bösesein, als Übeltun, kein anderes für Gutsein, als Wohltun. –

Die innigste und vollkommenste Form der Liebe ist die geschlechtliche; aber man kann hier nicht sich selbst beglücken, ohne zugleich, selbst unwillkürlich, den andern Menschen zu beglücken, ja, je mehr wir den Andern, desto mehr beglücken wir uns selbst.

Die Stimme des Gewissens ist ein Echo von dem Racheruf des Verletzten. Das Ich außer mir, das sinnliche Du ist der Ursprung des übersinnlichen Gewissens in mir. Mein Gewissen ist nichts anderes als mein an die Stelle des verletzten Du sich setzendes Ich. –

Weil der Wille nichts anderes ist als das bewußte nach außen tätige Wesen des Menschen, der Mensch von dem Wesen hinter seinem Bewußtsein nichts weiß, als was eben mit dem Willen vor sein Bewußtsein tritt, so setzt er den Willen selbst vor sein Wesen.

Viele Verbrechen und Laster kommen bei den unbemittelten und ungebildeten Menschen nur deswegen zur Existenz, weil sie nicht die materiellen Mittel besitzen, oft nicht einmal kennen, durch die man allein erfolgreich ihnen vorbeugen kann.

Mag ein Mensch, ergriffen von einer Strafpredigt wider den Saufteufel, auch noch so gute Vorsätze fassen – er wird doch beim Anblick des alten Wirtshauses unaufhaltsam auch wieder dem alten Laster verfallen, während ein Andrer, welcher den Ort wechselt, mit dem Zusammenhang mit dem alten Ort auch den Zusammenhang mit alten Gewohnheiten abbricht, wenn anders diese nicht bereits zur anderen Natur geworden sind. –

Der Wille vermag nichts ohne den Beistand materieller, körperlicher Mittel, die Moral nichts ohne Gymnastik und Diätetik. –

Die Anatomie sagt uns die tote und eben deswegen nicht die ganze volle Wahrheit. Die Wissenschaft kann nun und nimmermehr den Standpunkt des Lebens zu ihrer Ergänzung entbehren oder ersetzen. Leben, Empfinden, Denken ist etwas absolut Originales und Geniales, Unkopierbares, Unersetzliches, Unveräußerliches – ist in Wahrheit das nur durch sich selbst erkennbare, aber nicht mystifizierte, nicht travestierte Absolute der spekulativen Philosophen und Theologen.

Die Seele hängt ab vom Organ, ist seine Form und Mischung nicht die gehörige, so ist es auch die Verrichtung, die Tätigkeit. Aber auch das Organ hängt von seiner Verrichtung ab, es erschlafft, es magert ab, stirbt endlich gänzlich ab, wenn es nicht gehörig gebraucht und verbraucht wird. – So ist das Denken die Bewegung, die Motion des Hirns, die es verzehrt, aber zugleich ernährt, indem gesteigerte Hirntätigkeit auch den Zudrang der ernährenden Flüssigkeit steigert. Erst durch das Denken wird das Hirn zum Denkorgan ausgebildet, ans Denken gewöhnt, und durch die Gewohnheit, dies oder jenes, so oder so zu denken, auch so oder so modifiziert, bleibend bestimmt, gleichwie durch die Gewohnheit, in die Nähe oder Ferne zu sehen, die Gestalt des Sehorgans bleibend bestimmt wird. Allerdings also bildet und bestimmt der Geist den Leib, aber vergessen wir nicht über der einen Seite die andere, vergessen wir nicht, daß, wozu der Geist den Leib mit Bewußtsein bestimmt, dazu er schon unbewußt von seinem Leibe bestimmt wird. –

Der Leib ist das Werkzeug der Seele, aber auch umgekehrt die Seele das Werkzeug des Leibes. – Allerdings hängt die aufrechte Stellung und Bewegung des Körpers von seinem Willen ab, aber nur weil dieser Wille selbst von seinem Organismus abhängt, dieser Wille also ein organisch begründeter, nur eine Erscheinung, ein lebendiger Ausdruck von seinem innigen, aber eben deswegen geheimen Zusammenhang mit dem Hirn, den Nerven und Muskeln ist.

Die Umarmung ist ein körperlicher, materieller Akt, in dem selbst die Spiritualisten und Idealisten die Wahrheit und die Existenz des Körpers außer der Vorstellung anerkennen müssen, so lange wenigstens, als sie uns nicht beweisen, daß sie sich bloß in der Vorstellung umarmen, bloß durch die Vorstellung Kinder zeugen. –

So wenig ich an zwei Orten zugleich sein kann, so wenig kann ich zugleich auf dem Tummelplatz der Leidenschaft oder im Schauspielhaus des Auges und im Studierzimmer des Hirns anwesend und tätig sein. –

Ich stimme dem Idealismus darin bei, daß man vom Subjekt, vom Ich ausgehen müsse, da ja ganz offenbar das Wesen der Welt, die und wie sie für mich ist, nur von meinem eigenen Wesen, meiner eigenen Fassungskraft und Beschaffenheit überhaupt abhängt, die Welt also, wie sie nur Gegenstand, unbeschadet ihrer Selbständigkeit, nur mein vergegenständlichtes Selbst ist, aber ich behaupte, daß das Ich, wovon der Idealist ausgeht, das Ich, welches die Existenz der sinnlichen Dinge aufhebt, selbst keine Existenz hat, nur ein gedachtes, nicht das wirkliche Ich ist. Das wirkliche Ich ist nur das Ich, dem ein Du gegenübersteht, und das selbst einem andern Ich gegenüber Du, Objekt ist. – Ich denke, ich empfinde nur als Mann oder Weib, und ich bin daher vollkommen berechtigt, die Frage: ist die Welt nur eine Vorstellung und Empfindung von mir oder auch eine Existenz außer mir? mit der Frage: ist das Weib oder der Mann nur eine Empfindung von mir oder ein Wesen außer mir? auf gleichen Fuß zu stellen. –

Nicht der Verstand, nur die Liebe ist es, welche Wesen außer sich setzt, und zwar nicht nur der Vorstellung nach, sondern wirklich, wahrhaft, leibhaftig, wie die Geschlechtsliebe sinnfällig beweist. –

Mit Wesen derselben Gattung, aber anderen Geschlechts zeugen wir uns gleiche Wesen außer uns, mit Wesen anderer Gattung, mit denen wir uns nur vermittels unserer Eßorgane vermischen, zeugen wir uns selbst.

Meine Empfindung ist subjektiv, aber ihr Grund ein objektiver.

Nicht Ich, nein! Ich und Du, Subjekt und Objekt, unterschieden und doch unzertrennlich verbunden, ist das wahre Prinzip des Denkens und Lebens, der Philosophie und Physiologie. –

Die subjektive Lichtempfindung der objektiven gleichsetzen, heißt die Pollution mit der Zeugung identifizieren. –

Keine Empfindung ist subjektiver als die geschlechtliche, und doch verkündet keine lebhafter und energischer die Notwendigkeit und das Dasein des ihr entsprechenden Gegenstandes. –

Aus Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit vom Standpunkte der Anthropologie

Der Mensch ist, was er ißt.

Gleiches Wesen, gleiche Speise und umgekehrt. –

So ißt der männliche Gott männliche, der weibliche Gott weibliche Tiere, die ewige Jungfrau ein jungfräuliches Kalb, die fruchtbare Erde eine Schweinsmutter. –

Der Mensch ißt nicht nur vermittels der Speiseröhre; er ißt auch vermittels der ihr sogar vorgesetzten Luftröhre. Luft essen oder trinken heißt Atmen; – er ißt auch mit den Sinnen, namentlich den edelsten, den Augen und Ohren. Mit den Augen essen heißt Sehen, mit den Ohren essen Hören. – Namentlich »frißt der Mensch und zwar mit allen seinen Sinnen einen Gegenstand vor Liebe auf«.

Die Liebe ist kein grobes, fleischliches, sondern herzliches und mündliches Essen. –

Der Mensch ißt und verdaut auch mit dem Hirn, dem Denkorgan. Das Hirn ist der Magen, das Verdauungsorgan der Sinne. –

Wo aber kein Salz im Blute, da ist auch kein Salz im Kopfe. –

Wie der Verhungernde sich selbst verzehrt, weil ihm kein Stoff zur Nahrung mehr von außen geboten wird, – so auch der Verkümmernde, weil ihm, wenn auch nicht der Stoff, doch die Kraft und Lust zur Speise fehlt. –

Das Kind verzehrt seine eigene Mutter, indem es an ihrer Brust saugt, es ist, was es ißt, und ißt, was es ist.

Aus den Vorlesungen über das Wesen der Religion (1851)

Die Religion hängt mit der Politik aufs innigste zusammen.

Ich habe den schönsten Teil meines Lebens nicht auf dem Katheder, sondern auf dem Lande, nicht in der Universitätsaula, sondern im Tempel der Natur, nicht in Salons und Audienzzimmern, sondern in der Einsamkeit meiner Studierstube zugebracht. Sinnlichkeit ist bei mir nichts andres als die wahre, nicht gedachte und gemachte, sondern existierende Einheit des Materiellen und Geistigen, ist daher bei mir ebensoviel als wie Wirklichkeit.

Die Religion ist die Anerkennung, die Bejahung der Sinnlichkeit im Widerspruch mit der Sinnlichkeit.

Das Leben der Toten ist nur das Leben im Reiche der Erinnerung.

Der Mensch dauert nur in seinen Werken, in seinen Wirkungen fort, die er innerhalb seiner Sphäre, seiner geschichtlichen Aufgabe hervorbrachte. Das ist die sittliche, die ethische Unsterblichkeit. –

Die Theologie ist Anthropologie. Der Gott des Menschen ist nichts anderes als das vergötterte Wesen des Menschen, folglich die Religions- oder Gottesgeschichte – denn so verschieden die Religionen, so verschieden sind die Götter, und die Religionen so verschieden, als die Menschen verschieden sind – nichts andres als die Geschichte des Menschen. Ich verneine nur das phantastische Scheinwesen der Theologie und Religion, um das wirkliche Wesen des Menschen zu bejahen.

Das Abhängigkeitsgefühl ist der Grund der Religion, der ursprüngliche Gegenstand dieses Abhängigkeitsgefühls ist aber die Natur, die Natur also der erste Gegenstand der Religion. – In der Religion sucht der Mensch zugleich die Mittel gegen das, wovon er sich abhängig fühlt. Wenn der Mensch nicht stürbe, wenn er ewig lebte, wenn also kein Tod wäre, so wäre auch keine Religion. –

Ursprünglich drückt die Religion nichts aus, als das Gefühl des Menschen von seinem Zusammenhang, seinem Einssein mit der Natur oder Welt.

Was sind sie anders, diese Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterfeste, die wir in den alten Religionen finden, als Darstellungen von den verschiedenen Eindrücken, welche die verschiedenen Erscheinungen und Wirkungen der Natur auf den Menschen machen? Trauer und Schmerz über den Tod eines Menschen oder die Abnahme des Lichtes und der Wärme, Freude über die Geburt eines Menschen, über die Wiederkehr des Lichtes und der Wärme nach den kalten Tagen des Winters oder über den Erntesegen, Furcht und Entsetzen bei an sich oder wenigstens in der Vorstellung des Menschen entsetzlichen Erscheinungen, wie bei Sonnen- und Mondfinsternissen – alle diese einfachen, natürlichen Empfindungen und Affekte sind der subjektive Inhalt der Naturreligion. –

In der Religion vergegenständlicht der Mensch sein Wesen. –

Unsere Aufgabe ist es, die Natur als das zu betrachten, zu behandeln und zu verehren, was sie ist, – als unsere Mutter.

Selbst bei den modernen abgeschliffenen, im großartigen Weltverkehr lebenden Völkern spielt noch immer der Patriotismus eine religiöse Rolle.

Aus der Qualität der Tiere, welche der Gegenstand der Verehrung waren, erkennen wir die Qualität der sie verehrenden Menschen. In der Tierverehrung verehrt der Mensch sich selbst.

Der Selbstmörder nimmt sich nicht sein Leben; es ist ihm schon genommen. Darum tötet er sich; er zerstört nur seinen Schein; er wirft nur eine Schale weg, aus der längst, sei's nun ohne oder mit seiner Schuld, der Kern verzehrt ist. Aber im gesunden, gesetzmäßigen Zustande, und wenn unter dem Leben der Inbegriff aller wesentlich zum Menschen gehörenden Güter verstanden wird, ist das Leben und zwar mit vollem Rechte das höchste Gut, das höchste Wesen des Menschen.

Der Wahnsinn, die Narrheit, die Verrücktheit gehört ebensogut in die Psychologie oder Anthropologie, in die Religionsphilosophie und Religionsgeschichte, da in der Religion keine anderen Kräfte, Ursachen, Gründe wirken und sich vergegenständlichen als in der Anthropologie überhaupt. –

Ein Gott, der nicht mehr ein moralisches, praktisches Vorbild des Menschen, der nicht ist, was der Mensch selbst sein soll und will, ist nur ein Namensgott.

Religiöse Grausamkeit und Wollust sind nahe miteinander verwandt.

Der Mensch befriedigt in der Religion sein eigenes Wesen. Der ungebildete Mensch hat keine andern als Unterleibsbedürfnisse und -interessen, sein wahrer Gott ist sein Magen. Der gebildete Mensch hat dagegen ästhetische Wünsche und Bedürfnisse. –

Ein Volk, welches zu seinen Göttern die Kunstsinne hat, hat natürlich auch kunstsinnige Opfer, Opfer, die Augen und Ohren wohlgefallen, –

Das, wovon der Mensch abhängt, was die Macht über Tod und Leben, die Quelle der Furcht und Freude ist, das ist und heißt der Gott des Menschen. – Die Abhängigkeit von einem anderen Wesen ist in Wahrheit nur die Abhängigkeit von meinem eigenen Wesen, von meinen eigenen Trieben, Wünschen und Interessen.

Die Erde ist das absolute Maß meines Wesens; ich stehe nicht nur mit meinen Beinen auf der Erde, ich denke und fühle nur auf dem Standpunkt der Erde, nur in Gemäßheit dieses Standpunktes, den die Erde im Universum einnimmt. –

Auch in dem Einen Gott stecken kraft der Vielheit und Verschiedenheit seiner Eigenschaften viele Götter. –

Die Natur hat keinen Anfang und kein Ende. Alles in ihr steht in Wechselwirkung, alles ist relativ, alles zugleich Wirkung und Ursache, alles in ihr ist allseitig und gegenseitig; sie läuft in keine monarchische Spitze aus; sie ist eine Republik.

Die Ursache meines Lebens ist ein Inbegriff vieler, verschiedener, bestimmter Ursachen. Das moralische Über ist das Ideal, das sich jeder Mensch setzen muß, um etwas Tüchtiges zu werden; aber dieses Ideal ist und muß sein ein menschliches Ideal und Ziel. Das natürliche Über ist die Natur selbst, und insbesondere die himmlischen Mächte, von denen unsere Existenz, unsere Erde abhängt; ist ja die Erde selbst nur ein Glied derselben und das, was sie ist, nur innerhalb der Stellung, die sie in unserem Sonnensystem einnimmt.

Gott ist nur die Welt in Gedanken, die Welt nur der Gott in Wirklichkeit oder der wirkliche Gott.

Der Mensch denkt alles nach sich; er trägt die Anschauung von seinen eigenen Werken auf die Werke oder Wirkungen der Natur über; er betrachtet die Welt wie ein Wohnhaus, eine Werkstatt, eine Uhr, kurz wie ein menschliches Kunstprodukt.

Was der Mensch die Zweckmäßigkeit der Natur nennt und als solche auffaßt, das ist in Wirklichkeit nichts andres als die Einheit der Welt, die Harmonie der Ursachen und Wirkungen, der Zusammenhang überhaupt, in dem alles in der Natur ist und wirkt. –

Die Dinge in der Natur ziehen sich an, bedürfen und begehren einander, denn eines ist nicht ohne das andere, treten also durch sich selbst in Beziehung. –

Das organische Leben ist nicht zufällig auf die Erde, in die unorganische Natur überhaupt hineingekommen, sondern das organische und unorganische Leben gehört zusammen.

Nur unendliche, unübersehbare Verschiedenheit ist das Prinzip des Lebens.

Nur die Individualität ist das Prinzip, der Grund des Lebens; – das Wesen der Natur, das Wesen der Materie ist ursprünglich schon ein in sich unterschiedenes Wesen. –

Wo die Bedingung oder der Grund zu etwas gegeben ist, da kann auch die Folge nicht ausbleiben. –

Was wir nicht erkennen, werden unsere Nachkommen erkennen. – Die erste Ursache des Theismus ist nur der personifizierte Begriff der Ursache, die Existenz Gottes nur der Gattungsbegriff der Existenz. –

Ein Gott ist das verselbständigte und vergegenständlichte Wesen der menschlichen Einbildungskraft. –

Die Natur ist eine Republik, ein Resultat sich gegenseitig bedürfender und erregender, zusammenwirkender, aber gleichberechtigter Wesen oder Kräfte. – Die Ursache des Todes ist auch die Ursache des Lebens, die Ursache des Übels auch die Ursache des Guten. Wenn ein Gott ist, wozu ist dann die Welt, wozu die Natur? –

Das Auge entspringt aus dem Trieb der Natur, zu sehen, aus der Begierde nach Licht, aus dem Bedürfnis, aus der Notwendigkeit eines Auges zum Leben, wenigstens des höheren Organismus. –

Woher der Schädel, woher das Hirn, daher ist auch der Geist; woher das Organ, daher auch die Verrichtung desselben; denn wie sollte sich beides voneinander trennen lassen? –

Ein Gott ist wesentlich ein abstraktes, fertiges, vollkommenes Wesen, ein Wesen, von dem aller Grund, alle Notwendigkeit einer Entwicklung ausgeschlossen ist; denn der Entwicklung ist ja nur ein natürliches Wesen unterworfen.

Entweder Gott oder Natur! –

Allerdings kommt das Gute, was ein Mensch tut, nicht bloß auf seine eigene Rechnung, ist nicht bloß das Werk seines eigenen Willens, sondern auch das Resultat der natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, Verhältnisse und Umstände, unter denen ein Mensch gezeugt und empfangen, erzogen und gebildet wurde. – So viel ich auch durch Selbsttätigkeit, durch meine Arbeit, Willensanstrengung bin, ich bin, was ich bin, geworden nur im Zusammenhang mit diesen Menschen, diesem Volke, diesem Orte, diesem Jahrhundert, dieser Natur, nur im Zusammenhang mit diesen Umgebungen, Verhältnissen, Umständen, Begebenheiten, welche den Inhalt meiner Biographie bilden.

Jedes Wesen, jedes Organ ist nur gegen bestimmte Gefahren, bestimmte Einwirkungen geschützt, und dieser Schutz ist eins mit der Bestimmtheit dieses Wesens, dieses Organs, eins mit seiner Existenz, so daß es ohne diesen Schutz gar nicht existieren könnte. – Jedes Wesen ist geworden unter Bedingungen, die eben nicht mehr enthielten, als gerade zur Erzeugung dieses Wesens hinreichte, jedes Wesen sucht sich nach Kräften zu behaupten, sucht sich soviel als möglich, soviel, als es seine beschränkte Natur erlaubt, zu erhalten; jedes Wesen hat einen Selbsterhaltungstrieb. Aus diesem Selbsterhaltungstrieb, der aber eins mit der individuellen Natur eines Organs, eines Wesens, aber nicht aus einem allmächtigen und allwissenden Wesen stammen die Waffen, die Schutzmittel der Tiere und Organe. – Das Leben ist ein Kampf, ein Krieg; unmittelbar mit dem Leben ist daher zugleich die Waffe als Lebenserhaltungsmittel gegeben. –

Ich hebe nicht die Religion auf, nicht die subjektiven, die menschlichen Elemente und Gründe der Religion, nicht Gefühl und Phantasie, nicht den Drang, sein eigenes Inneres zu vergegenständlichen und zu personifizieren, was ja schon in der Natur der Sprache und des Affekts liegt, nicht das Bedürfnis, die Natur, aber auf eine ihrem Wesen, wie es uns vermittels der Naturwissenschaft bekanntgeworden ist, entsprechende Weise zu vermenschlichen, zu einem Gegenstand religions-philosophisch poetischer Anschauung zu machen. Ich hebe nur den Gegenstand der Religion oder vielmehr der bisherigen Religion auf.

Der Himmel zum Beispiel befruchtet die Erde durch den Regen, erleuchtet sie durch die Sonne, belebt sie durch die Wärme derselben. Der Mensch stellte sich daher in seiner Einbildung die Erde als empfangendes, weibliches, den Himmel als befruchtendes, männliches Wesen vor. – Die Religion ist nicht nur eine Sache der Einbildungskraft, der Phantasie, nicht nur eine Sache des Gefühls, sondern auch eine Sache des Begehrungsvermögens, des Bestrebens und Verlangens des Menschen, unangenehme Gefühle zu beseitigen und angenehme Gefühle sich zu verschaffen, das, was er nicht hat, aber haben möchte, zu erlangen, und das, was er hat, aber nicht haben möchte, wie zum Beispiel dieses Übel, diesen Mangel zu verneinen, kurz sie ist eine Sache des Bestrebens des Menschen, von den Übeln, die er hat oder fürchtet, befreit zu sein, und das Gute, das er wünscht, das seine Phantasie ihm vorstellt, zu bekommen, – sie ist eine Sache des sogenannten Glückseligkeitstriebes. –

Die Götter sind die als wirklich gedachten, die in wirkliche Wesen verwandelten Wünsche des Menschen; ein Gott ist der in der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen. Hätte der Mensch keine Wünsche, so hätte er trotz Phantasie und Gefühl keine Religion, keine Götter. Und so verschieden die Wünsche, so verschieden sind die Götter, und die Wünsche so verschieden, als es die Menschen selbst sind.

Die Religion hat ihren Ursprung, ihre wahre Stellung und Bedeutung nur in der Kindheitsperiode der Menschheit, aber die Periode der Kindheit ist auch die Periode der Unwissenheit, Unerfahrenheit, Unbildung oder Unkultur.

In der Religion ist der Mensch ein Kind. Das Kind kann nicht durch eigene Kraft, durch Selbsttätigkeit seine Wünsche erfüllen, es wendet sich mit Bitten an die Wesen, von denen es sich abhängig fühlt und weiß, an seine Eltern, um vermittels derselben zu erhalten, was es wünscht. –

Die wahre Religion, von welcher man alles Schlechte und Greuelhafte wegläßt, ist nichts als die durch Bildung, durch Vernunft beschränkte und erleuchtete Religion.

Bildung durch alle Klassen und Stände zu verbreiten, das ist daher jetzt die Aufgabe der Zeit.

Die Aufhebung des Widerspruchs zwischen Religion und Bildung ist die unerläßliche Bedingung der Wiedergeburt der Menschheit, die einzige Bedingung einer, so zu sagen, neuen Menschheit und neuen Zeit. Ohne sie sind alle politischen und sozialen Reformen eitel und nichtig. Eine neue Zeit bedarf auch einer neuen Anschauung und Überzeugung von den ersten Elementen und Gründen der menschlichen Existenz, wenn wir das Wort Religion beibehalten wollen, – einer neuen Religion!

Der Staat macht nicht die Menschen, sondern die Menschen machen den Staat. Wie die Menschen, so der Staat.

Die Aufgabe des Menschen im Staate ist, nicht nur zu glauben, was er will, sondern zu glauben, was vernünftig ist; überhaupt nicht nur zu glauben, sondern auch zu wissen, was er wissen kann und wissen muß, wenn er ein freier und gebildeter Mensch sein will. –

Der Geist des Menschen, der nach dem Tode umgeht, das Gespenst ist nichts andres als das Bild von dem gestorbenen Menschen, das auch nach dem Tode übrigbleibt, das aber der Mensch personifiziert, als ein von dem wirklichen, lebendigen, leiblichen Wesen des Menschen unterschiedenes Wesen vorstellt.

Das Wunder läßt sich nicht vom Gottesglauben losreißen ohne die größte Willkür. Das Geschichtliche ist nichts Religiöses und das Religiöse nichts Geschichtliches, oder eine geschichtliche Person, ein geschichtliches Ereignis ist, sowie es Gegenstand der Religion wird, nicht mehr Geschichtliches, sondern ein Ding, ein Geschöpf des Gemüts, der Einbildungskraft.

Die Gottheit ist die Voraussetzung der Unsterblichkeit, ohne Gott keine Unsterblichkeit. In der Natur gibt es keine andere Unsterblichkeit als die der Fortpflanzung, als die, daß ein Wesen nur in den Wesen seinesgleichen, nur der Art, der Gattung nach fortdauert, die, daß immer an die Stelle des verstorbenen Individuums ein neues tritt. – Gäbe es keine Fortpflanzung, so gäbe es auch keinen Tod. –

Der Mensch glaubt nicht an die Unsterblichkeit, weil er an Gott glaubt, sondern er glaubt an Gott, weil er an die Unsterblichkeit glaubt, weil er ohne den Gottesglauben den Unsterblichkeitsglauben nicht begründen kann. –

Wie die Natur, aber als ein Gegenstand und Wesen der menschlichen Wünsche und Einbildungskraft, der Kern der Naturreligion, so ist der Mensch, aber als Gegenstand und Wesen der menschlichen Wünsche, der menschlichen Einbildungs- und Abstraktionskraft, der Kern der Geistesreligion, der christlichen Religion. –

Es gibt eine Kulturgeschichte der Menschheit: verändern und kultivieren sich doch selbst Tiere und Pflanzen im Laufe der Zeit so sehr, daß wir selbst nicht mehr ihre Stammeltern in der Natur auffinden und nachweisen können. Unzähliges, was unsere Vorfahren nicht konnten und wußten, können und wissen wir jetzt. –

So erfüllen sich die Wünsche des Menschen, die keine eingebildeten, phantastischen sind, im Laufe der Geschichte, der Zukunft. –

An die Stelle der Gottheit, in welcher sich nur die grundlosen, luxuriösen Wünsche des Menschen erfüllen, haben wir die menschliche Gattung oder Natur, an die Stelle der Religion die Bildung, an die Stelle des Jenseits über unserem Grabe im Himmel das Jenseits über unserem Grabe auf Erden, die geschichtliche Zukunft, die Zukunft der Menschheit zu setzen.

Zum irdischen Glück gehört nicht Reichtum, Luxus, Üppigkeit, Pracht, Glanz und anderer Tand, sondern nur das Notwendige, nur das, ohne was der Mensch nicht menschlich existieren kann.

Allerdings ist es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß, während die einen Menschen alles haben, die anderen nichts haben, während die einen in allen Genüssen des Lebens, der Kunst und Wissenschaft schwelgen, die andern selbst das Notwendigste entbehren. –

Die notwendige Folgerung aus den bestehenden Ungerechtigkeiten und Übeln des menschlichen Lebens ist einzig der Wille, das Bestreben, sie abzuändern, aber nicht der Glaube an ein Jenseits, der vielmehr die Hände in den Schoß legt und die Übel bestehen läßt. –

Allerdings, wenn der Atheismus nichts weiter wäre als eine Verneinung, ein bloßes Leugnen ohne Inhalt, so taugte er nicht für das Volk, das heißt nicht für den Menschen, nicht für das öffentliche Leben; aber nur, weil er selbst nichts taugte. Allein der Atheismus, wenigstens der wahre, der nicht lichtscheue, ist zugleich Bejahung, der Atheismus verneint nur das vom Menschen abgezogene Wesen, welches eben Gott ist und heißt uns, das wirkliche Wesen des Menschen an die Stelle desselben als das wahre zu setzen.

 

Der Geschlechtstrieb ist aber so wenig ein Freund der Philosophie, insbesondere der spekulativen, und spricht so wenig zugunsten der Realität der Allgemeinbegriffe, daß er vielmehr die auf die äußerste Spitze getriebene Realität der Individualität ausdrückt, denn erst in ihm vollendet sich die Individualität, wühlt sie sich vollends in Fleisch ein. Die Geschlechtsdifferenz ist die Blüte, der Kulminationspunkt der Individualität, der empfindlichste Punkt, das Point d'honneur der Individualität, der Geschlechtstrieb der ehrgeizigste und hoffärtigste Trieb, der Trieb, Schöpfer, Autor zu sein. –

Daß der Geschlechtstrieb zu seinem Gegenstand ein Wesen hat, das genau diesem meinem individuellen Trieb, Bedürfnis und Wesen überhaupt entspricht, auch das hat er mit andern Trieben gemein. –

Der Atmungsprozeß ist der Begattungsprozeß der Lunge mit der Luft, respektive dem Sauerstoff derselben, das Sehen der Begattungsprozeß des Auges oder der Sehnerven mit dem Lichte. Und diese Begattung der Lunge mit der Luft, des Auges mit dem Lichte, der übrigen Triebe oder Organe mit ihren Gegenständen ist ebenso fruchtbar als die eigentliche Begattung, nur daß jeder Trieb ein sich und seinem Gegenstand entsprechendes Produkt liefert. Produktivität ist ja das Wesen der Natur, das Wesen des Lebens.

Grundsätze der Philosophie der Zukunft (1843)

Wenn aber Gott nur ein Gegenstand des Menschen ist, was offenbart sich uns im Wesen Gottes? Nichts anderes als das Wesen des Menschen.

Kant hat die Theologie in der Moral, das göttliche Wesen im Willen realisiert und negiert. Der Wille ist Kant das wahre, ursprüngliche, unbedingte, von sich selbst anfangende Wesen. Die einen Taler habe ich nur im Kopf, die anderen aber in der Hand, jene sind nur für mich da, diese aber auch für andere.

Das Sein ist eins mit dem, was ist.

Wahrheit, Wirklichkeit, Sinnlichkeit sind identisch.

Das Sein ist ein Geheimnis der Anschauung, der Empfindung, der Liebe. – Der Schmerz ist eine laute Protestation gegen die Identifikation des Subjektiven und Objektiven. Die neue Philosophie stützt sich auf die Wahrheit der Liebe, die Wahrheit der Empfindung. – Nur der ist etwas, der etwas liebt. – Nichts sein und nichts lieben ist identisch. Je mehr einer ist, desto mehr liebt er und umgekehrt. –

Ich bin ein wirkliches, ein sinnliches Wesen; der Leib gehört zu meinem Wesen.

Wir fühlen nicht nur Steine und Hölzer, nicht nur Fleisch und Knochen, wir fühlen auch Gefühle, indem wir die Hände oder Lippen eines fühlenden Wesens drücken.

Nicht nur Äußerliches, auch Innerliches, nicht nur Fleisch, auch Geist, nicht nur das Ding, auch das Ich ist Gegenstand der Sinne.

Zwei Menschen gehören zur Erzeugung des Menschen – des geistigen sowohl wie des physischen: die Gemeinschaft des Menschen mit dem Menschen ist das erste Prinzip und Kriterium der Wahrheit und Allgemeinheit. Die Gewißheit selbst von dem Dasein anderer Dinge außer mir ist für mich vermittelt durch die Gewißheit von dem Dasein eines anderen Menschen außer mir.

Wirkliches Denken ist Denken in Raum und Zeit.

Die neue Philosophie macht den Menschen mit Einschluß der Natur, als der Basis des Menschen, zum alleinigen universalen und höchsten Gegenstand der Philosophie.

Das Wesen des Menschen ist nur in der Gemeinschaft. –

Einsamkeit ist Endlichkeit und Beschränktheit, Gemeinschaftlichkeit ist Freiheit und Unendlichkeit. Der Mensch für sich ist Mensch; Mensch mit Mensch – die Einheit von Ich und Du ist Gott.

Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist (1846)

Objekt der Anschauung kann nun und nimmermehr mein Hirn oder Magen mir selbst, kann er nur einem Andern werden. Die Erkenntnisquelle der Psychologie ist eine andere als die der Physiologie; aber der Unterschied betrifft nicht den Gegenstand als solchen, sondern die Art und Weise der Erkenntnis; dort ist sie eine unmittelbare, mit dem Gegenstand identische, lebendige, hier eine mittelbare, tote, historische. –

Was für mich oder subjektiv ein rein geistiger, immaterieller, unsinnlicher Akt ist, ist an sich oder objektiv ein materieller, sinnlicher.

Meinen Leib nehme ich nur durch den Hirnakt wahr, den Hirnakt aber nur durch sich selbst. – Das Hirn als Subjekt, als lebendiges ist ein ganz anderes Wesen denn als Objekt, das Hirn, wie überhaupt das Innere des Organismus verfällt nur im Tode in die Kategorie des eigentlichen Materialismus.

Wenn auch das: »Ich denke« sich vom Leibe unterscheidet, folgt daraus, daß auch das: »Es denkt«, das Unwillkürliche in unserem Denken, die Wurzel und Basis des: Ich denke, vom Leibe unterschieden ist?

Ich bin derselbe nur in demselben Leibe. –

Sind Leib und Seele Gegensätze, so fallen sie als Arten unter ein und dieselbe Gattung. Das Sehen ist ein Lebensakt, den du als solchen, wenigstens unmittelbar, so wenig zum Objekt der Physiologie machen kannst, als du den Geschmack eines Anderen schmecken kannst. Das Leben eint, das Wissen trennt. –

Wahrheit ist weder der Materialismus noch der Idealismus, weder die Physiologie noch die Psychologie; Wahrheit ist nur die Anthropologie, Wahrheit nur der Standpunkt der Sinnlichkeit, der Anschauung, denn nur dieser Standpunkt gibt mir Totalität und Individualität.

Das Äußere setzt das Innere voraus, aber nur in seiner Äußerung verwirklicht sich das Innere. Das Wesen des Lebens ist die Lebensäußerung.

In einem Palast denkt man anders als in einer Hütte; wo die Gelegenheit, Talent zu äußern, fehlt, da fehlt auch das Talent; wo kein Raum zur Tat, da ist auch kein Trieb, wenigstens wahrer Trieb zur Tat.

Zu Schopenhauer

Der vor den übrigen deutschen spekulativen Philosophen durch seine Unumwundenheit, Klarheit und Bestimmtheit ausgezeichnete Schopenhauer hat im Gegensatz zu den hohlen philosophischen Moralprinzipien das Mitleid als die Grundlage der Moral, als die einzige echt moralische und zugleich lebendige, im Menschen wirksame Triebfeder hervorgehoben. – Ausgezeichnet durch Wahrheit und Klarheit ist, wie er nun an einzelnen Beispielen nachweist, daß nur der größte Mangel an Mitleid es ist, der einer Tat den Stempel der tiefsten moralischen Verworfenheit und Abscheulichkeit aufdrückt, wie er namentlich nachweist, daß auch der ersten und grundwesentlichen Kardinaltugend, der Gerechtigkeit, dem »Neminem laede«, »verletze Niemanden«, nicht ein Allgemeingespenst, nicht die »Idee« oder »Pflicht« der Gerechtigkeit in abstracto, sondern das Mitleid zugrunde liegt. – –

Aber wie ist es möglich, zu verkennen, daß dem Mitleid selbst wieder der Glückseligkeitstrieb zugrunde liegt? Daß diese Sympathie mit dem Leidenden nur aus Antipathie gegen das Leiden, aus dem Nicht-leiden-, aus dem Glückselig-sein-Wollen entspringt, daß also das Mitleid nur der mit den Verletzungen des fremden oder andern Glückseligkeitstriebes mitverletzte, mitleidende Glückseligkeitstrieb ist? – – –

Feuerbach an Bolin
(Juni 1870)

Ob ich gleich stets die Geschlechtsdifferenz für eine wesentliche, aber nicht nur leibliche, sondern auch geistige gehalten und anerkannt habe, so habe ich doch nie auf eine Inferiorität des weiblichen Geistes geschlossen. Mann und Weib sind nicht nur leiblich, sondern auch geistig unterschieden; aber folgt aus diesem Unterschied Unterordnung, Ausschließung des Weibes von geistigen und allgemeinen, nicht nur häuslichen Beschäftigungen? – Lassen wir die Frauen nur auch politisieren! Sie werden gewiß ebenso gut wie wir Männer Politiker sein, nur Politiker anderer Art, vielleicht selbst besserer Art wie wir. – Die Weiber werden ebenso gut wie die Männer geköpft; warum sollen sie nicht auch Bürgerkronen verdienen können, warum sollen ihnen nicht die Mittel gegeben, die Bahnen geöffnet werden, solche zu verdienen? Kurz, die Emanzipation des Weibes ist eine Sache und Frage der allgemeinen Gerechtigkeit und Gleichheit, die jetzt die Menschheit anstrebt, eine Bestrebung, deren sie sich rühmt, aber vergeblich, wenn sie das Weib ausschließt.

Feuerbach an Bolin
(Juli 1861)

Ich stimme ihm – Schopenhauer – vollkommen bei, wenn er gegen die bodenlose idealistische Moral das Mitleid als ein – in seinem Sinne einziges – reales positives Prinzip der Moral geltend macht, wenn er die Moral als etwas wesentlich nur auf andere Beziehendes faßt und daher die Pflichten gegen sich selbst ausstreicht, wenn er den Unterschied zwischen Gut und Böse nur auf den Unterschied von Wohl und Wehe gründet, wenn er endlich die Unveränderlichkeit des Charakters der Menschen behauptet. Aber er ist darin einseitig, beschränkt, befangen einerseits noch im Kantianismus, andrerseits im Brahmanentum, daß er das Mitleid, statt auf das Prinzip der Sinnlichkeit, auf ein metaphysisches Prinzip zurückführt, daß er den Eudämonismus aus der Moral verbannt, die Moral überhaupt nur im Widerspruch mit dem menschlichen Egoismus erfaßt. –

Trotz Schopenhauer ist die Glückseligkeit der letzte Zweck und Sinn alles menschlichen Tuns und Denkens.


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