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Die kaufmännischen Nebenbuhler

Ein braver Kleinbürger, ein Tuchhändler seines Zeichens, hatte sich mit einer üppigen, jungen, blonden Frau verheiratet, die ihm leider bald nach der Hochzeit schon berechtigten Grund zur Eifersucht gab. Da er vielfach in Geschäften auf Reisen ging und oft die ganze Woche lang nicht zu Hause war, hatte sich das Weibchen nach einem Stellvertreter für ihren Gatten umgeschaut, und hatte ihn, wie es bei schweren, blonden Frauen meist geschieht, sehr schnell gefunden, und zwar in der Person eines Weinhändlers, der, da er nur die hiesige Stadtkundschaft zu besuchen hatte, fast immer daheim war und somit franko zur Verfügung des jungen Frauchens stand. Er verbrachte die Tage, die der Tuchhändler draußen tätig war, gewöhnlich mit ihr in ihrer Wohnung, wo es am sichersten, gemütlichsten und auch am billigsten für sie beide war.

Irgendein Schwatzmaul oder Neidhammel machte durch einen Brief, natürlich ohne Namensunterschrift, den Tuchhändler auf das ehebrecherische Treiben seiner Gattin aufmerksam. Dieser beschloß, einer solchen nichtswürdigen Anzeige nicht ohne weiteres Glauben zu schenken, sondern der Sache auf den Grund zu gehen und sich persönlich, mit eigenen Augen, davon zu überzeugen, ob etwas an der Sache wahr wäre oder nicht. Zu diesem Zweck kehrte er eines Morgens, nachdem er sich für eine Reise von mindestens drei Tagen förmlich von seiner Frau verabschiedet hatte, gleich am Bahnhof wieder um und redressierte sich nach Hause. In einer Wirtschaft, die seiner Wohnung gegenüberlag, wartete er dann, bis seine Frau, um ihre Mittagseinkäufe zu machen, das Haus verließ. Nun ging er selber schnell und ohne sich bemerkbar zu machen, hinauf. Als er nach einer langen Stunde seine Frau zurückkehren hörte, versteckte er sich unter den Gegenstand, der ihm das schönste und liebste Möbel in seiner Wohnung war, und den man ihm nun ganz und gar verleiden wollte: unter das Ehelager. In diesem Schlupfwinkel, von dem aus die betrogenen Männer seit jeher dem Tun und Lassen ihrer verdächtigen Frauen nachzuspüren suchen, wartete er mit qualvoller Spannung den weiteren Verlauf der Ereignisse ab. Dieser spitzte sich sehr bald dramatisch zu, als zusammen mit seiner Gattin der Weinhändler, von der vermeintlichen Abreise seines rechtmäßigen Teilhabers an der dicken Blondine unterrichtet, erschien.

Der Tuchhändler konnte nun zu seinem Kummer in seinem Versteck unter dem Bett feststellen, daß sein Nebenbuhler ihn hier offenbar schon mehrfach in der Ausübung aller ehemännlicher Rechte en gros und en détail bei seiner Frau vertreten hatte; denn der Weinhändler nahm sogleich ohne Umstände auf dem Lager Platz, das der Gatte als Girant am Morgen erst verlassen hatte, und das fast noch warm von ihm war. Der von seinem Gewerbe stets leicht angerötete Kumpan machte sich mit seinem ganzen Bruttogewicht in dem fremden Nest so breit wie möglich, entkorkte flink eine Flasche Rheinwein, die er mitgebracht hatte, trank, rekelte sich herum und begnügte sich im übrigen nur mit der Lieblingsbeschäftigung aller solcher leichtsinnigen Gesellen, nämlich damit, der Frau und Genossin seiner Freuden die Bänder aufzuziehen oder die Knöpfe zu öffnen. Die gute, feiste Blondine hatte auf dem Markt einen langen, dicken Aal gekauft, den sie sich beiden zur Stärkung zum Mittagsmahl kochen wollte. Da es aber noch eine Zeitlang dauerte, bis der harte Aal weich wurde, so ließ sie den Fisch ruhig auf dem Feuer stehen, um sich selber für ein Weilchen der Wärme hinzugeben, die von dem Liebhaber für sie ausstrahlte.

Die beiden waren im Begriff, den Gipfel der Zärtlichkeiten zu ersteigen, als unter dem Lager, auf dem sie lagen, der bleiche und zerzauste Kopf des wirklichen Ehemanns hervorguckte und seine Gattin und ihren Spießgesellen mit den wüstesten Schimpfreden überschüttete. Der Weinhändler sah ein, daß hier nichts mehr abzuleugnen war, fügte sich in seine Lage wie in ein konvenierendes Risiko und verlegte sich auf eine möglichst kühn zur Schau getragene Frechheit. Mit bereits heiser gewordener Stimme forderte sein Liebeswettbewerber, der Tuchhändler, aus seiner niedrigen Lage ihn jetzt auf, unverzüglich sein durch ihn beschmutztes Ehebett und seine Wohnung zu verlassen. Der Weinhändler blieb jedoch, weil er den ersten Zorn seines Nebenbuhlers gegen seine Frau etwas verrauchen lassen wollte, vorerst noch gemächlich als Depot liegen, zur großen Erleichterung der dicken Blonden, die eine gräßliche Angst vor dem Alleinsein mit ihrem betrogenen Gatten hatte. Dieser sah angesichts des wohlgenährten und kräftigen Weinhändlers ein, daß er ihm körperlich nicht gewachsen wäre. Auch bei einem Ringkampf nicht.

In seiner Wut und Scham darüber rannte der Tuchhändler nun eiligst aus dem Zimmer zu dem Hausmeister herunter, um einen leibhaftigen Zeugen herbeizuschaffen, der auch gleichzeitig den Hausfriedensbruch bestätigen könnte, dessen sich der Weinhändler durch sein längeres Verweilen in seinen Räumen schuldig machte. Nach wenigen Minuten erschien jetzt der Tuchhändler zusammen mit dem Hausmeister wieder oben vor den beiden Übeltätern, die sich inzwischen wieder leidlich richtig angezogen hatten. Der Hausmeister, ein früherer kleiner Bankbeamter, geriet in eine gewisse Verlegenheit, als er sich diesen Vorfällen gegenübersah. Er hatte, wegen hohen Alters aus dem Geschäft entlassen, seine Stellung erst vor kurzer Zeit angetreten und war durch mancherlei kräftige Trinkgelder und bessere Flaschen, die ihm der Weinhändler verabreicht hatte, mehr für diesen als für seinen bescheideneren Rivalen gestimmt.

»Was wollen Sie, mein Herr? Und warum schreien Sie mit einer solchen Urgenz das ganze Haus zusammen wie bei einem Kassenmanko?« sagte er achselzuckend zu dem Tuchhändler, der empört durch die Zimmer fuhr. »Ich weiß wahrhaftig nicht, wer hier der rechtmäßige, qualifizierte Mieter ist. Sie behaupten, daß Sie es nominell seien. Diesen Herrn aber« – er machte eine kleine Verbeugung gegen den Weinhändler – »sehe ich hier meistens tagsüber hinauf- und heruntersteigen. Sie sind mir in den Wochen, in denen ich hier als Hausmeister tätig bin, nur ein paarmal flüchtig begegnet, wenn Sie abends spät hinaufgingen oder sich morgens in aller Frühe scheu hinausschlichen. Über Ihren gegenseitigen Anteil an den Depositen da oben bin ich vollends ganz im unklaren und nicht informiert. Ich kann da unmöglich für das Disagio aufkommen und eine Entscheidung treffen und muß die Herren bitten, sich als Kompagnons selber zu einigen, wobei die gnädige Frau ja wohl auch noch ein Wörtchen als Kommanditistin mitzusprechen hat.«

Er lüftete seine Kappe vor den drei Beteiligten und verschwand. Der havarierte Tuchhändler sagte sich, dank dieses zu seinen Ungunsten ausgeschlagenen Zwischenfalls sanfter geworden, daß es freilich geratener wäre, die Angelegenheit nicht an die große Glocke zu hängen und mehr unter sich zu behandeln; denn bei einer gegenseitigen Einigung kam sicherlich mehr heraus als bei einer fortgesetzten Feindseligkeit, von der keiner etwas Rechtes hatte. Man schloß einen Zwangsvergleich miteinander, und schließlich gelang es, ein Abkommen zu treffen, das in gleicher Weise alle drei befriedigte: den Tuchhändler, den Weinhändler und die feiste Blondine auch.


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