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XXIII.

In der kleinen Forstwärterstube feierte man Dämmerstündchen.

Behagliche Wärme durchzog sie; der Dompfaff im grobgeflochtenen Bauer hatte den Kopf bereits unter die Flügel gesteckt und wiederholte nur hie und da, wenn ihn ein jähes Geräusch aufschreckte, ein melancholisches »Tutitil tatütü«, welches den Anfang seines Leib- und Magenliedes: »Freut euch des Lebens«, in musikalischster Vollkommenheit, bildete.

Arm, aber sauber und ordentlich sah es in dem niedrigen, kleinen Raum aus, welcher Küche, Wohn- und Schlafstube zu gleicher Zeit vorstellte. Nebenan meckerte es; ein schmaler Verschlag, ursprünglich wohl zur Herdstelle bestimmt, war der Ziege zum Winterquartier eingeräumt.

Ein junges Weib, trotz aller Dürftigkeit dennoch mit gewisser Zierlichkeit gekleidet, hockte auf niederem Schemel neben den prasselnden Flammen und ließ ein dralles, vor Lust hell aufkrähendes Bübchen »Hoppa-Reiterlein« auf den Knien tanzen. Zum Schluß purzelte der kleine Kavallerist mit gellendem Jubel hintenüber, beinahe bis auf die Dielen, aber dennoch im entscheidenden Moment von den Armen der Mutter gefaßt und hoch emporgeschwenkt, als trüge er plötzlich Flügel an den kleinen Schultern.

Das war ein Herzen und Kosen und Nimmersattwerden des prächtigen Spiels – bis es plötzlich dennoch unterbrochen wurde und mit Sturm und Schnee eine fremde, vornehme Gesellschaft durch die Thür wirbelte.

Mäxchen sah sich plötzlich aufs peinlichste vernachlässigt und solo auf dem Schemel in eine Ecke gerückt, dieweil sein Mütterchen voll geschäftiger Hast hin- und herlief, die fremde Dame zu bedienen, welche auf Vaters Lehnstuhl am Feuer saß, den Kopf mit dem feuchten Goldhaar zurückgelehnt und die Augen geschlossen, als schlafe sie.

Mäxchen starrte sie mit großen, staunenden Augen an, wandte das Köpfchen und musterte den unbekannten Herrn, welcher die kalten Hände über der Herdglut rieb, der Dompfaff aber schrie höchst ungnädig über die laute Störung den Fremden sein: »Freut euch des Lebens« entgegen, und hüpfte dazu von einer Stange auf die andere. Dennoch nahm man keinerlei Notiz von ihm.

Gras Dynar ersuchte die Piqueurs um die Gefälligkeit, ihm schleunigst den Schlitten und warme Pelze aus der Stadt zu schicken; – die Forstwärterin hatte eine kleine Öllampe entzündet und an dem Deckbalken aufgehängt, mit überraschender Gewandtheit sorgte sie für Xenia, stellte ihren Sonntagsstaat zur Verfügung und versuchte mit geschickten Händen das nasse Haar trocken zu reiben und zu ordnen.

Janek hatte zuerst diesem Beginnen recht besorgt zugeschaut; seine Schwester, welche keine fremde Hand zu ihrer Bedienung duldete, welche empört das stolze Haupt zurückwarf, wenn sie auf der Straße das grobe Wollzeug eines armen Weibes nur streifte – sie sollte womöglich den Fuß in einen Schuh stecken, auf dessen Sohle derbe Nägel glänzten? Früher hätte dieser Gedanke an Wahnwitz gegrenzt!

»Sehen Sie, gnädigste Gräfin, hier habe ich ein paar Strümpfe, direkt von den Nadeln weg! sind noch auf keines Menschen Fuß gewesen! Die Wolle ist ja wohl rauh und hart, aber just das rechte Mittel gegen Erkältung! Ich war fünf Jahre lang Kammerjungfer bei der Baronin M. in Danzig, die hatte stets so ein Paar liegen, um es bei Schlittenpartien über den seidenen Strumpf zu ziehen!«

Xenia hatte sich emporgerichtet, sie schien sich wieder völlig erholt zu haben.

»Sie waren Kammerjungfer? O, das ist ja vortrefflich, dann kann ich mich Ihrer Sorge also ohne Skrupel anvertrauen! Was für prächtig warme Wolle! die wird mir gewiß gute Dienste leisten! Meine Stiefeln sind vollständig durchnäßt, wollen Sie so freundlich sein und mir die Fußbekleidung wechseln?«

Diese Worte waren sehr leise gesprochen, der Blick der jungen Dame streifte den Pflegebruder, welcher abgewendet vor dem Vogelbauer stand und Monsieur Dompfaff animierte, noch ein Liedchen zum besten zu geben.

»Ich knie mich vor gnädigste Gräfin hin! der Herr merkt durchaus nichts davon!« flüsterte die Forstwärterin beruhigend zurück. »Wir haben ja leider nur dieses eine Stübchen und das Wetter ist zu schlimm, um den gnädigen Herrn hinauszubitten!«

Janek rückte sich einen Stuhl ostensibel mit dem Rücken in das Zimmer hinein und zog sein Portefeuille, um mit größtem Eifer darin zu blättern.

Vor seinem Blick tanzten die Buchstaben und Zahlen, wie in jubelndem Reigen. Eine Reihe von Nebelbildern schwebte an seinem geistigen Auge vorüber, er schaute fern zurück in eine Zeit, wo er den Schneesturm noch um die Türme Procznas brausen hörte, wo ein goldblonder Kinderkopf sich zärtlich an seine Schulter lehnte.

Plötzlich schrak er aus seinen Gedanken empor, Xenias schwerer Schritt klang neben ihm. Sie stützte sich auf seine Stuhllehne und lachte ihn fast übermütig an.

»Überraschen kann ich jetzt niemand und Walzer tanzen möchte auch seine Schwierigkeiten haben! Sehen Sie doch, wirkliche, veritable Holzschuhe habe ich an, nagelneue sogar, mit einem Herz vorn aufgeschnitzt! Solche Sabots arbeitet der Forstwärter eigenhändig für seine Frau; ist das nicht liebenswürdig?«

Janek blickte amüsiert auf die plumpe Schuhspitze hernieder, welche Gräfin Dynar etwas unter dem Saume des Kleides hervorschob.

»Liebenswürdig und galant zugleich! Wenn der junge Ehegatte ein Pole ist, so muß ihm, nach dem Format dieses Pantoffels zu schließen, der Schalk gewaltig im Nacken sitzen!«

»Geben Sie, bitte, gleich die Auflösung zu diesem Rätselwort!«

Janek hatte sich erhoben und blickte amüsiert auf die Fragerin hernieder. –

»Der Pole kennt keinen lieberen Becher als den Schuh seiner Dame, und keinen berauschenderen Genuß, als ihn auf einem Zuge: » Vive l'amour!« zu leeren – Ein kleiner Fuß und großer Durst passen da schlecht zueinander; aber wie mir der geniale Forstwart beweist, gibt es auch ein Mittel, selbst diese Extreme zu vereinen!«

»Sie wollen nur über meine zierliche Chaussure spotten!«

»Revanchieren Sie sich und schelten Sie die polnische Sitte phantastisch!«

»Das würde in meinen Augen mehr eine Anerkennung sein!«

»Thatsächlich? – Sie sind so echt deutsch, Xenia, und das deutsche Blut rollt so kühl und nüchtern durch die Adern, verwirft Leidenschaft als Fanatismus und glühende Begeisterung, welche durch ihre eigenen Zeichen redet, als Absurdität! Sie selber sagten mir einst: ›Meine Ahnfrau Xenia war eine überspannte Schwärmerin‹, und doch war sie nur ein leidenschaftliches Weib, phantastisch genug, für einen ungewissen Traum eine sichere Wahrheit zu opfern!«

Gräfin Dynar wich seinem scharfen, beinahe forschenden Blick aus.

»Und nach einer einzigen, unbedachten Äußerung von mir beurteilen Sie meine ganze Nation?«

Er schüttelte langsam das Haupt.

»Ich male mit breiten Strichen und grellen Farben, es gibt bei einer jeden Regel Ausnahmen, und bei dieser hoffentlich recht viele!« –

Er brach kurz ab. –

»… Haben Sie sich wieder erwärmt, verlangen Sie nach irgend einer Kräftigung? Heiße Milch ist wohl schnell zu beschaffen – «

Sie unterbrach ihn hastig:

»Nein, nein! Ich habe; keinerlei Wünsche und fühle mich wieder vollständig restauriert! Hier am Feuer sitzt es sich ganz vortrefflich, es macht mir Freude, in die Flammen zu sehen und diese ungewohnte Umgebung zu betrachten, die Leute scheinen sehr arm zu sein!«

Da kamen unsicher schwankende Schrittchen durch die Stube, mit beiden drallen Ärmchen rudernd die Balance haltend, wackelte Mäxchen auf die fremde Dame zu und schmiegte sich, freudig aufquietschend ob der Heldenthat der Solopromenade, in ihre Kleiderfalten.

Janek beugte sich schnell nieder und hob den kleinen Gesell auf seinen Arm empor. –

»Hierher, du loser Schelm! Mit mir sollst du schäkern und lachen. Wenn du zu der schönen Dame verlangst, müssen wir erst die Patschhände waschen, und den kleinen Schnabel – verstanden, Mosjöchen?« –

Mäxchen zappelte aus Leibeskräften und streckte die Arme nach Xenia.

»Warum wollen Sie mir diesen Verehrer abspenstig machen? – Schnell, geben Sie den prächtigen Krauskopf her!«

Proczna sah sie fast betroffen an.

»Aber Xenia, diesen kleinen Proletarier auf Ihrem Schoß – ?«

»Ich bin ›phantastisch‹ genug, auch daran Geschmack zu finden!«

»Denken Sie an früher! Arme Kinder waren Ihnen seit jeher höchst unsympathisch! … Wir bezahlen ja die hiesige Gastfreundschaft, Sie brauchen sich wahrlich aus Rücksicht gegen die Forstwärterin keinen lästigen Zwang aufzuerlegen!«

Xenia biß sich auf die Lippen.

»Warum mahnen Sie mich stets an früher?« rief sie fast heftig, »halten Sie mich wahrlich für so konservativ, daß ich selbst kindische Fehler nicht mit der Zeit ablege?« und ohne seine Entgegnung abzuwarten, nahm sie Mäxchen hastig von seinem Arm, wandte sich zu ihrem Stuhl am Herdfeuer zurück und hielt der Forstwartsfrau, welche soeben mit einer Kanne schäumender Milch aus dem Stall wieder eintrat, den Kleinen fast triumphierend entgegen:

»Sehen Sie hier, Frau Martha, wir haben Freundschaft geschlossen!«

Janek trat an das Fenster und trommelte ungestüm gegen die Scheibe, in welcher sich das Bild am Herde getreulich abspiegelte. Hinter ihm lachte, plauderte und krähte es in reizendstem Gemisch. Mäxchen wurde gefüttert, und Xenia hielt ihm ein wenig ungeschickt, aber sehr eifrig, das Milchglas an das rosige Mäulchen. Frau Martha strahlte vor Stolz und Mutterglück. Auf die angelegentlichen Fragen der jungen Dame erzählte sie aus ihrem Leben.

Sie war Kammerzöfchen, recht verwöhnt und hochnasig, keiner war ihr gut genug, bis urplötzlich der Rechte kam, lustig, bildhübsch und blutarm. Da gab es kein Besinnen mehr, sie gab dem guten Leben Valet und jubelte vor Glück und Freude, als ihr schmucker Grenadier dieses bescheidene Pöstchen im Walde bekam.

»Und sehnen Sie sich denn gar nicht in die Stadt zurück?«

Das junge Weib lachte glückselig auf:

»Ach liebe, gnädige Gräfin, wenn Sie erst einmal einen so recht von ganzem Herzen liebhaben werden, dann wird es Ihnen selbst in der Wüste nicht zu einsam sein, und dann werden Sie erst recht begreifen, daß zum Glücklichsein gar herzlich wenig nötig ist! Mein Franz ist ein schmucker Mann! In der Stadt würde ich niemals aus der Eifersucht herauskommen und auf jedes Mädel Gift und Galle sein – hier gehört er mir allein, hier gibt's nur Wald und Himmel, und wenn man auch oft arge Last dadurch hat, ich möchte doch nie und nimmer in die Stadt zurück.«

Janek wandte verstohlen den Kopf – er sah, daß Xenia das schöne Haupt wie in tiefen Gedanken sinken ließ …

Schlittengeläut tönte durch die Nacht, rote Fackelglut warf grellen Schein voraus auf den Schnee, es stampfte und sauste mit flüchtigen Hufen heran.

Xenia trat dicht an Procznas Seite und sah ihm bittend in die Augen.

»Haben Sie Geld bei sich, Janek? Ich möchte schon jetzt meine Dankbarkeit durch eine kleine Gabe beweisen … Frau Martha kann nicht in die Stadt kommen und ich werde in den nächsten Tagen nicht persönlich hier herausfahren können …«

»Aber selbstverständlich, Xenia … meine Börse wäre auf jeden Fall hiergeblieben – «

»O lassen Sie mich geben!«

»Von Herzen gern – la voilà! – verfügen Sie!«

Sie nickte ihm lächelnd Dank zu, dann eilte sie wie ein Kind zu Mäxchen, welcher wieder auf seine strohgeflochtene Matte in die Stubenecke gesetzt war, und schüttete ihm den goldenen Segen in den Schoß.

Der Forstwärterin liefen die hellen Thränen über die Wangen, sie küßte die schlanken Hände der Geberin wieder und immer wieder. Xenia hatte stets außerordentliche Summen in jegliche Armenkasse und an jeden Verein auszahlen lassen, aber jetzt erst kam es ihr zum erstenmal im Leben vor, als habe sie die Hände geöffnet, um etwas Gutes zu thun.

 

Es hatte aufgehört zu schneien, aber es war noch immer stürmisch und sehr kalt. – Der Himmel flimmerte wie ein Meer von bläulichen Funken, weiß verschleiert erglänzten die Tannen in den ersten Mondstrahlen, welche noch wenig intensiv, wie silberne Nadeln durch die Zweige flossen.

In weichen, köstlich warmen Pelz gehüllt, flog Xenia an Janeks Seite im Schlitten dahin. Grabesstille im weiten Walde.

Die Fackeln loderten in den Händen der Sattelreiter, blutrote Lichter zuckten über die Fichten am Wege, Funken sprühten auf und wirbelten über den Schnee … es schnaufte, stampfte und bäumte mit flatternden Mähnen wild auf – eine seltsame, romantische Fahrt!

Zwei aufgescheuchte Vögel strichen wie düstere Schatten über den Schlitten hinweg; ihr heiserer Schrei verklang im Winde, welcher, heftiger werdend, an Xenias so wenig geschütztem Köpfchen zauste.

Janek legte ihr schweigend den Pelz höher in den Nacken – umsonst, er fiel im scharfen Luftzug wieder zurück. Um ihn zu halten, ließ er seinen Arm dahinter ruhen. – Xenia fühlte es, jäh aufzuckend schrak ihr Haupt von ihm zurück.

»Fürchten Sie nichts, Xenia, es liegt ein dicker, schützender Pelz zwischen Ihnen und dem rebellischen Polenblut!« –

Er sagte es leise und ruhig, dennoch klang es wie Bitterkeit durch seine Stimme.

Sie antwortete nicht, aber sie hob die Hand, schob den Edelmarder langsam beiseite und lehnte den Kopf fest in seinen Arm zurück.

»Kosynier! – Kosynier!« – jauchzte der Sturm durch die rauschenden Zweige.


Die Ulanen saßen im Kasino beim Frühstück.

Janek Proczna war bereits Stammgast bei ihnen geworden; auch heute trat er am Arme Hechelbergs in den Speisesaal, eine Stunde zu verplaudern.

»Die dienstfreien Herren zu einem kleinen Tarock antreten … Wir rechnen auf Sie, Proczna … Pour passer le temps … man döst sich ja vor Langerweile Schwielen ins Gehirn!«

»Stehe sofort zur Disposition!«

»Pröstchen, Papriko! … Wie wär's mit einer ›Chateau d'Yquem‹?«

»Haha! Der Löwe hat Blut geleckt. Na, in Gottes Namen, Dorchläuchting, damit Sie klare Augen behalten, will ich helfen, – Ausknobeln?«

»Das verrrsteht sich!! un … deux … Luft, Clavigo! Vortrefflich … Stein schleift die Scheere, habe den Vorzug, Sie zu einer gesunden Flasche Gift einzuladen!«

»Weiß das Donnerwetter! Unser braver Kapitän à cheval hat eine unglückliche Liebe zu der schlanken Schönen von Chateau d'Yquem und Umgegend!«

»Irren ist menschlich, lieber Flandern – ich hasse diese Sorte – wie überhaupt alle Weiber, welche sich mit Bindfaden, Draht und Staniol schnüren!«

Hechelberg stützte beide Arme auf den Tisch und machte ein unglaublich verschmitztes Gesicht. »Luft! Luft!!! …«

»Ich hasse sie, und darum … vertilge ich sie, wo ich sie antreffe!«

Jubelnder Beifall; der Pfropfen sprang, wie flüssiges Gold gluckerte der Wein in das zart geschliffene Glas.

»Tod und Untergang allem überflüssigen Weine, Messieurs!«

»Bravo! – pereat! – Wir kommen nach, Herr Rittmeister!« – – melodisch aufklingend trafen sich die Gläser.

»Sagen Sie 'mal, Proczna … Sie werden auch Ihr Tanzbein bei Gowers schwingen?« –

Heller-Hüningen neigte sich näher zu dem Gefragten und machte ein außerordentlich interessiertes Gesicht.

»Mit all dem Schwung und der Hingebung, welche mir eigen!«

»August Ferdinand hat persönlich seinen Befehl, in Form einer Bitte, an das Regiment gerichtet, vollzählig zu erscheinen; die Gärtner wird ein nettes Gesicht dazu schneiden – merci

»Sie wird irgend eine Parole ausgeben, welche Gowers wenig Freude an den erzwungenen Gästen erleben läßt.«

»Haben Sie schon engagiert?«

»Noch nicht – aber ich gehe nachher zur Villa Florian, mir mein Teil zu sichern.« –

Es zuckte verräterisch um seine Lippen, Donat aber fuhr mit mißtrauischem Blick empor:

»Doch nicht etwa zum Cotillon?«

»Zu was wohl sonst!«

»Doch nicht etwa Bicky?«

Proczna zuckte die Achseln.

»Mensch … ich drehe Ihnen den Hals um!«

»Das kann der Stärkere stets; den Rang ablaufen würde schneidiger sein!«

»Blitz und Knall, das soll ein Wort sein … Ich will sechs Wochen lang jeden Mittag Lungenhaschee essen, wenn Sie mir die Kleine wegschnappen! Bickys Cotillon gehört mir!«

»Noch nicht!«

»Aber er wird es so gewiß, als ich hier neben Ihnen auf einem geschnitzten Stuhl mit vier Beinen sitze!«

»Schriftliches Engagement ist ungültig; es bedarf der Zusage aus Bickys Mund!«

»Gut – mir auch recht. – Weiß der Teufel, was Sie für Klauseln machen! – Heda, Ordonnanz … Säbel und Mütze!«

Proczna entzündete sich gelassen eine Cigarrette.

»Laufen Sie sich doch nicht die Hacken schief, Verehrtester; Bicky ist mit Xenia in den Wald zum Wildwärterhaus gefahren; um drei Uhr sind sie zurück, und präzis um drei Uhr bin ich in Villa Florian!«

»Bassa manelka! …«

Donat stemmte die Arme in die Seite und schüttelte halb ungläubig, halb mißtrauisch den hübschen Kopf.

»Mit Speck fängt man Mäuse, alter Freund! Dem Frieden traue ich nicht. – Ich werde mich erst mit eigenen Augen überzeugen und dann in meiner Wohnung am Fenster Posten stehen, den Wagen abzufassen; im Notfall werfe ich mich in die Räder und engagiere mit brechenden Rippen!«

Janek erhob sich ebenfalls und wandte sich gelassen an Hechelberg

»Verehrtester Herr Rittmeister, wollen Sie mir 'mal einen Gefallen erweisen?«

»Alles, außer – heiraten!«

»Setzen Sie dem jüngsten Leutnant Ihrer Schwadron für heute nachmittag drei Uhr Dienst an!«

Donat fuhr empor wie ein gereizter Löwe, riß Säbel und Mütze an sich und raste, alles rechts und links zur Seite schleudernd, aus der Messe.

»Ich schicke Ihnen eine Ordonnanz, Beauty-patch!« schrie ihm Hechelberg mit lustfunkelnden Äuglein nach, »der Teufel soll Sie holen, wenn Sie die Rekruten versäumen! … Voltigieren … Fechten … Fußexerzieren …«

Die Thür flog laut schallend ins Schloß, Fürst Heller-Hüningen hatte keine Silbe mehr gehört; Proczna aber warf sich in einen Sessel und lachte mit dem Rittmeister ein Duett.

Ganz abscheulich haben sie dem armen Leutnant mitgespielt.

 

Donat stürmt nach Villa Florian und erfuhr, daß die Damen erst um drei Uhr von einer Spazierfahrt zurückerwartet würden. Wie gehetzt eilte er nach seiner Wohnung.

»Ich bin für keinen Menschen zu Hause, Robert!« befahl er seinem Burschen voll fiebernder Erregung, »am wenigsten für eine Ordonnanz. Du weisest alles ab – verstanden?«

»Befehl, Herr Leutnant.« Beauty-patch bezog seinen Observationsposten hinter der Gardine – »Aha … da kommen Hechelberg und Proczna Arm in Arm angeschlendert, fixieren seine Fenster und biegen sich vor Lachen … und hinter ihnen … Kreuzhimmelschockbombenelement, eine Ordonnanz mit der ominösen Ledermappe unter dem Arm.«

Klingeling! … –

»Herr Leutnant sind nicht zu Hause.«

Trapp, trapp, stampft es wieder die Treppe hinab. Der Herr Rittmeister steht und läßt sich rapportieren, dann gibt er einen kurzen Befehl. Die Ordonnanz geht quer über die Straße zurück und stellt sich wartend neben der Hausthür auf. – Zum Donnerwetter noch eins! … Hechelberg und Proczna aber pendeln drüben auf dem Trottoir auf und nieder, behalten seine Fenster im Auge und wollen sich rein vom Leben thun vor Vergnügen.

Donat fühlt es in den Fingerspitzen kribbeln, er möchte aus der Haut fahren vor Wut!

Wie sie drunten Witze reißen und sich ihres Gaunerstückchens freuen! … Der Proczna ist reif für die Hölle … dem scheint ja nichts mehr heilig zu sein, nichts, selbst die Liebe eines Leutnants nicht! – Und Hechelberg! … feist und dreist wie ein Falstaff, in Sünden ergraut … Da sieh nur einer, wie der Kerl sich breitbeinig hinstellt und herausgrinst, gerade als wolle er ein Loch in die Gardine gucken! Donat möchte mit der Faust ins Fenster schlagen.

Aber wartet, ihr Teufelsbraten! wir sind auch noch pfiffig.

»Robert! …« –

»Befehl, Herr Leutnant.« –

»Laß augenblicklich den geschlossenen Wagen anspannen und stell' dich unten vor der Hausthür auf; sowie die Equipage der Gräfin Dynar oben in der Straße in Sicht kommt … du kennst ja die beiden Isabellen! … dann läßt du mein Coupé drunten im Hausgang vorfahren, ich springe hinein, und es wird im schärfsten Trab hinter der Gräfin hergefahren. – Verstanden? – Hier … diese Börse bekommst du, wenn du die Sache geschickt machst!«

Hüningen warf sein schweres Portemonnaie auf den Tisch, Robert aber entgegnete mit blitzendem Auge sein »Befehl, Herr Leutnant.«

Und er machte seine Sache brillant.

Das Coupé fährt im Hausflur vor, Donat springt, ohne rechts und links zu blicken, hinein, und heidi, saust es auf die Straße hinaus, hinter der Dynarschen Equipage her.

Aber was ist das? … Es verdunkelt sich im Innern des Wagens, eine schwarze Gestalt preßt sich gegen die Scheibe … Kreuzmillionen … die Ordonnanz ist auf das Trittbrett gesprungen!

Man hält vor Villa Florian … die Thür wird aufgerissen, eine derbe Hand reicht das Dienstbuch entgegen:

»Für drei Uhr Reiten und Voltigieren in der alten Bahn, Herr Leutnant.«

»Verfl…!!«

Donat schiebt den Ulan mit beiden Händen etwas ungestüm zur Seite, springt hinaus und stürzt auf Bicky, welche noch mit staunenden Augen in der Hausthür zögert, zu:

»Bicky … darf ich für morgen abend um den Cotillon bitten?« schreit er mit hochrotem Kopf.

Die junge Dame ist zu Tode erschrocken.

»Aber Donat …«

»Kann ich den Cotillon haben … ja oder nein?!« wiederholte er, voll fiebernder Ungeduld mit beiden Füßen trampelnd.

»Ja, natürlich … gewiß … aber warum …«

»Xenia! – Xenia!! … Sie sind Zeuge, daß mir Bicky den Cotillon bewilligt hat! … mille merci! ich komme heute abend … Addio!« und wie ein Wirbelwind springt er mit zwei gewaltigen Sätzen die Treppe wieder hinab in seinen Wagen.

»So, nun geben Sie mir in Gottes Namen das Dienstbuch!«

 

… Die Rekruten haben Fürst Heller-Hüningen nie so gutgelaunt gesehen, als an diesem Nachmittag, und Roberts »Cousine« ist am nächsten Sonntag in einem nagelneuen Kleid zur Kirche gegangen.

Proczna und Hechelberg haben sich aber selbstverständlich grün und gelb geärgert.



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