Ferdinand Emmerich
Quer durch Hawaii
Ferdinand Emmerich

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Siebentes Kapitel.

In Oahu, richtiger in der Hauptstadt Honolulu, fand ich eine ganze Anzahl von Briefen. Meine amerikanischen Auftraggeber wünschten einen Besuch der Kurilen und der Halbinsel Kamtschatka. Deutsche Gesellschaften boten mir eine Reise durch Neuseeland an. Familienbriefe riefen mich nach Hause. – Wenn es nach meinen freien Entschlüssen gegangen wäre, hätte ich alle drei Vorschläge angenommen. Den Vorrang hatten allerdings die Amerikaner, und so beschloß ich denn, deren Auftrag zunächst auszuführen.

Die Jahreszeit vergißt man leicht in den Ländern ewigen Frühlings. So fiel mir erst auf der Agentur der Dampfergesellschaft ein, daß möglicherweise ein Besuch der Kurilen für dieses Jahr ausgeschlossen sei. Wir waren zwar erst im Juni, aber dennoch konnte es Herbst werden, bis ich nach Petropawlowsk kam. Dann aber friert das Meer dort oben bald zu, und ich mußte mit einer mindestens halbjährlichen Gefangenschaft im winterlichen Sibirien rechnen. – Das mußte überlegt werden.

»Sie haben noch acht Tage Zeit!« rief mir der Agent der Kanadisch-Australischen Dampferlinie nach. »Der Dampfer nach Vancouver bleibt aber nur wenige Stunden hier. Sie müssen pünktlich sein!«

»Wenn ich nun über Japan reiste?« fragte ich, da mir der strenge Winter doch ein wenig Unbehagen einflößte.

»In drei Tagen kommt der San Franzisko-Yokohamadampfer hier durch. Sie werden aber in Japan wie in Wladiwostok noch ungünstigere Verhältnisse antreffen. Die Verbindung mit den Kurilen ist eine sehr schlechte, und Sie können oft wochenlang auf ein Boot warten, das Sie von Insel zu Insel bringt. Diese Reise kann dann aber Monate dauern. Von Vancouver fährt allmonatlich ein Frachtdampfer über Kamtschatka nach Japan. Auf dem werden Sie sicher Unterkunft finden.«

Ich belegte also einen Kajütenplatz, auf dem »Marama« nach Viktoria. Die Wartezeit benutzte ich zu einem Ausflug in das Innere der Insel Oahu.

Auf Oahu, der Königsinsel, tritt europäische Kultur in den Vordergrund. Straßenlaternen, Zollwesen, Polizei, Militär und die Schattenseiten der Zivilisation drängen sich in Honolulu dem Besucher unangenehm auf. Sogar eine Art Meldewesen war kürzlich eingeführt worden. Es hing mit politischen Ränken zusammen. Der braune König Kalakaua sollte durch die Prinzessin Liliokalani gestürzt werden. Den einen stützten die Amerikaner, die Dame sollte japanische Unterstützung haben. Unter solchen Umständen sah ich von dem geplanten Besuche der beiden hohen Persönlichkeiten ab, obgleich der König mich schon in seine Sommerresidenz und seine kühne Gegnerin nach deren Landsitz in Ainahau »befohlen« hatten.

Ich mietete mir einen Diener und machte einen Ausflug in das Innere der Insel. Das berühmte Nuuanutal, berühmt durch eine blutige Schlacht des früheren Königs Kamehameha gegen seine Landsleute, zog mich an. Man erzählte viel von der eigenartigen Schönheit des Tales, besonders von einem Felsen Pali, und den wollte ich meinen Reiseerinnerungen noch einverleiben. Glaubte ich doch damals, diese Inselgruppe nie wiederzusehen. Und doch führte mich achtzehn Jahre später das Schicksal noch einmal in die Sandwichgruppe – leider, möchte ich fast ausrufen. Denn alles das, was mich ehedem so angeheimelt, war verschwunden. An Stelle des urwüchsigen Landes fand ich Eisenbahnen, Telegraphen, amerikanische Kriegsschiffe, Automobile und prächtige Luxushotels. Der Amerikaner war Herr der Inseln und hatte seine neue Kultur dorthin verpflanzt ...

Das Nuuanutal präsentiert sich als ein weiter Schlund. Vom Meere aus glaubt man in einen dichten Wald eindringen zu müssen, so eng bewachsen sind die Gärten der wenigen Eingeborenenhäuser, die man hier antrifft. Gar bald sieht man sich jedoch vor grünen, jähen Felswänden, an denen hinaufzuschauen man schon schwindelig werden konnte. Der Weg wurde hier sehr mühsam. Große Steine lagen zerstreut über dem spärlichen Graswuchs. Die Hitze machte sich unangenehm fühlbar, und ich bereute schon, diese an sich reizlose Gegend aufgesucht zu haben.

Mein Diener, ein französisch redender Kanake, erwies sich als ein echter Französling. Er schwätzte unausgesetzt, wollte jede Höhe, jeden größeren Stein kennen und mit einer historischen Begebenheit in Zusammenhang bringen und unterließ es nicht, stets seinen hohen Mut zu preisen. Er sollte bald Gelegenheit haben, ihn zu beweisen.

Das Tal wurde romantisch. Hohe Felswände starrten schroff in den Äther. An fast jede dieser rauhen Wände knüpfte sich eine Episode aus dem großen Kriege. Die Überlieferung berichtet, daß dort über dreitausend Mann durch den Sturz aus der Höhe einen gräßlichen Tod erlitten. Am Ausgange des Tales, das vom Meere aus bis zu etwa vierhundert Meter ansteigt, befindet sich der Pali, ein mächtiger Felsblock, dessen Gipfel ein hoher Zacken krönt, der große Ähnlichkeit mit dem Ettaler Mandl in den bayerischen Vorbergen hat. Diesen Berg, der mir einen Überblick über den ganzen Südteil der Insel versprach, beschloß ich zu besteigen.

Während der letzten halben Stunde hatten sich zwei Individuen in unserer Nähe bemerkbar gemacht, die dem äußeren Anscheine nach aus irgendeinem sichern Gewahrsam entsprungen sein mußten. Europäisch, aber zerlumpt gekleidet, jeder mit einem langen Küchenmesser ohne Scheide bewaffnet, strichen sie suchend durch die Büsche. Als sie uns zuerst sahen, blieben sie betroffen stehen. Sie erkannten jedoch bald, daß ich mich nicht auf der Suche nach ihrer werten Persönlichkeit befand. Und daraus wollten sie anscheinend Kapital schlagen.

Mein Diener, der unter dem Gewicht des Rucksackes keuchte, war etwa fünfzig Schritte hinter mir, als wir den Anstieg auf den Pali begannen. An ihn machten sich die Kerle mit der Frage nach dem »nächsten Wege zur Küste«. Ich hörte das mit unterdrückter Stimme geführte Gespräch und blieb stehen, um den Diener zu erwarten. Eigentlich aber, um zu sehen, ob der etwa mit den Dunkelmännern in Verbindung stand. Die Umgebung von Honolulu war damals schon so berüchtigt wie heute. – Ein Gebüsch verbarg mir die drei Personen, ein Gemurmel sagte mir aber, daß sie sich in einer Unterhaltung befanden.

Im Begriff den Weg zurückzukehren, um die Besprechung der drei kurz abzuschneiden, öffnete sich das Buschwerk, und mein Kanake erschien mit der gleichgültigsten Miene von der Welt.

»Was wollten die Menschen von dir?«

»Sie gaben an, sie seien Matrosen und hätten sich verirrt. Sie fragten mich nach dem Wege zur Stadt.«

»Sonst sagten sie nichts?«

Meine erzürnte Miene und mein unabsichtlicher Griff nach dem Revolver jagten dem Diener sichtlich Schrecken ein. Er zögerte mit der Antwort. Dann aber besann er sich doch wohl und erwiderte:

»Sie wollten wissen, wohin der Herr ging, ob er über Nacht ausbliebe und ...«

»Und – was?«

»Und – ob ich viel Geld bei dem Herrn gesehen hätte!« kam es sprudelnd heraus. Ungefragt fügte er noch hinzu:

»Ich kenne die Männer. Sie sind oft nachts in Honolulu und haben dann viel Geld in den Taschen.«

»Fürchtest du, daß sie uns belästigen werden?«

»Ich vermute es, denn der eine, der größere, machte dem andern eine Bemerkung in einer fremden Sprache, die jener mit einem merkwürdigen Blick auf mich beantwortete. Oh, Herr, ich glaube, die Männer wollen uns töten.«

»So, so! Und du glaubst, das ginge so einfach? Dazu müßten uns die Kerle doch erst einmal in der Gewalt haben.«

»Oh, Herr, von den Felsen hier ist schon mancher abgestürzt, wenn man uns morgen in einer tiefen Schlucht findet ...«

»Rede nicht so viel, Mann! Vorwärts, lasse uns den Weg fortsetzen und behalte die Augen offen, wenn du etwas Verdächtiges siehst, sage es mir.«

Der Pfad, der offensichtlich viel begangen wurde, wand sich am Ende des Tales durch ein dichtes Guiavengebüsch in langen Schleifen aufwärts. Für die nackten Sohlen der Kanaken war das jedenfalls der einzig mögliche Weg. Mein Diener und ich trugen jedoch Lederschuhe, und diese erlaubten uns, in einer der Runsen, in denen leichtes Geröll aufgeschichtet lag, einen, wenn auch steileren, so doch bedeutend näheren Weg einzuschlagen.

Nicht ohne reichlichen Schweißtribut erreichten wir so in ganz kurzer Zeit den Rücken, auf dem der Pali domartig aufsitzt. Zu unsern Füßen lag die grüne Schlucht, in der wir die ausgedehnten Schleifen des Pfades genau verfolgen konnten. Von den beiden Vagabunden hatten wir nichts mehr gesehen.

Wir saßen auf einem größeren Blocke und ließen uns die mitgenommenen Eßwaren munden. Zu unserm Abendessen wollte ich mir eine der hier zahlreich vorkommenden Ziegen schießen, und ich gab daher stillschweigend zu, daß mein Kanake durch die Entwickelung eines übergroßen Appetites das Gewicht des Rucksackes schon vor der Zeit gründlich verringerte. Unterdessen waren unsere Augen nicht müßig. Unablässig spähten wir in den Wänden neben, über und unter uns nach Wild aus. Lange indessen vergeblich. Die Berge schienen wie ausgestorben. – Endlich drückte der Kanake meinen Arm und deutete auf einige helle Punkte, die seitwärts tief unter uns über den Pfad wechselten. Ich erkannte Ziegen, die, gemächlich weidend, zu uns hinauf zu kommen schienen.

Ich maß die Entfernung. Sie war für einen sichern Schuß noch zu groß. Eben suchte ich nach meinem Fernglas, als die Tiere plötzlich stutzten. Ein heller Schrei drang herauf, und wie der Wind stoben sie auseinander. Dann erschienen zwei Gestalten an der Stelle. Unsere Vagabunden!

»Die haben es nicht eilig, zur Küste zu kommen,« sagte ich zu meinem Begleiter und deutete auf die unschlüssig an der Wegebiegung haltenden Männer.

Der Kanake verfärbte sich leicht. Dann sagte er mit unsicherer Stimme:

»Es scheint fast, als ob sie uns erwarteten. Sie können ja nicht wissen, daß wir von dem Pfade abgebogen sind.«

Ich lachte über diese Antwort.

»Lieber Freund, ich will dir etwas sagen. Ich habe ein gutes Gewehr und einen guten Revolver. Mit dem halte ich mir nicht nur die Vagabunden vom Leibe, sondern auch die, die zu ihnen halten. Merke dir das! Ich pflege auch schon bei der ersten verdächtigen Bewegung zu feuern. Und ich warte auch nicht, bis man mir dicht auf den Leib rückt ...«

»Oh, Herr, ich werde Euch mit meinem Körper decken, wenn die Leute heraufkommen sollten ...«

»Lasse nur alle schönen Reden, guter Freund. Sage mir vielmehr, für was du den grauen Schatten hältst, der dort drüben in den Felsen herumzieht. – Dort, unterhalb des Wasserfalles!«

Mit meinem Fernglase konnte ich nur die langsame Ortsveränderung eines Schattens feststellen. Der Kanake aber hatte scharfe Augen.

»Das ist ein Mann!« sagte er. »Er klettert dort hinauf, um zu trinken.«

»Wenn er nur ein wenig mehr in das Licht ginge! Glaubst du, daß der zu den beiden andern gehört?«

Lange betrachtete der Kanake den Mann. Es hatte tatsächlich den Anschein, als ob er den Wasserlauf ersteigen wollte, um zu trinken. Er näherte sich der Stelle mit einer gewissen Hast. – Als er eben an dem Orte angelangt war, glitt die Sonne hinter dem Pali hervor und beleuchtete grell die Gestalt. – Wie aus einem Munde, riefen wir:

»Ein Weißer!«

Und nun tauschten wir unsere Bemerkungen über das aus, was ich im Fernglase und der Kanake mit bloßem Auge sah.

Der Mann dort drüben war ein Besucher der Schlucht, wie ich. Seine Kleidung deutete auf den Europäer der besseren Klasse. Wie er auf die andere Seite kam, ließ sich natürlich nicht feststellen. Die Art, wie er kletterte, deutete aber auf große Übung im Gebirge, und der Schluß lag nahe, daß er einen Abstieg vom Pali abseits des gewohnten Pfades gesucht hatte.

Als ich zufällig in das Tal hinunterblickte, sah ich, daß auch die Vagabunden den Mann bemerkt hatten. Sie sprachen eifrig miteinander, und aus den Gesten schloß ich, daß sie auch jenen »nach dem Wege« zu fragen beabsichtigten. Immerhin gaben sie die Hoffnung, mich doch noch auftauchen zu sehen, nicht auf, denn ihre Köpfe drehten sich spähend den Pfad entlang, auf dem wir, nach ihrer Meinung, erscheinen mußten.

Der Fremde drüben hatte mittlerweile seinen Durst gestillt und begann den Abstieg. Es mußte ein schwieriges Stück Arbeit sein, denn er suchte mit den Füßen lange nach einem Halt, bevor er den Tritt weitersetzte. Von unserm hohen Stande aus konnten wir sowohl die Vagabunden als auch den Fremden gut beobachten.

Die beiden zweifelhaften Gesellen schienen endlich das Warten auf uns aufzugeben. Der eine warf sich mit einer unwilligen Geberde seitlich in die Guiaven und entschwand unsern Blicken. Sein Kumpan blieb noch einige Augenblicke stehen, sah gespannt den Pfad hinab und folgte dann dem vorangegangenen.

Der Fremde näherte sich einer Stelle oberhalb der Waldgrenze, an der er anscheinend sein Gepäck niedergelegt hatte, wir sahen, wie er sich an seinem Tragsack beschäftigte und wie er dann eine Zigarre anzündete. In aller Gemütsruhe ließ er sich nun auf die Platte nieder und hielt Umschau über die Schlucht.

»Wenn der Mann gute Augen hat, muß er uns sehen,« sagte ich. »Wir sitzen in gleicher Höhe, und die Entfernung wird kaum zweihundert Schritte betragen.«

»Wir können ihn ja rufen!« erwiderte der Kanake, indem er Miene machte, sich zu erheben.

Ich fuhr ihm schnell mit der Hand auf den Mund:

»Du gibst keinen Ton von dir, Bursche. Willst du vielleicht den beiden Vagabunden ein Zeichen geben, he?«

»Aber gewiß nicht, o Herr. Ich will im Gegenteil den Mann da drüben warnen, damit er sich vor einem Überfall schützen kann.«

»Dafür sorge ich schon. Sobald ich merke, daß sich die Vagabunden in verbrecherischer Absicht an den Fremden heranmachen, schieße ich sie nieder. Das hilft mehr als eine Warnung. – Übrigens tauchen sie dort schon auf! – Schau, der Fremde hat sie gesehen. Er redet mit ihnen.«

In der Tat standen die beiden Vagabunden wenige Schritte unterhalb des Fremden auf dem kahlen Hang und sprachen mit diesem. Man sah, wie letzterer abwehrende Handbewegungen machte und die Füße beiseite zog, um sich aufzurichten. – Einer der beiden Strolche begann den Hang hinaufzuklettern. Er rutschte jedoch wieder ab und stieß einen Fluch aus, den das Echo zu uns herübertrug. Der zweite konnte besser klettern. Er stieg langsam aufwärts und strebte dem Sitze des Fremden zu, der nun aufstand und seinen Bergstock gegen den zweiten schwang.

Ich hielt es an der Zeit, einzugreifen. Ich erhob mich, zielte auf einen Baum, der dicht neben dem abgerutschten Strolch stand, und feuerte. Ein niederflatternder Zweig sagte mir, daß ich die Entfernung richtig berechnet hatte.

Die Wirkung meines Schusses auf die drei Personen war eine verschiedene. Der Fremde sprang auf, sah sich suchend um, und, als er mich entdeckte, winkte er eifrig, indem er in das Buschwerk zu seinen Füßen deutete. Dort verschwand der eine der Banditen eben zwischen den Guiaven. Der andere, jener, der den offenen Angriff unternommen hatte, gab jedoch kein Fersengeld. Wir sahen deutlich, wie er sich an die Steine schmiegte und sich so unsichtbar wähnte. Er wollte offenbar seine Beute noch nicht fahren lassen.

Der Fremde schulterte seinen Sack. Dann stieß er seinen Bergstock in das umliegende Gestein und schickte sich an, den gefährlichen Aufstieg zu der Quelle nochmals zu unternehmen. Ich rief ihn an. Eine Verständigung war ziemlich leicht, weil die Wände der Schlucht den Schall hin und her trugen.

»Wohin, Fremder?« fragte ich in englischer Sprache.

»Zur Küste und zur Stadt! Ich muß oben über die Felsen, weil ich ohne Waffen bin,« lautete die Antwort.

»Sind die Vagabunden noch dort?«

»Einen sehe ich. Der andere wird nicht weit sein!« scholl es zurück.

Natürlich verstanden die Wegelagerer jedes Wort unserer Unterhaltung. Ich beschloß, sie einzuschüchtern.

»Zeigen Sie mir die Stelle, wo der Bandit liegt, ich werde ihn erschießen,« rief ich.

Die Wirkung war überraschend. Bevor der Fremde noch ein Zeichen geben konnte, erhob sich der Bandit. Eine Sekunde lang sah ich seine Gestalt, dann brachte ihn ein großer Satz in das schützende Dickicht in Sicherheit.

Lachend rief ich dem Fremden zu:

»Gehen Sie jetzt durch das Tal zu uns herüber. Wenn Sie immer oberhalb der Büsche bleiben, kann Ihnen nichts geschehen. Sobald ich bemerke, daß sich in den Guiaven etwas bewegt, feuere ich.«

»Vielen Dank, Fremder!« klang es herüber. Vorsichtig glitt der Mann in das unter ihm befindliche Geröll und bald sah ich, wie er mit raschem Schritt dem Ende des Tales zustrebte, von wo er leicht auf den kahlen Teil des Pali gelangen konnte. Dort war er vor jeder Verfolgung sicher. Die Wände sahen ganz danach aus, als ob sie an ihren Bezwinger große Anforderungen stellen würden.

Dieser Zwischenfall verursachte natürlich eine Veränderung in meinem Stundenplane. Ich sah ein, daß eine Ersteigung des Pali vor Einbruch der Dunkelheit nicht möglich war und beschloß daher in einem alten Rancho, dem Überbleibsel einer früheren Hütte, die Nacht zu verbringen. Sehr zum Mißvergnügen meines Dieners, der mit allen Mitteln versuchte, mich in meinem Entschlusse wankend zu machen. Oben auf dem Pik sei man viel besser aufgehoben, auch sei man dort vor Überfällen seitens der Räuber besser geschützt. Ich ließ ihn reden. Dann antwortete ich ihm:

»Spare deine Worte, Bursche. Ich bleibe hier, denn ich habe nicht die mindeste Lust, von den Wänden in die Tiefe gestürzt zu werden, wie einst unter dem großen Kamehameha tausende deiner Landsleute. Ich weiß mich gegen Gesindel zu schützen. Sollte es einem der Burschen einfallen, an unser Feuer zu kommen, so ist er ein toter Mann – und du wahrscheinlich auch.«

»Aber Herr,« jammerte der Kanake, »ich habe doch keine Schuld, daß die Männer uns verfolgen. Ich kenne sie gar nicht.«

»Um so besser für dich, Bursche. Jetzt bringe Holz her, daß wir uns ein Feuer für die Nacht anzünden können.«

Zögernd gehorchte der Diener. Bei jedem Schritt, den er in den Baumwald hinunter machen mußte, sah er sich um. Sichtlich erwartete er die Banditen irgendwo auftauchen zu sehen.

Mir ging es nicht besser. Auch ich hielt fleißig Umschau. Selbst während des Essens ließ ich den Revolver am Handgelenk hängen. Kurz vor Sonnenuntergang stieg ich noch einmal bis zu einer bewachsenen Runse hinab, um die Feldflaschen zu füllen. Rings um mich her herrschte feierliche Ruhe. Das Schweigen der Natur beim Scheiden des Tagesgestirns. Das leise Plätschern der feinen Wasserader war das einzige Geräusch, das sich in den fernen Donner der Brandung um die Korallenriffe mischte.

Eine kleine Weile ließ ich die wohltuende Stille auf mich wirken. Die Vorgänge des Tages hatten mein Blut doch heftiger durch die Adern getrieben, und eine innerliche Unruhe zwang mir ein öfteres Aufhorchen nach unbekannten Geräuschen ab. - Eigentlich geht einem Menschen meines Berufes das Gefühl beständiger Wachsamkeit derart in Fleisch und Blut über, daß er sich fest darauf verlassen kann, bei jeder nahenden Gefahr, bei dem geringsten ungewöhnlichen Laute aus selbst festem Schlafe geweckt zu werden - unser innerer Mensch, das zweite Ich, sorgt dafür - immerhin aber sucht man sich bei voraussichtlich eintretenden unliebsamen Begegnungen frühzeitig zu schützen. Diesmal schien jedoch jeder Versuch eines Überfalles seitens der Banditen aufgegeben zu sein. Nichts deutete auf das Nahen eines Lebewesens.

Oder doch?

Ein kleiner Stein kollerte seitlich an den Wänden hinunter. Erst langsam, dann hüpfte er in immer größeren Sätzen, wie ich aus dem Aufschlagen entnehmen konnte, in die Tiefe. Gleich darauf noch einer. Dieser an sich natürliche Vorgang erschien mir verdächtig. Ein von ungefähr losbrechender Stein wäre bei dem Neigungswinkel der Wand nicht so abgestürzt wie dieser. Und selbst den Zufall bei dem ersten zugegeben, der zweite wäre nicht auf dieselbe Weise in die Tiefe gesprungen. Also mußte eine fremde Kraft in der Nähe tätig sein. Aber was?

Regungslos verharrte ich in meiner Stellung.

Durch die Büsche und den Einschnitt gedeckt, konnte ich den Rücken des Berges bis zu unserm Lager überblicken, ohne selbst gesehen zu werden. Die langen Strahlen der Sonne glitten noch über die oberen Wände des Pali, während die Schatten der Nacht bereits über das Tal gebreitet lagen. Am Feuer hantierte der Diener.

Lange regte sich nichts mehr. Der Mensch oder das Tier, das dort in dem Strauchwerk neben mir verborgen lag, mußte recht geduldig sein. Daß es ein Lebewesen sein mußte, stand fest bei mir.

Mit der wachsenden Dunkelheit erhob sich der Wind. Er blies vom Meere her über den Sattel gerade auf mich zu. – Ich frohlockte. Jetzt mußte es sich entscheiden, ob mein unsichtbarer Nachbar ein Mensch oder ein Tier war. In letzterem Falle trug der Luftzug dem Tiere meine Witterung zu, und dann ergriff es bestimmt die Flucht. –

Nichts dergleichen geschah. Tiefe Stille umgab mich. Und doch wußte ich, daß dort fünf Meter von mir ein Mensch hockte, der mir feindselig gesinnt war. Ich mußte die Spannung lösen. In aller Ruhe sagte ich, so als ob ich den Menschen vor mir sähe:

»Nun mache, daß du weiter kommst, Bursche. Ich habe es jetzt satt. In dem Augenblick, wo der letzte Sonnenstrahl vom Pali verschwindet, bist du ein toter Mann. Du weißt, daß ich schießen kann.«

Einen Augenblick herrschte Schweigen, daß ich dem maßlosen Erstaunen des Menschen zuschrieb, der von meiner Anwesenheit keine Ahnung hatte. Das nicht mißzuverstehende Geräusch beim Aufziehen des Hahnes an der Waffe rief ihn jedoch rasch in die Wirklichkeit zurück. Mit einem schauderhaften Fluche sprang neben mir ein Mann bergabwärts und rannte, wie ich aus dem fallenden Gerölle schloß, in großen Sätzen davon. Teils, um ihm Beine zu machen, teils in der Absicht, dem Fremden unsere Nähe zu melden, feuerte ich einen Revolverschuß ab, der sich vielfältig im Tale brach. Dann ging ich zum Lager zurück.

Der Kanake hockte neben dem Feuer und rauchte. Merkwürdigerweise stellte er keinerlei Fragen nach der Bedeutung des Schusses oder nach der Ursache meines Sprechens, das er gehört haben mußte. - Ich beschloß in dieser Nacht den Schlaf nur vorzutäuschen.

Eine Stunde lang saßen wir schweigend und rauchend am Feuer. Dann schob ich ein paar dicke Klötze in die Glut, wickelte mich in meine Decke und legte mich in die innerste Ecke der Hütte, dort, wo diese an den bewachsenen Felsen stieß und einen breiten Spalt zeigte. Ich forderte den Kanaken auf, ein Gleiches zu tun.

»Ich will lieber wachen, o Herr,« antwortete er.

»Die Berge sind hier oben unsicher, und es wäre mir leid, wenn dem Herrn etwas zustieße.«

»Wenn dich sonst nichts abhält, dann lege dich nur ruhig hin. Uns überfällt man nicht, und wenn schon, dann tut mir der andere leid.«

»O Herr, Sie kennen die Kanaken nicht ....«

»Vielleicht besser, als du glaubst! Lege dich nur ruhig nieder. Der erste, der auf Schußweite an unser Lager kommt, hat die Folgen zu tragen. Ich sehe alles, auch wenn ich schlafe. Sonst wäre ich nicht so ruhig.«

Die letzten Worte machten ihn unschlüssig, wenn er böse Absichten gehabt haben sollte. Er trat wortlos an die andere Seite der Hütte und legte sich dicht an die Glut. Da er keine Decke besaß, war das nicht auffällig. Ich wußte aber, daß er mich dann besser beobachten konnte.

Kein Laut mischte sich in das ewig gleichmäßige Rumoren des brandenden Meeres. Taktgleich, in regelmäßigen Zwischenräumen die Luft ausstoßend, atmete ich in der unbewußten Art des Schlafenden. Durch die halbgeschlossenen Augenlider bemerkte ich schon seit einigen Minuten, wie mein Nachbar sich scheinbar absichtslos hin und her wälzte. Nach einer Weile hob er den Kopf und blickte angestrengt in die dunkle Ecke, die meinen Körper nur in undeutlichen Umrissen wiedergab. – Als mein Atmen keine Unterbrechung erlitt, wurde der Kerl dreister. Er erhob sich und fragte leise:

»Hören Sie nichts, Herr?«

Zweimal wiederholte er die Frage. Als auch dann die Antwort ausblieb, stand er leise auf, spähte einige Male um sich und verschwand in der Dunkelheit.

Seine Schritte waren noch nicht verhallt, da glitt ich hinten durch den Spalt in die Büsche und harrte der Dinge, die nun kommen mußten.

Ich brauchte nicht lange zu warten.

Vorsichtig kroch eine Gestalt auf die Hütte zu. Das matte Sternenlicht erlaubte mir nicht, den Menschen zu erkennen. Nur der sich verdunkelnde Glanz des Bodens deutete die Bewegung an. Dann wuchs ein schwarzer Schatten rasch in die Höhe. Ein Blinken – ein Sprung ...

Da donnerte mein Schuß in die Nacht und weckte ein hundertfaches Echo in dem Tale. Ein lauter Schrei folgte. Ein Stöhnen – und als ich mich aus meinem Versteck wieder durch den Spalt in die Hütte schob, fand ich diese leer!

»Wie? Gefehlt? Auf sechs Schritt – unmöglich!«

Ich machte Licht. In meinem Rucksack stak das lange Messer des Banditen, von ihm selbst keine Spur. Und doch! – Blutstropfen hingen in dem spärlichen Grase. Da das trockene Zitronenholz nicht Licht genug verbreitete, um die nächste Umgebung zu erleuchten, legte ich einige am Tage gesammelte Früchte des Lichtnußbaumes ( aleurites triloba) auf meinen Becher und zündete sie an. Sie qualmten schrecklich, erleuchteten jedoch die Umgebung so weit, daß ich mich davon überzeugen konnte, daß der angeschossene Bandit nicht in der Nähe war.

Beruhigt kehrte ich auf mein Lager zurück. Um mich wach zu halten, trank ich die Flasche kalten Tee aus, die ich stets mit mir führte. Der angenehme Trunk machte mich frisch und ließ mich über das Kritische meiner Lage weniger ernst denken. Meine Gedanken wurden auch von dem eben Vorgefallenen durch Geräusche abgelenkt, die sich irgendwo in der Umgebung aufdrängten. Sie zu unterscheiden, war mir nicht möglich. Einmal glaubte ich, eine Herde wilder Schweine wühle sich durch die Büsche, dann wieder schien es mir, als ob Menschen heranschlichen und sich mit gedämpfter Stimme unterhielten.

Beide Annahmen waren gerechtfertigt. Als ich eben den über die Berge lugenden Mond begrüßen wollte, knackte es in dem Rücken der Hütte. Gleichzeitig erschien eine dunkle Gestalt vor dem Feuer und schrie mit vor Angst zitternder Stimme:

»Polizei – Hände hoch!«

»Halloh – kommt heran!« rief ich zurück.

»Haben Sie Waffen?« lautete die Gegenfrage.

»Na - Sie werden doch einen Europäer nicht für so dumm halten, daß er ohne Waffen in euerm gesegneten Oahu spazieren geht!«

»Waffen sind verboten. Sie müssen sie abliefern!« lautete es zurück. In demselben Augenblick erschienen vier Polizisten im Gebüsch hinter meinem Rücken, während sich weitere zwei neben den Sprecher schoben.

»Jeder Widerstand ist zwecklos - ergeben Sie sich!« sagte der Anführer der Schar, indem er sich um einige Schritte weiter vorwagte.

Ich mußte über diese Feigheit lachen.

»Mann, machen Sie sich nicht lächerlich. Legen Sie den Revolver weg Und setzen Sie sich zu mir. Ich werde Ihnen zu einem guten Fange verhelfen."

Meine überlegene Ruhe und der Umstand, daß ich keinerlei verdächtige Bewegung machte, gaben den beiden den Mut zurück. Der Leutnant, wie er sich nannte, ließ sich auf einen Stein nieder und verlangte meinen Bericht. Ich erzählte die ganzen Erlebnisse des Tages und der Nacht. Den Angriff auf den Fremden und das Verschwinden meines Dieners.

»Wie sahen die beiden Vagabunden aus?« fragte er, als ich geendet hatte.

»Schmutzig, verkommen, die echten Verbrechertypen.«

»Farbige oder Weiße?«

»Ein Kanake kann gar nicht so schmutzig aussehen. Die Kerle können nur weggelaufene Matrosen sein und dann nur Engländer. Kein anderer Seemann läßt sich so herunterkommen!«

»Herr – auch ich bin Engländer!« rief der Leutnant mit drohender Stimme.

Die passende Antwort unterdrückte ich. Ich sagte nur:

»Das ändert an meiner Meinung nicht das geringste!«

»Und wo sind die Burschen zu finden?«

»Irgendwo hier im Tale,« gab ich zur Antwort.

In diesem Augenblick kollerten ein paar Steine von dem Abhange des Pali herunter. Wie von Nattern gestochen fuhr die ganze Gesellschaft in die Höhe. Die Gewehre im Anschlag traten die Polizisten in den Schatten der Hütte. Mit rauher Stimme fragte mich der Leutnant:

»Was ist das? Wer kommt dort?«

»Das weiß ich auch nicht, Herr Leutnant,« antwortete ich. »Wenn Sie aber nachsehen, werden Sie es bald wissen.«

»Nachsehen! – Daß uns die Strolche niederknallen!« flüsterte er.

»Unsinn! Dann werde ich selbst Umschau halten,« erwiderte ich, indem ich meinen Revolver nahm und ins Freie trat.

»Haltet ihn, Leute!« rief nun aber der Leutnant.

Doch die Kanaken zeigten mehr Mut als ihr englischer Anführer. Sie ließen mich gehen. Zwei Polizisten traten sogar mit ins Freie. Man hörte dort deutlich, wie ein eisenbeschlagener Stock auf den Stein aufsetzte. Und nun ahnte ich auch, wer sich dort oben befand.

»Halloh – Fremder, seid Ihr dort?« rief ich in englischer Sprache hinauf.

»Halloh!« hallte es zurück. »Kann ich hier gefahrlos absteigen?«

Einer der Polizisten antwortete für mich:

»Ja, kommen Sie nur, der Abhang ist ganz ungefährlich.«

Nach kurzer Zeit landete vor unserer Hütte jener Mann, den ich tags zuvor von den Strolchen befreit hatte. Er war Schwede und besuchte die Insel als Tourist. Nach einigen erklärenden Worten gab der Ankommende seinerseits dem Leutnant eine eingehende Schilderung des Vorfalles. Auch er vermutete in den Vagabunden englische Matrosen.

Aus leicht begreiflichen Gründen war dem Leutnant diese so oft wiederholte Identifizierung jener Banditen mit Engländern nicht angenehm. Es war auch nicht zu verkennen, daß die Kanaken-Polizisten die Worte mit heimlicher Freude aufnahmen. Der Herr hielt es daher für ratsam, den Besuch abzubrechen und sich seiner Aufgabe weiterhin zu widmen.

Um den Sonnenaufgang nicht zu versäumen, beeilte auch ich mich, an mein Ziel zu gelangen. Des herrlichen Schauspieles wegen hatte ich ja diese ereignisreiche Reise unternommen. Der Schwede begleitete mich, Leider erreichten wir den eigentlichen Pali, den gewaltigen Zahn, der dem Berge aufgesetzt ist, nicht mehr. Aber auch von der Plattform aus genossen wir den so oft schon beschriebenen Aufstieg der Sonne aus den Fluten des Weltmeeres. Wir bewunderten das erste Erscheinen der goldigen Fühler auf den Bergeshöhen. Wir verfolgten das plötzliche Erwachen des Lebens in den Wäldern und auf der weiten, wellenförmigen Ebene. Das plötzlich in funkelndem Sprühregen leuchtende Riff und der gleißende Strand der vielen kleinen Eilande entlockten uns laute Rufe des Entzückens. Mit einem langen Blick auf das in flüssigem Golde erscheinende Weltmeer verließen wir endlich unsern erhabenen Stand und stiegen in das Tal hinab. Hunger und das Bedürfnis nach frischer Wäsche und einem kühlen Bade beflügelten unsere Schritte.

Als wir uns den ersten Hütten an der Mündung des Nuuanutales näherten, erblickten wir vor uns einen größeren Menschenauflauf. Es war unser Leutnant mit seinen sechs farbigen Polizisten, die einen verwundeten Verbrecher auf einer Bahre mit sich führten. Hinter der Tragbahre schritt, mit Ketten gefesselt, - mein Diener! Das war der Fang, den die Polizei auf ihrer Streife gemacht hatte, und sie war nicht wenig stolz darauf. – Um den Nimbus nicht zu zerstören, verbot mir der Leutnant jedes Wort an den Gefangenen. Erst als ich mich am nächsten Tage freiwillig beim Gericht meldete, konnte ich meinen Diener befreien. Der arme Teufel gab an – und das wurde ihm auch geglaubt –, er habe nicht anders handeln können: Er wohne am Platze und sei der Rache der Banditen verfallen, wenn er sich gegen diese gewandt haben würde.

Mit diesem Besuche der Insel Oahu beendigte ich meine Studienfahrt durch das Reich Kalakauas. Man erzählte mir zwar noch Wunderdinge von der östlichsten und ältesten Insel der Sandwichgruppe, von Kauai, aber die Zeit war mir zu knapp geworden. Mich drängte es weiter. Heute bin ich froh, daß ich die Inseln noch in ihrer Ursprünglichkeit kennen lernte. Wer jetzt diese herrlichen Eilande besucht, findet überall höchste Kultur. Mich überschlich ein stilles Bedauern, als mich ein hochmoderner Luxusdampfer achtzehn Jahre später wieder nach Maui und Hawaii brachte. Automobile mit elegant gekleideten Amerikanerinnen beleben die Kunststraßen, die der nie rastende Arbeitsgeist der Yankees durch das Innere zog. Auf den Pali führen gutbewachte Straßen. In der ehemals idyllisch einsamen Waikikibucht erheben sich große Hotels, und das Lärmen der Badenden und der Golfspieler bricht sich in den wohlgepflegten Wäldern. Überall auf den Inseln finden wir europäischen Luxus. Die Sandwich-Inseln sind der »Fremdenindustrie« dienstbar gemacht. Eisenbahnen bringen den Reisenden mühelos in die Gegenden, die ich unter den größten Gefahren und Strapazen besuchte. Sogar am Krater Kilauea, an der Stelle, an der ich einst mit Pater Stapelfeldt im Freien nächtigte, fand ich ein großes Luxushotel. Und als ich wiederum meine Schritte zum Halemaumau lenkte, fand ich selbst den Feuersee verändert. Seit 1895 hat sich die glühende Lava plötzlich zurückgezogen und der Rand des wunderbaren Sees ist in die Tiefe gestürzt. Heute sieht man nachts durch die Risse leuchtende flüssige Lava scheinen. An den Spalten stehen täglich Weltreisende und – lassen Ansichtskarten am heißen Schwaden des ewigen Feuers bräunen, um sie an Freunde und Bekannte zu senden. – Nur der Mauna Loa und sein Krater Mokuaweoweo arbeiten in alter Regelmäßigkeit. Seine Rippen, aus erkalteter Lava, sind mächtiger geworden, sein Antlitz trotziger, wird er die Störung seiner Ruhe so stillschweigend hinnehmen?


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