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Drittes Kapitel.

Adolf Grünmeier kannte keine Bedürfnisse. Er war gewissermaßen leidenschaftslos. Das einzige, was die Eintönigkeit seines Daseins unterbrach, war ein Kartenspiel zu mäßigem Einsatz.

Er saß jeden Abend in einem alten verräucherten Kaffeehaus und kloppte Skat und verstieg sich sogar manchmal zu einem Poker, für welches Spiel er eine große Vorliebe hatte. Aber seine beschränkten Mittel hinderten ihn daran, sich im Spiel auszuleben.

Ja, wenn er Ferdinands Million in die Finger bekommen hätte! Vielleicht wäre er ein Spieler geworden?

Er machte wieder einen Fehler, paßte nicht auf. Seine Partner schimpften.

Das passierte ihm, dem guten Skatspieler, jetzt öfters, daß er nicht folgte und eine Karte nicht »herumbringen« konnte. Seit der Erbschaftsgeschichte hielt er seine Gedanken nicht mehr zusammen. Immer dachte er über die Möglichkeiten nach, wie er dieser Person, wie die Erbschleicherin in der Familie Grünmeier genannt wurde, zu Fall bringen konnte. Es mußte doch schließlich ein Mittel geben, sie zu einer Heirat zu bringen. – Er hatte alles mögliche versucht. Unter den Anbetern, die um Mimi sich bemühten, waren einige gewesen, die er auf sie gehetzt hatte. Aber alles vergeblich.

Jemand stellte sich hinter den Stuhl eines der Skatspieler und kiebitzte.

»Nehmen Sie doch 'n Stuhl, Herr Modersohn«, sagte Rosenblut, der Adolf gegenüber saß.

»Gestatten die Herren vorzustellen: Herr Modersohn!«

Herr Modersohn war ein äußerst elegant gekleideter Mann um die Vierzig. Glattrasiert, mit buschigen Augenbrauen und kohlschwarzem Haupthaar, das in der Mitte sich scheitelte. Auf dem schmalen etwas gebogenen Nasenrücken trug er einen Kneifer ohne Einfassung, der seine kleinen stets zugekniffenen Augen bedeckte, die etwas Lauerndes im Ausdruck hatten.

Herr Modersohn verbeugte sich und nahm Platz.

Als gemischt wurde, sagte Herr Modersohn:

»Ich verstehe die Herren nicht, wie sie es hier in dieser Räucherkammer aushalten können! Warum kommen Sie nicht in unseren Klub, da haben Sie es doch weit angenehmer.«

Er wollte nur Rosenblut in einer dringenden Angelegenheit sprechen, sonst würde er solche Buden wie dieses Kaffeehaus überhaupt nicht betreten.

Dann flüsterte er mit seinem Geschäftsfreund, machte einige Notizen in seinem Taschenbuch und ging wieder.

Als die Polizeistunde das Spiel beendete, meinte Rosenblut, daß man wirklich einmal sich Modersohns Klub ansehen könnte.

Adolf interessierte sich für Modersohn. Rosenblut hatte von ihm erzählt, daß er einer der gerissensten Menschen wäre, die ihm in seinem Geschäftsleben vorgekommen. Er mache alles, was man von ihm verlange. Er schöbe das Unterste zu Oben, wenn er nur ordentlich dabei verdiente.

»Schieber – –«, meinte einer der Herren.

»Gut, sagen wir Schieber – – wie Sie wollen!«

»Ja, das ist ein Stand geworden, eine Berufsart, wie so viele andere. Unsere Zeit hat merkwürdige Blüten getrieben. Auf der Oberfläche des großen Sumpfes, in dem die Welt steckt, wuchert das Schiebertum als gleißende Giftblume.«

Der das sagte, der Doktor Lerner, liebte es, seine Umgebung zu glossieren. Man schätzte ihn als den akademisch Gebildeten.

Adolf dachte sofort an seine Affäre. Wenn er diesen Modersohn für sich gewänne! Er wollte es sich was kosten lassen, aber so einen Mann brauchte er, und der könnte die Geschichte drehen.

So kam es, daß Adolf in die Vereinigung der Sportleute ging, wie der Klub sich offiziell nannte.

An diesem Abend noch befreundete sich Adolf mit Modersohn, der vom Glück begünstigt, eine gute Bank gezogen hatte, die ihm einen tüchtigen Gewinn gebracht. Adolf selbst hatte sich nicht am Spiel beteiligt, sondern auf die Gelegenheit gepaßt, um Modersohn sein Anliegen vorzutragen.

»Nichts leichter als das«, sagte Herr Modersohn und blinzelte mit seinen Äuglein, die er unruhig auf sein Gegenüber schießen ließ.

Die Herren saßen im Speisesaal des Klubs und verzehrten trotz der vorgerückten Nachtstunde ein reichliches Souper.

»Diener, eine Flasche Mumm!« rief Modersohn.

Adolf machte eine abwehrende Handbewegung.

»Sie sind heute mein Gast, lieber Grünmeier,« sagte Modersohn, »erstens habe ich die dadrin (er zeigte auf den Spielsaal) ausgenommen und dann begieße ich gewohnheitgemäß jedes neue Geschäft – –«

Modersohn behandelte Adolf ein bißchen von oben herab, gönnerhaft.

»Um auf die Chose zurückzukommen,« fuhr er fort, nachdem er das Glas Sekt in einem Zug ausgetrunken, »wirklich eine einfache Kiste: Das Mädchen wird verheiratet. Ich will doch mal sehen, ob wir sie nicht zur Gräfin oder Baronin machen können – – Wir lassen ihr ein paar Kröten, das andere mache ich schon.« – –

Adolf war sehr befriedigt. Der Sekt hatte ihn in eine gute Stimmung gebracht. Er lachte.

»Großartig. Also 'ne Gräfin wollen Sie aus ihr machen? – Famos!«

Modersohn hielt den Finger an den Mund, Adolf solle schweigen. Dann deutete er auf zwei Herren, die nun den Saal betreten hatten.

»Sehen Sie den Herren da mit dem Monokel und dem angegrauten Haar? – – Das ist Graf Blitzky, der ist unser Mann. Für fünf Mille macht er's. Der hat schon zwei oder drei Gräfinnen von der Sorte herumlaufen ... Stall Blitzky!«

Er lachte laut und dröhnend. Sein Witz schien ihm zu gefallen, denn er wiederholte:

»Stall Blitzky – Frau Mimi kommt in den Stall Blitzky – lassen Sie mich nur machen – – Prosit!«

Aber die Sache war doch nicht so einfach, als sich Herr Modersohn es dachte.

Als Herr Modersohn in wohlgesetzter Rede Frau Mimi vorgetragen hatte, daß in Anbetracht ihres großen Reichtums ihre soziale Stellung gehoben werden müßte und er als Vermittler nur eine geringe Provision beanspruche, war Frau Mimi sehr ungehalten darüber, daß man sich in ihre Angelegenheiten mische.

»Ich denke gar nicht daran, mich zu verheiraten,« antwortete sie, »und ich pfeife auf irgend so einen hergelaufenen Grafen – überhaupt, heutzutage, wo der Adel jeden Augenblick abgeschafft werden kann!«

»Unmöglich,« meinte Modersohn, »das ist gegen die Verfassung!«

»Ach was, die Verfassung interessiert mich gar nicht. Mir genügt mein eigener Name und ich brauche keinen Grafen, der auf meiner Tasche lebt.«

Modersohn machte ihr klar, daß die Heirat nur eine Formensache wäre. Der Herr Gemahl werde sich gleich wieder scheiden lassen.

»Nein, mein Herr,« sagte Mimi und eine Glutwelle der Entrüstung stieg in ihr Gesicht, »so was mache ich nicht mit. Wenn ich schon einmal verheiratet bin, muß ich auch was davon haben. Aber mit solchen Schieberheiraten will ich nichts zu tun haben.«

Modersohn mußte unverrichtetersache weggehen.

Aber er ließ es sich nicht verdrießen. Er würde schon eine Stelle finden, wo er einsetzen könnte. Ein verteufelt energisches Frauenzimmer, diese Frau Mimi. Und ein hübsches Menschenexemplar dazu. Modersohn verstand sich auf Weiber. Diese blonde Venus wäre nach seinem Geschmack. Jedenfalls wollte er sie nicht aus den Augen verlieren.

Bei Adolf Grünmeier, der über den ersten Mißerfolg von Modersohns Mission nicht sehr erbaut war, erkundigte sich dieser nach Mimis Vergangenheit. Ob nicht Momente vorhanden wären, die man benützen könnte, Adolf aber wußte nichts anderes von der Freundin seines verstorbenen Bruders, als was alle Welt wissen durfte.

Modersohn versuchte über Mimis jetziges Leben Einzelheiten zu erfahren. Er selbst konnte nicht in Mimis Haus eindringen, denn er wollte mit seiner Person im Hintergrunde bleiben. So benutzte er seinen Chauffeur Fritz zum Kundschafter.

Modersohn und sein Chauffeur waren unzertrennlich. Die beiden hatten sich im Schützengraben kennengelernt, wo eine gemeinsam erlebte Gefahr sie einander näher gebracht. Als Fritz aus dem Feld zurückgekommen, trat er bei seinem Kameraden in Dienst und wurde ein williges Werkzeug in den Händen des schlauen Allerweltmachers. Der Chef entlohnte den Angestellten in reichlichem Maße, so daß Fritz für seinen Herrn durchs Feuer ging.

Fritz suchte Anknüpfungspunkte im Hause Kurfürstendamm 317. Der forsche junge Mann fand in dem Stubenmädchen der Frau Schwarz ein willfähriges Objekt für seine Untersuchungen. Die lustige Paula wechselte ihre Verehrer öfter wie ihre Nachthemden, was bei den hohen Waschpreisen zu entschuldigen war. Sie ließ sich von Fritz zu gemütlichen Abenden einladen, besuchte mit ihm Bars und Tanzlokale und schon beim dritten Ausgang war Fritz über alles genau unterrichtet, was er wissen wollte. Denn Paula war nicht sehr guter Laune, wenigstens zu Beginn dieses für die Entwicklung von Mimis Schicksal ereignisreichen Abends. Tante Marie hatte ihr über ihre Leistungen und über die Art, sich des leichten Lebens zu erfreuen, tüchtig die Leviten gelesen, eine Vorlesung, die mit einer Kündigung endete.

Paula holte aus. Ihr Herz war zum Überlaufen voll und sie mußte sich Luft machen.

Was diese hergelaufene Person sich einbildete! Diese Dame, von der man nicht weiß, wo sie ihr Geld her hätte, na und so weiter.

Fritz paßte auf. Er war ein gelehriger Schüler seines Meisters und spielte seine Rolle ausgezeichnet. Er assistierte mit einigen entrüsteten Zwischenbemerkungen dem aufgeregten Fräulein Paula.

Überhaupt stimme etwas nicht – –

Paula schwieg einen Augenblick. Dann platzte sie heraus.

»Ich kann die beiden ins Zuchthaus bringen, wenn ich nur will – – So 'ne Behandlung lasse ich mir nicht gefallen!«

Fritz machte ein dummes Gesicht.

Paula schluchzte.

»Solche Undankbarkeit! Wo ich doch der Tante Marie die Lehmann angebracht habe, damit unsere Gnädige nicht die Scherereien mit dem Kinde haben sollte – –«

»Was für 'ne Lehmann?« fragte Fritz. Er tat ganz unschuldig.

Paula erzählte von den Nöten bei ihrer Herrschaft, damals vor drei Monaten. Sie berichtete von dem Besuch der Hebamme und wie später alles wieder in Ordnung gebracht wurde.

Und dann weinte sie noch ein wenig, ließ sich aber von Fritz allmählich zu ihrer gewohnten Lustigkeit zurücktrösten. Als die beiden sich verabschiedeten, wußte Fritz auch die Adresse der weisen Frau Lehmann.

Als Herr Modersohn am nächsten Tag den Bericht seines Chauffeurs erhielt, zog ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht. Er würde diese Millionärin jetzt ein bißchen fester anfassen. Allerlei Gedanken zogen durch sein Gehirn und wenn Adolf Grünmeier auf dem Wege der Telepathie diese Gedanken gelesen hätte, wäre er nicht sehr entzückt davon gewesen.

Fritz aber bekam von Herrn Modersohn einen rotgestempelten Hunderter Extrahonorar, der allerdings zu Lasten des Herrn Adolf Grünmeier ging: Spesenkonto.


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