Georg Ebers
Ein Wort
Georg Ebers

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Siebzehntes Kapitel

Moor blieb allein in der Werkstätte zurück. – Wie hatte es ihm begegnen können, solch einen Knabenstreich zu vollführen!

Beunruhigt schaute er zu Boden. Er durfte mit gutem Grunde besorgt sein, aber die Erwägung, daß er ganz allein mit dem Könige gewesen und das Unerhörte sich ohne Zeugen ereignet hatte, beruhigte ihn einigermaßen. Er konnte nicht wissen, daß ein Dritter, daß Ulrich dem ausgelassenen, verhängnisvollen Kampfe zugeschaut hatte.

Der Schüler war mit Zeichnen im Studienraume beschäftigt gewesen, als es in der Werkstätte laut geworden war. Er hegte für sein schönes, erstes Modell Sofonisba eine grenzenlose, an Vergötterung streifende Verehrung, und in der Meinung, daß sie es sei, die heute, wie schon so oft, mit Moor über Kunstsachen streite, hatte er die Tür geöffnet, den Vorhang zurückgeschoben und mit angesehen, wie Moor den kichernden König auf den Arm schlug.

Das war ein heiteres Schauspiel gewesen, aber es hatte ihn doch dabei leise durchschauert und schneller, als er gekommen, war er zu seinem Gipsmodell zurückgekehrt.

Beim Einbruch der Nacht suchte der Maler Sofonisba auf.

Er war zu einem Ballfeste bei der Königin geladen und wußte, daß er die Hofdame in der Umgebung Isabellas von Valois finden werde.

Die Prunksäle waren mit tausend Wachskerzen auf silbernen und bronzenen Kandelabern tageshell erleuchtet. An den Wänden hingen köstliche, bilderreiche Gobelins und purpurne flandrische Tapeten. Gemälde in frischen Farben spiegelten sich in dem von Licht übergossenen blanken Fußboden.

Vor der Vermählung Philipps mit der an freiere Sitten gewöhnten Französin hatte an seinem Hofe niemals getanzt werden dürfen. Jetzt gab es im Alkazar bisweilen ein Ballfest. Die erste, die es gewagt hatte, vor den Augen des Monarchen und seiner entsetzten Umgebung die Gaillarde zu eröffnen, war Sofonisba an der Hand des Herzogs Gonzaga gewesen. Und seltsam, die lebensfroheste Dame am Hofe war zugleich diejenige, die den bösen Zungen am wenigsten Anlaß zur Lästerung bot.

Als Moor die Prunkgemächer betrat, war eine Gavotte eben zu Ende gekommen. In der ersten Reihe des glänzenden Kreises von hohen Geistlichen, Gesandten und Granden, der die Königin umgab, standen die österreichischen Erzherzoge und die schönen Jünglingsgestalten Alexanders von Parma und Don Juans, des Halbbruders ihres Gatten. Der verwachsene Thronfolger Don Karlos beunruhigte mit plumpen Scherzen eine Reihe von Hofdamen, welche die Fächer vor das Gesicht hielten und nicht wagten, den Sohn des Herrschers ihr Mißfallen fühlen zu lassen.

Samt, Seide und Edelsteine blitzten, und zarte Spitzen erhoben sich und flossen um Hals und Hände der Frauen und Herren. Wallende Locken, glänzende Augen, edle und anmutige Züge fesselten den Blick, aber Hals, Nacken und Arme der Damen waren unter hohen Kragen und Spitzengebänden, dem steifen Latz und gepufften Ärmeln tief verborgen.

Ein bestrickender Wohlgeruch erfüllte die mehr als tageshelle Luft dieser Festsäle, leichte Wedel wehten, Fächer neigten, hoben und schlossen sich, es wurde gelacht, geplaudert, gelästert. Aus einem Nebengemach hörte man goldene Zechinen klingend und klirrend auf die Spieltische fallen.

Weltliche Lust war eingezogen in den mürrischen, frömmelnden, von starren Formen geknebelten Hofhalt, und sie wurde nicht gestört von den hohen Prälaten in violetten und leuchtenden Scharlachgewändern, die würdevoll durch die Säle schritten und auserlesene Damen und Granden begrüßten.

Da erscholl eine Fanfare.

Philipp erschien, und plötzlich traten die Kavaliere von den Schönen zurück und verneigten sich tief, und die Damen senkten das Knie bis auf den Boden. Lautlose Stille trat ein.

Es war, als sei ein eisiger Windstoß über die Beete gefahren und habe alle Blumen auf einmal niedergebeugt.

Nach einigen Minuten richteten die Herren sich auf und die Damen erhoben sich wieder, aber selbst den ältesten Herzoginnen blieb es versagt, sich in Gegenwart des Monarchen niederzulassen.

Die Heiterkeit war erstickt, das Gespräch zum Geflüster geworden.

Vergeblich wartete die Jugend auf den Wink zum Tanze.

So stolz verächtlich, so mürrisch wie heute hatte man Philipp lange nicht gesehen. Erfahrene Höflinge bemerkten, daß Seine Majestät den Kopf tiefer nach rückwärts biege als sonst, und gingen ihm aus dem Wege. Er schritt einher, als sei er mit einer Untersuchung der Deckenbilder beschäftigt, aber es entging ihm doch nichts, was er zu sehen wünschte, und als er Moor gewahrte, nickte er gnädig und lächelte ihm dabei auf einen Augenblick zärtlich zu, aber er winkte ihn nicht wie sonst zu sich heran.

Dies entging weder dem Maler noch Sofonisba, die jener von dem Geschehenen in Kenntnis gesetzt hatte.

Er baute auf sie wie auf sich selbst, und sie verdiente sein Zutrauen.

Von vornherein hatte die kluge Italienerin seine Unruhe geteilt, und sobald der König in einen andern Saal getreten war, winkte sie Moor und unterredete sich in einer Fensternische lange mit ihm. Er sollte alles zur Abreise bereithalten, sie aber nahm es auf sich, zu wachen und ihn beizeiten zu warnen.

Mitternacht war längst vorüber, als er in das Schatzhaus zurückkehrte. Dort schickte er den verschlafenen Diener zur Ruhe, ging sorgenvoll auf und nieder und schob dann Ulrichs Porträt Sofonisbas näher an den Kaminsims, auf dem an hohen Armleuchtern zahlreiche Kerzen brannten.

Das war die Freundin, und sie war es doch nicht. Was da fehlte, das – ja, darin hatte der König recht – das war für einen Knaben unfaßbar.

Man kann nicht darstellen, was man nicht nachzuempfinden vermag.

Immerhin war Philipps Tadel zu hart gewesen. Mit wenigen Pinselstrichen getraute er sich dies Bild zu einem Seelenspiegel des lieben Wesens zu machen, von dem ihm die Trennung schwer, namenlos schwer fiel.

»Über die Fünfzig hinaus,« dachte er, und dabei umspielte ihm ein wehmütiges Lächeln den Mund, »über die Fünfzig, ein alter Gatte und Vater, und dennoch – dennoch – das gute, nahrhafte Brot zu Hause – Gott segne es, der Himmel erhalt' es! Wäre dies Mädchen nur meine Tochter! Wie lange das Menschenherz doch die Triebkraft bewahrt! Vielleicht ist Liebe das Mark des Lebens – wenn es vertrocknet, welkt auch der Baum!«

Sinnend und immer weiter sinnend hatte Moor die Palette ergriffen und in Zwischenräumen bald am Mund, bald an den Augen, bald an den zarten Nasenflügeln des Bildnisses, vor dem er saß, mit kurzen, kaum merklichen Pinselzügen gemalt; – aber diese wenigen Striche hatten dem Schülerwerk Reiz und geistigen Inhalt gegeben.

Als er sich endlich erhob und übersah, was er getan hatte, mußte er lächeln und sich fragen, wie es denn möglich sei, das Höchste im Menschen, Geist und Seele, mit so geringen Mitteln nachzuschaffen. Beide sprachen jetzt aus diesen Zügen zu dem Beschauer. Dem Meister waren die rechten Worte geläufig, und durch sie hatte der ungelenke Satz Sinn und Inhalt gewonnen.

Am nächsten Morgen fand Moor Ulrich vor dem Bilde Sofonisbas. Der Schlaf des Schülers war nicht weniger unruhig gewesen als des Meisters, denn jener hatte etwas verübt, das ihm schwer auf dem Herzen lag.

Nachdem er gestern ein unfreiwilliger Zeuge des wunderlichen Vorfalls in der Werkstatt geworden, hatte er mit Sanchez einen Ritt ins Freie getan und sich dann zum Magister in die Stunde begeben. Er sprach zwar schon mit ziemlicher Gewandtheit Spanisch und auch etwas Italienisch, aber Kochel hatte ihn so gut zu unterhalten gewußt, daß er ihn noch immer einigemale in der Woche aufsuchte.

Diesmal war es gar nicht zum Übersetzen gekommen, denn der Magister hatte ihn zuerst wegen seines langen Ausbleibens freundlich gescholten und ihn dann, nachdem die Rede auf sein Malen und Moor gekommen war, teilnehmend gefragt, was an dem Gerücht sei, daß der König den Meister lange nicht besucht und ihm die Gunst entzogen habe.

»Die Gunst entzogen!« hatte Ulrich fröhlich gerufen, »sie sind wie zwei Brüder! Heute haben sie sich gebalgt und der Meister hat seiner Majestät in aller Freundschaft mit dem Malerstock eins versetzt ... Aber – um Gottes willen – Ihr schwört mir – Narr, der ich bin! – Ihr schwört mir, es nicht weiter zu sagen.«

»Eins übergezogen!« hatte Kochel gerufen und laut gelacht. »Meine Hand, Navarrete. Ich bin verschwiegen; aber Ihr! Plaudert das ja nicht herum. Beileibe nicht! Der lustige Streich könnte dem Meister übel bekommen. Für heute entschuldigt mich; es gibt bei dem Almosenier viel zu schreiben.«

Ulrich war von dem Magister geradeswegs in die Werkstatt gegangen. Die Überzeugung, daß er eine Unbesonnenheit, ja ein Unrecht begangen, hatte sich seiner, gleich nachdem ihm das letzte Wort entschlüpft war, bemächtigt und beängstigte ihn mehr und mehr. Wenn Kochel, der im Grunde doch ein gemeiner Mensch war, nicht reinen Mund hielt, was konnte Moor aus seinem Verrat erwachsen! Er, Ulrich, war sonst kein Schwätzer, und nun hatte er, nur um mit dem vertraulichen Verkehr seines Meisters mit dem Könige zu prahlen, aller Vorsicht vergessen.

Nach einer unruhigen Nacht war sein erstes gewesen, sich vor sein Bildnis Sofonisbas zu stellen, und dies hatte ihn mit unwiderstehlichem Zauber gefesselt, angezogen, berückt.

War das wirklich sein Werk?

Er erkannte jeden Pinselstrich wieder. Und dennoch! Diese sinnenden Augen, dies Licht auf der hohen Stirn, diese zarten Lippen, die sich öffnen wollten, man wußte nicht, ob zum Scherz oder zu einem klugen Worte – die hatte er nicht gemalt, die hätte er nie und nimmermehr so zustande gebracht. Ihm ward ganz bange. Hatte hier das »Glück«, das ihn doch sonst beim Schaffen im Stich ließ, geholfen? Gestern abend, bevor er zu Bett ging, war das Bild noch anders, ganz anders gewesen. Moor malte sonst nie bei Kerzenlicht, und er hatte ihn spät nach Hause kommen hören, und jetzt – jetzt ...

Aus solchen Gedanken weckte ihn der Künstler. Er hatte das Auge lange an dem schönen, mehr und mehr zum Jüngling heranwachsenden Knaben geweidet, der wie von einem Wunder befangen vor der Leinwand stand. Und er fühlte nach, was in der erwachenden Künstlerseele vorging, denn etwas Ähnliches, wie Ulrich in diesem Augenblicke, war ihm selbst bei seinem alten Meister Schorel begegnet.

»Was hast du?« fragte Moor so ruhig wie immer und legte dem befangenen Schüler die Sand auf den Arm. »Dein Werk scheint dir besonders zu gefallen?«

»Es ist – ich weiß nicht –« stammelte Alrich. »Es kommt mir vor, als ob über Nacht ...«

»Das geht wohl manchmal so,« unterbrach ihn der Meister. »Wenn einer es ganz ernst nimmt und sich sagt: die Kunst ist alles für mich und neben ihr ist das andere nichts als störender Tand, dann helfen ihm unsichtbare Mächte, und wenn er am Morgen wiedersieht, was er am Tage geschaffen, meint er, es sei ein Wunder geschehen!«

Ulrich wurde bei diesen Worten blaß und rot. Zuletzt schüttelte er den Kopf und sagte kleinlaut: »Ja, aber diese Schatten an den Mundwinkeln – seht Ihr? – und dies Licht auf der Stirn, und da – schaut nur her, die Nasenflügel – die hab' ich gewiß nicht gemacht.«

»Die kann ich so übel nicht finden,« fiel ihm Moor in die Rede. »Was freundliche Geister jetzt bei Nacht für dich schaffen, das sollst du in Antwerpen malen lernen am hellen Tage, zu jeder beliebigen Stunde.«

»Ihr sagt in Antwerpen?«

»Wir rüsten uns schon heut zum Aufbruch. In aller Stille muß das geschehen. Wenn Isabella fort ist, packst du deine besten Sachen in das kleine Felleisen. Vielleicht entweichen wir heimlich; wir waren lange genug in Madrid. Halte dich stets bereit. Keiner, hörst du, kein Mensch, auch nicht die Diener, dürfen ahnen, was vorgeht. Ich kenne dich; du bist kein Schwätzer.«

Der Maler verstummte plötzlich und entfärbte sich, denn scheltende Männerstimmen waren vor der Tür der Werkstatt laut geworden.

Auch Ulrich erschrak.

Die Absicht des Meisters, Madrid zu verlassen, hatte ihn innig erfreut, denn sie entzog jenen der Gefahr, die ihm leicht aus seiner Unbesonnenheit erwachsen konnte. Aber als der Streit im Vorgemach lauter wurde, sah er schon die Alguacile in die Werkstatt dringen.

Der Meister schritt der Tür entgegen, aber bevor er sie erreicht hatte, wurde sie aufgerissen und ein bärtiger Landsknecht trat über die Schwelle.

Lachend und höhnend warf er den französischen Dienern, die ihn zurückzuhalten versucht hatten, einige Schimpfworte ins Gesicht, wandte sich dann dem Künstler zu und rief, indem er sich weit zurückneigte und die Arme mit stürmischer Innigkeit Moor entgegen warf:

»Die welschen Wedler, die Tellerlecker, wollen mir wehren, meinem Wohltäter, meinem Freunde, dem großen Moor aufzuwarten und ihm meine Ehrfurcht zu bezeigen. Wie Ihr mich anschaut, Meister! Habt Ihr denn den Weihnachtstag zu Emmendingen vergessen, und den Hans Eitelfritz aus Kölln an der Spree?«

Jede Spur von Besorgnis wich sogleich aus den Zügen des Malers.

Freilich hatte er den bescheidenen Gesellen von damals in diesem Bramarbas nicht wieder erkannt.

Der Märker war wunderlich ausstaffiert, so bunt und abenteuerlich gekleidet, daß er selbst unter seinesgleichen auffallen mußte. Das eine rot und blau geschlitzte Hosenbein reichte ihm weit bis über das Knie, während das andere, gelb und grün gestreifte, so kurz war, daß es sich nur wie ein wulstiger Muff um den Oberschenkel schloß. Und wie viele Puffen und Schlitze und Bänder verzierten sein Wams, wie bunte Federn den gezackten Rand des Baretts!

Moor bot dem treuen Gesellen einen freundlichen Willkommen und gab ihm seine Freude zu erkennen, daß er ihn in so stattlichem Aufzuge wiederfinde. Er trage den Kopf jetzt höher als damals im Planenwagen und in den Quartieren, und das werde sein Recht sein.

»Freilich,« entgegnete Hans Eitelfritz. »Bin seit neun Monaten Doppelsöldner, und unsereinem schaut das Leben anders ins Antlitz als einem armen Schächer von Gardenknecht, der sich durchs Land schlägt. Ihr kennt das Liedlein:

Ein Elend gibt's auf Erden,
Wohl ihm, der's nicht erkannt!
Ein Gardenbruder werden
Und bettelnd ziehn durchs Land.

Ach, und der Schlußsatz:

Kommt nie, was uns gebührte,
Will enden nie die Not?
Du, der zum Sieg uns führte.
Komm bald, du lieber Tod.

Das habe ich damals oft nachgesungen, werter Herr; aber heute: Welt, was kostest du? Für tausend Zechinen ist sie mir noch lange nicht zu teuer!«

»Beute gemacht, Hans?«

»Muß noch besser kommen, Herr; aber es geht mir doch weidlich gut. Eitles Schlampampen! Sind unser drei aus Venezia hierhergekommen durch die Lombardei, von Genua zu Schiff nach Barcelona und dann durch dies dürre, steinige Land hierher nach Madrid.«

»Um Dienst zu nehmen?«

»Beileibe, nein. Bin bei meinem Fähnlein und Regiment zufrieden. Wir haben Farbenbilder hierher geleitet. Der große Meister Tizian hat sie gepinselt. Ihr kennt ihn sicher dem Namen nach. Da, seht das Beutelchen. Rappelvoll! Lauter Gold. Wer noch einmal König Philipp einen Knauserer schilt, dem schlag' ich die Zähne zusammen.«

»Gute Botschaft, guter Lohn,« lachte Moor. »Habt Ihr auch Unterkunft und Verpflegung gefunden?«

»Ein Bett wie der römische Kaiser, und auch sonst! Ich sagt' es schon, das reine Schlampampen. Heut abend ist's leider aus mit der Freude; aber ohne Euch meinen respektvollen Gruß entboten zu haben ... Sapperment, ist das da das Bürschchen, der Dreikäsehoch, der sich zu Emmendingen an den Mustertisch drängte?«

»Freilich, freilich.«

»Donnerwetter, der ist gewachsen. Heute mustern wir Euch gern, junger Herr. Könnt Ihr Euch auf mich besinnen?«

»Gewiß,« entgegnete Ulrich. »Ihr habt das Lied vom »Glücke« gesungen.«

»Das ist Euch im Gedächtnis geblieben?« fragte der Landsknecht. »Närrisches Zeug! Glaubt's oder glaubt's nicht, in Elend und lauter Jammer hatt' ich das lustige Stückchen erdacht, um das Herz zu wärmen. Jetzt geht mir's gut; und da glückt mir nur noch selten ein Verschen. Im Sommer braucht man halt keinen Ofen.«

»Wo hat man Euch untergebracht?«

»Hier in der »Alten Katze«. So heißt ja wohl dies Goliathschlößchen.«

Nachdem der Landsknecht sich nach dem Narren erkundigt und einen Becher Wein mit Moor und Ulrich getrunken hatte, nahm er Abschied von beiden, und bald darauf begab sich der Meister allein in die Stadt.

Zur gewöhnlichen Stunde erschien Isabella Coello mit der Duenna in der Werkstatt und bemerkte dort sogleich die Wandlung, die mit dem Bildnis Sofonisbas vorgegangen war.

Ulrich stand neben ihr auf der Staffelei, während sie sein Werk betrachtete.

Sie brauchte dazu lange, lange Zeit und sprach kein Wort. Nur einmal unterbrach sie das Schauen und fragte: »Und du, du hast das gemacht, das hier – ohne den Meister?«

Da schüttelte Ulrich verneinend das Haupt und sagte kleinlaut: »Er meint wohl, es sei mein eigenes Werk; und doch – ich kann's nicht begreifen.«

»Ich aber, ich,« rief sie lebhaft und fuhr fort zu sehen und zu prüfen.

Endlich wandte sie ihm das freundliche, runde Gesichtchen zu, schaute ihn mit feuchten Augen an und sagte so tief inniglich, daß es Ulrich das Herz bewegte: »Wie mich das freut! So etwas brächt' ich niemals zustande. Du wirst noch einmal ein großer Künstler werden, ein ganz, ganz großer wie Moor. Gib acht, du wirst es! So schön, wie das ist ... ich kann's gar nicht sagen!«

Das Blut drängte sich bei diesen Worten Ulrich zu Kopfe, und kam es von dem feurigen Wein, den er vorher genossen, oder von dem prophetischen Worte des entzückten Mädchens, oder von beidem zugleich – kurz, er fühlte sich wie berauscht und wußte kaum, was er tat und sagte, als er die kleine Hand Isabellas faßte, das Lockenhaupt stürmisch zurückwarf und begeistert ausrief: »Gib acht, du wirst recht behalten, Belica; ich werde ein Künstler. Die Kunst, nur die Kunst! Der Meister hat es gesagt: alles andere ist nur störender Tand, Ja, ich fühl' es, hier fühl' ich's, der Meister hat recht!«

»Ja, ja,« rief Isabella, »groß, ganz groß sollst du werden.«

»Und glückt es mir nicht, und bring' ich nichts wieder zustande, wie das da ...«

Hier stockte er plötzlich, denn es kam ihm in den Sinn, daß er fortzog, vielleicht schon morgen, und so fuhr er ruhiger und wehmütig fort: »Gewiß, verlaß dich darauf; ich will tun, was ich vermag, und wie es auch kommt, nicht wahr, du freust dich immer, wenn es mir glückt – und käm' es anders ...«

»Nein, nein!« rief sie eifrig. »Du kannst alles erreichen, und ich, ich; du weißt ja gar nicht, wie glücklich mich's macht, daß du mehr kannst als ich!«

Da hielt er ihr wieder die Hand hin, und als sie sie innig erfaßte, rief die herbe Stimme der wachsamen Duenna:

»Was soll das, Sennorita? An die Arbeit, bitt' ich. Die Zeit ist kostbar, sagt der Herr Vater.«


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