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Lotte dankte Gott, dass Lena noch nicht zu Hause war, als sie, noch immer zitternd vor Erregung, eintraf. Ohne etwas zu geniessen, kleidete sie sich aus und legte sich zu Bett.

Als Lena um halb elf kam, wollte sie sich erst schlafend stellen, aber Lena beugte sich so zärtlich über sie und fragte so fürsorgend, ob sie auch nicht krank sei, dass Lottchen es nicht fertig bekam, der Schwester etwas vorzumachen.

Halb in den Kissen verborgen, damit Lena ihr heisses Gesicht nicht sehen sollte, gab sie zur Antwort, dass sie ein wenig Kopfweh habe, das sie schon verschlafen werde.

»Und ich hätte Dir eine so hübsche Neuigkeit zu erzählen, von der Du nun gewiss nichts hören magst,« schmollte Lena, indem sie das Oberkleid ablegte.

»Nein, nein, erzähle nur, wenn es etwas Hübsches ist, werde ich umso besser danach schlafen.«

Und sie streckte Lena eine fieberheisse Hand aus den Kissen entgegen.

Lena setzte sich auf Lottes Bettrand und begann ihr schweres dunkles Haar auszubürsten und in einen langen dicken Zopf zu flechten. Dabei kicherte sie leise vor sich hin.

»Diesmal habe ich eine Einladung, Lotte, – Du bekommst einen Kuss, wenn Du rätst, bei wem!«

Lotte zerbrach sich den schmerzenden Kopf. Ausser Marie Weber wollte ihr niemand einfallen.

Lena schüttelte sich vor Lachen, dass die schmale Bettstatt krachte.

»Na, ich will Dir's sagen, aber Deinen Kuss bekommst Du nicht. Auf den Rücken kannst Du nicht mehr fallen, denn das hast Du vorsichtiger Weise schon vorher besorgt – also spitze die Ohren, das ist das einzige, was Dir noch zu thun übrig bleibt und höre: Ich bin zum ersten Feiertag bei Oberstleutnants eingeladen.«

Sie betonte jedes Wort einzeln und setzte einen dicken Gedankenstrich zwischen jede Silbe.

Lotte richtete sich nun doch in die Höhe und sah Lena ungläubig an.

»Geh doch, Du machst Dir einen Witz mit mir, Lena. Dafür bin ich heut nun gerade nicht aufgelegt.«

Lena packte die Schwester bei den Schultern.

»Aber nein, aber nein. Du kannst mir's schon glauben. Heut in der Pause kamen die beiden Fräulein von Strehsen ganz feierlich an – die Bemerkung von damals, weshalb all' ihre Brüder zum Militär müssten, wenn kein Geld dazu da sei, hat Fräulein Clementine, wie ich damals gleich vermutete, mir längst vergeben – und fragten, ob ich am ersten Feiertag abends ihnen das Vergnügen meines Besuches schenken wollte. Du siehst, Lotte, ich avanciere schneller als Du.«

Dabei riss sie die Schwester an sich und küsste sie übermütig auf den Mund.

Lotte seufzte, machte sich los und vergrub den heissen Kopf wieder in den Kissen, während Lena, das Ende ihres Zopfes zwischen den schimmernden Zähnen, lustig weitersprach.

»Es wird nur ein kleiner Kreis beisammen sein – sonst könnte ich ja auch, der Trauer wegen, nicht hingehen. Ein paar junge Mädchen, zwei der Brüder, ein Kadett und ein Leutnant, und ein paar Freunde des Leutnants, simple Zivilpersonen.« Ihr Vater, so habe Elisabeth, die zweite Strehsen, ihr erzählt, sei zwar sonst gar nicht für die Geselligkeit, aber zu Weihnachten werde allemal eine Ausnahme gemacht. »Na, was sagst Du nun, Lotte?«

Dabei liess Lena, die inzwischen ihre Nachttoilette beendet hatte, ihren Zopf wieder frei, zog die Strümpfe von den flinken kleinen Füssen und schlüpfte neben Lotte unter die Decke ihrer eigenen schmalen Bettstatt.

»Wenn die in unserem Nest zu Hause das hören, die platzen vor Neid. Bei einem wirklichen adligen Oberstleutnant, mit Leutnants, Assessoren und sonst noch was.«

Lena zitterte förmlich vor Vergnügen.

»Du, sag' 'mal, Lotte, was zieh' ich blos an? Mein schwarzes wollenes so ohne ein bischen weiss sieht ganz abscheulich aus. Schwarz steht mir überhaupt scheusslich, Dir viel besser, weil Du helleres Haar und zartere Farben hast. Meinst Du, ich könnte einen weissen Umlegekragen und einen schwarz und weiss karrierten Shlips dazu nehmen?«

»Aber Lena, Muttchen ist doch kaum ein Vierteljahr tot!«

»Freilich – aber – schliesslich – hier wo das Niemand so genau weiss – und dann, ich muss Dir sagen, die schwarzen Kleider machen am Ende auch nicht die wahre Trauer aus. Bei uns hört man so manches, was in schwarzen Trauerkleidern gesündigt wird.«

Lotte fühlte sich schwer getroffen. Was hatte sie selbst nicht heut auf ihr Gewissen geladen! Sie dachte an die schwüle Stunde in der Konditorei und an Herrn Schmittleins Kuss. Gewissensbisse peinigten sie. Gewiss, wie viel schlimmer war das alles, als ein weisser Kragen und ein karrierter Shlips! Und während ihr wieder heisse Ströme durchs Blut jagten, als sie der vergangenen Stunden gedachte, sagte sie, ihren Kopf aufs neue vor Lena verbergend, kleinlaut:

»Eigentlich hast Du recht. Nimm ruhig einen weissen Kragen und einen karrierten Shlips. Und nun bitte, lösch' das Licht aus. Mein Kopf thut schrecklich weh.«

Lena war im Umsehen eingeschlafen, während Lotte noch stundenlang in fieberhafter Erregung dalag. Sie konnte die wilden, heissen Worte in Gerharts Liedern nicht vergessen, den seltsamen Ausdruck nicht, mit dem seine Augen dabei auf ihr geruht hatten. Würde sie das alles jemals ganz verstehen lernen? –

Die vierzehn Tage bis Weihnachten gingen wie im Fluge dahin. Beide Schwestern hatten alle Hände voll zu thun. Neben den Berufsarbeiten sollten noch Weihnachtsgeschenke für zu Haus und gegenseitige kleine Ueberraschungen angefertigt werden. Und dabei kam Lotte nicht von der Stelle. Die Glieder waren ihr schwer wie Blei, und wie zerschlagen schlich sie umher. Bei der Arbeit sanken ihr die Hände traumverloren in den Schoss. Mit fragendem, suchendem Ton murmelte sie dabei einzelne Stellen aus Gerhart Schmittleins Liebesliedern vor sich hin, unablässig darüber grübelnd, was er mit ihrer Erlösung und der freien Liebe gemeint habe.

Ihn selbst hatte sie seit jenem Abend nicht wiedergesehen. Jeder Möglichkeit einer Begegnung ging sie sorgfältig aus dem Wege. Sie machte nur die notwendigsten Gänge und die zu Stunden, von denen sie wusste, dass er im Geschäft festgehalten war. Die Weihnachtsbesorgungen überliess sie Lena.

Trotzdem Lotte so träge und zerstreut gearbeitet hatte, war zwei Tage vor Weihnachten alles fertig. Die Hüte für ihre Kundschaft sowohl, als das Hauskäppchen für den Vater, ebenso die kleinen Aufmerksamkeiten für Lena und Frau Wohlgebrecht.

Lotte war gerade dabei, das Postpacket für zu Hause zu packen, als es draussen an der Flurthür klingelte. Sie fuhr zusammen und wurde kreidebleich.

Mein Gott, wenn er es wäre! Es war schon spät, fast neun Uhr, und sie war ganz allein.

Zögernd ging sie, um zu öffnen. Ein Stein fiel ihr vom Herzen, als sie Frau Wohlgebrecht vor sich sah, trotzdem die kleine Frau ein grimmiges Gesicht machte und heftig auf Lotte einschalt.

»Was fällt Ihnen denn ein, Sie kleines Ungeheuer, sich gar nicht mehr bei uns sehen zu lassen? Was soll denn das bedeuten, hm?«

»Es gab so viel zu thun,« murmelte Lotte verlegen, ihren Gast ins Zimmer nötigend.

»Ach was, gute Nachbarschaft kann man deswegen doch halten. Da wird wohl noch was andres dahinter stecken. Kann mir's schon denken, der Junge hat Sie weggegrault mit seinem modernen Firlefanz. Habe ihm auch schon meine Meinung gesagt. Nee, nee, Sie brauchen nicht zu widersprechen, Fräulein Lottchen. Glauben Sie, ich hätte es nicht gemerkt, dass die Geschichte neulich Ihnen nicht gefallen hat, wenn Sie mit Ihrem lieben Gesicht auch nicht so spöttisch dazu ausgesehen haben wie Ihre Schwester Lena. Und wer weiss, vielleicht hat er Ihnen in irgend einer stillen Stunde auch noch seine Gedichte verzapft. Sehen Sie, Sie werden dunkelrot. Ich kenne die Verse zwar nicht, aber sie werden danach sein. Das Talent in Ehren, allemal, da reicht sobald keiner 'ran, – aber die moderne Puschel – puh!

Sie haben ganz recht, dass Sie uns aus dem Wege gehen. Na, ich werde schon dafür sorgen, dass er Sie ungeschoren lässt. Er soll seine moderne Kunst wo anders auskramen als vor Ihnen. Es giebt ja genug verdrehte Leute, die Gefallen daran finden, eben blos, weil's Mode ist und sozusagen in der Luft liegt.

Bios wir beide, wir sind nicht reif dafür. Na, ich werd's ja nun auch wohl nicht mehr werden, und Ihnen, Lottchen, wünsch' ich es nicht einmal. Aber nun endlich zur Hauptsache. Sie kommen doch Heiligabend zu uns 'rum? Ihrer Schwester sag' ich's nicht, der hat's bei uns nicht gefallen. Nee, reden Sie nichts dagegen, Lottchen, das hat man ihr an der Nase angesehen. Die Wohlgebrecht ist ihr zu simpel, die will höher hinaus. Recht hat sie. Aber Lottchen, Sie hab' ich nun 'mal in mein Herz geschlossen, Sie würde ich ungern entbehren. Ganz einfache Berliner Weihnachten: Karpfen und Mohnpiehlen und 'ne nette Tanne und nur uns drei drum 'rum.«

Lotte hätte für ihr Leben gern zugesagt.

In Frau Wohlgebrechts Schutz fühlte sie sich mit Gerhart Schmittlein ganz sicher, und an dem kleinen, behaglichen, altmodischen Zimmer, das Lena so »spiessig« fand, hing sie schon wie an einer Art Heimat. Aber wie durfte sie ohne Lena?

Unmöglich konnte sie die Schwester am ersten Weihnachtsfest in der Fremde allein lassen.

In eben diesem Augenblick steckte Lena den lustigen Kopf mit dem kleinen schwarzen Pelzbarett durch die Thür.

»Nur näher, Lena, es ist Frau Wohlgebrecht.«

»N' Abend, Fräulein.«

In gerechter Selbsterkenntnis ihres neulichen unliebenswürdigen Betragens, war Lena ausnahmsweise zuvorkommend gegen Lottes Besuch. Bei der Erwähnung der Einladung stimmte sie lebhaft dafür, dass Lotte ja annehmen möchte.

Sie könnten einander ja zeitig bescheeren und dann möge Lotte getrost zu Frau Wohlgebrecht herumgehen. Sie selbst habe für sie beide heut eine Aufforderung von Marie Weber bekommen, den Heiligabend mit ihr bei ihrer Tante zu verbringen. Da würde sie dann auf ein Stündchen allein hingehen. Und ihre Arme von hinten um Lottes Hals schlingend, fuhr Lena lustig fort:

»Beichte nur gleich, Lottchen, dass Du am ersten Feiertag Strohwitwe bist … Frau Wohlgebrecht wird sich Deiner gewiss mit Freuden annehmen.

Ich« – fügte sie mit trocken humoristischer Herausforderung gegen Frau Wohlgebrecht gewandt, hinzu – »bin nämlich für den ersten Feiertag bei Oberstleutnants von Strehsen eingeladen.«

Lena war auf eine gereizte Antwort gefasst gewesen, aber Frau Wohlgebrecht that das gerade Gegenteil. Sie tätschelte Lena freundlich auf den Arm.

»Ei, das freut mich«, sagte sie. »Das ist was für Sie, Fräulein. Da wird's Ihnen besser gefallen als bei mir simplen Frau.«

Lena war ehrlich beschämt und unterliess es, noch weiter mit der Strehsenschen Einladung zu protzen. Bei der ersten schicklichen Gelegenheit räumte sie das Feld.

Auch Frau Wohlgebrecht brach bald auf, nachdem sie Lotte eindringlich ans Herz gelegt hatte, ja nicht später als acht Uhr zu kommen. –

Am Heiligabend früh traf ein Kistchen von zu Haus bei den Schwestern ein. Zwei Briefe lagen obenauf. Der eine vom Vater, der bisher kaum mehr als ein paar flüchtige Postkarten an seine Kinder geschrieben hatte; der andere Brief war von Franz Krieger. Lotte legte beide bei Seite. Sie sollten gemeinsam unter dem Weihnachtsbaum gelesen werden.

Den Inhalt des Kistchens packte sie mit wehmütigen Empfindungen aus.

Welch ein Unterschied zwischen dem Vorjahr, da Mütterchen noch zwischen ihnen geweilt hatte, und heute. Und was alles lag zwischen jenem letzten Weihnachten und dem heut! Allein die letzten beiden Wochen seit dem Abend in der Konditorei erschienen ihr ein ganzes Leben voller Zweifel und Fragen zu enthalten.

Der Vater hatte selbstgeschüttelte Nüsse aus Karstens Garten, ausserdem für jede von ihnen einen kleinen, gut gemeinten, aber recht überflüssigen billigen Schmuckgegenstand gesandt.

Franz Krieger war ganz aufs praktische bedacht gewesen. Den Hauptinhalt der Kiste machte sein Geschenk, eine Fülle von Kolonialwaaren aus seinem Geschäft, aus, welche die Wirtschaftsausgaben in der That auf lange Zeit hinaus wesentlich erleichtern mussten.

Um halb drei Uhr kam Lena nach Haus. Dann wurde schnell gegessen und bei einbrechender Dunkelheit das kleine Bäumchen angezündet.

Als die Schwestern dann Hand in Hand in Lottes »Atelier« gingen, das heut als Weihnachtszimmer diente, wurde ihnen beiden doch bitter weh ums Herz und schluchzend sanken sie einander in die Arme.

Lena war, wie immer, zuerst getröstet. Sie betrachtete die Geschenke und machte eine kleine spöttische Bemerkung über Kriegers für ihren Geschmack allzu praktische Weihnachtsgabe. Dann griff sie nach seinem Brief, der an beide Schwestern gerichtet war.

Sie studierte lange daran herum und legte ihn dann scheinbar unbefriedigt bei Seite.

Zu Lotte sagte sie nur: »Frau Krieger kränkelt und Onkel Fritz in Anklam ist gestorben.« Da Lotte keine Anstalten machte, gleich selbst zu lesen, nahm Lena den Brief noch einmal auf, und mit einer unwilligen Kopfbewegung begann sie die folgende Stelle vorzulesen:

»Je länger Ihr fort seid, desto mehr bedrückt es mich, dass ich Eurem Vater nicht viel entschiedener abgeredet habe, Euch ziehen zu lassen. Alle Zeitungen sind voll von dem Elend alleinstehender armer Mädchen, einer gewissen Art von Elend, von dem Ihr ja, Gott sei Dank, keine Ahnung habt. Die Statistik über Arbeitsangebot und Nachfrage beweist ausserdem immer aufs neue, dass der Zuzug der Arbeitsuchenden ausser allem Verhältnis zu der Möglichkeit steht, einem jeden Zugezogenen ausreichende Arbeit zu gewähren. Ich beunruhige mich sehr um Euch, auch die Mutter. Du, Lena, hast ja inzwischen Deine Anstellung erhalten und könntest am Ende, wenn Du Dich in einer Familie einlogiertest wie Deine Freundin Marie, ganz gut mit Deinen Tagegeldern auskommen. Mit Schaudern aber denke ich daran, wie sauer es Euch werden muss, einen Hausstand zu erhalten. Lotte wird bei der Arbeit, die sie dazu leisten muss, ihre zarte Gesundheit völlig ruinieren.

Vielleicht, Lotte, würdest Du Dich entschliessen, wieder nach Hause zu kommen. Du wirst Dir ja nun, nach einem Vierteljahr, ziemlich klar darüber sein, wie es sich mit der Kundschaft macht. Hier sollte Dir eine reichlich auskömmliche garantiert sein, wenn Du Dich entschlössest zurückzukommen. Was Deinen Vater betrifft, so wird natürlich kein Mensch von Dir verlangen, dass Du bei Karsten mit ihm wohnen sollst. Das ist auch gar nicht nötig, Du weisst, meine Mutter hat Platz genug in ihrer Wohnung und würde Dich gern bei sich aufnehmen. Ueberlegt Euch meinen Vorschlag.

Auch für Lena wäre es vielleicht besser, sie käme zurück –«

Lena warf noch einmal ebenso unwillig den Kopf zurück, wie sie es gethan, als sie die Stelle vorzulesen begonnen.

»Was sich Franz nur denkt! Zurückgehen wie ein paar dumme Göhren und sich von dem ganzen Nest auslachen lassen. Zu dumm!«

»Franz meint es gut!«

»Nun, so geh doch Du!«

Lotte schüttelte mit abweisender Miene und mit ins Leere starrenden Augen den Kopf.

»Nein – nie – nie!«

»Gott sei Dank, dass Du vernünftig bist. Ich hatte schon die grösste Angst, Du würdest darauf reinfallen. Berlin wieder verlassen, welch ein Gedanke! Das schöne, wundervolle Berlin!

Ich werde Franz ordentlich den Standpunkt klar machen. Er thut ja gerade, als ob wir rein gar nichts wüssten und könnten und nur gerade hier sässen, um aufs Verhungern und Verkommen zu warten.«

Dann flog ein triumphierendes Lächeln über Lenas frisches Gesicht. »Wenn er erst von meinem Umgang mit Oberstleutnants hört, wird er wohl andere Saiten aufziehen.«

Dabei sprang sie auf und biss in ein grosses Stück des würzigen Weihnachtsgebäckes, das Franz Kriegers bekrittelter Sendung beigelegen hatte. Behaglich knabbernd erbat sie dann des Vaters Brief von Lotte. Der war ebenso sorglos und egoistisch, als Franz Kriegers besorgt und selbstlos geklungen hatte.

Er schrieb, dass es ihm bei Karsten dauernd vortrefflich ergehe. Bei Eintritt der rauhen Witterung habe ihn sein Beinstumpf zwar wieder geschmerzt und gezwickt, jetzt sei aber alles wieder gut. Karsten heize ordentlich ein und sein Stübchen sei so ruhig und mollig, wie er es das ganze Leben nicht gekannt, das Essen vortrefflich und Karsten sein Korn eine honorige Nummer.

Ihnen beiden ginge es ja, wie es scheine, auch vortrefflich. Ein grosses Weihnachtsgeschenk dürften sie nicht von ihm erwarten. Seine Pension reichte ja man gerade für sein Auskommen aus. Zu Weihnachten oder zu Neujahr würde sich der Klockower hoffentlich anständig erweisen und ihm den blauen Lappen wieder zukommen lassen. Wenn dann die Mädchen mal auf Besuch nach Haus kämen, würde er ihnen ein anständiges Geschenk machen.

Dass er die Mutter oder seine Töchter entbehre, davon schrieb er kein Wort.

Schweigsam legte Lena des Vaters Brief wieder auf den Weihnachtstisch zurück. Sie hatte es sich lange abgewöhnt, über seine Eigenheiten zu sprechen.

Von der Jerusalemer Kirche schlug es Acht.

»Jetzt musst Du rumgehen, Lotte, es ist die allerhöchste Zeit, ich will nun auch aufbrechen, ich habe so wie so noch einen weiten Weg bis zu Maries Tante.«

Sie löschten den Weihnachtsbaum aus. Dann machten sie sich schnell zurecht und gingen zusammen die Treppe hinunter und über den stillen Hof.

Vor der Thür trennten sich ihre Wege.

Lotte ging rechts die paar Häuser zu Frau Wohlgebrecht hinauf, Lena suchte die nächste Pferdebahnhaltestelle auf.

Frau Wohlgebrecht hatte die Thür schon in der Hand.

»Endlich, endlich, Kindchen! Der Gerhart ist heute wie ein kleiner Junge, er kann den Aufbau nicht erwarten.

Na, viel kriegt er nicht. Immer dasselbe: drei Oberhemden und ein Vierteldutzend Strümpfe. Sauber und adrett muss der Mensch sich halten, selbst wenn er ein Genie ist.

Was soll denn das heissen, Herzchen. Für mich? Ein schöner Unsinn, auch noch was mitzubringen.«

Lotte murmelte etwas, von Dankbarkeit abtragen. Aber Frau Wohlgebrecht, die so etwas absolut nicht vertragen konnte, unterbrach sie eilfertig.

»Also, das soll der Gerhart haben, und das ich?«

Sie küsste Lotte auf die in letzter Zeit recht schmal gewordene blasse Wange.

Gerhart Schmittlein steckte den Kopf durch die Thür.

»Ja, ja, wir kommen schon! Was der Junge heut für 'ne Unruhe hat!«

Wenige Augenblicke später – Frau Wohlgebrecht hatte den beiden kaum Zeit zu einer Begrüssung gegönnt – standen sie unter dem Weihnachtsbaum, den Gerhart wunderhübsch und weihevoll mit weissen Lilien und goldbesternten Kerzen ausgeschmückt hatte.

Lotte fand auf ihrem Platz ein paar nützliche Gaben von Frau Wohlgebrecht, daneben ein Buch, aus dem ein weisser Briefumschlag hervorsah und ein paar frische Blumen von Gerhart.

Mein Gott, wie gut diese Menschen mit ihr waren! Nachdem man einander dankbar die Hände gedrückt, ging Frau Wohlgebrecht in die Küche, um nach den Karpfen zu sehen.

Einen Augenblick blieb es ganz still zwischen den beiden Zurückgebliebenen. Dann trat Gerhart auf Lotte zu, die mit niedergeschlagenen Augen vor ihrem Platz stand, seine Blumen in der Hand. Nur um etwas zu sagen, fragte er mit seiner leisen, warmen Stimme:

»Freuen Sie die Blumen ein bischen, Lottchen? – Das Buch wird Ihnen vielleicht heute noch nicht gefallen – ich muss Sie erst noch ein wenig dafür erziehen – und was darin steckt, das haben Sie sich ja ganz besonders bei mir bestellt. Das Gedicht auf das Grab ihrer Mutter!«

Sie legte ihre Hand in seine schon lange ausgestreckte und hob den Blick mit sanfter, dankbarer Zärtlichkeit zu ihm auf.

»Wie gut Sie sind! Darf ich – ich möchte es am liebsten erst lesen, wenn ich ganz allein bin!«

Sie sah so hinreissend aus in ihrer hilflosen, dankbaren Hingabe, dass er sie am liebsten an seine Brust genommen und ihr blasses Madonnengesichtchen mit Küssen bedeckt hätte; aber er bezwang sich. Er hatte es wohl gefühlt, wie schon die wilde Leidenschaft seiner Gedichte sie zurückgestossen. Sie musste es erst lernen, die Liebe zu begreifen, die sein Ideal war. So fuhr er ihr nur leicht und zärtlich über das schöne Haar.

»Lesen Sie die Verse, wann Sie wollen, Lottchen. Morgen sagen Sie mir dann, wie sie Ihnen gefallen haben.«

Lotte nickte stumm und machte langsam ihre Hand aus der seinen, heiss pulsierenden, los. Sie fürchtete sich vor den glühenden Schauern, die sie das letzte Mal so nahe bei ihm durchbebt hatten.

»Weshalb haben Sie sich so lange nicht sehen lassen, Fräulein Lottchen? Waren Sie mir böse?«

»O nein, aber es gab viel zu thun, ich hatte zum Lesen keine Zeit – und auch nicht zum Kommen –«

»Und mich fragen Sie gar nicht, weshalb ich seit jenem Abend nicht nach Ihnen gesehen – Ihnen nicht einmal geschrieben habe? Haben Sie gar nicht daran gedacht?«

Lotte antwortete nicht. Sie konnte ihm doch nicht sagen, dass sie zwischen Bangen und zweifelnden Fragen und heisser, uneingestandener Freude an nichts gedacht hatte als an ihn.

»Ich hatte auch zu thun, Fräulein Lottchen. Ich wollte Ihnen gern eine Freude bereiten – wissen Sie welche?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ich habe ein paar Skizzen geschrieben, so im landläufigen Sinn, dran ist nicht viel, – und nun raten Sie einmal!«

Sie errötete und sah fragend zu ihm auf, der schon wieder dicht vor ihr stand.

»Ich habe die Skizzen verkauft, Lottchen, an eine grosse Zeitung und Geld dafür bekommen – eine ganze Menge Geld, und deshalb könnt' ich Ihnen heut eine Weihnachtsfreude bereiten und morgen –«

In diesem Augenblick trat Frau Wohlgebrecht ein, und mit ihr zog der würzige Duft der Weihnachtskarpfen in das Zimmer.

»Schnell, schnell, Kinder, es ist angerichtet.«

Sie gingen in das kleine Esszimmer nebenan. Gerhart hatte den Tisch mit Tannenzweigen geschmückt, die ihren Duft angenehm und echt weihnachtlich mit dem der Karpfen mischten.

In der Mitte des Tisches stand eine Champagnerflasche, rings herum drei Weingläser. Sektkelche gab es im Hause Wohlgebrecht nicht. –

Die gutherzige Wirtin strahlte, als sie Lottchens erstauntes Gesicht sah.

»Na, was sagen Sie nun, Herzchen? Alles der Junge.«

Und sie tätschelte den grossen Menschen zärtlich auf den Rücken wie ein kleines Kind.

»Er hat Ihnen wohl schon gebeichtet, Lottchen?

Aber das ganze gute Geld musste nun auch gleich zum Fenster hinaus!

Für Sie hat er ja denn auch noch eine grosse Ueberraschung vor! Darf ich, Gerhart?«

»Weshalb nicht, Tantchen!«

»Für morgen hat er zwei Theaterbillette gekauft, zu einem neuen Stück im Deutschen Theater. Da will er mit Ihnen hingehen.«

»Mit mir?«

»Ja, Fräulein Lottchen, mit Ihnen, wenn Sie meine Einladung nicht verschmähen?«

»Und Ihre Frau Tante?«

Frau Wohlgebrecht lachte.

»Ich? Gott soll mich bewahren! Keine zehn Pferde kriegen mich in so 'n modernes Stück. Ich geh' nur ins Schauspielhaus oder ins Berliner auf 'n Abonnementsplatz und seh mir den ollen Schiller an oder 'mal die »Zärtlichen Verwandten«, oder so was. Gehen Sie in Gottes Namen allein mit ihm. Für mich ist so was nichts.«

Lotte machte ein tötlich verlegenes Gesicht.

»Na, Sie werden sich doch nicht genieren, Kind? Wenn ich es erlaube, ist's auch in Ordnung und nichts dabei, und allzu etepetete muss man auch nicht sein, wenn man jung ist.«

Gerhart, der Lotte gegenüber sass, warf ihr einen flehenden Blick zu.

O Gott, nein, sie konnte nicht ablehnen. Sie durfte ihn nicht erzürnen, er hatte es wahrlich nicht um sie verdient.

So hob sie die Augen mutig zu ihm auf und sagte ernst und herzlich:

»Es ist nicht so wie Ihre Tante meint. Nur gegen mein armes Muttchen ist es nicht ganz recht gehandelt, wenn ich jetzt schon ins Theater gehe, aber dennoch, ich nehme es dankbar an.«

»Bravo«, rief Frau Wohlgebrecht, die dem »lieben Wurm« gern das Beste gönnte.

Gerhart sagte nichts. Er hob nur sein sektgefülltes Glas gegen sie auf und blickte sie mit strahlenden Augen an. Er versprach sich so unendlich viel von diesem Abend. Schwer hätte es ihn getroffen, wenn sie sich ernsthaft geweigert hätte.

Im Laufe des Abends erzählte er ihr von dem Stück, in das sie morgen zusammen gehen wollten. Zwar hatte er es von der Bühne noch nicht gesehen, aber er kannte es längst vom Lesen.

Es war Hauptmanns »Versunkene Glocke«.

Als Lotte hörte, dass es ein tiefernstes Werk sei, was Herr Schmittlein ihr zeigen wollte, beruhigte sich ihr aufgeschrecktes Gewissen. Nein, damit würde sie an der toten Mutter kein Unrecht begehen. Auch von dem Dichter erzählte ihr Gerhart. Er sagte ihr, dass er ihn für den Genialsten unter den Modernen halte und dass es sein grösster Stolz sei, denselben Namen zu tragen wie er.

So eilten die Stunden wie im Fluge dahin. Es war elf Uhr, als Lotte, von Gerhart geleitet, nach Hause ging. Während des kurzen Weges wurde kaum noch ein Wort zwischen ihnen gewechselt. Hand in Hand, als ob es nicht anders sein könne, gingen sie schweigend durch die stille, milde, sternenhelle Nacht.

Lena schlief schon, aber Lotte konnte sich lange nicht entschliessen, ihr Lager aufzusuchen.

Sie zündete die Lampe an und setzte sich mit Gerharts Gedicht unter den Weihnachtsbaum. Nachdem sie es gelesen hatte, zog eine grosse, weihevolle Zärtlichkeit in ihr Herz. Lotte wusste nicht, galt sie der toten Mutter, galt sie ihm, der der Teuren so herzliche Worte ins Grab nachgesungen hatte. Inbrünstig drückte sie das Blatt an die Lippen. Nachts musste es unter ihrem Haupte ruhen. So war es ihr, als habe sie von beiden ein Stück Liebe bei sich, von der Mutter und dem Freund. –

Als sie am nächsten Abend neben Gerhart im Deutschen Theater sass, kam sie sich wie in einer anderen Welt vor.

Sie hatte sich ein Berliner Theater zwar viel schöner, eleganter und lichter vorgestellt, als dieses grosse, düstere, unschmucke Haus, aber die überwältigende Menge von Menschen, die es füllte, die eleganten Festtagstoiletten der Damen, besonders in den Logen, das geheimnisvolle Raunen und Rauschen und Tuscheln, das Gesumm und Gesurr, ehe der Vorhang sich hob, war ihr schon etwas so ungewohntes, dass es ihr völlig den Kopf benahm.

Gerhart hatte sich die für seine Verhältnisse ungeheuerliche Ausgabe gemacht, zwei Parquetplätze zu kaufen. So sassen sie mitten drinnen in dem bunten, lebhaften Getriebe, und Lotte kam sich in ihrem schlichten schwarzen Kleid unter all' den geputzten, feiertäglich angethanen Menschen wie ein Schatten, wie ein Nichts vor. Nur wenn sie zu Gerhart aufsah, der ernst und feierlich dasass wie in der Kirche, fühlte Lotte sich wieder gehoben.

War sie nicht an der Seite eines Dichters, als seine Freundin, als seine Vertraute! Konnte dieser Dichter nicht einst ebenso gross und berühmt werden, wie der, dessen Werk sie nun hören und sehen sollte! Und war diese Gemeinschaft nicht ein weit herrlicherer Schmuck als das prächtigste Festtagsgewand!

Mit einem Blick grenzenloser Dankbarkeit blickte sie zu Gerhart auf. Tief und lange erwiderte er den Blick und still liess sie es geschehen, dass seine Hand liebkosend wieder und wieder über die ihre fuhr.

So, in weihevoller Stimmung sassen sie beide da, bis der Vorhang sich hob. Lotte lauschte vorgebeugten Hauptes.

Es kam ihr schwer an, diese eigentümliche Sprache zu verstehen, die ihrem Ohr oft wie ein gänzlich fremdes Idiom klang. Aufs äusserste strengte sie sich an, dem Dialog und der Entwicklung der Handlung zu folgen; sie wollte so über alles gern Gerharts Vertrauen rechtfertigen und eine Dichtung bewundern, die er so hoch stellte. Aber je mehr sie sich darein zu vertiefen suchte, je weiter die Handlung fortschritt, um so verwirrter und enttäuschter wurde sie.

Das einzige, was sich für ihr Verständnis klar heraushob, war das Verhältnis des Glockengiessers zu seiner Frau. Und das missbilligte sie aus tiefster Seele. Dass Heinrich sein braves Weib verlassen konnte, das sich so herzlich um ihn gebangt hatte, dass er seiner kleinen Kinder vergass, um dem fremden, schönen Rautendelein zu folgen, darin konnte sie nicht, wie Gerhart, eine grosse, befreiende That erblicken. Wenn so viel Sünde nötig war, um den Menschen zum echten Künstler zu machen, dann war ja das Talent weit mehr ein Fluch als ein Segen. O Gott, nein, sie konnte Gerharts Anschauungen über diesen Punkt ganz und gar nicht teilen.

Für Lotte war das Scheiden Heinrichs von seiner Frau keine Notwendigkeit, sie konnte in dem Zusammenleben des Glockengiessers mit Rautendelein nichts poetisch Hinreissendes erblicken. Ganz im Gegenteil, abschreckend, verdammenswert schien ihr das eine wie das andere, und wie ein Stich ging's ihr durchs Herz bei dem Gedanken, dass Gerhart Schmittleins freie Liebe am Ende auch nichts anderes sei als das, was sie heute vor sich sah. Sie hasste das schöne Rautendelein mit all seinen Künsten und Wundern für das, was es an den armen Glockengiessersleuten verschuldet hatte.

Auch für den schwermütigen Humor des Nickelmann, für den faunischen des Waldschrat zeigte Lotte nicht das geringste Verständnis.

Von allen Personen des Stückes liess sie allein den Pfarrer, Frau Magda und die unschuldigen Kindlein gelten.

Gerhart war in Verzweiflung. Ausserordentliches hatte er sich von dem Eindruck des Werkes auf ihr empfängliches Gemüt erwartet. Und nun musste er einsehen, dass er in seiner Hast, sie zu dem zu machen, was ihm einzig ersehnenswert dünkte, nur vorschnell und übereilt gehandelt hatte. Der Wunsch war diesmal der Vater eines gänzlich verfehlten Gedankens gewesen. Nicht sie, ihn traf die Schuld. Mehr als ungerecht, knabenhaft kindisch war es von ihm gewesen, von Lotte heute schon ein Verständnis für eine solche Dichtung zu erwarten.

Bei der Ungeduld, die ihn marterte, Lotte ganz für sich zu gewinnen, war es doppelt hart, sich das eingestehen zu müssen. Alles, alles erwartete er von ihr.

Mit Seele und Leib sollte sie sein werden, seine Muse, sein Geschöpf!

Beinahe vom ersten Augenblick an, da er sie gesehen, hatte er das Gefühl gehabt, dass es ohne dieses Mädchen jemals weder Erfolg noch Glück für ihn geben könne.

Je länger sich dieses Zusammenschmelzen verzögerte, je brennender wurde sein Verlangen danach. Wie lange sollte er noch warten? Von Kind an war er leidenschaftlicher Natur gewesen. Was er begehrte, musste er besitzen. Besass er aber erst einmal, so war es zumeist mit der Lust am Besitz auch schon vorbei gewesen. Oft schon hatte er begehrt, oft schon hatte der Ueberdruss am Erreichten ihn gepackt, aber so sehnsüchtig, so mit allen Fibern hatte er noch nie nach etwas verlangt, wie danach, die friedlich schlummernde Seele, die schlafenden Sinne dieses keuschen, reinen, zärtlichen Geschöpfs zu wecken.

Dass er Lottes Herz längst besass, wusste er. Aber nach dieser altmodischen, madonnenhaften Liebe fragte er nicht. Er, der Verkünder der freien Leidenschaft, der moderne Rebell gegen alles Bestehende, wollte das Weib und seine Liebe so, gerade so, wie sein Programm es erforderte.

Wie eine mächtig auflodernde Flamme wollte er des Weibes Liebe haben. Glut und Verheerung sollte sie bringen. Mit loderndem Wonnebrand den Geliebten umschliessen zu kurzem überseligem Rausch. Und wie ein Phönix aus der Asche dieses Glutenbrandes wollte er dann selbst zu höchster Meisterschaft erstehen. So und nicht anders wollte er lieben und geliebt sein.

Als sie nach dem Schluss der Vorstellung durch die Strassen gingen, brannte das alles wieder in Gerhart auf. Mit ungeduldigem Zorn presste er ihre Hand zwischen seinen Fingern. Er war nahe daran brutal zu werden, aber ihre zärtliche Sanftmut entwaffnete ihn.

»Ich weiss, Sie zürnen mir. Haben Sie nur noch ein wenig Geduld! Vielleicht lerne ich noch alles was Sie wünschen. Bitte, Herr Schmittlein, zürnen Sie mir nicht. Ich kann's nicht ertragen, wenn Sie böse auf mich sind.«

Und dabei hob sie das feine, zärtliche Gesichtchen mit den warmen, unschuldigen Augen zu ihm auf wie ein Kind, das der Mutter Verzeihung erfleht.

Er beugte sich zu ihr nieder und küsste sie auf den Mund, ganz kurz und sanft, um sie nicht noch mehr einzuschüchtern. Dann aber presste er, von Leidenschaft übermannt, ihre beiden Hände zwischen die seinen und stöhnte:

»Versprich mir, dass Du mich begreifen willst, oder ich gehe zu Grunde. Durch Dich will ich werden, was ich werden kann. Du darfst mich nicht im Stich lassen, es wäre Sünde, Verbrechen. Schwöre mir, dass Du es nicht willst!«

»O Gott, ja – ja was Sie wollen, ich will es thun!«

»Du schwörst es?«

»Ja.«

Und sie an sich pressend rief er:

»Ich werde Dich an diesen Schwur erinnern. Bald, bald!«

* * *

 


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