Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 2
Alexander Dumas

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XLVIII.

Das Portefeuille der Königin.

Dieses wirkliche oder eingebildete Vermögen, das Jeanne von Valois mit sich forttrug. Niemand fühlte die Wichtigkeit desselben so sehr, als die Pferde, welche sie von Versailles wegführten.

Wenn je Pferde, die angetrieben wurden, einen Preis zu gewinnen, auf der Rennbahn flogen, so waren es diese zwei armen Rosse eines Miethwagens.

Von der Gräfin angestachelt, machte der Kutscher sie glauben, sie seien die leichten Vierfüßler der Landschaft Elis. und es seien zwei Talente Gold für den Herrn und eine dreifache Ration geschälte Gerste für sie zu gewinnen.

Der Cardinal war noch nicht ausgefahren, als Frau von La Mothe mitten in seinem Hotel und mitten unter seinen Leuten bei ihm ankam.

Sie ließ sich ceremoniöser melden, als sie dieß bei der Königin gethan hatte.

»Sie kommen von Versailles?« sagte er.

»Ja, Monseigneur.«

Er schaute sie an, sie war unerforschlich.

Sie sah seinen Schauer, seine Traurigkeit, sein Mißbehagen, und hatte mit nichts Mitleid.

»Nun?« fragte er.

»Nun! lassen Sie hören, Monseigneur, was wünschen Sie? Sprechen Sie ein wenig, damit ich mir nicht zu viel Vorwürfe mache.«

»Ah! Gräfin, Sie sagen mir das mit einer Miene ...«

»Nicht wahr, mit einer betrübenden?«

»Mit einer tödtenden.«

»Sie wollten, ich solle die Königin sehen?«

»Ja.«

»Ich habe sie gesehen. Sie sollte mich von Ihnen sprechen lassen, sie, die wiederholt ihre Abneigung gegen Sie und ihre Unzufriedenheit, wenn sie Ihren Namen aussprechen hörte, bezeigt hatte?«

»Ich sehe, daß ich, wenn ich diesen Wunsch gehabt habe, auf die Erfüllung desselben verzichten muß.«

»Nein, die Königin hat mit mir von Ihnen gesprochen.«

»Oder vielmehr, Sie sind so gut gewesen, mit ihr von mir zu sprechen?«

»Es ist wahr.«

»Und Ihre Majestät ... hat zugehört?«

»Das verdient eine Erläuterung.«

»Sagen Sie mir kein Wort mehr, Gräfin, ich sehe, welchen Widerwillen Ihre Majestät gehabt hat ...«

»Nicht zu sehr ... Ich habe es gewagt, vom Halsband zu sprechen.«

»Sie wagten es, zu sagen, ich habe daran gedacht ...«

»Es für sie zu kaufen, ja.«

»Oh! Gräfin, das ist herrlich: und sie hat zugehört?«

»Ja.«

»Sie haben ihr gesagt, ich biete ihr die Diamanten an?«

»Sie hat es geradezu ausgeschlagen.«

»Ich bin verloren.«

»Ausgeschlagen, das Geschenk anzunehmen, ja; das Darlehen ...«

»Das Darlehen! ... Sie hatten dem Anerbieten eine so zarte Wendung gegeben?«

»So zart, daß sie es angenommen hat.«

»Ich leihe der Königin, ich! ... Gräfin, ist das möglich?«

»Das ist mehr, als wenn Sie schenkten, nicht wahr?«

»Tausendmal mehr.«

»Ich dachte es wohl. Jedenfalls nimmt Ihre Majestät an.«

Der Cardinal stand auf und setzte sich dann wieder. Er rückte bis zu Jeanne, ergriff ihre Hände und sagte:

»Täuschen Sie mich nicht, bedenken Sie wohl, daß Sie mich mit einem einzigen Worte zum allerunglücklichsten Menschen machen können.«

»Man spielt nicht mit Leidenschaften, Herr Cardinal; das ist gut bei der Lächerlichkeit, doch die Männer von Ihrem Rang und Verdienst können nie lächerlich sein.«

»Das ist wahr. Was Sie mir sagen, ist also ...«

»Die strenge Wahrheit.«

»Ich habe ein Geheimniß mit der Königin?«

»Ein Geheimniß ... ein tödtliches ...«

Der Cardinal eilte auf Jeanne zu und drückte ihr zärtlich die Hand.

»Ich liebe diesen Händedruck,« sprach die Gräfin, »so drücken wahre Menschen einander die Hand.«

»So drückt ein glücklicher Mensch seinem Schutzengel die Hand.«

»Monseigneur, übertreiben Sie nicht.«

»Oh! meine Freude, meine Dankbarkeit, nie ...«

»Sie übertreiben die eine und die andere. Anderthalb Millionen einer Königin leihen, ist es nicht das, was Sie brauchten?«

Der Cardinal seufzte.

»Buckingham hätte etwas Anderes verlangt, nachdem er seine Perlen auf dem Boden des königlichen Gemaches ausgestreut.«

»Was Buckingham bekommen hat, Gräfin, will ich mir nicht einmal wünschen, und wäre es im Traum.«

»Sie werden sich hierüber mit der Königin erklären, denn sie hat mir Befehl gegeben, Ihnen zu verkündigen, Monseigneur, sie würde Sie mit Vergnügen in Versailles sehen.«

Die Unvorsichtige batte nicht so bald dieses Wort ausgesprochen, als der Cardinal weiß wurde wie ein Jüngling unter dem ersten Liebeskuß, Er tappte wie ein Betrunkener nach dem Lehnstuhl, der in seinem Bereiche stand.

»Ah! ah!« dachte Jeanne, »das ist noch ernster, als ich glaubte. Ich hatte von der Herzogswürde, von der Pairie, von hunderttausend Livres Einkünfte geträumt, ich werde bis zum Fürstentitel, bis zur halben Million gelangen, denn Herr von Rohan handelt weder aus Ehrfucht, noch aus Geiz, sondern aus Liebe.«

Herr von Rohan erholte sich schnell. Die Freude ist keine Krankheit, welche lange währt, und da er ein starker Geist war, so hielt er es für geeignet, mit Jeanne von den Angelegenheiten zu reden, um sie vergessen zu machen, daß er mit ihr von der Liebe gesprochen.

Sie ließ ihn gewähren.

»Meine Freundin,« sagte er, indem er Jeanne in die Arme schloß, »was gedenkt die Königin bei dem Anlehen zu thun, das Sie ihr unterbreitet haben?«

»Sie fragen mich das, weil man glaubt, die Königin habe kein Geld?«

»Ganz richtig.«

»Wohl! sie verlangt sie zu bezahlen, als ob sie Böhmer bezahlte, nur mit dem Unterschied, daß, wenn sie von Böhmer gekauft hätte, ganz Paris es erführe, was seit dem berühmten Worte mit dem Schiff unmöglich ist, und daß, wenn sie den König das Maul hängen machte, ganz Frankreich Grimassen schneiden würde. Die Königin will also die Diamanten im Einzelnen haben und sie im Einzelnen bezahlen. Sie liefern ihr die Gelegenheit dazu; Sie sind ihr ein verschwiegener Cassier, ein zahlungsfähiger Cassier, falls sie in Verlegenheit käme; sie ist glücklich und sie bezahlt; verlangen Sie nicht mehr.«

»Sie bezahlt! Wie?«

»Die Königin, eine Frau, welche Alles begreift, weiß wohl, daß Sie Schulden haben, Herr Cardinal, und dann ist sie stolz; es ist keine Freundin, welche Geschenke annimmt ... Als ich ihr sagte, Sie haben zweimal hundert und fünfzigtausend Livres vorausbezahlt ...«

»Sie haben ihr das gesagt?«

»Warum nicht?«

»Das hieß ihr die Sache sogleich unmöglich machen.«

»Das hieß ihr das Mittel, den Grund der Annahme verschaffen. Nichts für Nichts, das ist der Wahlspruch der Königin.«

»Mein Gott!«

Jeanne steckte ruhig die Hand in ihre Tasche und zog dann das Portefeuille Ihrer Majestät hervor.

»Was ist das?« fragte Herr von Rohan.

»Ein Portefeuille, welches für zweimal hundert und fünfzigtausend Livres Cassenbillets enthält.«

»Wahrhaftig?«

»Und die Königin schickt sie Ihnen mit einem schönen Gruß.«

»Oh!«

»Das Geld ist darin, ich habe es gezählt.«

»Es handelt sich wohl hierum!«

»Doch nach was schauen Sie?«

»Ich schaue dieses Portefeuille, von dem ich nicht wußte, daß Sie es besaßen.«

»Es gefällt Ihnen, obgleich es weder schön, noch reich ist.«

»Es gefällt mir, ich weiß nicht, warum.«

»Sie haben einen guten Geschmack.«

»Sie spotten meiner? In welcher Hinsicht sagen Sie, ich habe einen guten Geschmack.«

»Allerdings, da Sie denselben Geschmack haben, wie die Königin.«

»Dieses Portefeuille ...«

»Gehörte der Königin, Monseigneur.«

»Ist Ihnen daran gelegen?«

»Oh! viel.«

Herr von Rohan seufzte.

»Das begreift sich,« sagte er.

»Wenn es Ihnen jedoch Vergnügen machen würde,« versetzte die Gräfin mit einem Lächeln, das die Heiligen in's Verderben führt.

»Zweifeln Sie nicht daran, Gräfin; doch ich will Sie nicht berauben.«

»Nehmen Sie es.«

»Gräfin!« rief der Cardinal, fortgerissen von seiner Freude,

»Sie sind die kostbarste Freundin, Sie sind die geistreichste Freundin, die ...«

»Ja. ja.«

»Und es ist unter uns ...«

»Auf Leben und Tod! man sagt das immer. Nein, ich habe nur ein einziges Verdienst.«

»Welches?«

»Das, Ihre Angelegenheiten mit ziemlich viel Glück und mit großem Eifer betrieben zu haben.«

»Wenn Sie nur dieses Glück hätten, meine Freundin, so würde ich sagen, ich komme Ihnen an Werth beinahe gleich, insofern ich, während Sie nach Versailles gingen, arme Theure, auch für Sie gearbeitet habe.«

Jeanne schaute den Cardinal mit Erstaunen an.

»Ja, eine Erbärmlichkeit,« sagte er. »Ein Mann, mein Banquier, kam zu mir und trug mir Actien bei einem Geschäfte an, das die Austrocknung oder Ausbeutung von Sümpfen betrifft.«

»Ah!«

»Der Nutzen war sicher, und ich nahm den Vorschlag an.«

»Und Sie haben wohl daran gethan.«

»Oh! Sie werden sehen, daß ich Sie in meinem Geiste immer auf den ersten Rang stelle.«

»Auf den zweiten, das ist noch mehr, als ich verdiene; doch lassen Sie hören.«

»Mein Banquier gab mir zweihundert Actien, ich nahm für Sie den vierten Theil, die letzten.«

»Oh! Herr Cardinal.«

»Lassen Sie mich doch machen. Zwei Stunden nachher kam er zurück. Nur die Thatsache des Unterbringens der Actien an diesem Tage allein hatte ein Steigen von hundert Procent bewerkstelligt. Er gab mir hunderttausend Livres.«

»Eine schöne Speculation!«

»Von der hier Ihr Antheil ist, liebe Gräfin, ich will sagen, theure Freundin.«

Und er ließ aus dem Päckchen von zweimal hundertfünfzigtausend Livres, die ihm die Königin geschickt, fünf und zwanzigtausend Livres, in die Hand Jeanne's schlüpfen.

»Es ist gut, Monseigneur, wer gibt, soll auch empfangen. Was mir jedoch am meisten schmeichelt, ist, daß Sie an mich gedacht haben.«

»Es wird immer so sein,« erwiderte der Cardinal, indem er ihr die Hand küßte.

»Seien Sie auf ein Gleiches gefaßt,« sprach Jeanne ... »Monseigneur, auf baldiges Wiedersehen in Versailles!«

Und sie entfernte sich, nachdem sie ihm eine Liste der von der Königin gewählten Termine gegeben hatte, deren erster, auf einen Monat gestellt, eine Summe von fünfmal hunderttausend Livres betrug.


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