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Der Schatz im Krater

Mr. Garrison in der deutschen Station. Rudis »Klamottenkiste«. Garrison als Prospektor. Professor Eggerth bei Exzellenz Schröter. Eine Million im Laboratorium. Georg Berkoff blufft Garrison. Der Sturz in die Schneekuhle. Ein Funkspruch geht nach Deutschland.

Dr. Wille experimentierte auf dem Hof mit den neuen Kondensatoren. Dr. Schmidt stand neben ihm, seinen Chronometer in der Hand, und machte ein Gesicht, bei dessen Anblick, wie Hagemann sich ausdrückte, die Milch sauer werden mußte. Krachend schlug gerade ein Kondensatorenfunke über. Der lange dürre Schmidt, die Augen starr auf die Uhr gerichtet, kniff die Lippen noch fester zusammen.

»Was haben Sie denn, Schmidt?« fuhr ihn Wille unwirsch an. »Die Sache funktioniert doch.«

»Nicht schnell genug, Herr Wille. Wir sind hier nicht an der richtigen Stelle.«

»Ja, in drei Teufels Namen, was sollten wir denn nach Ihrer Meinung tun?«

»Mit unsern Magnetometern auf die Suche gehen, Herr Wille, bis wir den Punkt finden, an dem die magnetischen Kraftlinien genau senkrecht in den Erdball eintreten.«

Dr. Wille richtete sich auf und blickte in die Runde über das weite Schneefeld.

»Netter Vorschlag von Ihnen! In dieser Schneewüste auf die Suche gehen, bis wir den Punkt finden . . . wo vermuten Sie ihn denn ungefähr?«

Dr. Schmidt zuckte die Achseln.

»Ist schwer zu sagen, Herr Wille. Wahrscheinlich weiter südlich, vielleicht auch ein paar hundert Kilometer nach Osten oder Westen verschoben. Man müßte versuchsweise nach Süden wandern und dabei ständig die Inklination messen. Dann würden wir den Punkt schon finden.«

Dr. Wille hüllte sich fester in seinen Pelz. »Ein schauderhafter Gedanke, Schmidt, Hunderte von Kilometern durch die Schneewüste zu ziehen. Nachts im Zelt kampieren . . . man friert bei dem Gedanken daran . . .«

»Die Eggerth-Werke müßten uns natürlich einen großen guten Kraftwagen schicken«, unterbrach ihn Schmidt. »Der Wagen müßte in allen Teilen aus unmagnetischen Stoffen bestehen, so daß man zuverlässige Messungen im Wageninneren vornehmen kann, und man müßte auch bequem darin schlafen können. Dann läßt sich die Sache schnell erledigen.«

»Und nachher müßten wir mit unserer ganzen Station nach diesem Punkt übersiedeln, nicht wahr, Herr Schmidt? Das ist doch Ihrer Rede Sinn? Würden Sie mir vielleicht verraten, wer den Umzug bezahlen soll?«

Über die hölzernen Züge Schmidts glitt ein verunglücktes Lächeln.

»Die Eggerth-Werke natürlich, Herr Wille. Sie erbieten sich ja in ihren Funksprüchen fast täglich dazu.« Er griff in seinen Pelz und zog ein zerknittertes Telegramm hervor.

»Hier, da haben Sie eine Depesche von vorgestern. Professor Eggerth ist der Meinung, daß wir achthundert Kilometer südlich viel bessere Arbeitsverhältnisse haben würden.«

Dr. Wille warf ärgerlich den Kopf zurück.

»Was versteht der Professor von Geophysik? Der Mann soll seine Flugzeuge bauen und sich um seinen eigenen Kram kümmern.«

»Seien Sie nicht undankbar, Herr Dr. Wille«, unterbrach ihn Schmidt in schärferem Tone. »Ohne die Unterstützung von Professor Eggerth wären wir nicht hier.« Bei den letzten Worten wollte er zum sich Gehen wenden, und Dr. Wille hielt es für geboten einzulenken.

Sie standen bei den Apparaten immer noch in ihren Disput verwickelt, als Rudi über den Hof gelaufen kam. Schon von weitem schwenkte er ein Stück Papier.

»Wir bekommen Besuchs Vater, ein Funkspruch von einem Mr. Garrison von der Sternwarte in Pasadena. In einer Stunde gedenkt er hier zu landen.«

»Da haben Sie die Bescherung, Schmidt«, knurrte Dr. Wille und stopfte das Telegramm wütend in seinen Pelz. »Der Yankee wird hier bei uns schnüffeln, und dann wird sich die amerikanische Konkurrenz auf den besten Platz setzen.«

»Darin müssen wir ihr eben zuvorkommen«, wollte Schmidt den alten Streit von neuem beginnen, aber Dr. Wille mochte im Augenblick nichts mehr davon hören. Begleitet von Rudi ging er zur Funkstation, um weitere Nachrichten von dem amerikanischen Flugschiff zu hören. – – –

»Pünktlich ist der Yankee«, brummte Wille vor sich hin, als 55 Minuten nach dem Empfang des ersten Funkgespräches ein Flugzeug am nördlichen Horizont sichtbar wurde und schnell näher kam. Es war eine gute englische Maschine, aber mit den ultraschnellen Stratosphärenschiffen der Eggerth-Werke durfte man sie natürlich nicht in einem Atem nennen. Mr. Garrison war mit der großen amerikanisch-australischen Luftlinie von Pasadena nach Melbourne gekommen und hatte die Maschine dort für den Flug nach der deutschen Südpolstation gechartet. Bis dorthin waren es von Melbourne noch reichlich 4000 Kilometer, und nur auf die bindende Zusicherung hin, daß in der deutschen Station neuer Treibstoff genommen werden könne, hatte der Eigentümer der Maschine sich zu dem Flug bereit finden lassen.

Über eine Hubschraube, die ein sicheres Starten und Landen auf jedem Gelände gestattete, verfügte das englische Flugzeug nicht. Auf der Ausschau nach einer Landungsmöglichkeit kreiste es jetzt über der Station. Hagemann lief ins Freie und steckte einige Wimpel aus, um eine dafür geeignete Stelle zu bezeichnen, während Lorenzen dem englischen Piloten durch Funkspruch Anweisung gab. Dann kam es im Gleitflug herunter und rollte ohne Unfall aus. Als einziger Passagier kletterte Mr. Garrison heraus und stapfte durch den hohen Schnee auf Wille und Schmidt zu.

Die Begrüßung war beinahe so, wie zwischen alten Bekannten, denn obwohl der Amerikaner die beiden Deutschen noch niemals von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte, war er doch über ihre wissenschaftlichen Leistungen genau unterrichtet und ließ das gleich in den ersten Worten durchblicken. Schon während sie von der Landungsstelle her auf das Haus zuschritten, kam eine lebhafte Unterhaltung in Gang, für welche die letzten Arbeiten in der antarktischen Station den Stoff abgaben, und Dr. Willes schlechte Laune verschwand dabei zusehends. Ohne lange Vorrede lud er Mr. Garrison zunächst einmal zu einem kräftigen Imbiß ein. –

Gemütlich saßen sie zu dritt in Dr. Willes wohlig durchwärmtem Arbeitszimmer, das des öfteren als Speiseraum dienen mußte, und taten den Dingen, die der kochgewandte Hagemann vor ihnen aufbaute, alle Ehre an. Die wissenschaftliche Unterhaltung nahm dabei ihren Fortgang, und bald war Mr. Garrison mit dem allezeit streitlustigen Dr. Schmidt in eine lebhafte Debatte über gewisse magnetische Theorien verwickelt, während Dr. Wille diesmal die Rolle des vergnügten Dritten spielen konnte.

Wer weiß, wie lange sich dieser Meinungsaustausch noch hingezogen hätte, wenn Hagemann nicht mit einer Meldung ins Zimmer gekommen wäre.

»Herr Doktor, der englische Pilot hat Treibstoff genommen, er will wieder starten.«

Die Nachricht rief die drei Gelehrten mit jähem Ruck aus der Welt wissenschaftlicher Ideen in die rauhe Wirklichkeit zurück. Garrison sprang auf und griff sich verwirrt an die Stirn.

»Haben Sie mit dem Mann keine Abmachungen wegen des Rückfluges getroffen?« fragte sachlich und trocken wie immer der lange Schmidt.

Garrison mußte bekennen, daß er es versäumt hatte. Er hatte nur einen Flug von Melbourne nach der deutschen Station mit dem Engländer abgemacht und vor dem Start bezahlt.

»Dann ist der Pilot formell in seinem Recht«, entschied Schmidt.

»Aber das ist unmöglich! Ich muß über den Rückflug mit ihm verhandeln«, rief Garrison und wollte das Zimmer verlassen. Wille hielt ihn zurück.

»Sie sind unser Gast, Mr. Garrison. Solange es Ihnen bei uns gefällt. Lassen Sie den Engländer in Gottesnamen abschweben.«

»Besten Dank für Ihre Einladung, Doktor. Aber wie komme ich später von hier wieder fort?«

Dr. Wille lachte.

»Haben Sie schon mal was von Eggerthschen Stratosphärenschiffen gehört?«

Der Amerikaner nickte. »O ja, Dr. Wille, sie fliegen bei uns auf der Strecke Frisko–New-York.«

»Nun, bisweilen verirrt sich auch eins zu uns, Mr. Garrison. Auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es Ihnen doch hoffentlich nicht an. Wir freuen uns, nach langer Einsamkeit einen Gast bei uns zu haben.«

Noch bevor Garrison etwas erwidern konnte, klang von draußen her Motorgeräusch. Der englische Pilot startete bereits, und wohl oder übel mußte Garrison die Einladung Dr. Willes annehmen. – – –

Wie im Fluge verstrichen die nächsten Tage. Mit Interesse verfolgte Garrison Willes Experimente mit den Kondensatoren und Elektronenröhren und gab gelegentlich Ratschläge, die von Sachkenntnis zeugten. Stundenlang diskutierte er mit Schmidt über wissenschaftliche Zukunftsmöglichkeiten und brachte den biederen Doktor durch die Voraussetzungslosigkeit seiner Annahmen öfter als einmal zu heller Verzweiflung.

Aber auch mit den übrigen Mitgliedern der Station hatte er sich angefreundet. Mit Hagemann beriet er sehr gründlich und tiefsinnig die Herstellung gewisser mixed drinks. In der Funkerbude war er ein häufiger Gast und bediente im Verkehr mit Pasadena selber die Morsetaste und auch mit dem jüngsten der kleinen Gemeinschaft, mit Rudi Wille, hatte er schnell Freundschaft geschlossen und kümmerte sich um alles, was der tat und trieb.

»Ein verrückter Kerl ist der Yankee doch«, sagte Dr. Wille zu Schmidt. »Heut morgen traf ich ihn weiß Gott über Rudis Klamottenkiste.«

Selbst der ernste Schmidt konnte seine Heiterkeit nicht verbergen, als dies Wort fiel.

Die ›Klamottenkiste‹, wie Dr. Wille sagte, die Mineraliensammlung, wie Rudi das Ding hochtrabend nannte, gab dem Vater ständigen Anlaß zu sarkastischen Bemerkungen, während der Sohn sie mit dem Eifer des Sammlers hegte und pflegte.

Ein paar besonders schön schimmernde Quarz- und Granitstückchen, die Rudi an schneefreien Stellen in der Umgebung der Station fand, hatten den ersten Anstoß dazu gegeben, und dann war der Junge von der Sammelwut gepackt worden. Wo immer er ein Steinstückchen oder einen Mineralbrocken entdeckte, nahm er ihn mit. Bald reichte ein Pappkarton nicht mehr aus, erst ein Kasten und schließlich eine große Kiste, in der ›St 8‹ einmal hundert Büchsen condensed Milk nach der Station gebracht hatte, wurde nötig, um die Sammlung aufzunehmen. Als der lange Polartag anbrach, unternahm Rudi immer ausgedehntere Wanderungen und kehrte jedesmal mit vollen Taschen zurück. Schon war die erste Kiste ziemlich gefüllt, die Inbetriebnahme einer zweiten nur noch eine Frage der Zeit.

Bei den Mitgliedern der Station fand Rudi wenig Verständnis für seinen Sammelsport. Um so erfreuter war er, als Mr. Garrison sofort Interesse dafür zeigte, als er auch nur andeutungsweise von der Existenz dieser Sammlung hörte. Da hatte Rudi endlich einen Menschen gefunden, der auf seine Pläne einging und mit ihm zusammen in den Schätzen der verpönten Kiste kramte. Und das Schöne dabei war, daß Mr. Garrison offensichtlich über mineralogische Kenntnisse verfügte und auch wußte, wie man eine solche Sammlung wissenschaftlich anlegen und ordnen mußte.

»Den Fundort und das Datum des Fundes, Master Wille. Das ist sehr wichtig«, sagte Garrison, während er ein Stück schweren schimmernden Erzes in der Hand wog. »Das müssen Sie bei jedem Fund auf einer Etikette notieren und dann auf das Stück kleben, dieser Brocken hier zum Beispiel . . . man müßte wissen, wo und wann Sie den gefunden haben?«

Rudi dachte einen Augenblick nach. »Das kann ich Ihnen ziemlich genau sagen, Mr. Garrison. Das Stück habe ich erst vor drei Tagen mitgebracht. Ich fand es ziemlich genau fünf Kilometer südlich von unserer Station.«

Mr. Garrison schien sich von dem Erzbrocken nicht trennen zu können. Noch immer hielt er ihn in der Hand.

»Ein merkwürdiges Mineral, Master Wille. Mehr von der Sorte haben Sie nicht entdeckt?«

Rudi schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Garrison, es war reiner Zufall, daß ich dies Stück fand. Es lag unter dem Schnee, und ich stieß mit dem Fuß dagegen. Möglich, daß sich mehr davon finden läßt, wenn ein ordentlicher Sturm dort mal den Schnee wegfegt.« – –

Zwei Tage nach diesem Gespräch lieh sich Garrison einen tüchtigen Pelz von Dr. Wille, um in Gesellschaft Rudis einen größeren Spaziergang zu unternehmen. Der Amerikaner schlug die Richtung nach Süden ein und schritt so kräftig aus, daß Rudi fast Mühe hatte, ihm zu folgen. Endlos dehnte sich die weite, weiße Ebene vor ihnen, nur hin und wieder von dunklen Stellen unterbrochen, wo der scharfe Nordwind der letzten Tage den Schnee fortgeblasen hatte.

Schon eine Stunde waren sie marschiert. Rudi zog den Amerikaner am Ärmel.

»Wir dürfen uns nicht zu weit von der Station fortwagen, sonst finden wir nicht wieder zurück.«

Schon öfter hatte Garrison vorher zur Verwunderung Rudis auf seine Taschenuhr gesehen. Jetzt zog er sie wieder und hielt sie seinem Begleiter lachend hin.

»Sie vergessen, Master Wille, daß wir in dieser nach Ortszeit gehenden Uhr einen absolut zuverlässigen Kompaß bei uns haben. Sehen Sie hier.« Er hielt die Uhr flach vor sich, so daß der kleine Zeiger nach der Sonne wies, der Zeigerschatten genau unter dem Zeiger lag.

»Sehen Sie, so macht man das. Norden liegt dann genau in der Mitte zwischen der Zwölf und dem kleinen Zeiger. Wenn ich eine Uhr hätte, deren Stundenzeiger in 24 Stunden einen Umgang machte, wäre die Sache noch einfacher. Dann brauchte ich diesen Zeiger nur auf die Sonne zu richten und Norden läge bei der Zwölf.«

»Famose Sache!« rief Rudi begeistert. »Da können wir ja getrost noch ein Stück weitermarschieren.«

»Das wollen wir auch tun«, sagte Garrison, und sie gingen weiter. Aber bei jeder schneefreien Stelle blieb Garrison stehen, und mehr als einmal hatte er Glück bei seinem Suchen. Als sie sich nach fast drei Stunden Marsch schließlich zur Rückkehr entschlossen, trug er ein halbes Dutzend Brocken jenes so merkwürdig schweren und schimmernden Erzes im Gesamtgewicht von etwa einem Kilogramm bei sich. Daß Rudi sich die Tasche seines Pelzes mit allerlei anderm Gestein zum Bersten vollpfropfte, übersah er stillschweigend. – –

In der Station mußte man sich ohne die beiden an den Mittagstisch setzen. Dafür nahm ein anderer Gast an der Mahlzeit teil, Georg Berkoff, der kurz nach dem Aufbruch von Garrison und Rudi mit ›St 9‹ angekommen war, um gewisse, schon seit längerer Zeit bestellte Apparate abzuliefern.

Dr. Wille war über das lange Ausbleiben seines Sohnes etwas beunruhigt, aber Schmidt zerstreute seine Bedenken mit dem Hinweis, daß Garrison schon mehr als eine Expedition in polare Gebiete mitgemacht hätte. Fast zwangsläufig kamen sie danach, trotzdem Lorenzen und Hagemann mit am Tisch saßen, auf das Thema zu sprechen, das sie schon seit Tagen bewegte, auf die Frage: Was will der Amerikaner eigentlich in unserer Station?

»Unsere magnetischen Untersuchungen scheinen ihm ziemlich gleichgültig zu sein«, meinte Schmidt.

»Nach seinen bisherigen Äußerungen scheint man auch in den Vereinigten Staaten nicht die Absicht zu haben, eine Expedition in die Antarktis zu schicken«, sagte Wille.

»Wenn er die wirkliche Absicht der Yankees nicht verschweigt und uns hinters Licht führt«, setzte Schmidt den Gedankengang fort.

Dr. Wille rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich verstehe nicht, was dieser Mr. Garrison neuerdings mit meinem Jungen zu kramen hat? Der lange Ausflug heute wieder . . . irgendeinen Zweck und Sinn muß er doch damit verfolgen . . . aber was kann das sein . . . ich kann doch nicht im Ernst annehmen, daß die stümperhafte Mineraliensammlung Rudis ihn wirklich interessiert . . .«

»Verzeihen, Herr Doktor, wenn ich mich in Ihr Gespräch mische«, unterbrach ihn Lorenzen, »der Amerikaner funkt auf unserer Station oft mit Pasadena . . .«

»Haben Sie Depeschen gesehen?« warf Schmidt ein.

»Gesehen nicht, aber gehört. Ich kann einen Funkspruch aus dem Klappern der Morsetasten ziemlich sicher mit hören . . .«

»Und was haben Sie da gehört?« fragte Berkoff interessiert.

»Er funkt natürlich in englischer Sprache, Herr Berkoff. Aber ich konnte heraushören, daß von Erz, von Gold und Silber etwas vorkam. Dann einmal ›high weight‹, heißt meines Wissens hohes Gewicht. Das war mir nicht ganz verständlich. Man sagt englisch doch besser heavy weight . . .«

»Er meinte spezifisches Gewicht«, raunte Schmidt Dr. Wille zu.

Berkoff preßte die Serviette in seiner Rechten zusammen, daß seine Knöchel weiß wurden. »Haben Sie noch mehr gehört, Lorenzen?«

»Nicht mehr viel, Herr Berkoff. Von einem Stück Erz war noch die Rede, das er gefunden hätte, und er hoffte noch mehr zu entdecken. Ich wollte Ihnen das nur sagen. Der Amerikaner scheint mir so eine Art Prospektor zu sein, der auf irgendwelche Erzfunde aus ist.«

Schmidt und Wille sahen sich eine kurze Weile verdutzt an, dann mußten beide lachen.

»Total verrückt!« platzte Wille heraus, »in der gottverlassenen Gegend hier nach Erzen zu suchen, wo wir auf einer blanken Granitscholle sitzen. Das kriegt auch nur ein Yankee fertig. Meinen Sie nicht auch, Herr Berkoff?« fragte er immer noch lachend den Ingenieur.

»Reichlich überspannt, in der Tat«, erwiderte der, aber er lachte nicht, als er die Antwort gab.

»Kompletter Irrsinn ist es«, sagte Dr. Schmidt in einem Ton, als ob er das letzte Urteil in dieser Sache zu fällen habe. »Kompletter Irrsinn, natürlich. Aber wenn man den Mann über Sonnenelektronen reden gehört hat, kann man auch das von ihm erwarten.«

Dr. Schmidt hatte gut reden. Er wußte ja nichts von einer Analyse, die vor vier Wochen in Pasadena an einem Stückchen Erz gemacht worden war und unter anderm einen Gehalt von 10% Platin und 10% Gold ergeben hatte. Und er konnte auch nichts davon wissen, daß man in Pasadena die deutsche antarktische Station für den Fundort dieses Brockens hielt.

Der einzige am Tisch, der Zusammenhänge ahnte, wenn er sie auch noch nicht klar zu erkennen vermochte, war Berkoff. Kaum war die Mittagsmahlzeit vorüber, als er in die Funkerbude eilte und in dem Geheimkode der Eggerth-Werke einen langen Funkspruch nach Bitterfeld morste. Eine kurze Antwort hielt er in den Händen, als Rudi mit dem Amerikaner nach sechsstündiger Abwesenheit in die Station zurückkam. Aus der Chiffre in Klartext übersetzt, lautete sie: Die Spur verwischen!

*

Professor Eggerth war mit seinem Sohn zusammen im Privatlaboratorium, als man ihm den Funkspruch Berkoffs brachte.

»Es wird Zeit, Hein. Wir dürfen nicht länger zögern.«

Das war alles, was er sagte, nachdem er die Depesche gelesen hatte. Während Hein die Antwort des Professors verschlüsselte und zur Funkstation brachte, stand der alte Eggerth sinnend vor einem Plan, der in einer Ausdehnung von drei Metern im Quadrat die eine Wand des Laboratoriums bedeckte. Er stellte den Bolidenkrater dar. An 200 Stellen waren kleine Kreise eingezeichnet, und neben jedem Kreis stand eine Reihe von Zahlen. Es waren die Analysen der Erzproben, welche ›St 10‹ aus der Antarktis bei seinem letzten Flug nach der Antarktis aus dem Kratergrund mitgebracht hatte. Prüfend glitten seine Blicke noch einmal darüberhin. Dann zog er die Reißnägel, mit denen der Plan an der Wand befestigt war, heraus, faltete ihn zusammen und machte schließlich eine kleine Rolle daraus. Dann hatte er ein längeres telephonisches Gespräch mit Berlin.

Eine halbe Stunde später hielt sein Kraftwagen vor dem Laboratorium. Eine Rolle in der Hand, nahm Professor Eggerth in ihm Platz. Zwei mäßig große Pakete legte Hein noch in den Wagen. Noch ein kurzes Grüßen und Winken, der Wagen rollte aus dem Werk und schlug die Richtung nach Berlin ein. – – –

»Ich habe mich für Sie frei gemacht, mein verehrter Herr Professor, weil Sie mir die Angelegenheit am Fernsprecher als äußerst wichtig und dringend bezeichneten«, empfing ihn Minister Schröter in Berlin im Finanzministerium. »Nehmen Sie bitte Platz. Ich bin bereit, Sie zu hören. Handelt es sich um neue Auslandslinien mit Ihren Stratosphärenschiffen?«

Professor Eggerth setzte sich und begann zu sprechen.

Erstaunt blickte der Minister auf, als der andere von der Antarktis und von dem Sturz eines riesenhaften Boliden erzählte, unterbrach ihn dann:

»Verzeihung, Herr Professor, das scheint mir eine rein wissenschaftliche Angelegenheit zu sein, die Sie besser im Kultusministerium vortragen. Ich verstehe nicht recht, was mein Ressort damit zu tun hat.«

»Sie werden es sofort sehen, Herr Minister. Wollen Sie die Güte haben, dies hier zu öffnen.« Während Professor Eggerth es sagte, schob er dem Finanzminister ein kleines Paket über den Tisch zu. Der griff danach, wollte es anheben und erstaunte über das hohe Gewicht. Befremdet fragte er: »Was soll das? Was ist das, Herr Professor?«

Professor Eggerth reichte ihm lächelnd eine Schere. »Keine Höllenmaschine, Herr Minister. Sie können es getrost öffnen.«

Unter leichtem Kopfschütteln zerschnitt der Minister die Schnur und schlug das Papier auseinander. Ein gelb schimmernder Metallwürfel lag vor ihm.

»Was ist das, Herr Professor?« fragte er noch einmal.

»Es ist Gold, Herr Minister. Gediegenes Gold aus dem Körper jenes Boliden, von dem ich eben sprach, und ich glaube, für Gold ist doch das Finanzministerium an erster Stelle zuständig.«

Wie gebannt blickte der Finanzminister auf den schimmernden Würfel. »Gold, gediegenes Gold?!«

Er griff mit beiden Händen danach, hob das Stück mit Mühe ein wenig empor, ließ es dann wieder auf die Tischplatte sinken.

»Schwer, Herr Professor, sehr schwer . . . an die 40 Pfund schätze ich.«

»Richtig geschätzt, Herr Minister, es ist genau ein Kubikdezimeter Gold im Gewicht von 19,3 Kilogramm.«

Der Minister warf ein paar Zahlen auf ein Blatt Papier und machte eine kurze Rechnung.

»54 000 Mark, Herr Professor. Das ist das Stückchen unter Brüdern wert. Dafür nimmt es Ihnen die Reichsbank sofort ab. Haben Sie noch mehr davon?«

»Hier bei mir nicht, aber in meinem Laboratorium in Bitterfeld. Ich möchte Sie bitten, mich dorthin zu begleiten, wenn wir hier fertig sind.«

»Aber das andere Paket? Sie haben ja noch eins da«, unterbrach ihn der Minister.

»Bitte sehr, Herr Minister.« Der Professor schob ihm das andere Paket auch hin. »Es stammt aus der gleichen Quelle, aber es ist kein Gold.«

»Sondern?«, rief Exzellenz Schröter, während er die Schnur zerschnitt.

Ein silbergrau blinkender Würfel kam zum Vorschein.

»Ist es Silber, Herr Professor?«

»Gediegenes Platin. Ebenfalls ein Kubikdezimeter im Gewicht von 21,5 Kilogramm.«

Nur mit Mühe vermochte der Minister diesen zweiten Würfel ein wenig anzuheben. Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück.

»Bitte, Herr Professor, sprechen Sie weiter. Ich bin bereit, Ihnen zuzuhören, und wenn es Abend darüber werden sollte.«

Professor Eggerth sprach, und nur selten unterbrach ihn während der nächsten Viertelstunde der Minister mit einer kurzen Zwischenfrage oder Bemerkung. Er berichtete von seinen Flügen zu dem Bolidenkrater, von den ersten Erzfunden und den Ergebnissen ihrer Verarbeitung. »Aus den ersten fünf Tonnen habe ich 400 Kilogramm reines Gold gezogen . . .«

»400 Kilogramm, Herr Professor . . . das ist mehr als eine Million Reichsmark Gold . . . das haben Sie in Ihrem Laboratorium?«

»Allerdings, Herr Minister. Deshalb bat ich Sie, nachher mit mir zusammen nach Bitterfeld zu fahren.«

Professor Eggerth berichtete weiter. Er entfaltete dabei den großen Plan, um seine Darlegungen durch Zahlen und Analysen zu unterstützen. Eifrig half ihm der Minister, den großen Karton zu entfalten und auszubreiten. So sehr stand er im Bann von Professor Eggerths Darlegungen, daß er alle Ministerwürde darüber fallen ließ, über die Zeichnung gebeugt, folgte er dem Finger des Professors, der hier und dort auf besonders gehaltreiche Stellen des Kratergrundes hinwies.

»Durch die Analyse an Proben von 200 verschiedenen Stellen des Kratergrundes können wir uns ein ziemlich genaues Bild von der chemischen Zusammensetzung des Boliden machen«, fuhr der Professor in seinen Ausführungen fort. »Den Hauptteil des gewaltigen Meteoriten bildet zweifellos reines Nickeleisen. Es ist aber von starken gold- und platinhaltigen Adern durchsetzt, in denen der Gehalt an diesen Edelmetallen stellenweise über 10% ansteigt.«

Und dann zog Professor Eggerth eine Berechnung hervor und verlas Zahlen über die ungefähre Gesamtmasse des Boliden und den mutmaßlichen Gehalt an Gold und Platin. Der Minister sprang auf und griff sich an den Kopf.

»Halten Sie ein, Herr Professor, mir schwindelt bei Ihren Zahlen. Trifft auch nur ein Bruchteil Ihrer Annahmen zu, so steht Deutschland vor einem Ereignis, das sein Wirtschaftsleben auf Menschenalter hinaus beeinflussen muß. Natürlich kann ich selbst in einer Angelegenheit von derartiger Tragweite keine Entscheidung treffen. Das wird später Sache des gesamten Kabinetts sein. Jetzt werde ich mit Ihnen fahren, ich möchte selbst die Schätze sehen, die Sie in Ihrem Laboratorium haben.«

Er griff zum Telephon, führte noch ein kurzes Gespräch und ging dann mit Professor Eggerth zusammen zu dessen Wagen. Während das Gefährt über die Landstraße dahinrollte, nahm die Unterredung der beiden Herren ihren Fortgang. Professor Eggerth setzte dem Minister auseinander, wie er sich die weitere Aktion dachte. Kühn und gewaltig erschien diesem der Plan, allzu kühn bisweilen, doch als der Wagen nach zweistündiger Fahrt in das Bitterfelder Werk einfuhr, war der Minister bereits für die neuen Ideen gewonnen. – –

Dann standen sie zusammen in dem Laboratorium. Ein Schaltergriff – und Starklicht flutete durch den Raum. Einen einfachen grünen Vorhang zog der Professor zur Seite, und es glänzte und gleißte dem Minister in goldigem und platingrauem Schimmer entgegen. Dutzende der kleinen Würfel, wie er deren zwei in seinem Arbeitszimmer in Händen gehalten hatte, standen hier aufgebaut und bildeten vor der steinernen Wand des Laboratoriums eine zweite unendlich viel kostbarere. Der Minister trat näher heran. Wie liebkosend glitten seine Hände über das kühle glänzende Metall. Hier und dort griff er einen der Würfel heraus, hob ihn empor und erkannte an dem hohen Gewicht, daß er gediegenes Gold oder reines Platin in seinen Händen hielt.

Eine Weile ließ ihn der Professor gewähren. Dann schob er ihm einen Sessel hin und nahm selbst neben ihm Platz. Nachdenklich blickte der Minister auf den Schatz.

»Ich denke, Herr Professor, Sie lassen das Gold zur Reichsbank bringen und sich den Gegenwert . . . es wird wohl eine runde Million sein . . . gutschreiben. Ich werde die Bankleitung anweisen, daß sie Ihnen das Gold ohne unbequeme Rückfragen abnimmt.«

Professor Eggerth wiegte den Kopf hin und her. Leicht stockend begann er zu sprechen.

»Wir könnten eine derartige Stärkung unseres Betriebskapitals in der Tat recht gut gebrauchen, Herr Minister. Trotzdem habe ich gewisse Bedenken . . . gerade im Augenblick muß alles vermieden werden, was auch nur die Spur eines Verdachtes erregen könnte . . .«

Und nun berichtete er dem Minister von dem plötzlichen Erscheinen Mr. Garrisons in der deutschen antarktischen Station und von dem merkwürdigen, ganz unerklärlichen Interesse dieses Amerikaners für die Mineralien in der dortigen Gegend. Zuletzt legte er ihm den Funkspruch Berkoffs vor.

»Ich hoffe, Herr Minister«, schloß er seinen Bericht, »daß es unserem Herrn Berkoff gelingen wird, den Yankee auf eine falsche Fährte zu setzen und unverrichteter Dinge abziehen zu lassen. Aber ich halte es nicht für ratsam, wenn meine Firma gerade jetzt Gold, noch dazu in solcher Menge, in die Reichsbank bringt. Eine derartige Transaktion würde vielleicht doch nicht vollkommen geheim bleiben und könnte unbequeme Folgen haben.«

Nach kurzem Überlegen antwortete der Minister: »Sie haben recht, Herr Professor Eggerth. Wir müssen alles vermeiden, was vorzeitig Verdacht erregen könnte . . . und wir werden so schnell wie möglich in dem von Ihnen angedeuteten Sinne vorgehen. Das Gold muß bis auf weiteres hierbleiben . . . aber wird es hier auch sicher sein?«

»Herr Minister, um die Existenz des Edelmetalles hier weiß außer Ihnen und mir nur noch mein Sohn, der es in monatelanger Arbeit aus den Erzen herausgezogen hat. Kein anderer hat eine Ahnung, daß etwas Derartiges in meinem Laboratorium vorhanden ist.«

»Das ist gut, Herr Professor. Aber Sie erwähnten vor kurzem einen Herrn Berkoff, der auch eingeweiht ist.«

»Doch nicht ganz, Exzellenz. Die Herren Berkoff und Hansen haben zusammen mit meinem Sohn den Sturz des Boliden beobachtet. Sie sind auch zusammen mit mir in dem Krater gewesen, aber über den Edelmetallgehalt der Erze wissen sie nichts Bestimmtes. Obwohl ich den beiden Herren in jeder Beziehung trauen kann, habe ich sie absichtlich im Dunkeln gelassen und auf Ehrenwort zu absolutem Schweigen verpflichtet.«

»Gut, Herr Professor«, der Minister erhob sich, »so muß es auch weiter bleiben, bis wir unsere Vorbereitungen getroffen haben. Die ganze Aktion muß bereits vollendet sein, ehe die Welt ahnt, um was es sich hier handelt. Sie werden in den nächsten Tagen von mir hören.«

In Professor Eggerths Begleitung verließ er das Laboratorium, um nach Berlin zurückzukehren.

*

Georg Berkoff nutzte die Zeit, während Garrison mit Rudi noch unterwegs war, aus, um sich erst einmal gründlich zu informieren und danach einen Plan zu machen. Ein vorsichtiges Gespräch mit Wille und Schmidt gab ihm die Gewißheit, daß die beiden Gelehrten von dem Boliden überhaupt nichts gesehen hatten und nicht im entferntesten daran dachten, die Sturmkatastrophe, von der die Station betroffen worden war, mit einem solchen Ereignis in Verbindung zu bringen. Auch Hagemann in seiner Küche hatte nichts davon gemerkt.

Bedenklicher stand die Sache mit Lorenzen. Der hatte, zusammen mit Rudi, den Meteoriten fallen sehen, aber er verschwor sich Stein und Bein, daß der Absturz in einer Entfernung von höchstens hundert Kilometern erfolgt sei. Für diese vorgefaßte Meinung brachte er eine Reihe von scheinwissenschaftlichen Gründen vor, die sich ganz plausibel anhörten. Berkoff hielt es für angebracht, ihn noch darin zu bestärken. Wenn der verteufelte Amerikaner schon durchaus suchen wollte, so sollte er wenigstens an der falschen Stelle suchen.

Nach der Unterhaltung mit Lorenzen machte Berkoff sich über Rudis Mineraliensammlung her und räumte die große Kiste aus. »Schauderhafter Klamottenkram«, kam es von seinen Lippen, während er Stein um Stein herausnahm. Aber dann stutzte er. Seine Hände hatten ein Stückchen blinkendes Erz von ungewöhnlicher Schwere gegriffen. Ein Zweifel war für ihn kaum möglich, er hielt ein Stückchen jenes wunderbaren Sternenstoffes zwischen seinen Fingern. Schon in großer Höhe mochte es infolge der starken Erhitzung von dem Boliden abgesprengt worden sein, hatte danach seine eigene Bahn beschrieben und war in der Nähe der Station niedergefallen.

Durch einen Zufall . . . einen unglücklichen Zufall, nannte Berkoff es bei sich . . . hatte Rudi das Stück gefunden. Daß auch der Amerikaner es kannte, stand außer Frage. Mit der Tatsache mußte Berkoff rechnen. Er packte die Sammlung wieder ein und zog sich in Dr. Willes Arbeitszimmer zurück, um in Ruhe über die nächsten Schritte nachzudenken.

Als Rudi und Mr. Garrison zurückkehrten, hatte er seinen Plan gefaßt. Nur durch einen riesigen Bluff konnte er den neugierigen Amerikaner unschädlich machen.

Während sich Garrison und Rudi, nach dem langen Marsch ausgehungert, über ihre Mahlzeit hermachten, setzte er sich zu ihnen und fing ein Gespräch über mineralogische Dinge an. Bei Rudi fand er damit ohne weiteres Anklang. Der sprang sofort auf, brachte die Steine, die er gesammelt hatte, herbei und breitete sie am dem Tisch aus. Ausnahmslos waren es Brocken irdischen Gesteins von zum Teil auffallenden Formen und Farben. Berkoff betrachtete sie mit scheinbarem Interesse, obwohl seine Gedanken ganz wo anders waren. Mr. Garrison widmete seine ganze Aufmerksamkeit der Mahlzeit.

»Sie scheinen weniger glücklich als Freund Rudi gewesen zu sein?« fragte ihn Berkoff unvermittelt. Bevor der Amerikaner antworten konnte, platzte Rudi los. »Doch, Herr Berkoff, Mr. Garrison hat ein paar hübsche Stückchen Erz gefunden von der Art, wie ich auch eins in meiner Sammlung habe.«

Die Bemerkung Rudis war dem Amerikaner sichtlich unangenehm. Noch suchte er nach Antworten, um den Eindruck von Rudis Bemerkung zu verwischen, als Berkoff ganz unbefangen sagte:

»Ach so, Rudi, du meinst Meteoritenerz. Da mag wohl hier und dort noch ein Stückchen zu finden sein, obwohl wir die Hauptsache schon vor vier Monaten in Sicherheit gebracht haben.«

Einen Augenblick vergaß es der Amerikaner, den Mund zu schließen, in den er gerade einen Bissen geschoben hatte. Dann raffte er sich zusammen.

»Oh, Mr. Berkoff, Sie sagen Meteoritenerz. Das ist interessant. Wie meinen Sie das?«

Während er die Worte langsam herauskaute, arbeitete sein Gehirn fieberhaft . . . Die Hauptsache in Sicherheit gebracht . . . die Deutschen waren natürlich mit ihrem Stratosphärenschiff dort gewesen . . . hatten von dem Erz eingeladen, was sich finden ließ . . . ein Stückchen davon war im Laderaum liegengeblieben . . . Mr. Haynes hatte es an sich genommen, ganz zwanglos erklärte sich jetzt dieser seltsame Fund, aber im gleichen Augenblick fühlte Garrison auch alle Hoffnungen schwinden, mit denen er hierhergekommen war.

»Das ist schnell gesagt«, erwiderte Berkoff auf seine letzte Frage. »Vor einem halben Jahr ist hundert Kilometer südlich von der Station ein größerer Meteorit niedergegangen. Durch eine Reihe von Beobachtungen war der Funker Lorenzen in der Lage, den Fallort recht genau festzustellen . . . Sie wissen, Mr. Garrison, optische und akustische Erscheinungen eines Ereignisses gestatten eine zuverlässige Entfernungsberechnung . . . jedenfalls interessierte uns die Sache. Bei unserm nächsten Besuch hier machten wir mit unserm Flugschiff einen Abstecher zu der Stelle hin. Es muß ein ganz tüchtiger Brocken gewesen sein, der da vom Himmel fiel, alles in allem konnten wir an die fünf Tonnen Erz an Bord nehmen, bei dem hohen Gehalt an Edelmetall war es ein recht annehmbares Geschäft für uns. Schade, daß nicht mehr von dem Zeug vorhanden war.«

Unruhig rutschte der Amerikaner auf seinem Stuhl hin und her, während Berkoff mit ehrlichstem Gesicht seine Geschichte vorbrachte. Als er geendet hatte, griff er in die Tasche und brachte einige Erzproben zum Vorschein.

»Es ist aber noch mehr von dem Erz vorhanden, Mr. Berkoff, sehen Sie bitte hier, das habe ich heute gefunden, nur etwa fünf Kilometer von der Station entfernt.«

Berkoff zuckte die Achseln.

»Gewiß, Mr. Garrison, das will ich Ihnen gern glauben. Wenn so ein Meteorit in die tiefere Atmosphäre kommt, spritzt er leicht etwas um sich. Die Wissenschaft kennt ja mehr als einen Fall, wo Steinmeteoriten ganz und gar zerplatzten und die Erdoberfläche nur noch in Form eines Steinregens erreichten. Aber bei Erzmeteoren ist das kaum der Fall. Da bleibt die Hauptmasse jedenfalls beisammen, was wir ja auch tatsächlich konstatieren konnten.«

Für den Augenblick brach Berkoff das Gespräch ab. Mochte der Amerikaner die Mitteilungen, die er ihm soeben vorgesetzt hatte, zunächst eine Weile verdauen. Erst am folgenden Morgen kam Berkoff wie zufällig auf das Thema zurück und lud ihn zu einem Flug nach der Fallstelle des Meteoriten ein. Mit Vergnügen ging Mr. Garrison auf diesen Vorschlag ein. Er sprach viel von seinem wissenschaftlichen Interesse an Meteoriten und ähnlichen Erscheinungen, während sie zum Schiff gingen.

»Lüge du und der Deibel!« dachte Berkoff bei sich. »Was du willst, weiß ich, und auf den Leim führe ich dich doch!« In der Tat verband er mit der Einladung zu diesem Flug eine ganz bestimmte Absicht.

Es wäre natürlich verfehlt gewesen, dem Amerikaner irgendeinen Punkt in der endlosen Ebene zu zeigen und zu behaupten, daß dort der Meteor niedergegangen sei. Aber es gab da südlich von der Station und auch etwa hundert Kilometer von ihr entfernt eine Stelle, an der das Gelände dicht neben einer leichten Hügelwelle eine kleine merkwürdig gezackte Mulde bildete. Vielleicht war dort zu irgendeiner Zeit sogar wirklich einmal ein Meteor eingeschlagen. Bei früheren Flügen war Berkoff die Stelle aufgefallen, und er versuchte jetzt, sie wiederzufinden.

Absichtlich vermied er es dabei, in die Stratosphäre zu gehen. In knapp 2000 Metern Höhe strich das Flugzeug über den Boden hin. Nun glaubte er gefunden zu haben, was er suchte. Noch ein paar Kreise zog das Schiff über der verdächtigen Stelle, dann hing es an seiner Hubschraube und sank langsam nach unten. Prüfend blickte Berkoff in die Runde, nachdem sie das Schiff verlassen hatten.

»Hier muß es sein, Mr. Garrison. Leider ist heute alles tief verschneit, der Nordwind hat den Schnee gegen die Hügelkette geweht. Damals hatten wir bessere Verhältnisse. Aber ich kenne die Gegend wieder. Gerade vor uns muß es sein . . .«

Er wollte noch weitersprechen, aber der Amerikaner lief bereits auf die Stelle zu.

»Vorsicht, Mr. Garrison, das Loch ist tief«, schrie ihm Berkoff noch nach. Aber da war das Malheur schon geschehen. Der Amerikaner war über den Rand der etwa zehn Meter tiefen Mulde hinabgestolpert und steckte da unten irgendwo tief im Schnee.

»Na, weh getan wird er sich nicht haben, Schnee ist weich«, ging es Berkoff durch den Kopf, während er vorsichtig Fuß vor Fuß setzend bis zum Rande der Mulde schritt.

»Hallo, Mr. Garrison. Ich habe Sie gewarnt. Haben Sie sich verletzt?« Er schrie es, während er mit den Händen einen Trichter vor seinem Munde bildete. Aus dem Schnee klang es dumpf und undeutlich herauf. Soviel Berkoff verstehen konnte, war der Amerikaner nicht zu Schaden gekommen, aber er war nicht imstande, sich ohne Hilfe aus den Schneemassen herauszuarbeiten.

»Warten Sie, Mr. Garrison, ich gehe zum Schiff zurück und bringe Ihnen eine Leiter«, schrie Berkoff und machte sich auf den Weg.

»Das wird dir schon gut tun, mein Junge«, dachte er dabei, »wenn du aus der Schneekuhle wieder glücklich raus bist, wird dein Wissensdurst hoffentlich ein für allemal gestillt sein.«

Es gab in dem Stratosphärenschiff kurze Aluminiumleitern, die man nach Bedarf zusammenstecken konnte. Sie dienten bei Landungen auf unebenem Gelände zum Verlassen des Schiffes und hatten sich für diesen Zweck gut bewährt. Berkoff griff drei davon und kehrte zu der Unfallstelle zurück.

»Hallo, Mr. Garrison. Sind Sie noch vorhanden?«

Ein unwilliges Brummen aus dem Schnee kam als Antwort auf die Frage. Berkoff steckte die Leitern zusammen und stieß das lange Gebilde dann vorsichtig in den Schnee hinein nach unten, schrie dabei: »Achtung Mr. Garrison, Vorsicht! Die Leiter kommt.«

Er mußte niederknien und die oberste Sprosse noch ein Stück über den Muldenrand nachlassen, dann fühlte er, wie die Leiter festen Grund faßte.

»Leiter steht! Haben Sie sie?« schrie er mit voller Lungenkraft. Mr. Garrison antwortete nicht mehr. Die Luft mochte ihm allmählich knapp geworden sein, aber an den Erschütterungen der Leiter merkte Berkoff, daß der Amerikaner sie gefaßt hatte und sich Stufe um Stufe auf ihr in die Höhe drückte. Es ging nur langsam vorwärts. Öfter als einmal mußte er haltmachen, um wieder frischen Sauerstoff in die Lungen zu pumpen. Aber schließlich war es doch geschafft. Die Schneedecke bewegte sich, und über und über weiß bezuckert wie ein Weihnachtsmann tauchte Mr. Garrison aus ihr heraus. Berkoff streckte ihm die Hand entgegen und zog ihn mit kräftigem Schwung auf sicheren Boden.

»Wie konnten Sie nur, Mr. Garrison?« sagte er dabei. »Ich rief Ihnen doch nach, warnte Sie noch, das hätte leicht böse ausgehen können.«

Garrison atmete in tiefen Zügen und begann dabei sich den Schnee abzuklopfen. Es dauerte eine Weile, bis er wieder Worte fand.

»Wie tief ist das verfluchte Loch denn eigentlich?«

Berkoff lachte. »Tief genug, lieber Garrison, um sich das Genick zu brechen, wenn der Schnee nicht glücklicherweise Ihren Sturz gemildert hätte. Sie werden es gleich sehen.«

Während Berkoff es sagte, machte er sich daran, die Leiter wieder emporzuziehen, und bei jeder Sprosse, die aus dem Schnee auftauchte, wurde Garrisons Gesicht länger.

»Ja, ja mein lieber Herr«, meinte Berkoff, während er die Leiter wieder auseinandernahm, »Sie sind da reichlich zehn Meter runter gesegelt, lassen Sie sichs eine Warnung sein. Es ist schade, daß das Gelände hier so verschneit ist. Sie hätten sich sonst durch den Augenschein überzeugen können, daß wir das Meteoritenerz restlos mitgenommen haben. Hier ist weit und breit kein Stückchen davon liegengeblieben.«

Der Amerikaner brummte etwas vor sich hin, was ebensogut ja wie nein heißen konnte. Ganz offensichtlich hatte der Sturz in die Schneekuhle ihm die Laune gründlich verdorben. Während sie zum Schiff zurückgingen, wollte er wissen, ob die Gegend hier immer so verschneit wäre.

»Das hängt von den Windverhältnissen ab, Mr. Garrison«, beantwortete Berkoff seine Frage. »Ein tüchtiger Südsturm würde die Ebene hier bald blank fegen, in letzter Zeit hatten wir aber, wie Sie aus den meteorologischen Aufzeichnungen der Station ersehen können, vorwiegend leichten Nordwind.«

Sie hatten inzwischen das Schiff erreicht und traten den Rückflug zur Station an.

»Sie kommen oft in diese Gegend, Mr. Berkoff?« wollte Garrison weiter wissen.

Der Deutsche nickte.

»Ich kann wohl sagen ja, Mr. Garrison. Ich bin sozusagen der Verbindungsmann zwischen den Eggerth-Werken und der Station. So durchschnittlich alle zwei Monate hat die Antarktis das Vergnügen, mich zu sehen.«

»Das muß sehr interessant sein für Sie«, meinte der Amerikaner. »Wie lange gedenken Sie diesmal hierzubleiben?«

»Nicht mehr lange, Mr. Garrison. Morgen, spätestens übermorgen wird Dr. Wille mit der Durchprüfung der neuen Apparate, die ich ihm diesmal mitbrachte, fertig sein. Dann gibts noch eine kleine Besprechung und wahrscheinlich einen langen Wunschzettel und danach gehts wieder auf dem schnellsten Wege nach Deutschland. Wenn Sie wollen, Mr. Garrison, nehme ich Sie gern mit.«

»Sehr liebenswürdig von Ihnen, Mr. Berkoff. Ich denke, ich werde Ihre Einladung wahrscheinlich annehmen.«

»Wenn Sie jetzt nicht mitkommen, werden Sie voraussichtlich zwei Monate in der Station bleiben müssen«, sagte Berkoff trocken. ›Du Riesenkamel, nu komm schon mit‹, dachte er im stillen. – –

Die nächsten beiden Tage benutzte der Amerikaner noch zu ausgiebigen Märschen in der südlichen Umgebung der Station, aber das Glück war ihm dabei nicht hold. Er fand kein einziges Stückchen des schweren blinkenden Erzes, nach dem er so eifrig ausspähte. Als Berkoff am Abend des zweiten Tages startete, befand sich Mr. Garrison an Bord von ›St 10‹ und ließ sich nach Deutschland mitnehmen. Aus seinen Gesprächen glaubte Berkoff entnehmen zu können, daß er die Hoffnung, in der Antarktis Erz zu finden, endgültig begraben habe.

*

Zum erstenmal in den beiden Jahrzehnten, während deren die beiden Gelehrten nun schon zusammen arbeiteten, gab es einen regelrechten Krach zwischen Wille und Schmidt. Die Sache nahm ihren Ausgang von dem in den letzten Wochen so oft behandelten Thema: Wollen wir die Station weiter nach Süden verlegen, oder sollen wir hier bleiben? Wie stets bisher war Dr. Wille dafür, an der alten Stelle zu bleiben, während Schmidt energischer als je zuvor für eine Verlegung eintrat.

»Es ist prinzipiell verkehrt, daß wir monatelang . . . bald wird es ein Jahr sein . . . an der gleichen Stelle sitzen, statt durch das Land zu ziehen und die besten Bedingungen für unsere Arbeiten ausfindig zu machen«, begründete Schmidt seinen Standpunkt.

Wille fuhr ärgerlich auf.

»Herr Dr. Schmidt, habe ich diese Expedition hier mit meinen Mitteln durchgeführt oder sind Sie es gewesen?«

»Die Frage ist unnötig, Herr Dr. Wille, Sie wissen sehr genau, daß ich nicht über die Mittel verfüge, um ein derartiges Unternehmen ausrüsten zu können. Aber trotzdem beanspruche ich die Freiheit, es Ihnen zu sagen, wenn Sie nach meiner Meinung im Begriff sind, einen Fehler zu begehen.«

»Meinung hin, Meinung her, Herr Schmidt! Gegen Ihre Ansicht setze ich die meinige. Das dürfte sich dann ja wohl so ziemlich heben.«

Eine Weile stand der lange dürre Schmidt mit zusammengekniffenen Lippen schweigend da. Schon glaubte Dr. Wille, daß der Streit damit beendet sei, als sein Assistent wieder zu sprechen begann.

»Ich stehe mit meiner Meinung nicht allein da, Herr Wille. Sie wird von andern geteilt.«

»Machen Sie mich nicht verrückt!« brauste Wille auf, »was sind denn das für Eideshelfer, auf die Sie sich da stützen wollen?«

»Da wäre zuerst Professor Eggerth zu nennen, Herr Wille.«

»Unsinn, Herr Schmidt! Ich habe, glaube ich, schon einmal gesagt, daß der Mann sich um seinen eigenen Kram kümmern soll. Von unserer Sache hat er wirklich keine Ahnung.«

»Dann möchte ich an zweiter Stelle Herrn Ministerialdirektor Gerhard aus dem Kultusministerium nennen.«

Dr. Wille pfiff durch die Zähne.

»Das Kultusministerium hat bis jetzt keinen Pfennig zu meiner Expedition beigesteuert und da berufen Sie sich mir gegenüber auf diese Behörde. Ich begreife Sie nicht mehr.«

»Sie werden mich vielleicht besser verstehen, Herr Dr. Wille, wenn ich Ihnen sage, daß das Kultusministerium jetzt bereit ist, die Expedition finanziell zu unterstützen.«

Dr. Wille ließ sich in einen Sessel fallen. Er brauchte Zeit, um die unerwartete Nachricht zu erfassen, und er schien sie zunächst überhaupt nicht glauben zu wollen.

»Davon hätte ich als Leiter der Expedition doch zuerst etwas erfahren müssen«, fuhr er nach einer Weile fort, »vorläufig ist mir nichts davon bekannt. Ich würde es mir auch noch sehr überlegen, ob ich eine solche Unterstützung annehme. Sie wird wahrscheinlich nicht sehr bedeutend sein, und das Ministerium wird mir dafür in unerträglicher Weise in meine Arbeiten hineinreden.«

Schmidt schüttelte den Kopf.

»Das würden Sie kaum zu befürchten haben. Das Ministerium wünscht nur, daß wir mit den Transportmitteln, die es uns zur Verfügung stellen will, einen Teil der Station motorisieren und Forschungsreisen in südlicher Richtung unternehmen, bis wir die besten Bedingungen für unsere Arbeiten gefunden haben . . .«

»Und dann natürlich die ganze Station dorthin verlegen«, führte Wille den Satz zu Ende.

»Vielleicht, Herr Doktor. Das würde sich im weiteren Verlauf der Arbeiten herausstellen.«

Dr. Wille hatte einen Bleistift ergriffen und spielte nervös damit. Stockend, oft lange Pausen machend, sprach er weiter: »Herr Dr. Schmidt . . . ich muß Sie daran erinnern . . . es geschieht zum ersten Male in den langen Jahren, die wir zusammen arbeiten . . . daß Sie mein Assistent sind und bei mir in Brot und Lohn stehen. In Ihrem Anstellungsvertrag befindet sich ein Passus, daß die Arbeiten der Expedition nach meinen Anweisungen zu erfolgen . . .«

»Verzeihung, Herr Wille«, unterbrach ihn Schmidt, »hier würde in Zukunft eine Änderung eintreten. Das Kultusministerium beabsichtigt, mich mit Beamteneigenschaft in den Staatsdienst zu übernehmen. Sie werden es begreiflich finden, daß ich eine solche Chance nicht vorbeigehen lassen kann.«

Der Bleistift in Willes Händen zerbrach in zwei Stücke. »Großartig, Herr Dr. Schmidt«, rief er, während er sie achtlos beiseite warf, »Sie werden also Staatsbeamter, wahrscheinlich Ministerialrat, werden mir hier womöglich vor die Nase gesetzt . . . und ich habe keine Ahnung von alledem, was sich da bereits hinter den Kulissen abgespielt haben muß. Pfui Teufel, Herr Schmidt, das hätte ich von meinem langjährigen Mitarbeiter nicht erwartet.«

Der lange Schmidt machte eine verzweifelte Abwehrbewegung.

»Nicht doch, Herr Dr. Wille. Sie verkennen die Situation vollkommen, man denkt gar nicht daran, hinter Ihrem Rücken vorzugehen. Es besteht im Ministerium die Absicht, unsere ganze Expedition zu verstaatlichen und auch Sie in den Staatsdienst zu übernehmen . . . wenn Sie dazu bereit sind, Herr Wille . . .«

»Und wenn ich nicht dazu bereit bin?«

Schmidt zuckte die Achseln.

»Dann würden wir uns trennen müssen, wollen Sie sagen, Herr Schmidt? So ist es doch!« schrie ihm Wille ins Gesicht.

Minuten vergingen, in denen keiner der beiden ein Wort sprach. Dann begann Schmidt von neuem.

»Wir wollen versuchen, Herr Wille, diese Unterredung unter Beiseitelassung aller Nebensächlichkeiten zu Ende zu bringen. Die Regierung erkennt Ihre großen wissenschaftlichen Verdienste voll an. Sie will die antarktische Expedition, die Sie bisher aus Ihrem Privatvermögen finanzierten, zu einer dauernden Institution des Deutschen Reiches machen, und sie will Ihnen dabei durchaus diejenige Stellung geben, die Ihnen nach Ihrer ganzen Vergangenheit zukommt. Es wäre ein schwerer Verlust für die deutsche Wissenschaft, wenn Sie dieses Angebot nicht annehmen.«

Dr. Wille sprang erregt auf. »Sie sprechen von einem Angebot, Schmidt. Aber man hat mir ja noch gar kein Angebot gemacht. Von allen diesen Dingen höre ich zum erstenmal aus Ihrem Mund.«

Der Schein eines Lächelns huschte über die faltigen Züge Schmidts. »Darf ich ganz offen zu Ihnen sprechen, als . . . als Ihr alter Mitarbeiter . . . und Freund, Herr Dr. Wille?«

Wille warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Sprechen Sie als was Sie wollen, aber sagen Sie mir endlich, was hier eigentlich gespielt wird.«

»Mein sehr verehrter Herr Dr. Wille, man kennt Ihr Temperament in Berlin und man möchte sich dort keiner Ablehnung von Ihrer Seite aussetzen. Sie begreifen, daß ein Refus, von Ihnen vielleicht in einer ersten Aufwallung gegeben, die Verhandlung sofort auf einen toten Punkt bringen würde. Man bat deshalb Professor Eggerth, zunächst zu sondieren . . .«

»Der Professor hat mir auch kein Wort davon gesagt«, fiel ihm Wille ins Wort.«

»Weil er die gleichen Bedenken hatte. Deshalb hat man den alten Schmidt vorgeschickt, der sich von seinem hochverehrten Chef gern ein paar Dutzend Grobheiten an den Kopf werfen läßt, wenn es ihm nur gelingt, ihn für die große neue Sache zu gewinnen. Mein lieber Herr Dr. Wille, geben Sie mir bitte keinen Korb.«

Er streckte Wille langsam die Rechte hin.

»Schlagen Sie ein, versprechen Sie mir, daß Sie den Vorschlag der Regierung annehmen werden.«

Langsam griff Wille nach Schmidts Hand.

»Mein lieber alter Schmidt, ich habe Ihnen unrecht getan. Ich glaubte, Sie wollten mich verlassen. Ich will Ihnen versprechen, das Angebot nach bestem Wissen und Gewissen zu prüfen, sobald es mir offiziell gemacht wird.«

»Auch anzunehmen, Herr Wille? Das ist mir die Hauptsache. Soviel ich weiß, beabsichtigt man, Ihnen den Titel und Rang eines Reichskommissars zu geben.«

Dr. Wille fuhr sich wie träumend über die Stirn. »Titel und Rang eines Reichskommissars, merkwürdig Schmidt, merkwürdig . . . wenn ich mich recht erinnern kann, waren Wißmann und Peters einmal Reichskommissare. Das erinnert ja beinahe an die Erwerbung unserer ersten Kolonien.«

Dr. Schmidt versuchte zu lachen.

»Hier in der Antarktis dürfte es kaum etwas zu kolonisieren geben, Herr Wille. Der Titel wurde wohl gewählt, um Ihnen die notwendige Stellung gegenüber dem Ministerialrat Schmidt zu geben, den die Herren in Berlin aus mir machen wollen.«

Dr. Schmidt stand auf.

»Darf ich an Professor Eggerth funken, daß Sie bereit sind, das Angebot der Regierung anzunehmen?«

»Es kommt zu schnell, lieber Schmidt. Lassen Sie mir noch ein paar Stunden Bedenkzeit. Sagen wir heute abend. Nach dem Essen werde ich Ihnen meine Entscheidung mitteilen.«

Und dann war Dr. Wille allein. In der Gesellschaft von tausend Gedanken und Überlegungen, die auf ihn einstürmten.

Schweigend hatte Dr. Schmidt den Raum verlassen. Mit langen Stechschritten stelzte er durch den Schnee zur Funkerbude hin. Lorenzen sah ihn mißtrauisch herankommen. ›Wahrscheinlich bringt der wieder einen halben Zentner irrsinniger Zahlen, die nach Potsdam zu funken sind‹, dachte er, als der Doktor bei ihm eintrat, aber diesmal brachte der Doktor keine seiner endlosen Tabellen zum Vorschein. Nach kurzem Gruß griff er sich einen von den Schreibblöcken, warf ein Dutzend Worte darauf und schob ihn Lorenzen hin.

»An Professor Eggerth persönlich. Bitte sofort senden.«

Mechanisch griff Lorenzen nach dem Papier. Während seine Augen über die Buchstaben gingen, stutzte er. Was war das für eine verrückte Depesche! Bestimmt nicht im Geheimkode der Eggerth-Werke, denn den kannte er nach langer Praxis zur Genüge. Kopfschüttelnd machte er sich an die Arbeit und nahm die Verbindung mit den Eggerth-Werken auf. Dr. Schmidt blieb neben ihm sitzen, bis der Funkspruch abgegangen und sein Empfang aus Bitterfeld bestätigt worden war. Dann ging er zur Station zurück. – – –

Um die gleiche Zeit hielt Professor Eggerth eine Depesche aus der Antarktis in den Händen. Verschlüsselt, wie sie angekommen war, hatte der Werkfunker sie dem Professor geschickt, denn mit dem Kode der Eggerth-Werke ließ sie sich nicht entziffern. In seinem Arbeitszimmer machte sich der Professor selbst daran, den Funkspruch unter Verwendung eines andern Schlüssels auf Klartext zu bringen. Und dann standen die Worte vor ihm.

›Das Eis ist gebrochen. Heute abend soll es sich entscheiden. Schmidt.‹ – –

Der Abend kam herauf, aber er brachte die Entscheidung noch nicht; nur einen zweiten Funkspruch an Professor Eggerth: ›48 Stunden Bedenkzeit erbeten, Dr. Wille.‹

Nachdenklich wog der Professor die Depesche in der Hand. Ein leichter Zweifel wollte ihm aufsteigen, ob es richtig war, den nüchternen Dr. Schmidt mit einer Mission zu betrauen, die immerhin ein wenig Psychologie verlangte. Und doch . . . je länger er hin und her überlegte, desto mehr kam er zu der Ansicht, daß es keinen besseren Mann als Dr. Schmidt dafür gab. Kein anderer verstand sich so auf die kleinen Eigenheiten Willes, kein anderer hätte es jemals so lange bei dem eigenwilligen Gelehrten ausgehalten wie Schmidt.

Irgendwelche neuen Hemmungen mußten eingetreten sein. Anders war die Bitte um eine so lange Bedenkzeit nicht zu erklären, und Professor Eggerth war selbst genügend Psychologe, um die Gefahr, die darin lag, sofort zu erkennen. Der tote Punkt mußte überwunden werden und er glaubte, die Mittel dafür zu besitzen. – –

 


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