Hans Dominik
Das Buch der Chemie
Hans Dominik

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Etwas Gärungschemie

In der Bibel wird uns berichtet, wie der Erzvater Noah nach überstandener Sintflut den Weinstock anpflanzte, die Trauben kelterte, den Traubensaft vergären ließ, davon trank und äußerst lustig wurde (Fig. 127). Das war die Erfindung des Weinbaues und gleichzeitig diejenige der ältesten Gärungsindustrie. Was war hier geschehen?

Fig. 127.
Erzvater Noah, nach der biblischen Überlieferung der erste Winzer.

Erstes Buch Moses, Kapitel 9: Noah aber fing an und ward ein Ackermann und pflanzte Weinberge. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag in der Hütte.

Die reife süße Weinbeere enthält in beträchtlicher Menge den Traubenzucker von der Form C6H12O6. Die genauere chemische Konstitution des Traubenzuckers ist noch nicht erforscht. Man hat aber wohl Grund zu der Annahme, daß die Kohlenstoffatome seines Moleküls nicht ringförmig, sondern reihenförmig angeordnet sind. Nach dem, was in dem Abschnitt von der Kohlenstoffchemie über Alkohole gesagt war, kann man den Traubenzucker auch als einen fünfwertigen Alkohol auffassen, da aus seinem Verhalten hervorgeht, daß sein Molekül fünf Oxylgruppen von der Form OH enthalten muß.

Der frisch gepreßte Traubensaft oder Most ist also in der Hauptsache eine wäßrige Lösung von Traubenzucker. Außerdem enthält der Most noch eine ganze Reihe verschiedener Fruchtsäuren und verschiedener ätherischer Öle, deren Zahl und Art von der Art der gekelterten Trauben abhängt und stark wechseln kann. Dieser süße Saft ist nun weiter infolge der Art seiner Gewinnung mit bestimmten Lebewesen kleinster Art, den sogenannten Hefepilzen, durchsetzt. Diese Spaltpilze bzw. ihre Dauersporen hausen eigenartigerweise gerade auf den Schalen der Weinbeeren in dem auf diesen Schalen befindlichen Reif oder Hauch. Bei der Kelterung geraten die Schalen notwendigerweise in den Most, und ein Teil der darauf befindlichen Hefe wird dabei abgespült und bleibt im Most, nachdem die Schalen oder Treber von diesem abgefiltert worden sind.

In der Traubenzuckerlösung, die für die Hefepilze einen vorzüglichen Nährboden abzugeben scheint, entwickeln diese nun eine sehr rege Lebenstätigkeit. Wie der Name Spaltpilz besagt, spalten sich die einzelnen Hefezellen fortwährend in neue Zellen, die in kurzer Zeit heranwachsen und das Spaltungsgeschäft fortsetzen. Die Hefe vermehrt sich also stark, und gleichzeitig mit dieser Vermehrung geht eine eigenartige Zerlegung des Traubenzuckers, die wir eben als Gärung bezeichnen, vor sich. Ein Molekül Traubenzucker von der Form C5H12O6 spaltet sich in zwei Moleküle Äthylalkohol von der Form C2H5OH und zwei Moleküle Kohlensäure von der Form CO2.

Wie die vorstehenden Formeln zeigen, geht diese Zerlegung glatt auf. Es bleibt dabei nichts übrig. Die neuen Hefemengen, welche bei der Gärung entstehen, müssen daher ihre Körper aus irgend etwas anderem aufbauen. Lange Zeit hat man die Meinung vertreten, als ob Alkohol und Kohlensäure doch die Stoffwechselprodukte dieser kleinsten Lebewesen wären, als ob die Hefepilze sozusagen den Traubenzucker fräßen und in seine Bestandteile Äthylalkohol und Kohlensäure zerlegten, die dann wieder ausgeschieden würden. Aber diese Theorie ist durch das Experiment widerlegt worden.

Man hat eine gewisse Menge Weinhefe im Porzellanmörser zur feinsten Feinheit zerrieben, so daß hier schon kaum noch eine unversehrte Pilzzelle vorhanden sein konnte. Man hat diese Hefepaste danach durch eine Platte aus hartgebranntem Porzellan unter hohem Druck gefiltert, wobei nur der Zellsaft der Hefepilze durch die Filterplatte hindurch konnte, während die zerriebenen Zellhäute und etwaige noch unversehrte Hefepilze sicher zurückgehalten wurden. Man hat den so gewonnenen Hefesaft dann einer zuverlässig vollkommen keimfreien Traubenzuckerlösung zugesetzt und dieselben Gärungsvorgänge beobachtet, wie bei der Verwendung lebender und sich vermehrender Hefe.

Fig. 128.
Der »Herbst« beginnt, die Ernte in den Weinbergen.

Die Trauben werden in kleine Bottiche gepflückt und in größere Bottiche gekippt.

Seit diesen Versuchen nimmt man an, daß der Gärungsprozeß mit den eigentlichen Lebensvorgängen, insbesondere mit der Vermehrung der Hefe, kaum etwas zu tun hat, sondern lediglich durch eine Kontaktwirkung des Zellsaftes der Hefepilze zustande kommt. Wir haben es hier also mit einer ausgesprochenen Katalysatorwirkung zu tun, wie sie in der Chemie bei so vielen Gelegenheiten eine Rolle spielt.

Der Katalysator oder Kuppelstoff wirkt dabei lediglich durch seine Gegenwart, ohne selbst irgendwelche Veränderungen zu erfahren. Je nachdem verursacht er entweder den Zerfall vorhandener Verbindungen oder die Entstehung neuer Verbindungen aus vorhandenen Einzelstoffen. So wird beispielsweise beim Haberschen Ammoniakverfahren fein verteiltes Nickelmetall als Katalysator benutzt und kuppelt Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak zusammen. In unserem Falle wirkt der Zellsaft der Hefepilze als ein zerlegender Katalysator, er spaltet eben den Traubenzucker in Alkohol und Kohlensäure auf. Diese Wirkung läßt aber allmählich nach, und zwar in dem gleichen Maße, in dem der gärende Most infolge dieser Spaltung an Traubenzucker ärmer wird. Während die Gärung und damit auch die Kohlensäureentwicklung zum Beginn des Vorganges so stark ist, daß man den Gärbottichen einen besonderen Raumüberschuß, den sogenannten Schaumraum, geben muß, und daß man die Gärfässer mit besonderen, nach Art von Sicherheitsventilen wirkenden Gärspunden versehen muß, um ein Platzen derselben durch den Kohlensäuredruck zu verhüten, läßt die Gärung sehr bald nach und erlischt fast vollkommen, sobald der größte Teil des Traubenzuckers in Alkohol und Kohlensäure gespalten ist.

Es erübrigt sich danach nur noch, den vergorenen Most von der Hefe zu trennen. Das geschieht meistens durch vorsichtiges Umfüllen in andere Fässer und schließlich durch Abfüllen in Flaschen. Damit ist der eigentliche Gärvorgang abgeschlossen. Was jetzt, von aller Hefe befreit, in den Flaschen steht, ist tatsächlich Wein, d. h. eine wäßrige Lösung von Äthylalkohol, die durch Traubenzucker versüßt und durch Fruchtsäuren mit einer gewissen Säure behaftet ist, der aber weiterhin die verschiedenen Fruchtäther für Nase und Gaumen ein ganz bestimmtes Bukett verleihen. Trotzdem aber ist dieser Wein für unseren Geschmack noch nicht vollkommen. Er muß noch die sogenannte Flaschenreife erhalten, indem er einige Jahre im Keller lagert. Was sich hier chemisch vollzieht, ist heute auch noch nicht annähernd ergründet. Wir wissen nur, daß noch eine gewisse Sauerstoffeinwanderung trotz Siegellack und Stanniol durch den Pfropfen hindurch in die Flasche stattfindet, und daß äußerst feine und kaum zu erfassende Umsetzungen zwischen den mannigfachen Fruchtäthern und Fruchtsäuren stattfinden, welche die Zunge des Weinkenners untrüglich merkt.

Fig. 129.
Eine Vorkelter in den Weinbergen

Die gepflückten Trauben werden durch zwei Walzen getrieben, welche die einzelnen Beeren zerquetschen.

Wir sahen, daß die eigentliche alkoholische Gärung, jene Zerlegung des Traubenzuckers in Alkohol und Kohlensäure, durch die einfache Kontaktwirkung des Zellsaftes des Hefepilzes zustande kommt. Die Frage bleibt zu beantworten, ob die Lebensvorgänge der Hefe sonst noch irgendwelche Prozesse in dem Most hervorrufen. Diese Frage kann nur durch den Versuch geklärt werden. Bisher haben wir unseren Wein einfach hergestellt, indem wir den Most durch die auf den dazu gehörigen Beerenschalen sitzenden Hefepilze vergären ließen.

Aber wir können das Experiment ja abändern. Wir können Trauben einer bestimmten Art keltern, die Treber vom gepreßten Most abseihen und den Most durch eine längere Erhitzung auf 100 Grad sterilisieren, d. h. alle darin befindlichen Hefepilze abtöten. Wir können nun weiter von irgendeiner ganz anderen Traubenart die Hefepilze einfangen, indem wir beispielsweise eine Traube mit reinem Wasser gut abwaschen und dieses Waschwasser, in dem die Hefepilze jetzt sein müssen, in unsere erste sterilisierte Mostart hineinschütten. Jetzt werden wir also den Most einer ersten Traubensorte nicht mehr mit der auf diesen Trauben natürlich wachsenden Hefe vergären, sondern mit der auf einer zweiten Sorte vorkommenden. Als Gegenproben haben wir Traubensorte Eins mit ihrer eigenen Hefe vergoren und Traubensorte Zwei ebenfalls mit ihrer eigentümlichen Hefe angesetzt.

Fig. 130.
Hauptkelter.

Die von den Weinbergen eingebrachten Trauben werden in die Kelter geschüttet. In einem Zylinder mit durchbrochenen Wänden geht mit großer Kraft ein Stempel nieder und preßt allen Traubensaft aus. Zurück bleiben nur die Traubenschalen, die sogenannter Weintreber.

Fig. 131.
Die Kellerprobe.

Aus dem Traubensaft (Most) wurde im Laufe eines Jahres ein junger Wein. Mit Kennermienen prüfen die Weingutsbesitzer den neuen Jahrgang, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.

Diese Versuche sind durchgeführt worden. Ihr Ergebnis hat gezeigt, daß die Tätigkeit der Hefe mit der Verwandlung des Traubenzuckers in Alkohol auch nicht annähernd erschöpft ist. Vielmehr entstehen die eigentlichen Bukettstoffe, welche die eine Weinsorte so sehr von der anderen unterscheidet, überhaupt erst durch die Tätigkeit der Hefepilze und scheinen recht eigentliche Stoffwechselprodukte dieser Pilze zu sein. Der klassische Versuch auf diesem Gebiet geht in der Weise vor sich, daß man eine gewisse Anzahl, beispielsweise ein Dutzend, vollkommen steriler Lösungen von Traubenzucker in Wasser ansetzt, der Lösung eine gewisse Menge in jedem Falle gleicher Nährsalze (Phosphorsalze, Alkalien, Nitrate) zusetzt und nun in diese vollkommen gleichartigen Zuckerlösungen die Hefen von sehr verschiedenen Traubenarten, beispielsweise von Rüdesheimer Trauben, von portugiesischen, italienischen, griechischen usw. Trauben, einführt.

Der Erfolg der nun einsetzenden Gärungen ist verblüffend. Die auf diese Weise aus den gleichen künstlichen Mosten gewonnenen Weine zeigen in auffallender Weise Aroma und Bukett der Naturweine, von deren Trauben die jeweilige Hefe gewonnen wurde, hier in dieser Fabrikation der Bukettstoffe haben wir die recht eigentliche Arbeit der Hefen zu erblicken, während die Umwandlung des Traubenzuckers ein viel gröberer, auf einfacher Katalyse beruhender Vorgang ist. Die Praxis hat sich diesen Forschungsergebnissen nicht verschlossen, und die Züchtung besonderer Edelhefen bildet heute ein großes und gewinnbringendes Arbeitsgebiet innerhalb der Gärungsindustrie. Das gilt nicht nur für Weinhefen, sondern auch für Bierhefen, für Bäckereihefen und ganz besonders auch für jene Hefenarten, welche die bei der Käsebereitung unentbehrlichen Gärungsvorgänge in der Milch hervorrufen.

Gehen wir nun einen Schritt weiter und wenden uns vom Wein zum Bier. Im Gegensatz zum Rebensaft, dem Wein, bezeichnet man das Bier wohl als Gerstensaft, und es ist eine weitverbreitete Wissenschaft, daß Hopfen und Malz die beiden für jedes Bier unentbehrlichen Grundstoffe sind. Beginnen wir beim Gerstenkorn. Wie jedes andere Getreidekorn enthält auch das Gerstenkorn in seinem Inneren eine gewisse Menge von Stärke. Die Stärke ist, wie schon an anderer Stelle gesagt, ein Kohlenhydrat von der Form (C6H10O5)x. Die Formel besagt, daß im Molekülbau der Stärke auf je 6 Kohlenstoffatome je 5 Hydratgruppen von der Form OH2 entfallen. Wie oft dieser Komplex im einzelnen Stärkemolekül wirklich vorhanden ist, entzieht sich einstweilen unserer genauen Kenntnis. Als wahrscheinlich darf aber gelten, daß er mindestens sechsmal darin vorkommt. Die Natur hat diesen Stärkevorrat in das Gerstenkorn gepackt, um der Gerstenpflanze, die einmal daraus entsprießen soll, für jene erste Zeit, in der sie noch nicht imstande ist, sich ihre Nahrung selbst zu bereiten, die nötigen Subsistenzmittel mitzugeben. Diese Verhältnisse kommen in den weiteren chemischen Veränderungen deutlich zum Ausdruck.

Solange das Gerstenkorn trocken im Speicher liegt, bleibt auch die Stärke unverändert. Aber sobald man die Gerstenkörner kräftig mit Wasser benetzt und dadurch ihre Keimtätigkeit anregt, beginnen auch die chemischen Umsetzungen (Fig. 132). Während das einzelne Korn nach der einen Seite ein Keimspitzchen und nach der anderen ein Wurzelbüschelchen herausstreckt, geht auch eine gründliche Umwandlung in seinem Inneren vor sich. Die Hüllen, welche den Stärkemehlkern umschließen, bestehen ja aus Pflanzeneiweißen. Während der Keimung erfährt ein Teil dieses Eiweißes eine Umwandlung in einen eigenartigen eiweißähnlichen Stoff, den man als Diastase bezeichnet.

Fig. 132.
In der Mälzerei. Gerste wird überbraust.

Sie lagert feucht und warm und keimt dabei. Durch den Keimungsprozeß verwandelt sich das Mehl der Gerstenkörner in wasserlöslichen Malzzucker.

Die Diastase besitzt nun die eigentümliche Eigenschaft, daß sie Stärkemehl, mit dem sie in Berührung kommt, aufspaltet. Wir gingen vom Molekül der Stärke von der Form (C6H10O5)x aus. Durch die Einwirkung der Diastase wird das Stärkemolekül in kleinere Gruppen von der Form C12H20O10 zerlegt, und diesen wird aus dem bei der feuchten keimenden Gerste ja stets vorhandenen Wasser noch ein Wasserstoffmolekül H2O angegliedert, so daß ein neues Molekül von der Form C12H22O11 entsteht.

Dies ist das Molekül der Maltose oder des Malzzuckers, jenes süßen, nahrhaften Stoffes, den wir alle wohl vom Malzextrakt oder von der Mumme her kennen. Durch diese Umwandlung wird die in Wasser unlösliche Stärke in die verhältnismäßig leicht lösliche Maltose verwandelt, und das Gerstenpflänzchen könnte nun mit diesem flüssigen Nährstoff den Aufbau seiner Wurzeln und Blätter durchführen, bis es so weit ist, mit seinen Wurzeln mineralische Nährstoffe aus der Erde zu saugen und mit seinen grünen Blättchen unter Mithilfe des Sonnenlichtes selbst neue Stärkemoleküle aus dem Wasser des Bodens und der Kohlensäure der Luft aufzubauen.

Aber in den Mälzereien kommt es nicht dazu. Da liegt die Gerste in luftigen Räumen von 18 Grad Celsius, wird alle paar Stunden mit Wasser überbraust und alle Tage mit breiten Holzschaufeln durchgearbeitet, so daß sich die Keimung unter genau geregelten Bedingungen vollzieht. Sobald aber der Zeitpunkt erreicht ist, an dem der allergrößte Teil des Stärkegehalts der Gerstenkörner in Maltose verwandelt ist, macht der Mensch dem weiteren Keimen ein jähes Ende. Die Körner werden auf Trockenhorden, die sogenannten Malzdarren, geschaufelt und hier mittels heißer Luft in kürzester Zeit getrocknet. Schon durch diese Trocknung werden alle Lebensvorgänge und damit auch alle weiteren chemischen Veränderungen beendet. Das trockne Gerstenkorn war ein lebendiger Organismus, wenn das Leben auch zu schlummern schien. Das keimende Korn war in voller Lebenstätigkeit, das gedarrte Malzkorn ist tot. Es kommt nun weiter in Poliermühlen, die es sorgfältig von seinem Keimspitzchen und Wurzelbärtchen befreien. Was danach die Mühle verläßt, ist poliertes, braufähiges Malz. In unserem Falle ist es Gerstenmalz, welches fast ausschließlich verbraut wird. Man kann aber natürlich auch jede andere Getreideart einmälzen. Das geschieht beispielsweise mit Weizen für die Herstellung der Weizenbiere, zu denen auch das bekannte Berliner Weißbier gehört.

Fig. 133.
Das Einmaischen.

Der Brauereiprozeß beginnt mit dem Einmaischen. In einer großen Pfanne wird Malz mit heißem Wasser überbraust. Der Malzzucker löst sich, es entsteht eine Zuckerlösung, die sogenannte Würze.

Wir folgen nun dem fertigen Malz auf seinem weiteren Wege in die Brauerei. Da wird es in einen gewaltigen Bottich geschaufelt und mit heißem Wasser überbraust, während gleichzeitig ein Rührwerk Wasser und Malz gehörig durcheinanderbringt (Fig. 133). Nun aber macht es sich fühlbar, daß die Stärke der Körner in Maltose verwandelt wurde. Durch das heiße Wasser wird die Maltose vollkommen aus den Körnern ausgelaugt. Wir bekommen eine wäßrige Maltoselösung, während die Malzkörner jetzt nur noch die eiweißhaltigen Kornhüllen und einige wenige Stärkereste enthalten.

Nun wird diese Malzzuckerlösung, die sogenannte Würze, aus dem Behälter abgelassen und fließt in einen anderen, tiefer gelegenen Kessel, dessen Wandungen durch Dampf beheizt werden können. Die ausgelaugten Malzkörner werden ebenfalls aus dem Kessel genommen, gepreßt, eventuell auch getrocknet, und ergeben ein eiweißreiches, sehr wertvolles Viehfutter. Es sind die Biertreber. In unserem zweiten Kessel haben wir nun eine zuckerhaltige Lösung, die ohne weiteres sofort vergärungsfähig wäre. Der kleine Unterschied, daß wir beim Weinmost eine Lösung von Traubenzucker und bei der Würze eine solche von Malzzucker haben, tut dabei nichts zur Sache.

Aber im Most hatten wir noch eine Menge ätherischer und aromatischer Stoffe, die in der Malzwürze fehlen.

Fig. 134
Die »Zupfianer« bei der Arbeit.

Die Hopfenernte beginnt. Tausende von Händen sind beschäftigt, die aromatischen Hopfenblüten von den Ranken zu zupfen und in Körben zu sammeln.

Deshalb setzt nun die Verbesserung mittels des Hopfens ein (Fig. 134). Die Hopfenblüten enthalten eine Reihe aromatischer, harzartiger Bitterstoffe, die sich in heißem Wasser lösen können. So bringt man nun in die noch warme Würze eine abgewogene Menge Hopfenblüten und beginnt unter gleichzeitigem Umrühren die Pfanne zu beheizen. Dabei gehen jene aromatischen Bitterstoffe des Hopfens in Lösung. Außerdem aber lösen sich auch allerlei eiweißartige Verbindungen aus den Hopfenblüten, die man im Bier unter keinen Umständen brauchen kann. So folgt denn jetzt eine kritische Etappe, nämlich das sogenannte Klarkochen der Würze. Es müssen dabei fortlaufend Proben genommen und beobachtet werden (Fig. 136).

Ist der Augenblick gekommen, in dem die Würze vollkommen klar ist, alle trübenden eiweißartigen Verbindungen sich also durch das Kochen wieder in geronnenem Zustande niedergeschlagen haben, so wird die Heizung abgestellt und die gehopfte Würze von den Hopfentrebern abgelassen. Man leitet sie jetzt in die Kühlpfanne, eine sehr flache und sehr große Pfanne von hundert und mehr Quadratmeter Fläche, in der die heiße Würze nur etwa 10 Zentimeter hoch steht und sich daher sehr schnell abkühlt (Fig. 137). Ist ihre Temperatur auf etwa 20 Grad gesunken, so läßt man sie aus der Kühlpfanne abfließen und über kupferne Rohre rieseln, die im Inneren von sehr kalter Eismaschinenlauge durchströmt werden (Fig. 138). So abgekühlt gelangt die Würze endlich in die großen Gärbottiche des Kellers (Fig. 139), und hier wird ihr nun eine bestimmte Menge Hefe zugesetzt.

Fig. 135.
Im Hopfenkühlraum.

Der im Herbst geerntete Hopfen muß das ganze Jahr hindurch reichen und sich unverdorben halten. Die großen Brauereien lagern deshalb ihre Hopfenvorräte in besonderen Kühlräumen.

Es ist also an dieser Stelle ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Wein- und Bierbereitung festzustellen. Der Wein vergor durch die auf seinen Beeren wachsende Hefe. Solche Hefe ist in der Gerste oder dem Malz nicht vorhanden, und selbst wenn sie vorhanden wäre, würde sie durch das Kochen der Würze längst abgetötet sein. Ließen wir nun die gekühlte gehopfte Würze einfach in den Gärbottichen stehen, ohne ihr eine bestimmte Hefe zuzusetzen, so würde sie nach einiger Zeit trotzdem in Gärung geraten. Tatsächlich treiben sich ja Hefepilze aller Art überall in der Luft umher, und auch in unsere Würze würden einige davon gelangen, die fähig sind, Zuckerlösung in Alkohol und Kohlensäure aufzuspalten.

Aber wir wären dabei den schlimmsten Zufälligkeiten ausgesetzt, denn neben den wenigen guten Hefen, deren Stoffwechselprodukte dem menschlichen Gaumen zusagen, gibt es eine viel größere Anzahl von wilden Hefen, die jede Würze verderben. Selbst die Hefe einer Brauerei, die sorgfältig von einer vergorenen Würzemenge abgeschöpft und auf die nächste frische Würze übertragen wird, pflegt nach einiger Zeit zu entarten. Ebenso wie wir heute wissen, daß die Art und die Tätigkeit der Weinhefe vom größten Einfluß auf das Bukett und den Charakter des mit ihrer Hilfe gewonnenen Weins ist, hat man auch erkannt, daß die Qualität eines Biers sehr wesentlich von der Hefe abhängt. Die Züchtung guter Hefen ist deshalb zu einer Spezialwissenschaft geworden, die beispielsweise in Berlin in dem Institut für Gärungsindustrie gepflegt wird.

Die Züchtung solcher Edelhefen gehört in das Gebiet der Biologie und kann hier nicht näher behandelt werden. Aber der Einfluß der Hefen macht sich auf chemischem Gebiete äußerst stark bemerkbar. Ein und dieselbe Würze gibt, mit verschiedenen Hefen vergoren, Biere von sehr verschiedenem Charakter. Ist die Gärung der Würze beendet, so haben wir das Bier, welches nun nur noch von der Hefe zu trennen ist, genau so wie der vergorene Wein ausreifen muß und schließlich auch auf Flaschen gefüllt werden kann (Fig. 140).

Fig. 136.
Würzekocher.

Die von den ausgelaugten Malzkörnern abgelassene Würze wird mit Hopfen gekocht. So entsteht die gehopfte Würze.

Ein drittes Gebiet, auf dem wir von der sogenannten alkoholischen Gärung, d. h. von der Spaltung der Stärke oder des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure, ausgiebigen Gebrauch machen, ist die Bäckerei. Während es uns aber beim Wein und beim Bier in erster Linie auf den bei dieser Gärung entstehenden Alkohol ankommt und die Kohlensäure nur Nebenprodukt ist, bildet sie bei der Bäckerei die Hauptsache. Man fügt dem Brotteig, einem Gemisch von Mehl, Wasser und ein wenig Salz, die Hefe zu, formt aus diesem Gemenge die Brote und läßt sie dann einige Stunden »aufgehen«.

Während dieser Zeit beginnt die Hefe den bekannten Spaltungsprozeß. Ein kleiner Prozentsatz des Stärkemehls wird in Alkohol und Kohlensäure gespalten. Aber diese Kohlensäure kann nicht entweichen, wie ihr das bei dem gärenden Most ganz leicht und bei der Bierwürze auch noch ganz gut möglich war. Sie ist ja von allen Seiten vom zähen Teig umschlossen. Es bleibt ihr daher nichts übrig, als an Ort und Stelle zu bleiben und sich dort auszudehnen. So kommt jenes Aufgehen zustande.

Fig. 137.
Kühlpfanne.

Die fertiggekochte gehopfte Würze läuft in eine große flache Pfanne, in der sie sich in sehr kurzer Zeit bis auf die Temperatur der umgebenden Luft abkühlt.

Außerdem enthalten die aufgegangenen Brotlaibe auch eine gewisse Menge Alkohol. Nun aber kommen sie in den Backofen, und hier wird der Alkohol durch die Ofentemperatur restlos ausgetrieben und gewöhnlich zerstört. Erst in neuester Zeit sind Versuche im Gange, auch diesen Alkohol zu gewinnen. Es bleibt nur die Kohlensäure, die dem ausgebackenen Brot das leichte Gefüge verleiht. Außerdem aber findet durch die Ofenhitze eine teilweise Umwandlung der in Wasser unlöslichen Stärke in Wasser lösliche und daher leichter verdauliche Verbindungen statt, von denen besonders der Stärkegummi oder das Dextrin genannt werden muß. Insbesondere die braune Kruste des ausgebackenen Brotes besteht fast ausschließlich aus Dextrin.

Außer der alkoholischen Gärung kennen wir auch noch die saure Gärung, die ebenfalls auf die Tätigkeit bestimmter Hefepilze zurückzuführen ist. Bei der alkoholischen Gärung war Stärke oder Zucker der Grundstoff, der in Alkohol und Kohlensäure aufgespalten wurde. Die saure Gärung geht dagegen vom Alkohol C2H6OH als Grundstoff aus, der durch die essigbildenden Spaltpilze in Essigsäure von der Form C2H4O2 verwandelt wird. Wie man sieht, handelt es sich hier nicht um eine einfache Spaltung, sondern um einen komplizierteren Vorgang. Es müssen aus dem Alkoholmolekül zwei Wasserstoffatome herausgedrängt werden, und es muß andererseits ein Sauerstoffatom einwandern. Die Wechselwirkung dürfte sich in der Weise vollziehen, daß ein zweiatomiges Sauerstoffmolekül gespalten wird und eines seiner Atome mit den beiden aus dem Alkohol verdrängten Wasserstoffatomen sofort ein Wassermolekül H2O bildet, während das zweite Sauerstoffatom eben an Stelle der beiden herausgehenden Wasserstoffatome in das Alkoholmolekül eintritt und es dadurch in ein Essigsäuremolekül verwandelt. Zu diesem Vorgange ist also einerseits Sauerstoff notwendig, und außerdem bedarf es der essigbildenden Bakterien. Schließlich muß man von einer alkoholhaltigen Flüssigkeit ausgehen.

Gegenwärtig geht die Fabrikation in der Weise vonstatten, daß man sich eine Essigmaische herstellt, welche ja nach der Art des zu gewinnenden Essigs verschiedenartig zusammengesetzt wird. Für den feinsten Tafelessig, den reinen Weinessig, bildet irgendein alkoholreicher Wein die Maische, dem man nur gewisse Nährstoffe, insbesondere Ammoniumphosphat, zusetzt, um eine kräftige Entwicklung der Essigbakterien zu begünstigen. Billigere Essigsorten werden aus einer Maische gewonnen, die in der Hauptsache aus Kartoffelspiritus und Wasser unter Zugabe der bereits erwähnten Nährsalze zusammengestellt wird. Der Essig dieser Maische ist natürlich nichts anderes als eine wäßrige Lösung von Essigsäure, während der Weinessig außerdem auch noch mannigfache Bukettstoffe des verarbeiteten Weines enthält. Der Weinessig und weiterhin die sogenannten Verschnittessige, d. h. Mischungen von Weinessig und aus Spiritusmaische gewonnenem Essig, dienen Tafelzwecken, während die Erzeugnisse einer einfachen Alkoholmaische für technische Zwecke Verwendung finden.

Die Essigfabrikation geht nun in den sogenannten Essigbildnern vor sich. Es sind dies hohe, schmale Holzgefäße, die im Inneren mit locker geschichteten Holzspänen gefüllt sind. Das Oberteil dieser Gefäße ist durch einen hölzernen Siebboden abgeschlossen. Die Späne sind gut eingesäuert, d. h. mit einer an Essigbakterien reichen essigsäurehaltigen Flüssigkeit getränkt. Durch das Holzsieb trieft nun die Maische in vielen feinen Strahlen auf die Späne und tropft weiter nach unten, während gleichzeitig von unten nach oben kräftig sauerstoffhaltige Luft durch den Essigbildner streicht. Es setzt dabei die gewollte Reaktion ein, und durch die Tätigkeit der Bakterien wird der Alkohol der Maische unter Einwanderung des Luftsauerstoffs zu Essigsäure oxydiert.

Fig. 138.
Die vorgekühlte Würze rieselt über Kupferrohre, die von einer eiskalten Salzlösung durchströmt werden, und wird dabei in wenigen Minuten bis auf fünf Grad Wärme abgekühlt.

Fig. 139.
Gärbottiche.

Die gekühlte Hopfenwürze kommt im Gärkeller in große Bottiche und erhält einen Hefezusatz. Die Gärung setzt ein, die aus der Würze Bier macht.

Fig. 140.
Flaschenfüllmaschine.

Aus den Gärbottichen kommt das Bier in Fässer, in denen es lagert und flaschenreif wird. Das flaschenreife Bier wird mit Hilfe besonderer Füllmaschinen in Flaschen gefüllt, die sofort verkorkt werden.

Ein Kapitel für sich bilden die gebrannten alkoholischen Flüssigkeiten. Während die Technik der Traubengärung und Weinbereitung bis in die vorgeschichtliche Zeit zurückgeht, verdanken wir die Kunst des Brennens erst den Arabern des siebenten Jahrhunderts. Der Name Alkohol deutet ja noch auf diesen arabischen Ursprung hin. Was man in der Technik kurzerhand als Brennen bezeichnet, ist aber, chemisch gesprochen, eine fraktionierte Destillation. Man erhitzt eine alkoholisch vergorene Flüssigkeit, beispielsweise Wein, in einem geschlossenen Gefäß bis zum Kochen und leitet die Dämpfe durch eine in kaltem Wasser liegende Kühlschlange. In dieser verdichten sie sich wieder und tropfen aus dem unteren Ende der Schlange herab. Herabtropfen heißt aber lateinisch destillare, Destillat heißt: Es tropft herab.

Nun siedet der reine Alkohol bereits bei 80 Grad, Wasser dagegen erst bei 100 Grad, die mannigfachen ätherischen Verbindungen, die jeder Wein enthält, sieden um 80 Grad herum. Zuerst werden daher diese Bukettstoffe und fast reiner Alkohol übergehen, während bei fortschreitender Destillation auch Wasser mit verdampft. Wenn man die Destillation daher zu einem bestimmten Zeitpunkt unterbricht, kann man fast allen Alkohol, aber nur wenig Wasser in dem Destillat haben.

Auf diese Weise gewinnt man aus verschiedenen alkoholisch vergorenen Flüssigkeiten die verschiedenen Branntweine, beispielsweise aus dem Traubenwein den Weinbrand, den man vor dem Friedensvertrag von Versailles auch kurzweg Kognak nannte, aus vergorenem Zuckerrohr den Rum, aus vergorenem Reis den Arrak, aus den verschiedenen Fruchtweinen die entsprechenden Fruchtbranntweine, wie Kirsch-, Pflaumenbranntwein usw. Vergorenes Korn gibt beim Brennen den Kornbranntwein, vergorene Kartoffelmaische den Kartoffelspiritus. Dieser letztere ist fast vollkommen frei von Duft- und Bukettstoffen, welche den anderen Destillaten ihren charakteristischen Geschmack verleihen. Bei sorgfältiger und mehrmals wiederholter Destillation ist das Endprodukt hier ein beinahe chemisch reiner Äthylalkohol von der Form C2H5OH.

Schließlich sind noch die Gärungsvorgänge in der Milch zu erwähnen. Die Milch ist eine Emulsion. Das Milchfett, die Butter, ist in unendlich zahlreichen mikroskopischen Tröpfchen in der Milchflüssigkeit, einer wäßrigen Lösung von Milchzucker und Milcheiweißen, vorhanden. Schon bei längerem Stehen der Milch steigen die Fettkügelchen nach oben und bilden hier den fettreichen Rahm oder die Sahne. Durch das Buttern werden die Fettkügelchen systematisch zu größeren Fettportionen zusammengeballt und der Milch entzogen. Was übrigbleibt, ist die fettfreie Magermilch.

Nun hat man weiter Mittel, die in dieser einstweilen noch gelöst vorhandenen Eiweiße in eine wasserunlösliche Form zu bringen, gerinnen zu lassen und dann auch auszuscheiden. Das am meisten benutzte Mittel ist die Wand des Kälbermagens, des sogenannten Labmagens. Wird dieser Stoff in Milch gebracht, so scheidet sich das Milcheiweiß in Flockenform aus und kann durch einfaches Seihen von der restlichen Flüssigkeit getrennt werden. Diese enthält danach nur noch Milchzucker und verschiedene wasserlösliche Nährsalze, unter denen besonders die Phosphate zu erwähnen sind. Das von der Flüssigkeit abgeseihte und durch Pressen weiter getrocknete Flockengerinnsel bildet dagegen den bekannten weißen oder Quarkkäse. Je nachdem wir Vollmilch oder Magermilch mit dem Lab zum Gerinnen brachten, haben wir die Butter mit im Quarkkäse oder nicht. Der Quarkkäse ist nun seinerseits das Ausgangsprodukt für alle anderen Käsesorten. Butterhaltig gibt er den Grundstoff für die Fettkäse, ohne Butter den für die Magerkäse ab.

Wenn wir aber die ungeheure Verschiedenheit der mannigfachen Käsearten betrachten, die alle aus ein und demselben Grundstoff gewonnen werden, so taucht sofort der Verdacht auf, daß hier wieder Gärungspilze, gewissermaßen verschiedene Milch- oder Käsehefen, für diese Verschiedenheiten verantwortlich zu machen sind. Das ist nun auch in der Tat so. Für einige wenige Käsesorten werden die gewünschten Bakterien besonders gezüchtet und in den frischen Quarkkäse hineingearbeitet. Das ist beispielsweise bei dem Roquefort der Fall. Man nimmt verschimmelte Brotrinde, die einen ganz bestimmten grünlichen Schimmelbelag zeigen muß, und bröckelt sie in den Quark. In vielen anderen Fällen verläßt man sich auf die Pilzkulturen, die in den älteren, schon in der Reife vorgeschritteneren Käsen vorhanden sind, und impft etwas von dieser Masse in den frischen Quark über.

So beginnt wieder eine Gärung. Unter dem Einflusse der Bakterien findet eine Aufspaltung der im Quark vorhandenen Milcheiweiße in einfachere und vielfach leichter zu verdauende Verbindungen statt. Es hat sich nämlich gezeigt, daß jedes Eiweiß, das wir genießen, in unserem Verdauungstraktus ebenfalls erst in sehr viel einfachere Verbindungen aufgespalten werden muß, bevor unser Organismus wieder etwas daraus aufbauen kann. Für das Milcheiweiß nimmt die Käsefabrikation diese Arbeit unserem Organismus ab und liefert Verbindungen, die vielfach ohne weiteres zu neuem Aufbau verwendbar sind.

Jedes Eiweiß enthält aber Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Schwefel und Stickstoff. Bei dem Zerfall des Milcheiweißes durch die Gärungsbakterien werden auch mancherlei gasförmige Verbindungen frei. Die Löcher im Schweizerkäse geben den Beweis dafür, vielfach liefern die chemischen Umsetzungen Kohlensäure und andere geruchlose Verbindungen. Aber daneben treten auch solche von starkem Geruch auf, von denen nur das bekannte Schwefelwasserstoffgas erwähnt sein mag, welches sich besonders stark in faulenden Eiern bildet. Geht die Gärung im Quark noch weiter, so ist auch freies Ammoniak zu spüren, das durch seinen stechenden Geruch besonders unangenehm auffällt.

Während wir nun die verhältnismäßig einfachen chemischen Vorgänge bei der alkoholischen und der Essiggärung ganz genau kennen, sind die sehr viel komplizierteren Verhältnisse der Gärung in Quark und werdendem Käse weniger bekannt. Immerhin weiß man, daß die richtige und beabsichtigte Gärung dabei sich durchaus von einer einfachen Fäulnis oder fauligen Gärung unterscheiden muß. Es ist chemisch durchaus verkehrt, wenn jemand behauptet, Käse sei nichts anderes als verfaulte Milch. Im Gegenteil soll die Gärung bei der Bereitung der guten Käsesorten geradezu aromatisch sein und sich von einer faulen oder wilden Gärung gründlich unterscheiden.

Dies Ziel läßt sich freilich nur durch eine dauernde Kontrolle der Hefen erreichen. Während man Jahrhunderte hindurch bei der Käsebereitung auf reine Erfahrung angewiesen war, hat man heute diese Hefezucht sehr genau in der Hand. Jede bessere Käserei sorgt dafür, daß ihre Hefen nicht entarten oder durch wilde Hefen verunreinigt werden. Sorgfältig werden von Zeit zu Zeit neue Hefen gezogen, wobei man etwa in folgender Weise zu Werke geht:

In einer vollkommen keimfrei gemachten flachen Schale befindet sich Milch, welche durch Pasteurisieren, d. h. durch längere Erwärmung auf 60 Grad, ebenfalls von allen Keimen befreit wurde. Eine Glasglocke schützt das Ganze gegen das Hineinwirbeln irgendwelcher fremden Keime aus der Luft. Nun wird mit einer ebenfalls sterilisierten Nadel eine winzige Probe eines guten Käses der betreffenden Sorte genommen und in die Milch gebracht. Man sagt, die Milch wird geimpft. Von der Impfstelle aus beginnen die wenigen eingebrachten Gärungspilze zu wuchern und bilden einen sogenannten Pilzrasen. Hat dieser sich etwa bis auf Stecknadelkopfgröße ausgebildet, so wird er mit dem Mikroskop betrachtet; dies zeigt nun eine Art von Urwald, in dem sehr verschiedene Bäume wachsen. Es sind die Rasenformen verschiedener Gärungspilze, die hier noch nebeneinander vorkommen.

Wiederum werden mit Hilfe einer feinen sterilen Nadel einige Bäumchen der gewünschten Form aus dem Rasen genommen und in eine andere Schale sterilisierter Milch gebracht. Der Rasen, der sich im Laufe der nächsten Tage in dieser zweiten Schale bildet, ist bereits wesentlich einheitlicher und reiner. Das Verfahren wird noch mehrere Male wiederholt, und schließlich hat man einen Rasen, der nur noch die Formen der einen gewünschten Hefeart zeigt. Den kann man nun kräftig wuchern lassen, indem man einen solchen Rasen von der Größe eines Quadratmillimeters vorsichtig über eine ganze Schale ausimpft. So erhält man schließlich eine kräftige Hefe der gewollten Art, die nun bei der Käsefabrikation aus dem weißen Quark den betreffenden fertigen Käse mit allen Einzelheiten von Geschmack und Aroma entstehen läßt.

Die hier gegebenen Beispiele zeigen wohl, wie sehr unsere ganze Nahrungsmittelchemie auf der Gärung beruht. Das einfache Abendbrot eines Tagelöhners mag aus einem Stück Schwarzbrot, einem Topfkäse und einer Flasche Bier bestehen. Alle drei Dinge sind Erzeugnisse von Gärungsvorgängen. Ohne die alkoholische Gärung, die den Brotteig aufgehen ließ, wäre das gebackene Brot eine steinharte Masse, die etwa an Hundekuchen erinnern würde. Ohne die Milchgärung wäre der Käse nicht so schmackhaft und verdaulich, wie er ist, und ohne die alkoholische Gärung wäre das Bier eine einfache Limonade ohne Kohlensäure und Alkohol. Erst die Gärung macht uns alle diese Dinge bekömmlich und angenehm.



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