Hans Dominik
Das Buch der Chemie
Hans Dominik

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das System der Elemente

Durch die Arbeiten der analytischen Chemie wurden die zahllosen zusammengesetzten Stoffe auf eine verhältnismäßig geringe Anzahl von noch nicht hundert Grundstoffen oder chemischen Elementen zurückgeführt. Auf Grund unserer neuesten Anschauungen von der Struktur der Materie glaubt man heute annehmen zu dürfen, daß die Zahl dieser Elemente 92 beträgt und nicht mehr und nicht weniger betragen kann. Schon frühzeitig setzten nun die Bestrebungen ein, die chemischen Elemente in irgendeiner besonders übersichtlichen und innere Zusammenhänge verratenden Art und Weise zu ordnen. Daß die aus lexikographischen Gründen benutzte Methode, die Elemente alphabetisch zu ordnen, diesen Ansprüchen nicht genügte, war selbstverständlich. Eine solche Anordnung, wie sie die Tabelle auf S. 33 zeigt, ist zwar sehr bequem, wenn man etwa schnell das Atomgewicht oder die Wertigkeit eines Elementes nachschlagen will, aber sie hat mit der Natur der Dinge nichts zu tun. Man könnte zum Vergleich ein Beispiel aus der Botanik heranziehen. Das Linnésche Pflanzensystem ordnet die Pflanzen einfach nach der Zahl und Lage der Staubgefäße in den Blüten. Auch dies System ist sehr bequem, wenn man irgendeine gepflückte Pflanze an Hand des Botanikbuches bestimmen will. Aber es hat mit der Natur der Pflanzenwelt nichts zu tun; denn eng verwandte Pflanzenarten kommen dabei häufig in ganz verschiedene Klassen, weil sie zufällig andere Staubgefäßzahlen haben. Wie man inzwischen in der Botanik ein gutes natürliches Pflanzensystem entwickelt hat, so ging auch in der Chemie das Bestreben dahin, ein natürliches System der Elemente aufzustellen.

Ebenso, wie sich in der Pflanzenwelt verwandte und ähnliche Pflanzengruppen finden, gibt es auch unter den Elementen der Chemie Stoffe, die bemerkenswerte Ähnlichkeit besitzen und geradezu zur Einteilung der einzelnen Elemente in Gruppen oder Familien herausfordern. Man denke nur an die halogenen oder salzbildenden Elemente Chlor, Brom und Jod oder an die Alkalimetalle Lithium, Natrium und Kalium. So kam bereits der Zeitgenosse und chemische Berater Goethes, Döbereiner, zur Aufstellung solcher Dreiergruppen, die er Triaden nannte. Döbereiner erbrachte auch bereits den Nachweis, daß die Unterschiede der Atomgewichte in einer solchen Triade ungefähr gleich sind.

Im Jahre 1865 stellte Newlands das Gesetz der Oktaven auf. Er entdeckte, daß bei einer Ordnung der Elemente nach steigenden Atomgewichten nach einer Periode von sieben Elementen immer wieder ein Element kommt, welches ähnliche chemische Eigenschaften aufweist wie dasjenige an derselben Stelle der vorhergehenden Reihe. Wäre die Entdeckung Newlands' zutreffend gewesen, so hätte man also die Elemente in wagerechten Reihen von sieben untereinander schreiben können und hätte bei dieser Anordnung sieben Vertikalkolonnen erhalten, in denen dann chemisch ähnliche Elemente stehen müßten. Ganz so einfach lag nun die Sache nicht. Immerhin aber waren Döbereiner und Newlands die Vorläufer einer Systematik, die in dem periodischen System von Lothar Meyer und Mendelejew wesentlich weitergefördert wurde. Auch die letzten Forschungen über die Struktur der Atome haben das Mendelejewsche periodische System nur an einigen wenigen Stellen korrigiert.

Mendelejew ließ den Wasserstoff mit dem niedrigsten Atomgewicht 1 zunächst aus dem Spiel und ordnete die folgenden Elemente nun in wagerechten Reihen von je acht Elementen. Für die beiden ersten Reihen oder Perioden geht diese Anordnung ganz gut auf. Es ergibt sich dabei die folgende Gruppierung:

Helium Lithium Beryllium Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor
4,00 7,00 9,1 10,9 12,00 14,01 16,00 19,00
Neon Natrium Magnesium Aluminium Silizium Phosphor Schwefel Chlor
20,2 23,00 24,32 27,0 28,1 31,0 32,06 35,46

Betrachtet man in diesen beiden ersten Reihen die untereinander stehenden Elemente, so findet man in der Tat überraschende Gruppenzusammengehörigkeiten. Da finden wir zunächst die beiden Edelgase Helium und Neon, beide chemisch vollkommen träge und in keine Verbindung zu zwingen. Es folgen die beiden Alkalimetalle Lithium und Natrium, die einwertig sind und durchaus gleichartige Verbindungen bilden. Aus den weiteren Gruppen seien besonders der Kohlenstoff und das Silizium, beide vierwertig und ganz ähnliche Verbindungen bildend, herausgegriffen. Zur letzten Gruppe gehören schließlich die beiden salzbildenden Elemente Fluor und Chlor, die größte chemische Ähnlichkeit aufweisen. Auch die Differenz der Atomgewichte in diesen Vertikalreihen zeigt auffallende Gleichheit. Sie beträgt in allen Vertikalkolonnen fast genau 16. Während sich die chemischen Eigenschaften der Elemente in der ersten wagerechten Reihe bei einem gleichmäßigen Ansteigen der Atomgewichte von Element zu Element allmählich ändern, bringt der kleine Sprung um eine Atomgewichtseinheit zwischen Fluor und Neon einen ganz gewaltigen Umschlag. Aus dem höchst aktiven Halogenen Element wird dadurch das ganz unaktive Neon, welches dem ersten Gliede der oberen Reihe äußerst ähnlich ist. Schon diese beiden ersten Reihen verraten also, daß der Gedanke der Periodizität zweifellos einen richtigen Kern haben muß, und daß sich wahrscheinlich bei dem steigenden Atomgewicht immer wieder gewisse Gruppierungen und Anordnungen im Atom selbst wiederholen müssen, welche eben den chemischen Charakter bestimmen und die Wiederkehr ähnlicher Eigenschaften bedingen.

Was aber so schön und leicht begann, das machte bei der Weiterführung doch erhebliche Schwierigkeiten. Sie wurden zu der Zeit, zu der Mendelejew sein System aufstellte, noch durch den Umstand vergrößert, daß viele heute bekannte Elemente damals noch unbekannt waren. An manchen Stellen seines Systems mußte der russische Forscher, als er es aufstellte, noch offene Stellen lassen. Aber er vermochte die Eigenschaften dieser einstweilen noch unbekannten und ganz hypothetischen Elemente mit einer Genauigkeit vorauszusagen, die immer wieder verblüffen muß. Wir werden darauf noch näher zurückkommen.

Setzen wir nun unser System fort und schreiben die nächste Horizontalreihe nieder. Sie beginnt mit dem Argon mit dem Atomgewicht 39,9, welches ganz offenbar in die erste Vertikalkolonne der inaktiven Edelgase gehört. Es folgt das Kalium mit dem Atomgewicht 39,1, welches ebenso sicher seinen Platz in der zweiten Vertikalkolonne der Alkalimetalle finden muß. Aber was geschieht denn hier? Das Argon mit dem Atomgewicht 39,9 müßte doch hinter dem Kalium mit dem Atomgewicht 39,1 stehen. Es wäre aber natürlich ganz unmöglich und hieße das ganze periodische System preisgeben, wenn man wirklich nach diesen Atomgewichten ordnen und das Kalium vor das Argon stellen wollte.

Immerhin stand Mendelejew schon hier vor einem bedenklichen Schönheitsfehler seines Systems. Er suchte sich zunächst zu helfen, indem er annahm, daß die Atomgewichtsbestimmungen dieser beiden Elemente falsch seien, daß Kalium ein größeres Atomgewicht besäße als Argon. Aber die genauesten neuen Messungen ergaben immer wieder diese nicht in die Elementenfolge passenden Atomgewichte. Erst in neuester Zeit ist das Dilemma durch die Arbeiten von Moseley beseitigt worden.

Moseley fand, daß die Stellung der Elemente im periodischen System nicht durch die Reihenfolge der Atomgewichte, sondern durch die Zahl der positiven Kernladungen des betreffenden Atoms bedingt wird. Die Positionsnummer des einzelnen Elementes in diesem natürlichen System ist danach gleich der Zahl seiner positiven Kernladungen. Daß die Atomgewichte dabei in der bei weitem größten Zahl aller Fälle dauernd steigen und daher ebenfalls die Aufstellung des Systems gestatten, ist zweifellos tiefer begründet. Immerhin aber zeigen die wenigen Ausnahmen, daß es nicht unbedingt so sein muß.

Setzen wir die dritte Spalte fort, so kommen wir vom Kalium über das Kalzium, Skandium, Titan, Vanadium zum Chrom. Aber hier zeigen sich neue Schwierigkeiten. Das Kalzium paßt seinem chemischen Charakter nach nicht ganz zu den senkrecht darüber stehenden Metallen Beryllium und Magnesium; das Skandium nicht zum Bor und Aluminium usw. Ferner würde nun auf das Chrom mit dem Atomgewicht 52 das Mangan mit dem Atomgewicht 55 folgen und müßte logischerweise in die Kolonne der Salzbildner eingereiht werden, in der es als ein Metall ganz bestimmt nichts zu suchen hat.



 << zurück weiter >>