Alphonse Daudet
Die wunderbaren Abenteuer des Tartarin von Tarascon
Alphonse Daudet

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Was in dem Hause des Baobab nun weiter geschah

Während sich alles von Tartarin lossagte, blieb ihm nur die Armee treu.

Der tapfere Kommandant Bravida, der früher im Montierungsdepot Dienste getan hatte, behauptete nach wie vor von ihm in demselben Tone der Überzeugung: Er ist ein Karnickel! Was die andern dem auch entgegenstellten, er beharrte fest bei diesem seinem Ausspruch, und dieser wog, sollte ich meinen, den des Apothekers Bezuquet auf. Auch nicht ein einziges Mal machte der tapfere Kommandant nur die leiseste Anspielung auf die afrikanische Reise; als der Skandal jedoch zu arg wurde, entschloß er sich, mit seinem Freunde ganz offen über die Angelegenheit zu reden.

Eines Abends saß der bedauernswerte Tartarin ganz allein in seinem bunt ausstaffierten Zimmer und dachte über die unglückseligen Vorgänge der letzten Zeit nach, da sah er den Kommandanten eintreten. Seine Schritte waren gemessen, seine Miene ernst, er trug schwarze Handschuhe, und sein Überrock war bis oben hinauf zugeknöpft.

»Tartarin!« begann der alte Soldat mit Würde, »Tartarin, du mußt abreisen!« Und er trat dabei nicht ins Zimmer, sondern blieb im Rahmen der Türe stehen – kalt und majestätisch, die Verkörperung der Pflicht.

Was lag alles in diesem: »Tartarin, du mußt abreisen!« Oh, Tartarin verstand es vollkommen.

Er war sehr bleich geworden und hatte sich erhoben. Einen Blick voll Zärtlichkeit und Liebe warf er noch auf sein Kabinett, das so mollig, so traulich, so hübsch warm und so hell beleuchtet war; er betrachtete seinen Lehnsessel, in dem es sich so bequem ruhen ließ, seine Bücher, seine Waffensammlung. Dann heftete er einen innigen Blick auf die großen, weißen Fenstervorhänge, durch die er noch in dunkeln Umrissen seine Gartenanlage erkennen konnte. Und nun ging er auf den tapferen Kommandanten zu, reichte ihm die Hand, drückte sie ihm so kräftig, als es ihm irgend möglich war, und setzte endlich zum Sprechen an. Zweimal erstickten Tränen seine Stimme, dann aber faßte er sich und sprach laut und deutlich:

»Ich werde reisen, Bravida!«

Und er reiste ab, wie er es versprochen hatte. Aber noch nicht gleich – erst mußten doch die nötigen Vorbereitungen getroffen und die erforderlichen Ausrüstungsgegenstände besorgt werden.

Zuerst bestellte er bei Bompard zwei große Kisten mit Messingbeschlag und einem Messingschild auf dem Deckel mit der Inschrift:

Tartarin aus Tarascon
Waffenkiste

Die Anfertigung der Messingbeschläge und die Gravierung nahm eine ziemlich lange Zeit in Anspruch.

Dann ließ er sich von Tastarin ein prachtvolles Reisealbum anfertigen, da er die Absicht hatte, ein Tagebuch zu führen und darin alle seine Erlebnisse und Eindrücke niederzuschreiben. Denn das ist doch klar, daß einem beim Löwenjagen so mancherlei Gedanken kommen.

Hierauf ließ er sich aus Marseille eine ganze Schiffsladung eingemachter Früchte und Fleischkonserven kommen, Fleischextrakt zur Herstellung von Bouillon, einen Zeltschirm zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen, und zwar einen neuester Konstruktion, der sich in größter Schnelligkeit aufspannen und wieder zusammenlegen ließ; ferner ein Paar Wasserstiefel, zwei Regenschirme, einen Regenmantel und blaue Brillen zum Schutze der sonst ganz gesunden Augen. Endlich mußte ihm der Apotheker Bezuquet eine kleine Reiseapotheke zusammenstellen, enthaltend Charpie, Arnika, Kampfer und Salmiakgeist.

Armer Tartarin! Was er da alles herbeischaffte und anfertigen ließ, sollte ja nicht für ihn bestimmt sein; er hoffte aber zuversichtlich, mit diesen Vorsichtsmaßregeln und Beweisen größtmöglicher Aufmerksamkeit den Zorn Tartarin-Sanchos zu beschwichtigen, der, seitdem die Abreise beschlossene Sache war, seinem Groll in immer heftigeren Ergüssen Luft machte, und ihn weder bei Tage noch bei Nacht zur Ruhe kommen ließ.


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