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Beechey-Insel mit den Gräbern der drei Matrosen. (Franklins erstes Winterquartier 1845/46.)

Die nordwestliche und nordöstliche Durchfahrt.

Die reichen Entdeckungen der Portugiesen und Spanier veranlassten schon früh die anderen europäischen Nationen, sich eigene Wege nach dem noch immer rätselhaften Indien zu suchen. Ein in England lebender Italiener Giovanni Caboto (anglisiert lautet sein Name Johann Cabot), der wohl noch die Ueberlieferungen aus der Normannenzeit kannte, fuhr im Jahre 1497 im Auftrage König Heinrichs VII. mit seinem Sohne Sebastian nach Nordwesten und landete am 24. Juni an der Küste von Labrador nördlich von der Belle-Isle-Strasse. Er fuhr bis zum Eingang der Hudsonstrasse nach Norden und entdeckte dort reiche Fischgründe. Auf einer zweiten Fahrt im folgenden Jahr befuhr er die mehr südlich gelegene Küste, wahrscheinlich bis Florida. Jedenfalls finden wir dann seit 1504 bretonische Schiffer zahlreich an den Neufundlandbänken und an der Mündung des St. Lorenz-Stromes.

Inzwischen erkannte man immer mehr, dass Amerika ein besonderer Erdteil sei, und es lag nahe, statt des weiten Weges um das Kap Hörn den näheren einer nördlichen Umschiffung zu suchen, um so die Durchfahrt in den Stillen Ozean zu finden. Und so tauchten allmählich die beiden grossen Probleme auf, die erst im neunzehnten Jahrhundert gelöst werden sollten, das Problem der nordwestlichen Durchfahrt um Nordamerika herum und das der nordöstlichen Durchfahrt an der sibirischen Küste vorbei. Vor allem war es die nordwestliche Durchfahrt, die trotz aller Enttäuschung immer wieder aufs neue als Ziel lockte und bald vom Atlantischen Ozean, bald von der Beringstrasse aus versucht wurde.

Aber die ersten Versuche, an der Labradorküste weiter nach Norden vorzudringen, scheiterten alle, und erst dem englischen Seefahrer Martin Frobischer gelang es, auf seinen drei Reisen in den Jahren 1576 bis 1578 die Hudsonstrasse und die Frobischerbai zu entdecken und auch Westgrönland zu berühren. Grösseren Erfolg hatte dann John Davis, der 1585 zum erstenmal nach Norden segelte und dabei die Ostküste Grönlands entdeckte, die er Desolationland, das Land der Trostlosigkeit, nannte. Er fuhr südlich um Grönland herum und erreichte die Küste von Cumberland an der Ostküste von Baffinsland. Im Jahre 1587 fuhr er an der Westküste Grönlands vorbei bis über den 72. Breitengrad hinaus, wo ihn die Eismassen zum Umkehren zwangen. Er war es, der zuerst die Eskimos kennenlernte und ihre Verwandtschaft mit den Mongolen erkannte. Er wies auch auf den ungeheuren Reichtum dieser Meere an Walfischen, Robben und Walrossen hin, ein Reichtum, der dann von den Engländern lebhaft ausgebeutet wurde.

Der Nachfolger von Davis war Henry Hudson, der im Jahre 1609 die breite Mündung des Hudsonflusses beim heutigen New York entdeckte und befuhr, da er sie für eine Meerenge hielt. 1610 fuhr er nach Norden und in die Hudsonstrasse hinein, immerzu nach Westen, bis er an das Kap Wolstenholme geriet, wo die Küste scharf nach Süden abbog. Er war in die grosse Hudsonbai gelangt und sah zu seinem Staunen ein unübersehbares, eisfreies Meer vor sich. Natürlich zweifelte er nicht, den Zugang zum Stillen Ozean gefunden zu haben. Er segelte an der Küste entlang nach Süden, fand aber dann den Weg im Süden und später auch im Westen durch Land versperrt, und entdeckte zu seinem Schrecken, dass der schnell herannahende Winter ihm den Rückweg abschnitt. Nun waren damals die Schiffe durchaus nicht darauf eingerichtet, die Schrecken einer Polarüberwinterung zu ertragen. Auch auf Hudsons Schiff, das einfror, entstanden Krankheiten und Hungersnot, so dass im Frühjahr 1611, als das Schiff wieder auftaute, die Mannschaften meuterten und Hudson mit seinem Sohn und acht Matrosen in einem offenen Boot aussetzten. Man hat nie wieder etwas von dem kühnen Seefahrer gehört. Eine Hilfsexpedition, die 1612 abgesandt wurde, kam ohne Erfolg zurück.

Immerhin glaubte man in der Hudsonstrasse die Einfahrt in den Stillen Ozean gefunden au haben, und so segelten schon 1614 Robert Bylot und William Baffin wieder dorthin. Sie gelangten an der Southamptoninsel vorbei bis in das Foxbecken, und auf einer zweiten Reise im Jahre 1616 fuhren sie durch die Davisstrasse in die Baffinsbai bis zum Smithsund im 78. Breitengrad hinauf. Auf der Rückreise entdeckten sie den Lancastersund, den sie aber für unbefahrbar hielten. Baffin hat später erklärt, die ganze Nordwestdurchfahrt sei praktisch unmöglich, und die Erfahrung hat ihm nur zu sehr recht gegeben. Seitdem stockten hier alle weiteren Versuche volle zweihundert Jahre lang.

Erst im Jahre 1818 begannen wieder die Expeditionen zur Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt, nachdem dafür von der englischen Regierung ein Preis von 400 000 Mark ausgesetzt war. In diesem Jahr fuhr John Ross mit zwei ausgezeichneten Schiffen in die Baffinsbai hinein, erreichte auch den Lancastersund, kehrte dann aber wieder um, trotz des Widerspruchs seines Unterführers Edward Parry, da er die Strasse für einen Binnensee hielt. In England war man mit seiner schnellen Rückkehr wenig zufrieden und schickte schon 1819 Parry noch einmal mit zwei Schiffen aus, der auch durch den Lancastersund und die Barrowstrasse bis zur Melville-Insel und Banksland vordrang. Auf der Melville-Insel überwinterte er und kehrte im nächsten Sommer, reich an Erfolgen, zurück. Zwei weitere Reisen 1821 und 1824 verliefen weniger ergebnisreich. Doch durchforschte er das Foxbecken und entdeckte die Fury- und Heklastrasse. In den Jahren 1829 bis 1833 endlich erfolgte eine neue Reise von John Ross, auf der ihn sein Neffe James Clarke Ross begleitete. Sie gelangten nach King-Williams-Land und Boothia Felix und entdeckten hier am 1. Juni 1831 bei Kap Adelaide den magnetischen Nordpol, wo die freischwebende Magnetnadel sich mit der Nordspitze senkrecht nach unten stellte. Der magnetische Nordpol war also zwanzig Breitengrade von dem astronomischen Nordpol entfernt. Zwei Jahre sass hier John Ross mit seinem Schiff im Eise eingefroren und gelangte erst unter grossen Strapazen auf Booten in die Baffinsbai, wo er von einem Walfischfänger aufgenommen und so nach Hause gebracht wurde.

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Sir John Ross

In der Geschichte der Polarforschung folgt nun ein tragisches, aber zugleich sehr interessantes Kapitel, der Untergang der Franklinschen Expedition, die viele Jahre lang die Kulturwelt in Spannung und Aufregung versetzte. Der am 16. April 1786 geborene John Franklin hatte sich zunächst an Landexpeditionen beteiligt, die den Kupferminenfluss und später den Mackenziefluss hinabführten und mit furchtbaren Entbehrungen verknüpft waren. Jedenfalls lernte man dadurch aber den westlichen Teil der amerikanischen Nordküste kennen, und die Hoffnung, die gesuchte Nordwestdurchfahrt zu finden, stieg. So übertrug man dann Franklin im Jahre 1845 den Oberbefehl über eine grosse Schiffsexpedition, die durch die Barrowstrasse nach Westen durchdringen sollte. Am 26. Mai verliess er mit zwei ausgezeichneten, mit Dampfmaschinen versehenen Schiffen und 158 Mann London. Alles war im voraus von dem Erfolg der Expedition überzeugt, und doch sollte niemand von allen Teilnehmern zurückkehren, ja es sollten noch weitere acht Schiffe mit ihren Besatzungen, die man später nachsandte, zugrunde gehen. Am 16. August traf Franklin in der Baffinsbai Walflschfänger, denen er einen Bericht mitgab; von diesem Tage an ist er verschollen.

Als man drei Jahre lang nichts mehr von der Expedition gehört hatte, begannen die Nachforschungen, die bald mit solcher Energie durchgeführt wurden, dass jeder Winkel der dortigen Meere abgesucht wurde und die ganze Inselwelt genau bekannt wurde. Schon 1848 gingen vier Expeditionen ab, die zum Teil sogar vom Stillen Ozean aus über die Beringstrasse vorstiessen, weil man überzeugt war, Franklin habe bereits sein Hauptziel erreicht. Aber alle kehrten ohne Ergebnis zurück. 1850 setzte die englische Regierung einen Preis von 400 000 Mark für die Rettung der Expedition aus, und auch die Gattin Franklins stiftete einen Preis für Nachrichten über den Verbleib der Forscher. Wiederum ging eine Reihe von Schiffen ab, um sowohl vom Westen wie vom Osten nach der Gegend der Barrowstrasse vorzudringen, und diesmal beteiligten sich auch Amerikaner daran.

Das einzige Ergebnis war die Auffindung eines Winterquartiers Franklins auf der kleinen Beecheyinsel mit drei Gräbern. Aus den ganzen Verhältnissen ging aber hervor, dass sich die Expedition hier in keiner Übeln oder gefährlichen Lage befunden hatte und wahrscheinlich von hier hoffnungsvoll nach ihrer Ueberwinterung weitergefahren war. Doch zeigte keine Spur die Richtung ihrer weiteren Fahrt.

Die Nachricht von dieser Entdeckung erregte in England grosses Aufsehen, und aufs neue wurden Rettungsexpeditionen ausgesandt, die aber alle ohne Ergebnisse zurückkehrten. Erst 1854 stiess der Polarforscher Rae am Kupferminenfluss auf Eskimos, die mitteilten, im Jahre 1850 seien am Grossen Fischfluss weisse Männer mit Booten über Land gezogen und an Hunger und Entkräftung gestorben. Die beiden letzten hätte man weinend auf einem Berge sitzen gesehen, bis sie starben. Da Rae von den Eskimos Gegenstände kaufte, die zweifellos von den verschollenen Schiffen stammten, so musste man annehmen, dass die Mannschaften die Schiffe verlassen und eine Rettung zu Lande versucht hatten.

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Sir John Franklin. Nach einem gleichzeitigen Stahlstich.

Die englische Admiralität weigerte sich aber jetzt, noch weitere Mittel für eine neue Rettungsexpedition herzugeben, und so rüstete Franklins Gattin mit ihrem letzten Vermögensrest einen kleinen Schraubendampfer »Fox« aus unter der Leitung des Kapitäns Mac Clintock. Diesem gelang es endlich, das Schicksal der Verunglückten aufzuklären. Auf der Insel King- Williams-Land fand er nicht nur Schiffsreste aller Art und viele Skelette, sondern auch unter einem Steinhaufen ein Dokument, aus dem hervorging, dass Franklin schon am 11. Juni 1847 gestorben war, und dass die Uebriggebliebenen beschlossen hatten, auf Booten den Grossen Fischfluss hinaufzufahren. Was dann weiter geschah, konnte nicht mehr festgestellt werden, doch müssen alle in der Umgegend umgekommen sein.

Immerhin hat die Suche nach Franklin das Ergebnis gehabt, dass Mac Clure dabei vom Westen aus durch die Prince-of- Wales-Strasse zur Melville-Insel vordrang und dann über die Barrowßtrasse und den Lancastersund nach England gelangte, also das Problem der nordwestlichen Durchfahrt löste. Praktisch hatte aber die Durchfahrt keinen Wert. In viel späterer Zeit gelang es erst R. Amundsen, den Weg in umgekehrter Richtung zurückzulegen. Er brach 1903 mit einem ganz kleinen Schiff von nur acht Mann Besatzung auf, überwinterte zweimal auf der King-Williams-Insel und zum drittenmal auf der Herschelinsel nordwestlich von der Mündung des Mackenziestromes, um dann im Herbst 1906 an der Beringstrasse anzukommen. –

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Sebastian Cabot, der Entdecker Neufundlands,

Das zweite Problem, das der nordöstlichen Durchfahrt, ging wie das der nordwestlichen Durchfahrt von Sebastian Cabot aus. Nach seinen Plänen liefen im Jahre 1553 drei englische Schiffe nach Nordosten aus unter der Leitung von Hugh Willoughby, Richard Chancellor und William Jefferson. Am Nordkap wurden die Schiffe durch einen furchtbaren Sturm voneinander getrennt, zwei froren dann an der Küste Lapplands ein und gerieten in die Schrecken des arktischen Winters, auf die sie gar nicht vorbereitet waren. Es gab weder Pelze auf den Schiffen noch genügendes Feuerungsmaterial, und so kamen alle Matrosen elend um. Russische Schiffer fanden im nächsten Frühjahr die eingefrorenen Schiffe, aber von der Besatzung wurde nie wieder etwas gehört. Mehr Glück hatte Chancellor, der mit seinem Schiff in das Weisse Meer gelangte und an der Mündung der Dwina, wo jetzt Archangelsk liegt, landete. Die Engländer, die anfangs glaubten, schon in Indien zu sein, wurden vom Zaren nach Moskau eingeladen und knüpften dort Handelsverbindungen an. Im nächsten Frühjahr kehrten sie mit ihrem Schiff wohlbehalten wieder nach England zurück.

Im Jahre 1550 gelangte Stephan Burrough bis nach Nowaja Semlja, fand aber das Karische Tor durch Eismassen verstopft, so dass er die gesuchte Mündung des Ob nicht erreichte. Bis in das Karische Meer hinein gelangten erst 1580 Arthur Pet und Charles Jackmann, die aber dann auch durch Eismauern gezwungen wurden umzukehren.

Den Engländern folgten bald die Holländer, die ebenfalls nach einer neuen Seeverbindung mit China und Japan suchten. Nach einigen missglückten Versuchen kam es 1596 zu einer sehr interessanten Expedition, die durch die Teilnahme von Willem Barentsz wichtig für die Polarforschung wurde. Am 20. Mai hatten die beiden Schiffe Amsterdam verlassen, am 19. Juni entdeckten sie, immer nordwärts fahrend, die Bäreninsel und am 29. Juni Spitzbergen, das sie aber für einen Teil Grönlands hielten. Weiter nach Norden vorzudringen wurden sie durch die dichten Eisschranken gehindert. Die Schiffe trennten sich nun, und Barentsz fuhr nach Osten durch die nach ihm so benannte Barentszsee bis zur Nordspitze von Nowaja Semlja, die er umsegelte. Dann aber wurde er in einer Bucht, die heute noch Barentsz-Eishafen heisst, durch Schollen eingeschlossen, so dass schliesslich das Schiff sogar durch die Eispressung ganz aus dem Wasser emporgehoben wurde. Alle Vorräte mussten schleunigst ans Land gerettet werden, und aus angeschwemmtem Treibholz erbaute Barentsz ein festes Blockhaus, in dem die Holländer unter grossen Entbehrungen durch den Winter kamen. Im Frühling zimmerten sie mit vieler Mühe zwei offene Barken zurecht, aber erst am 23. Juni konnten sie damit den Hafen verlassen. Barentsz war schon so hinfällig, dass man ihn ins Boot tragen musste, und am 30. Juni starb er auf einer Eisscholle, auf der sie Rast gemacht hatten. Wochenlang irrten die Schiffbrüchigen nun inmitten des Treibeises umher und wurden endlich durch zwei russische Schiffe, die hier auf Walfische jagten, aufgenommen. Glücklich gelangten sie so nach Kola an der Lapplandküste und später auf einem holländischen Schiff in die Heimat. Merkwürdigerweise ist das Winterhaus, das Barentsz auf Nowaja Semlja errichtet hat, im Jahre 1871, also 275 Jahre später, durch den Norweger Elling Carlsen wieder aufgefunden worden. Zahlreiche Gegenstände daraus stehen jetzt im Marinemuseum im Haag.

Das Suchen nach einer Durchfahrt durch das sibirische Eismeer geriet nun ganz ins Stocken und kam erst wieder im Anfang des 18. Jahrhunderts in Fluss. Es war damals die Frage entstanden, ob nicht Amerika und Asien im Norden zusammenhingen, und auf einen Befehl, den Peter der Grosse noch auf seinem Sterbebette gab, reiste der Däne Veit Bering 1725 von Petersburg durch Sibirien nach Ochotsk am Ochotskischen Meer und ging von dort unter Segel. Es gelang ihm auch, im Jahre 1741 bis an die nach ihm so benannte Beringstrasse heranzukommen und so die Frage zu lösen, dann aber unterlag er den erlittenen Anstrengungen auf der Beringsinsel bei Kamtschatka. James Cook hat dann ja diese Entdeckung 1778 vollendet.

Immerhin war man aber besonders in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts von der Unmöglichkeit einer nordöstlichen Durchfahrt fest überzeugt, und erst in den sechziger und siebziger Jahren entdeckten Wal- und Robbenjäger, dass in den westsibirischen Meeren im Spätsommer eine ziemlich eisfreie Wasserfläche war. Die Erfahrungen dieser praktischen Schiffer benutzte dann Adolf Erik von Nordenskjöld, geboren am 18. November 1832 zu Helsingfors, um im Jahre 1878 das Wagnis noch einmal zu unternehmen und es glücklich durchzuführen.

Nordenskjöld war Wissenschaftler und lebte als Professor der Geologie in Stockholm. Aber er hatte wiederholt Expeditionen nach Spitzbergen mitgemacht, war in Grönland gewesen und 1875 mit einem kleinen Segler durch das Karische Meer bis zum Ob und Jenissei gelangt. 1876 wiederholte er diese Fahrt mit einem Dampfer, fuhr den Jenissei hinauf und machte wichtige naturwissenschaftliche Funde, unter denen sich auch zahlreiche Mammutreste befanden. Endlich am 25. Juli 1876 verliess er mit vier Dampfern den Hafen von Karlskrona und erreichte ohne jede Schwierigkeit am 6. August die Jenisseimündung. Hier blieben zwei Schiffe, die nur zu Handelszwecken mitgefahren waren, zurück, und Nordenskjöld fuhr vier Tage später mit den beiden anderen, der »Vega« und der »Lena«, weiter.

Das Vordringen wurde bald durch sehr nebliges Wetter und mächtige Eisfelder erschwert, und unaufhörlich musste die Dampfpfeife in Tätigkeit gesetzt werden, damit sich die beiden Schiffe nicht verloren. Trotzdem erreichte man am 19. August das erste Ziel, die nördlichste Spitze der Alten Welt, Das Kap Tscheljuskin an der Taimyrhalbinsel war erreicht, und die festlich beflaggten Schiffe ankerten hier in einer kleinen Bucht, um eine genaue astronomische Ortsbestimmung aufzunehmen. Am 28. August wurde das Mündungsdelta der Lena erreicht, wo bestimmungsgemäss auch der kleinere Dampfer »Lena« zurückblieb, um den Fluss hinaufzufahren, während jetzt Nordenskjöld mit der »Vega« allein weiterfuhr.

Am 29. August wurden schon die Neusibirischen Inseln erreicht, die so reich an Mammutzähnen und Tierknochen sind und russischen Elfenbeinjägern auch heute noch eine grosse Beute geben. Die Versuchung, hier zu landen, war sehr stark, aber Nordenskjöld befürchtete zu sehr die Gefahr des Einfrierens und musste deshalb weiterfahren. Am 3. September wurden die Bäreninseln passiert, dann aber begann der Kampf mit dem Eis. Besonders schwierig war die Umschiffung des Kaps Baranow; bei Kap Jakan und am Nordkap gab es mehrtägigen Aufenthalt durch Packeis. Aber das Schiff drang doch immer weiter nach Osten vor, bis es endlich am 28. September zwischen der Koliutschinbai und dem Kap Serdze Kaman durch das Eis gezwungen wurde, das Winterlager zu beziehen.

Zu der Ueberwinterung entschloss sich Nordenskjöld nur mit sehr schwerem Herzen, denn er befand sich ja dicht vor der Einfahrt in die Beringstrasse, und ihm entging so der Triumph, in einer Schiffahrtssaison die Durchfahrt vollendet zu haben. 295 Tage sollte die Ueberwinterung dauern, wobei die Temperatur manchmal auf -46 Grad Celsius sank. Endlich am 18. Juli 1879 setzte sich das Eis in Bewegung, und bereits am 20. Juli wurde das Kap Daschnew, die östlichste Spitze von Asien, erreicht. Die Nordostdurchfahrt war vollbracht, und am 2. September meldete der Telegraph in Europa, dass das Schiff glücklich in Yokohama in Japan angelangt war. Es fuhr dann durch den Suezkanal nach Europa, wo Nordenskjöld nach London und Paris reiste und überall glänzend gefeiert wurde. Am 24. März 1880 brachte er das Schiff nach Stockholm, ohne dass ein einziger Mann von der Besatzung verlorengegangen war.

Uebrigens hatte diese glückliche Fahrt noch ein trauriges Nachspiel. Da man nämlich während der langen Ueberwinterung der »Vega« nichts von ihr hörte, wurden mehrere Hilfsexpeditionen ausgesandt, die aber allesamt verunglückten. Am tragischsten war das Schicksal der Expedition, die James Gordon Bennett, der Besitzer des amerikanischen Weltblattes »New York Herald«, ausrüsten liess. In seinem Auftrag verliess der Kapitän de Long auf dem schönen Dampfer »Jeannette« mit 32 Mann Besatzung Ende Juni 1879 San Francisco, ergänzte auf Alaska seine Kohlenvorräte und gelangte am 19. August in die Koliutschinbai, wo er durch Tschuktschen erfuhr, dass Nordenskjöld, der hier überwintert habe, bereits nach der Beringstrasse weitergefahren sei. Die Tschuktschen zeigten dabei auch mehrere, ihnen von Nordenskjöld überlassene Gegenstände.

Der Kapitän de Long war nun überzeugt, dass er Nordenskjöld nicht mehr zu helfen brauchte. Er fuhr deshalb nach Westen weiter und wurde schon am 24. August ganz von Eis eingeschlossen. 21 Monate blieb das Schiff nun eingefroren. Am 7. Januar 1880 erhielt es ein grosses Leck, trieb aber im Eise immer weiter und sank schliesslich am 12. Juni 1881 etwa 1000 Werst von der Küste entfernt. In drei Booten fuhren die noch immer vollzähligen Mannschaften nach Süden auf das Lenadelta zu, bis sie durch Stürme getrennt wurden.

Ein Boot unter dem Ingenieur Melville fand auch wirklich den Ostarm der Lena. Die Mannschaften mit ihrem Führer gelangten dann unter grossen Mühseligkeiten nach Bulun und später nach Irkutsk. Von dem zweiten Boot unter Leutnant Chipp hat man nie wieder etwas erfahren, es hat wohl gar nicht erst das Land erreicht.

Das dritte Boot, in dem der Kapitän de Long, Dr. Ambler und zwölf Matrosen fuhren, landete in der Nähe des Nordarmes der Lena. Das Wasser war hier so niedrig, dass eine Bootfahrt unmöglich war, und so beschlossen die Schiffbrüchigen, zu Fuss nach dem 800 Werst entfernten Bulun zu wandern. Sie hatten aber nur für wenige Tage Lebensmittel, und ihre Kleidung passte gar nicht zu der furchtbaren Kälte. Trotzdem marschierten sie mutig vorwärts, erschlafften aber bald vollständig. Zwei Matrosen wurden vorausgeschickt. Sie marschierten 23 Tage, ohne auf einen Menschen zu stossen, und ernährten sich von zwei Rebhühnern, die sie unterwegs schössen. Drei Jakuten, die von einem Jagdausflug heimkehrten, fanden sie dann und brachten sie nach Bulun.

Hier kam aber auch Melville am 3. November an, und da er durch die Matrosen den Weg de Longs erfuhr, suchte er sie auf, fand aber nur ihre Leichen. Sie hatten Stücke verbrannten Pelzwerks in den Taschen, an dem sie in ihrem Hunger gezehrt hatten. Ihre Hände waren alle mehr oder weniger verbrannt, als ob sie noch sterbend um ein Feuer gesessen und sich zu nahe herangedrängt hätten. Bei dem Kapitän de Long fand man ein Tagebuch, das am 1. Oktober, also 110 Tage nach dem Verlassen des Schiffes begann und am 30. Oktober schloss. Es schilderte das allmähliche Verhungern und Sterben der bis zum letzten Augenblick tapferen Männer.

Im Herbst 1881 wurde übrigens von Amerika aus ein neues Schiff, der Dampfer »Rodgers«, unter Führung von Leutnant Berry ausgesandt, der de Long suchen sollte. Auch dieses Schiff ging unter, die Mannschaft wurde aber durch Tschuktschen aufgenommen und gerettet.

 


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