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VI.

 

Ein Häuptling in dem Hochland oben
Rief: Bursche, säumet nicht!
Gerettet will ich Euch stets loben,
Ich geb' Euch Alles, säumet nicht!

W. Scott.

 

 

Der Himmel war den ganzen Tag vorher ohne Wolken gewesen; trocken und schneidend kalt ging der Wind. Tausend Sterne glänzten durch die eisige Luft. Als sich das Auge mehr an die halbhelle Nacht gewöhnt hatte, traten alle Umgebungen deutlicher entgegen. Die Spitze des Zuges, der den engen Pfad verfolgte, bildete ein Peloton Seesoldaten, die den festen Marsch geübter Krieger beobachteten. In geringer Entfernung folgten ihnen ein dichter, unordentlicher Haufen Matrosen, tüchtig bewaffnet. Ihre Neigung zu Unordnung und ausgelassener Lustigkeit, die, so wie sie festen Grund und Boden unter sich hatten, besonders erwacht war, wurde mit Mühe durch die Gegenwart und strengen Verweise ihrer Offiziere in Schranken gehalten. In der Mitte dieser verwirrten Masse waren die gemeinen Gefangenen untergebracht, die von ihrer Bedeckung aber nur in sofern beachtet wurden, als sie ihnen Stoff zu Späßen und groben Scherzen gaben.

In einiger Entfernung folgte, Arm in Arm, der Oberst Howard und Borroughcliffe. Beide beobachteten ein ernstes, würdevolles Schweigen, so bittere Gefühle auch ihren Busen bestürmten. Miß Howard war so dicht als möglich hinter ihrem Onkel. Alix Dunscombe führte sie, alle ihre Dienerinnen waren rings um sie herum. Katharine schritt neben der Gruppe flüchtig allein dahin, mit kräftigem Schritt, aber jungfräulicher Zurückhaltung, die ihr sagte, sie müsse ihre Freude, so dem Scheine nach gefangen zu seyn, wohl verbergen. Barnstable bewachte jede ihrer Bewegungen. Er war keine sechs Fuß von ihr entfernt: allein er fügte sich gern in die Laune des Mädchens, das ihm zu gebieten schien, ja nicht näher zu kommen. Griffith vermied es, in gerader Linie mit ihnen zusammen zu treffen. Er ging auf der Flanke, so, daß sein Auge die ganze Schaar übersehen und im Nothfalle ihre Bewegungen leiten konnte. Ein Haufe Matrosen deckte diesen Zug, und Manuel führte den Nachtrab. Auf seinen Befehl schwieg Pfeife und Trommel, und man hörte nichts, als den gemessenen Schritt der Soldaten mit dem letzten Heulen des ersterbenden Sturmes, nur daß manchmal der Ruf eines Offiziers oder das Summen eines halblauten Gesprächs dazwischen kam.

»Wir haben eine schottische Prise genommen!« brummte ein alter Matrose. »Ein Schiff ohne Geld und Ladung! 's war Zeug genug in dem alten Neste, um jedem von uns auf der Fregatte ein paar silberne Schnallen oder sonst was zu geben. Aber nein! 's Wasser kann einem ehrlichen Manne im Maule zusammen laufen. Weiß es Gott, wenn die Offiziere nur erlaubt hätten, eine kleine Bibel zu nehmen.«

»Du kannst das Alles sagen, und dann hast Du doch nichts gesagt als die Wahrheit!« meinte der ihm zur Seite gehende Matrose. »Und wenn sich ein Ding gefunden hätte, wie ein Gebetbüchelchen ist, sie hätten's so einem armen Kerle, wie wir sind, abgejagt. Ich sage Dir, Benjamin, ich will Dir sagen, meine Meinung ist, wenn der Matrose soll Soldat werden, und den Schießprügel schleppen; so muß er es auch wie ein Soldat treiben, und ein bischen plündern dürfen. Jetzt soll mich der Teufel holen, wenn ich meine Hände an etwas Anderes gelegt habe, als an den Schießprügel und mein Bootsmesser, Du müßtest denn den Fetzen von Tischtuch für einen Glücksfall nehmen!«

»Ei, da hast Du ein schönes Segel erwischt, wie ich sehe!« rief der Andere, und bewunderte das feine Gewebe von der Prise seines Kameraden. »Wahrlich, das ist so breit wie 's Besamsegel, wenn es mit dem vollen Winde geht: sieh' einmal! Ja, Dein Glück hat nicht Jedermann! – Ich für meinen Theil denke, der Hut hier muß für Jemandes große Fußzehe gewesen seyn. Ich habe ihn auf meinem Hirnkasten vor- und rückwärts geschoben, und mit dem Kiele gerichtet, aber hol mich der Teufel, ich kann ihn nicht einen Zoll herunterdrücken. Ich sage Dir, Samuel, ein Hemde mußt Du mir von Deinem Tischtuche ablassen!«

»Ja, ja, Du kannst einen Zipfel davon bekommen, die Hälfte sollst Du haben! Aber ich sehe schon, wenn wir nicht die Heerde von Weibern in unsere Prisengelder hinein bekommen, geh'n wir nicht reicher an Bord, als wir waren!«

»Nicht reicher?« unterbrach ein junger, lustiger Matrose die beiden. Er hatte bisher die alten, eigennützigen Kameraden schweigend belauscht. »Ich denke, wir sollen in der See kreuzen, wo die Tagwache sechs Monate währt? Seht Ihr denn nicht, daß wir schon doppelt Nachtwache haben?«

Während er so sprach, legte er die Hände auf die unbedeckten, welligen Köpfe von den zwei Negern des Obersten, die gerade neben ihm gingen, und in tausend Aengsten über die Folgen der unerwartet verlornen Freiheit waren.

»Dreht Euch doch nur um!« sagte er dabei, »die Finsterniß könnt Ihr doch sehn?«

»Laß doch die Schwarzen gehen!« schalt ihn einer der Aeltern. »Was wollt Ihr denn mit den Nachtvögeln machen? Sie werden gleich schreien, und dann habt Ihr einen der Offiziere auf dem Halse! – Ja, ich kann nicht wegbekommen, Nickel, warum wir so lange hier an der Küste halten, wo wir nicht zehn Faden haben. Wenn wir in das atlantische Meer giengen, stießen wir alle ein oder zwei Tage auf einen Jamaikafahrer, und hätten dann Zuckerbrode und Rum in solcher Menge, wie es jetzt knapp damit hergeht.«

»An dem Allen ist der Lootse Schuld!« erwiederte der Andere. »Denn seht Ihr, wenn das Meer keinen Grund hätte, da brauchte man keine Lootsen. Das ist hier ein gefährlicher Grund zum Kreuzen! Fünf Faden Tiefe, und, wo man 's Blei auswirft, eine Sandbank oder ein Felsen. Und, noch dazu Alles in der Nacht! Wenn wir vierzehn Stunden Tag hätten, statt sieben, – nun da könnte ein ehrlicher Mann gleich – seinen Weg für die übrigen zehn Stunden heraussondiren!«

»Ja, Ihr seid doch ein Paar recht alte Seehunde!« kam wieder der junge Matrose dazwischen. »Seht Ihr denn nicht, daß der Congreß John Bull's Küstenfahrer in den Grund segeln lassen will, und der alte Blasius die Tage dazu zu kurz fand? So mußten wir landen, und die Nacht mit dazu nehmen. Nun haben wir sie, und wenn wir erst am Bord sind, so stecken wir sie in den Schiffsraum, und dann werden wir schon wieder Sonnenschein bekommen. – Kommt, Ihr Lilien! laßt einmal meine alten Kameraden in Eure Kajütenfenster gucken! Was? Ihr wollt nicht? Denn muß ich wohl Eure wollne Nachtmütze zerkratzen?«

Die Neger hatten sich seinen Späßen mit der gewöhnlichen sclavischen Demuth unterworfen; aber jetzt, als der Peiniger auch in den Haaren wühlte, ließen sie es doch ein Bischen hören, daß er ihnen wehe thäte. –

»Was ist das?« rief eine verweisende Stimme, deren heller Ton aber das Ansehn, das sich der Sprecher gab, zu verspotten schien. »Wer verursacht das Geschrei unter Euch?«

Der Matrose ließ geschwind das wollige Haar der Neger fahren. Als er aber längs den schwarzen Backen ärgerlich herunter fuhr, kniff er den einen so derb in's Ohr, daß er noch einmal, und zwar viel lauter schrie, da er jetzt ungleich mehr auf Hülfe rechnete, als vorher.

»Hört Ihr dorten!« wiederholte Merry. »Wer spaßt mit den Negern?«

»Kein Mensch!« antwortete der junge Matrose ganz ernsthaft. »Eines von den blassen Gesichtern stieß mit dem Beine gegen ein Spinnengewebe, und hat deshalb gleich Zeter geschrieen!«

»Höre, Hanswurst, wie kamst Du denn unter die Gefangenen? Befahl ich Dir nicht, die Pike auf die Schulter zu nehmen, und den Zug in der Flanke zu decken?«

»Ja, ja, Herr Kadet, und ich that's auch, so lange ich konnte. Aber die Schwarzen machten die Nacht so finster, daß ich aus dem Wege kam!«

Der ganze unordentliche Haufe lachte im Stillen, und selbst der Kadet hätte gern den lustigen Witz in gleicher Art aufgenommen. Der Matrose galt für einen der Privilegirten, wie man sie auf jedem Schiffe findet.

Endlich rief er ihm zu: »'s ist Zeit; Du hast einen falschen Strich gehalten. Nun, jetzt mach' aber auf den rechten zurück, wo ich Dich hingewiesen habe.«

»Ich gehe schon, Kadet, ich gehe. Bei allen falschen Rechnungen des Proviantmeisters, das Spinnengewebe hat einem von den Schwarzen Thränen ausgepreßt. Laßt mich doch ein Bischen hier! Ich will ein Gläschen Dinte auffangen, um einen Brief an meine arme alte Mutter schreiben zu können. Der Teufel hol' die Zeile, die sie von mir bekommen hat, seitdem wir aus der Chesapeake-Bai sind.«

»Wenn Du nicht gleich hörst, Hanswurst; so soll Dir die Klinge über den Kopf fahren!« rief Merry, und sein Ton zeigte, daß er an den Leiden der Schwarzen Antheil nahm, die, noch jetzt verachtet, es damals viel mehr waren, und somit das Ziel aller gedankenlosen und unbesonnenen Amerikaner wurden. »Dann kannst Du Deiner Mutter einen Brief mit rother Dinte schreiben, wenn Du Lust hast!«

»Das möcht' ich um Alles in der Welt nicht!« erwiederte der Spaßmacher, und schlich sich nach seinem Posten hin. »Die alte Frau hat meine Hand noch nicht vergessen, und könnte dann schwören sie sey nachgemacht! – Ich möchte doch wissen, ob das Wasser an der Guineaküste schwarz ist? Von alten Seeleuten, die in der Breite gekreuzt haben, hörte ich so Etwas!«

Seine Spässchen wurden jetzt durch eine Stimme unterbrochen, die ernst und strenge so laut tönte, daß sie mit einem Worte den größten Ausbruch des Jubels in der Mannschaft beschwichtigen konnte.

Das leise Flüstern: »Ja, dort geht der Lieutnant Griffith!« und: »Jack hat den ersten Lieutnant aufmerksam gemacht!« hörte man bald hier, bald da. Allein diese Mittheilungen ließen bald nach. Jack, der Spaßmacher selbst, ging am Ende längs der Flanke so stumm dahin, als ob die Sprache gar nicht zu seiner Organisation gehöre.

Der Leser hat uns aus der Abtei zu oft nach dem Meere begleitet, um einer Beschreibung des Weges zu bedürfen, den der Zug während jenes Gesprächs eingeschlagen hatte. Wir gehen daher gleich zu den Ereignissen über, die nach dem Eintreffen desselben auf den Klippen Statt fanden. Der Mann, welcher so unerwartet in St. Ruth einen Augenblick an der Spitze gestanden hatte, war verschwunden, ohne daß Jemand etwas davon wußte. Griffith führte daher den Oberbefehl, ohne irgend Einen weiter zu Rathe zu ziehen. An Barnstable wendete er sich nicht. Es war klar, daß die beiden stolzen, jungen Männer fühlten, ein Band, wodurch sie bis jetzt so eng vereint gewesen waren, sey, wenigstens für den Augenblick, gänzlich zerrissen. Wirklich wurde Griffith nur durch Ceciliens und Katharinens Gegenwart abgehalten, seinen widerspenstigen, ihm untergeordneten Gegner auf der Stelle zu arretiren. Barnstable fühlte vollkommen, daß er gefehlt habe. Aber er bereuete es keinesweges. Mit Mühe unterdrückte er seine Gefühle so weit, daß er sie nicht in Gegenwart der Geliebten laut werden ließ, was ihn seine beleidigte Eitelkeit als nothwendig zeigte, um Genugthuung zu erhalten. Beide waren indessen, obschon ohne Verabredung, in Einer Sache einverstanden: sie sorgten für die Einschiffung der beiden schönen Basen.

Barnstable eilte gleich nach den Booten, die Vorbereitungen zur Aufnahme dieser unerwarteten Gefangenen zu treffen. Der Lootse war mit so starker Mannschaft gelandet, daß alle Boote der Fregatte gebraucht worden waren. Sie harrten ohnweit des Ufers der Rückkehr. Ein lauter Zuruf von Barnstable gab dem kommandirenden Offizier Nachricht. In wenig Augenblicken wimmelte es an der Küste von den geschäftigen, thätigen Matrosen der Schaluppen, Barken, Boote, Pinnassen, und wie man sonst damals die verschiedenen Beifahrzeuge eines Kriegsschiffes nannte. Hätte man die Furcht der Mädchen zu Rathe gezogen; so würde man für sie die Schaluppe gewählt haben. Sie gewährte den meisten Raum. Aber Barnstable hielt so eine Wahl der Ehre seiner Gäste für nachtheilig. Er befahl die lange niedrige Barke des Kapitains Munson auf den Sand laufen zu lassen, weil sie besonders als Ehrenboot galt. Funfzig Hände griffen an. Bald ward dem Obersten Howard und seinen Mündeln gemeldet: das kleine Fahrzeug sey, sie einzunehmen, bereit. Manuel hatte auf einer Klippe mit seiner ganzen Mannschaft Posto gefaßt, und war geschäftig, Pikets und Wachen auszustellen, wie er es in der Kunstsprache nannte, den Leuten die nöthigen Befehle zu geben, die Einschiffung der Seeleute zu decken. Die gemeinen Gefangenen, mit Einschluß der Dienerschaft, und Borroughcliffe's Soldaten wurden ebenfalls hier unter gehöriger Bedeckung festgehalten, während Oberst Howard und sein Gefährte, von seinen Mündeln und deren Mädchen begleitet, den steilen Pfad nach der Küste hinabstiegen, und geduldig am Strande harrten, bis die Meldung kam, daß die Boote ihrer warteten.

»Wo ist er?« fragte Alix Dunscombe, und drehte sich um, als suche sie noch Jemand, außer denen, die da standen.

»Wer?« fragte Barnstable. »Wir sind Alle hier, und das Boot wartet.«

»Und er will mich – mich aus dem Lande meiner Kindheit mitnehmen? Dem Lande meiner Geburt und meiner Liebe?«

»Ich weiß nicht, von wem Ihr sprecht: aber wenn es Herrn Griffith gilt, so steht er da, dorten hinter dem Haufen Matrosen;« versetzte Barnstable.

Griffith hörte seinen Namen. Er näherte sich den Frauen, und zum ersten Mal sprach er mit ihnen; seitdem es aus der Abtei fortgegangen war.

»Ich hoffe,« bemerkte er, »daß ich bereits verstanden worden bin; daß ich nicht nöthig zu sagen habe, keine Dame sey hier gefangen. Sollte aber eine es vorziehen, sich an Bord unserer Schiffe zu wagen; so gebe ich mein Ehrenwort als Offizier, sie wird Schutz und Sicherheit finden.«

»So will ich nicht mitgehn!« sagte Alix.

»Von Dir hat man es nicht erwartet!« sprach Cecilie. »Du bist durch keine Banden an Jemanden hier gefesselt! – (Aber die Augen der sanften Alix irrten überall herum!) Geh, gute Alix; sey Herrinn in St. Ruth, bis ich wieder komme, oder bis mein Onkel seinen Willen kund thut!«

Sie schlug dabei furchtsam die Augen nieder.

»Ich gehorche Dir, Theure; aber der Agent des Herrn Obersten in London wird wohl Befehl haben, seine Besitzungen zu verwalten?«

So lange nur seine Nichte sprach, glaubte der erbitterte Besitzer von St. Ruth immer gleich berechtigt zu seyn, in seinem finstern Schweigen zu beharren. Aber er hatte zu viel Artigkeit, eine so bescheidene Aeußerung von einer solchen schönen, loyalen Unterthaninn, wie Alix Dunscombe, schweigend hingehn zu lassen.

»Aus Rücksicht von Euch, aber aus keinem andern Grunde, will ich darüber sprechen,« nahm er das Wort. »Sonst hätte ich Thore und Fenster von St. Ruth offen gelassen, ein trauriges Denkmal der Rebellion! Ich hätte meinen Ersatz künftig bei der Krone gesucht, wenn die konfiscirten Güter der Anführer dieses Eingriffs in alle Fürstenrechte zur Versteigerung kommen werden! Aber Ihr, Miß Alix, habt auf jede Rücksicht ein Recht, wie es eine Dame von einem gebildeten Mann erwarten kann! Habt daher die Güte, an meinen Agenten zu schreiben. Er soll meine Papiere versiegeln, und sie in die Kanzlei des Minister-Staatssekretairs Sr. Majestät einliefern. Sie athmen keinen Verrath, und haben ein Recht auf den öffentlichen Schutz. Haus und die meisten Möbeln sind, wie Ihr wißt, Eigenthum meines Pachters, und dieser wird seiner Zeit, ohne Zweifel, den eignen Vortheil wahrnehmen. Ich küsse Euch die Hand, Miß, und hoffe, wir wollen uns in St. James Pallast wiedersehn. Verlaßt Euch darauf, die Königinn Charlotte soll Eure Verdienste belohnen. Ich weiß, sie kann Eure Loyalität nur schätzen!«

»Ich war in demüthiger Dunkelheit geboren, hier habe ich gelebt, und hoffe in Ruhe zu sterben!« erwiederte die sanfte Alix. »Hab' ich in den letzten Jahren außer den Freuden, die jeder Christ in der täglichen Ausübung seiner Pflichten findet, irgend eine gehabt; so war es in Eurer Gesellschaft, süße Freundinnen! Solche Gefährtinnen, in einem so entfernten Theile des Königreichs, sind ein zu kostbares Gut, um ungestört genossen zu werden, und ich, scheint es, soll nun empfundene Freuden mit gegenwärtigem Schmerz bezahlen! Lebt wohl, junge Freundinnen! Vertraut auf Ihn, in dessen Augen der Fürst und der Landmann, der Europäer und Amerikaner gleich ist, und wir werden uns wieder sehn, sollte es auch weder auf Britanniens Insel, noch auf Eurem weiten Continente seyn!«

Der Oberst drückte zärtlich ihre Hand.

»Das ist die erste, nicht loyale Aeußerung, die ich je über Miß Alix's Lippen kommen hörte!« sagte er. »Wir müssen annehmen, der Himmel habe ebenfalls verschiedene Klassen unter den Menschen geordnet, und er sollte also nicht die Ordnung seiner Werke beachten? Doch, lebt wohl! Ohne Zweifel würden wir über diesen Gegenstand wenig oder gar nicht verschiedener Meinung seyn, wenn sonst die Zeit zur gehörigen Auseinandersetzung desselben da wäre.«

Alix schien in solchem Augenblicke die Sache keiner weitern Untersuchung werth zu achten. Sie erwiederte freundlich des Obersten Abschied, und dann war sie ganz für ihre Freundinnen. Cecilie weinte bitterlich. Sie hatte ihr Köpfchen auf die Schulter der geachteten Freundinn gelegt, und ließ dem Schmerz des Abschiedes, dem aufgeregten Gefühl freien Lauf. Katharine drängte sich mit fühlendem und doch – Trennung wünschendem Herzen dicht an sie. Schweigend umarmte Eine die Andere. Die jungen Mädchen gingen dem Boote zu, als sie sich aus den Armen von Alix losgemacht hatten. Oberst Howard wollte weder den Vortritt vor seiner Nichte haben, noch ihr in die Barke helfen. Barnstable bewies ihnen diese Aufmerksamkeit. Als er sah, daß Beide mit ihren Dienerinnen im Boote Platz genommen hatten, meldete er den Gefangenen, daß sie erwartet würden.

»Nun, Miß Alix,« sagte Borroughcliffe mit bitterm Spotte, »Ihr seyd von unserm trefflichen Wirthe mit einer Meldung an seinen Agenten beauftragt. Uebernehmt doch gefälligst von mir ein gleiches Geschäft. Rapportirt an den Distriktskommendanten, was ein Dummkopf – ja, sprecht nur gerade aus, sagt, was ein Esel, ein Borroughcliffe, bei der Gelegenheit gemacht hat. Ihr könnt so nebenbei mit melden, ich hätte mit einem jungen Rebellenmädchen aus den Kolonieen blinde Kuh gespielt, und sey wie großer Junge vor lauter Arbeit auf die Nase gefallen! – Kommt, mein würdiger Herr Wirth! oder besser, mitgefangener Kamerad! Ich folge Euch, wie sich's gehört.«

»Halt!« rief Griffith. »Kapitain Borroughcliffe besteigt nicht das Boot.«

»Was? Soll ich mit den Gemeinen zusammen in eine Horde kommen? Vergeßt Ihr, daß ich die Ehre habe, Sr. Majestät von Großbrittannien Uniform zu tragen?«

»Ich vergesse nichts, was ein Ehrenmann dem andern schuldig ist, Kapitain, und erinnere mich, wie liebevoll Ihr mich behandeltet, als ich Euer Gefangener war. Den Augenblick, wo die Sicherheit meiner Mannschaft es zu thun erlaubt, sollt nicht nur Ihr, sondern auch Eure Mannschaft soll in Freiheit gesetzt werden!«

Borroughcliffe war überrascht, allein sein Gefühl doch zu aufgeregt. Die Träume von Ehre, denen er sich einen bis zwei Tage lang so ganz hingegeben hatte, waren ja alle dahin. Er konnte nicht antworten, wie es einem Manne jetzt geziemte, und suchte nur Herr seiner Unruhe zu werden, indem er an der Küste auf und abging, und halb vor sich hin ein lustiges Liedchen zu pfeifen strebte.

»Nun, gut! Alle Gefangenen sind eingeschifft!« rief Barnstable. »Das Boot wartet nur auf seine Offiziere.«

Griffith ging mit stolzem Stillschweigen fort, als sey es ihm zu gering, mit seinem sonstigen Freunde ein Wort zu wechseln. Einen Augenblick hielt Barnstable in Folge der Aufmerksamkeit an, welche lange Gewohnheit gegen den höhern Offizier erzeugt hatte, und die nicht durch jeden Ausbruch von Unwillen verscheucht werden konnte. Allein er sah, daß der Andere keine Lust zur Rückkehr hatte, und befahl daher den Matrosen, die Barke abzustoßen, und in's Wasser zu bringen. Augenblicklich ward dem Gehorsam geleistet. Der junge Mann nahm seinen Platz ein, als die Barke die noch bedeutende, aber nicht mehr gefährliche Brandung durchschnitt, und die Matrosen sprangen an ihre Plätze.

»Immer macht fort! rudert zu, Jungens!« rief er; »Wenn auch die Jacke naß wird! Ich habe manchen Burschen hier anlanden sehen, wo das Wetter schlimmer war! – Nun, jetzt habt Ihr sie herum! Schlagt zu! Immer zu, Kinder!«

Die Matrosen handhabten in gleichem Schlage ihre Ruder, und wurden mit vereinter Kraft bald Herren des Bootes. Als es einige Wogen, und eben so einige Berge der Brandung überstiegen hatte, war es im ruhigen Fahrwasser des Ozean's und zerschnitt dessen Fluthen, nach dem Orte hineilend, wo man die wartende Alacrity vermuthete.


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