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Fünfzehntes Kapitel: Gebirgsverteidigung

Der Einfluß des Gebirgsbodens auf die Kriegführung ist sehr groß, der Gegenstand also für die Theorie sehr wichtig. Da dieser Einfluß ein aufhaltendes Prinzip in die Handlung bringt, so gehört er zunächst der Verteidigung an; wir werden ihn also hier abhandeln, ohne bei dem engeren Begriff einer Gebirgsverteidigung stehen zu bleiben. Da wir bei der Betrachtung dieses Gegenstandes in manchen Punkten ein der gewöhnlichen Meinung entgegenlaufendes Resultat gefunden haben, so werden wir in manche Zergliederung eingehen müssen. Zuerst wollen wir die taktische Natur des Gegenstandes betrachten, um den strategischen Anknüpfungspunkt zu gewinnen.

Die unendliche Schwierigkeit, die ein Marsch mit großen Kolonnen auf Gebirgswegen hat, die außerordentliche Stärke, die ein kleiner Posten durch eine steile Bergfläche bekommt, die seine Fronte deckt, und durch Schluchten rechts und links, an die er sich stützen kann, sind unstreitig die beiden Hauptumstände, welche der Gebirgsverteidigung von jeher einen so allgemeinen Anspruch auf Wirksamkeit und Stärke verliehen haben, daß nur die Eigentümlichkeiten gewisser Zeiten in Bewaffnung und Taktik die großen Massen der Streitkräfte davon entfernt gehalten haben.

Wenn sich eine Kolonne in Schlangenlinien mühsam durch enge Schluchten den Berg hinaufwindet und sich schneckenartig über ihn fortschiebt, die Artilleristen und Trainknechte mit Fluchen und Schreien die abgetriebenen Gäule durch die rauhen Hohlwege peitschen, jeder zerbrochene Wagen mit unsäglicher Mühe hinausgebracht werden muß, während hinten alles stockt, schimpft und flucht, so denkt ein jeder bei sich - nun, hier dürfte der Feind nur mit ein paar hundert Mann kommen, um alles davonzujagen. Daher kommt der Ausdruck der historischen Schriftsteller, wenn sie von Straßenengen sprechen, wo eine Handvoll Menschen ganze Heere aufhalten könnten. Indes weiß jeder oder sollte jeder wissen, der den Krieg kennt, daß ein solcher Zug durchs Gebirge wenig oder gar nichts mit dem Angriff desselben gemein hat, und daß darum der Schluß von dieser Schwierigkeit auf eine noch viel größere beim Angriff falsch ist.

Natürlich ist es, daß ein Unerfahrener diesen Schluß macht, und fast ebenso natürlich, daß die Kriegskunst einer gewissen Zeit selbst in diesen Irrtum verwickelt wurde, die Erscheinung war dem Kriegserfahrenen damals fast ebenso neu als dem Fremdling. Vor dem Dreißigjährigen Kriege war bei der tiefen Schlachtordnung, der vielen Reiterei, den unausgebildeten Feuerwaffen und anderen Eigentümlichkeiten die Benutzung starker Hindernisse des Bodens sehr ungewöhnlich und eine förmliche Gebirgsverteidigung, wenigstens durch die regelmäßigen Truppen, fast unmöglich. Fast wie die Schlachtordnung gedehnter, das Fußvolk und bei diesem die Feuerwaffe die Hauptsache wurde, dachte man an Berge und Täler. Hundert Jahre gingen hin, ehe sich dies bis auf den höchsten Punkt ausbildete, nämlich bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.

Der zweite Umstand, nämlich die große Widerstandsfähigkeit, welche ein kleiner Posten, in einem schwierigen Zugang aufgestellt, durch diesen bekommt, war noch viel mehr geeignet, auf eine große Kraft der Gebirgsverteidigung schließen zu lassen. Man dürfte ja, schien es, einen solchen Posten nur mit einer gewissen Zahl multiplizieren, um aus einem Bataillon ein Heer und aus einem Berg ein Gebirge zu machen.

Es ist unverkennbar, daß ein kleiner Posten bei einer guten Auswahl seiner Aufstellung im Gebirge eine ungewöhnliche Stärke bekommt. Ein Haufe, der in der Ebene von ein paar Schwadronen verjagt würde und von Glück zu sagen hätte, wenn er durch den eiligsten Rückzug sich vor Auflösung und Gefangenschaft rettete, ist imstande, im Gebirge, man möchte sagen mit einer Art taktischer Frechheit einer ganzen Armee unter die Augen zu treten und von ihr die kriegerischen Ehren eines methodischen Angriffs, einer Umgehung usw. zu fordern. Wie er diese Widerstandsfähigkeit durch Hindernisse des Zuganges, durch Flügelstützpunkte, durch neue Stellungen, die er auf seinem Rückzug findet, gewinnt, ist von der Taktik zu entwickeln, wir nehmen es als einen Erfahrungssatz an.

Es war sehr natürlich, zu glauben, daß eine Menge solcher starker Posten, einer neben den anderen hingestellt, eine sehr starke, fast unangreifbare Fronte geben mußte, und es kam also nur darauf an, sich gegen die Umgehung zu sichern, indem man sich rechts und links so weit ausdehnte, bis man entweder Anlehnungspunkte fand, die der Wichtigkeit des Ganzen angemessen waren, oder bis man glauben konnte, durch die Ausdehnung selbst gegen eine Umgehung gesichert zu sein. Ein Gebirgsland ladet dazu besonders ein, denn es bietet sich eine solche Menge von Posten dar, deren einer immer schöner wie der andere zu sein scheint, daß man schon deshalb nicht weiß, wo man aufhören soll. Man endigte also damit, in einer gewissen Weite alle und jede Eingänge des Gebirges mit Abteilungen zu besetzen und zu verteidigen und glaubte, wenn man so mit zehn oder fünfzehn einzelnen Posten einen Raum von etwa zehn Meilen und darüber einnahm, doch endlich vor dem verhaßten Umgehen Ruhe haben zu können. Da nun diese einzelnen Posten durch einen unzugänglichen Boden (weil man mit Kolonnen nicht außer den Wegen marschieren kann) genau miteinander verbunden schienen, so glaubte man dem Feinde eine eherne Mauer entgegengestellt zu haben. Zum Überfluß behielt man noch ein paar Bataillons, einige reitende Batterien und ein Dutzend Schwadronen Reiterei in Reserve für den Fall, daß durch ein halbes Wunder irgendwo ein Durchbruch stattfinden sollte.

Daß diese Vorstellung völlig historisch ist, wird niemand leugnen, und daß wir über diese Verkehrtheit völlig hinaus wären, ist nicht zu behaupten.

Der Gang, welchen die Ausbildung der Taktik seit dem Mittelalter mit den immer zahlreicher werdenden Heeren genommen hat, hat gleichfalls beigetragen, den Gebirgsboden in diesem Sinn in die militärische Handlung zu ziehen.

Der Hauptcharakter der Gebirgsverteidigung ist die entschiedenste Passivität; es war also, ehe die Armeen ihre jetzige Beweglichkeit erhalten hatten, die Tendenz zur Gebirgsverteidigung von der Seite ziemlich natürlich. Die Heere waren immer größer geworden und fingen immer mehr an, sich des Feuers wegen in langen und dünnen Linien aufzustellen, deren Zusammenhang sehr künstlich und deren Bewegung sehr schwierig, oft unmöglich war. Die Aufstellung dieser künstlichen Maschine war oft ein halbes Tagewerk, und die halbe Schlacht und fast alles, was jetzt den Schlachtenentwurf ausmacht, ging in ihr auf. War dieses Werk einmal vollendet, so war es schwer, nach neueingetretenen Umständen eine Abänderung zu treffen; daraus folgte, daß der Angreifende, der seinen Aufmarsch später besorgte, ihn mit Beziehung auf die Stellung des Verteidigers nehmen, und daß dieser dies nicht erwidern konnte. Der Angriff gewann also ein allgemeines Übergewicht und die Verteidigung wußte dies nicht anders einzubringen, als wenn sie Schutz hinter Hindernissen des Bodens suchte, und da gab es denn kein so allgemeines und wirksames wie den Gebirgsboden. Man suchte also das Heer mit einem tüchtigen Bodenabschnitt gewissermaßen zu kopulieren. Beide machten dann gemeinschaftliche Sache. Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon. So gewann die passive Verteidigung durch eine Gebirgsgegend einen hohen Grad von Stärke, und es war in der Sache selbst noch kein Übel enthalten, als daß man die Freiheit der Bewegung noch mehr verlor, von der man aber ohnehin keinen sonderlichen Gebrauch zu machen wußte.

Wo zwei feindliche Systeme aufeinander einwirken, da zieht die preisgegebene Seite, d. i. die Schwäche des einen immer die Stöße des anderen auf sich. Steht der Verteidiger in Posten, die an sich fest und unüberwindlich sind, starr und wie angenagelt fest, so wird der Angreifende im Umgehen dadurch dreist gemacht, weil er für seine eigenen Seiten nichts mehr zu besorgen hat. Dies geschah - das sogenannte Tournieren kam bald an die Tagesordnung; ihm zu begegnen, dehnten sich die Stellungen immer mehr und mehr aus, sie wurden dafür in der Fronte gehörig geschwächt und der Angriff wandte sich plötzlich auf die entgegengesetzte Seite: statt durch Ausdehnung zu überflügeln, vereinigte er seine Massen gegen einen Punkt und zersprengte die Linie. Auf diesem Punkte ungefähr hat sich die Gebirgsverteidigung der neuesten Kriegsgeschichte befunden.

Der Angriff hatte also wieder ein vollkommenes Übergewicht errungen, und zwar durch die immer mehr ausgebildete Beweglichkeit: nur in dieser konnte die Verteidigung Hilfe suchen; der Beweglichkeit aber ist der Gebirgsboden seiner Natur nach entgegen, und es hat daher, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, die ganze Gebirgsverteidigung eine Niederlage erlitten, der ähnlich, welche die in ihr befangenen Heere im Revolutionskrieg so oft erfahren haben.

Damit wir aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und uns mit dem Strom der Gemeinsprüche zu Behauptungen fortreißen lassen, die im wirklichen Leben tausendmal durch die Gewalt der Umstände widerlegt werden, müssen wir die Wirkungen der Gebirgsverteidigung nach der Natur der Fälle unterscheiden.

Die Hauptfrage, welche hier zur Entscheidung kommt, und die über den ganzen Gegenstand das Hauptlicht verbreitet, ist, ob der Widerstand, welchen man mit der Gebirgsverteidigung beabsichtigt, ein relativer oder ein absoluter sein, ob er nur eine Zeitlang dauern oder mit einem entschiedenen Siege endigen soll. Für den Widerstand der ersteren Art ist der Gebirgsboden im höchsten Grade geeignet, er trägt ein sehr großes Prinzip der Verstärkung hinein; für den der letzteren Art ist er es dagegen im allgemeinen gar nicht und nur in einigen besonderen Fällen.

Im Gebirge ist jede Bewegung langsamer und schwieriger, sie kostet mithin mehr Zeit, und wenn sie in der Region der Gefahr gemacht wird, mehr Menschen. Aufwand von Zeit und Menschen machen aber das Maß des geleisteten Widerstandes aus. Solange also die Bewegungen allein die Sache des Angreifenden sind, solange hat der Verteidiger ein entschiedenes Übergewicht, sobald aber der Verteidiger das Prinzip der Bewegung auch anwenden soll, so hört dieser Vorteil auf. Nun liegt es in der Natur der Sache, d. h. in taktischen Gründen, daß ein relativer Widerstand eine viel größere Passivität zuläßt als einer, der zur Entscheidung führen soll, und daß er erlaubt, diese Passivität bis aufs äußerste, d. h. bis ans Ende des Gefechts auszudehnen, welches in dem anderen Falle niemals geschehen darf. Das erschwerende Element des Gebirgsbodens, welches als ein dichteres Mittel alle positiven Tätigkeiten schwächt, ist also ganz für ihn geeignet.

Daß ein kleiner Posten im Gebirge durch die Natur des Bodens eine ungewöhnliche Stärke bekommt, haben wir schon gesagt, wir müssen aber, obgleich dieses taktische Resultat sonst keines weiteren Beweises bedürfte, noch eine Erläuterung hinzufügen. Es ist nämlich hier die relative von der absoluten Kleinheit zu unterscheiden. Wenn ein Heerhaufe von irgendeiner Größe einen seiner Teile isoliert aufstellt, so ist dieser möglicherweise dem Angriff des ganzen feindlichen Heerhaufens, also einer überlegenen Macht ausgesetzt, gegen die er selbst klein ist. Da kann in der Regel kein absoluter, sondern nur ein relativer Widerstand der Zweck sein. Je kleiner der Posten im Verhältnis zu seinem eigenen und dem feindlichen Ganzen ist, um so mehr ist dies wahr.

Aber auch der absolut kleine Posten, d. h. der, welcher einen nicht stärkeren Feind gegen sich hat, also an einen absoluten Widerstand, an einen eigentlichen Sieg denken dürfte, wird sich im Gebirge unendlich viel besser befinden als ein großes Heer und von der Stärke des Bodens mehr Nutzen ziehen als dieses, wie wir das weiter unten zeigen werden.

Unser Resultat ist also, daß ein kleiner Posten im Gebirge eine große Stärke hat. Wie das in allen Fällen, wo es auf einen relativen Widerstand ankommt, von entscheidendem Nutzen sein wird, ist an sich klar; wird es aber für den absoluten Widerstand eines Heeres von ebenso entscheidendem Nutzen sein? Auf die Untersuchung dieser Frage kommt es uns jetzt an.

Zuerst fragen wir weiter: ob eine Frontelinie, von mehreren solchen Posten zusammengesetzt, eine verhältnismäßig ebenso große Stärke haben wird wie jeder einzelne, welches man bisher anzunehmen pflegte. Gewiß nicht, und zwar weil man mit diesem Schlusse von zwei Irrtümern den einen oder anderen begehen würde.

Zuerst verwechselt man oft eine unwegsame Gegend mit einer unzugänglichen. Wo man nicht mit einer Kolonne, nicht mit Artillerie und Kavallerie marschieren kann, da kann man meistens doch mit Infanterie vorgehen, da kann man auch wohl Artillerie vorschieben, denn die sehr angestrengten, aber kurzen Bewegungen im Gefecht sind nicht mit dem Maßstab des Marsches zu messen. Die sichere Verbindung der einzelnen Posten untereinander beruht also geradezu auf einer Illusion, und die Flanken derselben sind dadurch bedroht.

Oder man glaubt die Reihe der kleinen Posten, welche auf ihrer Fronte sehr stark sind, deswegen auch auf ihren Flanken von ebensolcher Stärke, weil eine Schlucht, ein Felsenriff usw. ganz gute Anlehnungspunkte für einen kleinen Posten sind. Warum aber sind sie es? - Nicht weil sie das Umgehen unmöglich machten, sondern weil sie mit demselben einen der Wirkung des Postens angemessenen Zeit- und Kraftaufwand verbinden. Der Feind, welcher einen solchen Posten trotz der Schwierigkeit des Bodens umgehen will und muß, weil die Fronte unangreifbar ist, braucht vielleicht einen halben Tag, um dies Manöver auszuführen, und wird es dennoch nicht können, ohne Menschen dabei aufzuopfern. Ist nun ein solcher Posten auf Unterstützung angewiesen oder darauf berechnet, nur eine Zeitlang Widerstand zu leisten, oder endlich, ist er dem Feinde an Stärke ganz gewachsen, so hat die Flügelstützung das ihrige getan, und man konnte also sagen, er hatte nicht allein eine starke Fronte, sondern auch starke Flügel. So ist es aber nicht, wenn von einer Reihe von Posten die Rede ist, die zu einer ausgedehnten Gebirgsstellung gehören. Da findet keine jener drei Bedingungen statt. Der Feind fällt mit sehr überlegener Macht auf einen Punkt, die Unterstützung von hinten ist höchst unbedeutend, und doch kommt es auf ein absolutes Abwehren an. Unter diesen Umständen ist die Flügelanlehnung solcher Posten für nichts zu achten.

Auf diese Blöße hat der Angriff seine Stöße gerichtet. Ein Anfall mit vereinigter, also sehr überlegener Kraft auf einem der Frontepunkte hat einen für diesen Punkt sehr heftigen, für das Ganze aber sehr unbedeutenden Widerstand hervorgebracht, nach dessen Überwindung das Ganze gesprengt und der Zweck erreicht war. -

Es geht hieraus hervor, daß der relative Widerstand im Gebirge überhaupt größer ist als in der Ebene, daß er verhältnismäßig am größten ist bei kleinen Posten und nicht in dem Maße steigt, wie die Massen zunehmen. -

Wenden wir uns nun zu dem eigentlichen Zweck allgemeiner großer Gefechte, zu dem positiven Sieg, der auch das Ziel bei einer Gebirgsverteidigung sein muß, sobald das Ganze oder die Hauptmacht dazu verwendet wird, so verwandelt sich eo ipso die Gebirgsverteidigung in eine Verteidigungsschlacht im Gebirge. Eine Schlacht, d. h. die Anwendung aller Streitkräfte zur Vernichtung der feindlichen, wird jetzt die Form, ein Sieg wird der Zweck des Gefechts. Die Gebirgsverteidigung, welche dabei vorkommt, wird untergeordnet, ist nicht mehr Zweck, sondern Mittel. Und wie wird sich nun in diesem Fall der Gebirgsboden zu diesem Zweck verhalten?

Der Charakter der Defensivschlacht ist eine passive Reaktion in der Fronte und eine potenzierte aktive in unserem Rücken, dabei ist aber ein Gebirgsboden ein tötendes Prinzip. Zwei Dinge machen ihn dazu. Erstens sind keine Wege da, um in allen Richtungen von hinten nach vorn schnell marschieren zu können, und selbst der taktische plötzliche Anfall wird durch die Unebenheit des Bodens geschwächt; zweitens fehlt die Übersicht der Gegend und der feindlichen Bewegungen. Der Gebirgsboden gewährt also hier dem Feinde dieselben Vorteile, die er uns in der Fronte gegeben hat, und lähmt die ganze bessere Hälfte des Widerstandes. Nun kommt noch ein Drittes hinzu: es ist die Gefahr, abgeschnitten zu werden. So sehr der Rückzug gegen den ganzen Druck in der Fronte durch den Gebirgsboden begünstigt wird, so viel Zeitverlust dieser dem Feinde verursacht, wenn er uns umgehen will, so sind doch das eben auch nur wieder Vorteile für den Fall des relativen Widerstandes, die auf den Fall einer entscheidenden Schlacht, d. h. eines Ausharrens bis aufs äußerste, keine Beziehung haben. Zwar wird es auch hier etwas länger dauern, bis der Feind mit seines Flügelkolonnen die Punkte eingenommen hat, welche unseren Rückzug bedrohen oder geradezu sperren; hat er sie aber erreicht, so ist auch keine Hilfe dagegen mehr möglich. Keine Offensive von hinten her kann ihn aus den drohenden Punkten wieder vertreiben, kein verzweiflungsvolles Draufwerfen mit dem Ganzen ihn in den sperrenden überwältigen. Wer hierin einen Widerspruch findet und glaubt, es müßten die Vorteile, die der Angreifende im Gebirge hat, auch dem sich Durchschlagenden zugute kommen, der vergißt die Verschiedenheit der Umstände. Das Korps, welches den Durchgang streitig macht, hat nicht die Aufgabe einer absoluten Verteidigung, wenige Stunden reichen wahrscheinlich hin; es ist also in dem Fall eines kleinen Postens. Außerdem befindet sich der Gegner nicht mehr im Besitz aller Streitmittel, er ist in Unordnung, es fehlt an Munition usw. Es ist also in jedem Fall die Aussicht zum Erfolg sehr gering, und diese Gefahr macht, daß der Verteidiger diesen Fall mehr als alles fürchtet; diese Furcht aber wirkt zurück durch die ganze Schlacht und schwächt alle Fibern des ringenden Athleten. Es entsteht eine krankhafte Reizbarkeit auf den Flanken; und jede Handvoll Menschen, die der Angreifende auf einer waldigen Berglehne in unserem Rücken figurieren läßt, wird ihm ein neuer Hebel zum Siege.

Diese Nachteile würden größtenteils verschwinden und alle Vorteile bleiben, wenn die Verteidigung des Gebirges in der vereinten Aufstellung des Heeres auf einem weiten Gebirgsplateau bestände. Hier könnte man sich eine starke Fronte, sehr schwer zugängliche Flanken und doch die vollkommenste Freiheit in allen Bewegungen im Innern und im Rücken der Stellung denken. Eine solche Stellung wurde zu den stärksten gehören, die es gibt. Allein dies ist fast nur eine illusorische Vorstellung, denn obgleich die meisten Gebirge auf ihrem Rücken etwas zugänglicher sind als an ihren Abhängen, so sind doch die meisten Hochebenen der Gebirge entweder für diesen Zweck zu klein, oder sie führen den Namen nicht mit vollem Recht und mehr in einer geologischen als geometrischen Bedeutung.

Ferner vermindern sich die Nachteile einer Defensivstellung im Gebirge für kleinere Heerhaufen, wie wir das schon angedeutet haben. Der Grund davon ist, weil sie weniger Raum einnehmen, weniger Rückzugsstraßen brauchen usw. Ein einzelner Berg ist kein Gebirge und hat nicht die Nachteile desselben. Je kleiner aber ein Heerhaufe wird, um so mehr wird sich seine Aufstellung auf einzelne Rücken und Berge beschränken und nicht nötig haben, sich in das vom Schleier der Wälder bedeckte Gewebe steiler Einschnitte zu verwickeln, welches die Quelle aller jener Nachteile ist.


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